Wir widmen diesen Artikel unserem Genossen Emerito M. Cruz, einem Kämpfer der APPO und Sympathisanten der Marxistischen Strömung Militante, der bei der Schlacht von Cerro del Fortin schwer verletzt wurde. Wir senden seiner Familie unser tiefstes Mitgefühl. Emerito war von der Polizei verhaftet und brutal zusammengeschlagen worden. Er erlitt einen Schädelbasisbruch und schwere innere Verletzungen und befindet sich momentan im Koma.
Mexiko, 18. Juli 2007
Die Konterrevolution hat in Oaxaca erneut für chaotische Verhältnisse gesorgt. Der 16. Juli steht für den Beginn einer neuen Offensive gegen das verkommene Regime des PRI-Gouverneurs von Oaxaca, Ulises Ruiz. Vor einigen Tagen hat der kriminelle Gouverneur den [unrechtmäßigen] Präsidenten Felipe Calderon um die Entsendung von Hunderten Bundespolizisten gebeten, um der neuen Offensive der Massenbewegung zu begegnen.
Im Laufe der Ereignisse wurden Hunderte – Polizisten und Aktivisten der Volksversammlung des Volkes von Oaxaca (APPO) – verletzt und Dutzende festgenommen. Dies ist die Bilanz nach vierstündiger Polizeigewalt gegen die Massen. Die Zusammenstöße begannen, nachdem 20.000 Demonstranten, die dem Aufruf der APPO gefolgt waren, versuchten das Freilichtauditorium Cerro del Fortin einzunehmen, um die „Volks-Guelaguetza“ abzuhalten. Die Guelaguetza ist ein traditionelles Fest, doch die indigene Fiesta, wurde schon seit Jahren zum exklusiven Anlass für Oligarchie und zahlungskräftige Touristas und ist von den offiziellen Organisatoren im Auftrag des Gouverneurs für die Zeit vom 23. bis 30. Juli geplant. Die neuen Zusammenstöße zeigen, dass die revolutionäre Energie der Massen von Oaxaca noch am Brennen ist und den Weg vorwärts zeigt.
Der APPO-Sprecher Florentino Lopez verkündete, dass die Lehrer für die Zeit vom 21. bis 30. Juli massenhaft mobilisieren, um die offizielle Guelaguetza zu boykottieren, ein Fest, welches die Bräuche und Traditionen der 16 in Oaxaca vertretenen ethnischen Gruppen in der Freilichthalle von Cerro del Fortin im Norden der Stadt der Öffentlichkeit präsentiert. Im letzten Jahr wurde die Guelaguetza wegen des Boykotts durch die APPO, als Teil des damals begonnenen Kampfes für den Rücktritt des Gouverneurs Ulises Ruiz, abgesagt.
Das war der Beginn der Kommune von Oaxaca. Deren brutale Unterdrückung im November 2006 wurde von der herrschenden Klasse als „völliger Sieg“ verkündet, obwohl weder die Kommune zerstört noch die Bewegung besiegt wurde. Trotz der augenscheinlichen Teilniederlage der Bewegung, glauben die Massen, dass sie zumindest einen moralischen Sieg errungen haben, da sie bewiesen haben, dass es möglich ist, die Macht des kapitalistischen Staates herauszufordern. Die moralische Sieg zeigte sich erneut am 02. Mai während des landesweiten Kampftages gegen die Angriffe auf das Rentensystem ISSSTE, an dem die APPO stark genug war, die Stadt Oaxaca vollkommen lahm zu legen. Damit konfrontiert, startete die herrschende Klasse eine neue Repressionswelle.
Am 29. Oktober schrieb Militante: „Die Bundespolizei brauchte einen kompromisslosen sechsstündigen Kampf, um den wichtigsten Platz von Oaxaca einzunehmen. Tausende verteidigten die Barrikaden der APPO. Die Bilder zeigen ein Kriegsszenario. Zwischenzeitlich gab es in Mexico City Demonstrationen gegen die Unterdrückung und für die Solidarität mit der APPO. Das Großkapital, die katholische Kirche, die bürgerlichen Medien unterstützten einstimmig und freudig das Eingreifen des vom damaligen Präsidenten Vicente Fox befohlenen Einsatzes der Bundespolizei PFP. Aber was wird in den nächsten Tagen geschehen? Wird der Normalzustand wieder einsetzen? Werden die APPO-Kämpfer geschlagen in ihre Häuser zurückkehren? Wir bezweifeln es. Marx erklärte, dass die Revolution manchmal durch die Peitsche der Konterrevolution vorangetrieben wird und genau das wird jetzt passieren und es wird nur eine vorübergehende Niederlage sein.“.
