Josef Haas ist Personalvertreter und Betriebsrat bei den Wiener Linien. In diesem Interview berichtet er über seine Rolle als kämpferischer Gewerkschafter in einem ausgegliederten Bereich.
Frage: Josef, du bist Betriebsrat und Personalvertreter bei den Wiener Linien, wie stehst du zur Sozialdemokratie?
Antwort: Heute Sozialdemokrat zu sein hat mit der Politik der SPÖ nichts zu tun. Zuerst wurde ausgelagert und privatisiert und jetzt werden die Verluste reverstaatlicht, die Steuerzahler zahlen mehrmals. Die KonsumentInnen müssen schadlos gehalten werden, spekulatives Verhalten darf nicht belohnt und ohne Begleitmaßnahmen staatlich abgefangen werden.
Frage: Was hältst du von der Idee der Industriellen „Not-Kollektivverträge“ abzuschließen?
Antwort: Na sicher gar nichts!
Frage: Wen vertrittst du bei den Wiener Linien?
Antwort: Ich vertrete die KollegInnen der Abteilung Nachrichtentechnik & Zugsicherung, übe hier ein Mandat als Personalvertreter für „zugewiesene“ Gemeindebedienstete aus, fungiere als Betriebsrat für Kollektivvertrags-Bedienstete. Weiters vertrete ich die KollegInnen im Betriebsrat Fahrzeugtechnik und im Zentralbetriebsrat der Wiener Linien. In der Abteilung sind wir unicolor, also eine FSG-Liste. Dabei ist die Mitgliedschaft in der SPÖ für den Dienststellenausschuss keine Voraussetzung, die soziale Einstellung, aber auch die fachliche Qualifikation zählt. Uns wurde von KollegInnen auch schon nahe gelegt als Namensliste zu kandidieren; ich würde das auch tun, wenn sich das im Sinne der Interessenvertretung als notwendig herausstellen würde. Das unterste Dienstniveau der Abteilung ist der „Spezialfacharbeiter“, das ist wichtig für den Rahmen der Interessenvertretung.
Frage: Was heißt das konkret?
Antwort: Wenn in Fragen des dienstlichen Gefüges, der Arbeitszeit und der Besoldung unterschiedliche Meinungen auftreten sowie die Vertragstreue im Unternehmen nicht eingehalten wird, ich hier in Konflikt mit der FSG geraten würde, stelle ich die Vertretung der KollegInnen auf jeden Fall über die Fraktionszugehörigkeit. Ich muss sagen, dass es einen Lernprozess auf seitens der FSG gegeben hat. In den letzten Jahren hatte ich von Seiten der FSG nicht immer die notwendige Unterstützung, jetzt hat es aber geklappt.
Frage: Was war der Inhalt des Konfliktes?
Antwort: Das ist eine komplexe Materie, die sich am einfachsten so zusammenfassen lässt: Wir sind in einem ausgelagerten Unternehmen der Stadt Wien tätig, also einem privatrechtlich geführten Betrieb. Dienstrechtlich sind wir aber zum größten Teil noch immer auf dem Niveau des Magistrats. Die ManagerInnen der Wiener Linien und auch jene der Stadt Wien wollen das Dienstrecht auf das Niveau des Kollektivvertrages runterschrauben, um das auch einmal klar auszudrücken. Die Anwendung der EU-Arbeitszeitrichtlinie wäre, hätte es keine Verhandlungen auf niedriger Sozialpartnerebene gegeben, deren Grundlage der Artikel 18 war, möglich gewesen. Das hätte bei uns unweigerlich zu einem Zusammenbruch der Dienstzeiten geführt und die Einführung von Schichtdienst wäre unausweichlich gewesen. Dagegen verwehre ich mich im Sinne der KollegInnen strikt, das hat mich viel Zeit und auch Nerven gekostet. Ich werde mich bei den nächsten Landtagswahlen mit meiner Wahlstimme dafür revanchieren, viele Kollegen auch. Der Arbeitszeit ist vom Betriebsrat bindend zuzustimmen, nur dadurch konnte ich die Interessen der Belegschaft wahren.
Frage: Feste Ruhezeiten sind ein Vorteil für die KollegInnen!
Antwort: Auf den ersten Blick ja – das hätte bedeutet das wir regelmäßig Nachtdienst gehabt hätten, die Besoldung wäre weitaus geringer gewesen. Unsere derzeitige Lösung, Nachtdienst flexibel nach Bedarf, dafür aber gut besoldet, ist weitaus besser. Besoldungsmäßig wurde mit aller Gewalt eine „Gesamtzulage“ forciert, die aber für sehr viele Kollegen 150,– bis 400,– Euro Verlust im Monat bedeutet hätte; das war für uns absolut inakzeptabel.
Frage: Zusätzlich Arbeitsplätze hätten geschaffen werden können.
Antwort: Ja, aber auf Kosten der Beschäftigten, die ich dann selbst in eine wirtschaftlich bedenkliche Lage gebracht hätte, das ist falsch verstandene Solidarität. Es kann nicht sein, das Arbeitsplätze auf Kosten der jetzt Beschäftigten geschaffen werden.
