Am Mittwochmorgen des 4. Dezember 2024 wurde Brian Thompson, der Geschäftsführer der größten US Krankenversicherungsanstalt, United Healthcare, in New York erschossen. Die Tat von Luigi Mangione brachte den Klassenhass von Millionen zum Vorschein. Von Victoria Rainer.
Bei einem Gehalt von etwa 10 Millionen Dollar pro Jahr und einem geschätzten Vermögen von 43 Millionen Dollar hält sich die Trauer vieler US-Arbeiter für Thompson in Grenzen. Dafür ist die Sympathie für den Täter auf Social Media groß und überwindet sogar die Kulturkampf-Spaltung zwischen „rechts“ und „links“. In den letzten Tagen wurde Luigi Magione zu einer Art Volksheld. Die meisten Amerikaner haben genügend Grund, das marode Gesundheitssystem zu hassen. Medizinische Ausgaben sind die häufigste Ursache für Insolvenzen in den USA. 41 % der Bevölkerung sind mit Arztrechnungen verschuldet und drei Millionen Amerikaner haben Schulden in Höhe von 10.000 USD oder mehr. Und das, obwohl 90 % der Amerikaner krankenversichert sind.
Der Mord war politisch motiviert: Auf den Patronenhülsen stand „Depose“, „Deny“ und „Defend“ (das spielt auf die gängige Praxis der Versicherungskonzerne an, Auszahlungen hinauszuzögern oder komplett abzulehnen). Laut Statistiken lehnt UnitedHealthcare 32% aller Ansprüche ab und stürzt so tausende Menschen ins Elend. Millionen Amerikaner stehen regelmäßig vor der Wahl, entweder in lähmende Schulden zu geraten oder ihre Gesundheit zu gefährden. Luigi Magione erklärte seine Tat in einem Manifest:
„Ich entschuldige mich für etwaige Traumata, aber es musste getan werden. Offen gesagt, diese Parasiten haben es einfach verdient. Zur Erinnerung: Die USA haben das teuerste Gesundheitssystem der Welt, und doch liegen wir bei der Lebenserwartung auf Platz 42. United ist nach Marktkapitalisierung das größte Unternehmen in den USA, hinter Apple, Google und Walmart. Es ist gewachsen und gewachsen, aber wie steht es um unsere Lebenserwartung? Nein, die Realität ist, dass diese [unleserlich] einfach zu mächtig geworden sind, und sie missbrauchen unser Land weiterhin für immense Profite, weil die amerikanische Öffentlichkeit es ihnen erlaubt, damit durchzukommen. Offensichtlich ist das Problem komplexer, aber mir fehlt der Platz, und offen gesagt bin ich auch nicht die qualifizierteste Person, um die ganze Problematik darzulegen. Aber viele haben die Korruption und die Gier (z. B. Rosenthal, Moore) schon vor Jahrzehnten beleuchtet, und die Probleme bleiben einfach bestehen. Es ist keine Frage des Bewusstseins, sondern es sind eindeutig Machtinteressen im Spiel. Offensichtlich bin ich der erste, der sich dem mit solch brutaler Ehrlichkeit stellt.“ (Eigene Übersetzung)
Der Mord setzte am Hass vieler Menschen auf das System an. Aber wir müssen uns fragen: Bringen Morde an CEOs die Amerikaner wirklich einem Gesundheitssystem, das nach den Bedürfnissen der Menschen ausgerichtet ist, näher? Oder werden die CEOs einfach ersetzt und die Repression erhöht? Nur der Sturz des Kapitalismus und die sozialistische Revolution können ein menschenwürdiges Gesundheitssystem garantieren. Wir weinen einem CEO, dessen Handlungen tausende Menschen auf dem Gewissen haben, keine Träne nach. Aber wir müssen uns die Frage der revolutionären Taktik nüchtern stellen. Individuelle Angriffe, isoliert vom Kampf der Massen, schaden mehr als sie helfen, weil sie die Selbstaktivität und Organisation der Arbeiterklasse hemmen, statt sie zu fördern.
Junge, aufopferungsvolle Menschen enden so tot oder im Gefängnis, anstatt ihr Leben dem systematischen und ausdauernden Kampf um revolutionäre Ideen in der Arbeiterbewegung und dem Aufbau einer Revolutionären Kommunistischen Partei zu verschreiben. Diese Partei bauen unsere Genossen der RCA in den USA und wir, die RKP in Österreich, auf. Wir bringen uns auch hierzulande bereits in den Kämpfen des Sozial- und Gesundheitssystems ein. Werde auch du zum Klassenkämpfer und trete bei!
(Funke Nr. 229/12.12.2025)