Weiter heißt es in unserem Artikel:
„Der Eingriff der Bundespolizei PFP zeigt nur die Schwäche des Systems. Er zeigt nur die Sackgasse, in der sich der mexikanische Kapitalismus befindet. Was auch immer sie bisher getan haben und jetzt tun, vom Standpunkt ihrer Klasseninteressen aus, ist es das Falsche. Sie glauben sie haben die Situation gelöst, nachdem sie den Zocalo, den Hauptplatz von Oaxaca, eingenommen haben. Wie falsch sie doch liegen! Wenn sich die PFP aus Oaxaca zurückzieht, wird die APPO ihre Positionen wieder einnehmen. Sind sie in der Lage die PFP für unbegrenzte Zeit in Oaxaca zu behalten? Liebe Kapitalisten, mit der Unterdrückung der APPO habt ihr einen groben Fehler gemacht, stellt Euch darauf ein, die Konsequenzen daraus zu bedauern.“
In Wirklichkeit entspricht die Offensive von Ulises und Calderon einer Position der Schwäche des Regimes. Wenn ein Tier verletzt ist, sich in die Ecke gedrängt fühlt, reagiert es aggressiv. Die Rechten sind weit davon entfernt aus einer Position der Stärke zu agieren und der neue Angriff enthüllt ihre Schwäche. Der einzige Grund, warum das Regime in der Lage ist, überhaupt repressiv vorzugehen, liegt in der Kollaboration der PRD-Führung. Es ist die Zeit des Kampfes, nicht der Versöhnung. Nur die physische Unterdrückung bleibt dem bürgerlichen Staat, wenn die Mechanismen der ideologischen Zwangsmittel sich als nicht ausreichend erwiesen haben, sie ist ein Zeichen der Verschärfung des Klassenkampfes, nicht aber der Stärke des Regimes.
Die begeisternde Bewegung der APPO in Oaxaca ist ein kleiner Hinweis auf das enorme Reservoir an revolutionärer Energie der mexikanischen Massen. Ein Jahr nach diesen bedeutsamen Ereignissen – des Kampfes gegen den Wahlbetrug und den Aufstand von Oaxaca – ist es notwendig die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen. Es ist nötig, den Kampf der Menschen von Oaxaca zu koordinieren und im ganzen Land zu verbreiten. Nach dieser neuen Repressionswelle ist es zwingend erforderlich, die Bewegung sobald wie möglich auf die Landeshauptstadt auszuweiten; wir müssen die Bewegung von Oaxaca verteidigen und ins Zentrum der nationalen Aufmerksamkeit bringen; wir müssen die Isolation durchbrechen! Die Bewegung muss einen landesweiten Charakter annehmen, denn die Isolation verstärkt die Unterdrückung.
Die Führung der APPO braucht eine taktische Klarheit, aber vor allem muss die APPO ein für allemal jeden Versuch aufgeben, sich mit der herrschenden Klasse zu versöhnen. Die Erfahrungen haben gezeigt, dass alle Versuche der APPO zu verhandeln zu einer direkten Unterdrückung durch den Staat geführt haben! Dies hat sich während der heldenhaften Bewegung der APPO immer wieder erwiesen. Jetzt, nach den neuen Angriffen, sollte es das Ziel sein, neben der Forderung nach dem Rücktritt des reaktionären PRI-Gouverneurs Ulises Ruiz, eine lokale Wählerversammlung einzuberufen, die nicht nur die offizielle Guelaguetza boykottiert, sondern die Bewegung im ganzen Land verbreitet, zuerst in die Hauptstadt und von dort in die anderen Landesteile.
Die Bedingungen sind für die Bewegung aus verschiedenen Gründen günstig:
1. Das Calderon-Regime befindet sich wirtschaftlich und in der öffentlichen Meinung auf einem Tiefpunkt. Die wichtigsten ökonomischen Indikatoren (Öl, Arbeitslosigkeit, Wachstum etc.) bringen die Calderon-Regierung in eine sich verstärkende Krisensituation, was sich bei den Haushaltsberatungen im September widerspiegeln wird.
2. Das vollständige Versagen von Calderon bei seinem Medienabenteuer im so genannten Kampf gegen den Drogenhandel hat das Regime gezwungen, Versuche zu unternehmen, davon abzulenken und stattdessen „terroristische“ Angriffe auf Ölpipelines durchführen oder unterstützen lassen, um Vorwände zu suchen, die es ihm erlaubt, auf Grund des zunehmenden Klassenkampfes, weitere Repressionsmaßnahmen zu rechtfertigen.
3. Nachdem der Deckel dieser riesigen, stinkenden Kloake geöffnet wurde, hätte das in jedem „demokratischen“ Land Europas zum Sturz der Regierung geführt. Wir sprechen hier über den Skandal, an dem Zhenli Ye Gon, ein Mitglied der Mafia beteiligt war, der den Präsidentenwahlkampf der PAN finanziert hat, in dem Calderon durch Wahlbetrug in den Präsidentenpalast Los Pinos gelangte. Dieser Skandal allein schon sollte genutzt werden, um die Massen der Nationalen Demokratischen Konvention, die während des Kampfes gegen den Wahlbetrug gegründet wurde, mit dem klaren Ziel zum Sturz von Calderon auf die Straßen zu mobilisieren.