Frage: Thema Sparen: NutzerInnen der Wiener Linien haben das Gefühl, dass sich Zugausfälle häufen!
Antwort: Also an unserer Abteilung liegt es nicht, dass dieses Gefühl entstanden ist. Aber es ist schon so, dass die vom Hersteller empfohlenen Revisionsfristen auf Empfehlung von BetriebsberaterInnen gestreckt wurden oder gar nicht eingehalten werden. Es gibt jedoch auch ein Mehr an Fahrgastinformationen und ein längeres Streckennetz als früher, die Leistung, die insgesamt durch die U-Bahn erbracht wird, ist beispielgebend für viele andere und auch größere Verkehrsbetriebe.
Frage: Wie würdest du in kurzen Worten deine Tätigkeit beschreiben?
Antwort: Heute ist das fast die Tätigkeit eines Juristen, die setzt einem nämlich das Unternehmen heute direkt gegenüber. Reden muss man immer, oftmals wird das bereits als Zustimmung missinterpretiert, das ist falsch. Diskutieren heißt noch lange nicht Zustimmung! Da habe ich mir schon viele FeindInnen gemacht, weil ich so manches Vorgelegte nicht unterschrieben habe.
Ich kenne den Betrieb und sein Gefüge. Bisher hat noch keinE BetriebsberaterIn, die in unsere Abteilung geschickt wurde, großes Einsparungspotential gefunden. Fachlich sind wir viel besser als externe ManagementberaterInnen, setzen uns auf Grund unseres Fachwissens und Verantwortungsbewusstseins auch durch. Die BeraterInnen kommen per Auftrag mit Rotstift, standardisierten Konzepten und Benchmarks, die mit unserer Realität nichts zu tun haben. Wir haben in der Abteilung eine eigene Lehrlingsausbildung, auch als Vorbild für andere, geschaffen. Nach der Lehre brauchen die KollegInnen aber noch fünf Jahre, um selbständig die Aufgaben der Zugsicherungstechnik zu meistern und die Sicherheit der FahrgästInnen zu gewährleisten; das macht weder einE BetriebsberaterIn noch einE ManagerIn und heutzutage auch kein PolitkerIn. Unsere leitenden TechnikerInnen werden zur Verantwortung gezogen, wenn die kaufmännischen Zahlen nicht passen, das ist Fakt. Der öffentliche Verkehr ist immer defizitär, aber die Budgetprobleme der Stadt Wien sind nicht unser Problem, wir haben den Finanzierungsvertrag, und der ist eng genug. Weitere Einsparungsmaßnahmen treffen dann auch die FahrgästInnen und das sollte auch gesagt werden.
Ich bin auch kein „Schulterklopfer“, so wie es viele in der Gewerkschaft gibt. „Machma schon, KollegIn“ – wie oft habe ich das gehört und wie oft hat es mich gestört, weil es dann nach hinten losgegangen ist. Ich klopfe aus Prinzip keine Schultern, finde das auch respektlos. Weiters akzeptiere ich auch keine blinde Partei- und Gewerkschaftsräson, die KollegInnen haben wir zu vertreten, sonst niemanden. Ich rede mit KollegInnen von allen Fraktionen, kann daraus lernen – ich hoffe umgekehrt auch. Ehrlich gesagt, gibt es „BetriebsrätInnen“, die ihre Tätigkeit besser einstellen sollten und so wie die SPÖ zur Zeit beisammen ist, glaube ich dass es ab einer gewissen Stufe keine Überschneidungen geben sollte, nämlich ab der Stufe, wo Politik gegen die Arbeitenden gemacht wird, unter dem Motto „wir alle müssen sparen“ – für wen eigentlich?
Frage: Was sagst du zu anderen Verkehrsbetrieben?
Antwort: Also die Zerschlagung von zusammenhängenden Bereichen in unterschiedliche Betriebe ist ein großer Fehler. Ich verstehe nicht, warum sie das zugelassen haben, bei der Post, beim Postbus und der Bahn. EU-Richtlinien dienen hier nur als Ausrede. Technologische Veränderungen müssen genützt werden, um die Position der Beschäftigten zu stärken – dort überall ist das Gegenteil passiert. Den Haberzettel versteh ich nicht – zuerst streiken – dann aufhören wenn es spannend wird. Was kümmerten sich die EisenbahnerInnen um die Hochöfen der VOEST, die VOEST war mit den EisenbahnerInnen auch nicht solidarisch.
Generell gehört die Grundversorgung in die Hände des Staates, dazu gehört die Bildung in Form einer hochwertigen Gesamtschule für alle, der öffentliche Verkehr, vor allem das Gesundheitswesen und Pensionen. Hier darf ganz einfach keine Geschäftemacherei durch Private, noch dazu nur auf Gewinn ausgerichtet, stattfinden. Verspekuliertes Geld von Firmenpensionen spricht hier eine deutliche Sprache.
Das Interview führte Emanuel Tomaselli für die Kampagne „Wir sind ÖGB“