4. Am Horizont können wir auch die unvermeidliche Auseinandersetzung über die Zerschlagung des Rentensystem ISSSTE sehen, diese wird die Massen wieder auf die Straßen bringen. Das Gleiche wird geschehen, wenn Calderon versucht das Öl und die Energieversorgung zu privatisieren.
5. Die Regierung plant durch eine Reform des Steuersystems weitere Angriffe auf den Lebensstandard der arbeitenden Menschen.
6. Ein ehrlicher und mutiger Aufruf seitens der APPO an die gesamte soziale Bewegung, einschließlich der militanten Mitglieder der PRD und der Gewerkschaften, besonders der Bergarbeiter- und der Metallarbeitergewerkschaft, des Nationalen Streikrats und der Nationalen Demokratischen Konvention, würde nicht nur die APPO schützen, sondern zu einem ernsthaften Kampf für die Freilassung aller politischen Gefangenen, nicht nur die der APPO, sondern auch die aus Atenco und andere, führen.
7. Die APPO könnte ein großes Aufgebot in die Hauptstadt entsenden und ihre Delegationen darauf vorbereiten, in der Arbeiterbewegung für die Notwendigkeit eines 24stündigen Generalstreiks zu agitieren, der das Ziel hat, Ulises Ruiz und Calderon zu stürzen, die Errungenschaften der sozialen Sicherheit zu verteidigen, die Gewerkschaften zu demokratisieren, die Kaufkraft der Löhne zu verteidigen und für eine sozialistische Transformation der Gesellschaft einzutreten.
8. Eine APPO, die aktiv bei Veranstaltungen im ganzen Land für die Mobilisierung der Massen agitiert, würde sogar noch nützlicher sein, als eine, die einen heldenhaften, aber isolierten Widerstand in Oaxaca leistet. Die APPO-Bewegung sollte sich nicht als Ende aller Dinge sehen, sondern dazu dienen, den Kampf zu koordinieren und im ganzen Land zu verbreiten. Die heldenhaften APPO-Kämpfer können derartige Vorschläge in die örtlichen Gewerkschaftsgruppen, die Basiskomitees der PRD, die bäuerlichen Gemeinschaften, die Nachbarschaftsorganisationen, Studentengruppen etc. hineintragen.
Die Führung der PRD und der Gewerkschaften sollte nun Folgendes tun:
1. Zu einem 24stündigen Generalstreik aufrufen.
2. Streikkomitees an allen Schulen und Arbeitsplätzen errichten lassen.
3. Diese Komitees müssen demokratische Massenversammlungen organisieren, auf denen über einen koordinierten landesweiten Plan entschieden wird, der Millionen Menschen mit einbezieht, um die staatlichen Repressionen zurückzuweisen und zum Sturz der Regierung Calderon aufruft.
4. Geld für die Bewegung beschaffen (durch Sammlungen, den Verkauf von Materialien über den Kampf der APPO etc.) Arbeiter wissen, wie wir uns selbst mit unseren eigenen Ressourcen finanzieren, denn, wer die Musik bezahlt, bestimmt, was gespielt wird.
5. Einen internationalen Appell für den Kampf gegen den so genannten Neoliberalismus (d.h. Imperialismus) verabschieden, der besonders darauf abzielt den revolutionären Kampf in Lateinamerika (Venezuela etc.) zu unterstützen.
6. Kommissionen errichten, die für die Medien, die Propaganda und die Koordination verantwortlich sind.
7. Straßensperren und koordinierte Aktionen auf den wichtigsten Straßen und vor den Regierungsgebäuden im gesamten Land organisieren.
8. Schutz- und Selbstverteidigungskomitees errichten, um die Demonstrationen vor Repressalien und Infiltration zu schützen.
GenossInnen der APPO, ArbeiterInnen Mexikos in den Städten und auf dem Lande! Die Stärke unserer Klasse liegt in ihrer Größe und der Tatsache, dass ohne unsere Genehmigung nichts in der Gesellschaft läuft. Wir besitzen die Stärke der Millionen und die Fähigkeit die Gesellschaft zu leiten! Lasst uns diese Macht nutzen, um unsere mutigen Brüder und Schwestern in der APPO zu verteidigen! Lasst es nicht zu, dass diese Bewegung in Blut ertrinkt! Eine waghalsige Politik seitens der APPO kann die Situation umdrehen und die Isolation der Bewegung durchbrechen. Das ist das aktuelle taktische Hauptthema.
Isolierte Aktionen werden weder die Regierung stürzen noch die politischen Gefangenen befreien!
Sofortiges Ende der Unterdrückungsmaßnahmen in Oaxaca!
Für den sofortigen Rücktritt von Ulises Ruiz!
Durchbrechen wir die Isolation, verbreiten und koordinieren wir den Kampf im ganzen Land!
Lasst uns gemeinsam am selben Tag zur selben Zeit streiken!
Bringen wir die Bewegung nach Mexico City!
Bereiten wir einen 24stündigen Generalstreik zum Sturz von Calderon vor!