Im Jänner 2012 präsentierte die Führung der SPÖ die „Wiener Positionen zum Zusammenleben“ als „Ausfluss“ der abgehaltenen Mitgliederbefragung. Sie sind nicht der langersehnte klare Standpunkt der SPÖ in der Integrations- und Zuwanderungspolitik, sondern ein Zugeständnis nach rechts. Von der SJ Alsergrund/Wien.
Diese Positionen betreffen Verhaltensregeln für Menschen, die nach Wien ziehen, mit dem Ziel sich anzupassen. Die Ergebnisse der Mitgliederbefragung waren jedoch weitaus differenzierter. Ein wichtiger Punkt darin ist zum Beispiel die Frage, warum sich junge Menschen kaum in der SPÖ organisieren. Diesen sind demnach „bloße Inszenierungen und bloßes Politik Marketing viel zu wenig“. Man fühle sich in der Partei generell zu wenig informiert. Dementsprechend negativ ist, dass bei der Erstellung der Wiener Positionen kaum jemand von der Basis beteiligt war, auch nicht die Sozialistische Jugend, die sozialdemokratischen Organisationen, Sektionen und Bezirke.
Zu den Positionen
„Ein wesentlicher Teil der Wiener Lebensqualität ist eine typische Wiener Lebensart, die nicht nur in unserer Stadt, sondern auch international geschätzt wird.“ (Wiener Positionen)
Es gibt – anders als hier im Dokument behauptet wird – keine homogene Wiener Lebensart. Ganz im Gegenteil: Wien als Großstadt lebt von der Heterogenität verschiedenster Lebensstile, die gleichberechtigt nebeneinander und miteinander existieren. Wir lehnen daher jede Andeutung einer „Leitkultur“ ab, an die man sich anzupassen hat. Es kann also nicht Sinn der Sache sein und schadet einem gemeinsamen Miteinander so zu tun als müsse man MigrantInnen gesondert erklären wie sie sich zu verhalten haben.
„Die gemeinsame Sprache der Verständigung in Wien ist Deutsch. Es besteht die Verpflichtung, Deutsch zu lernen.“
Es ist nicht die Verpflichtung der MigrantInnen und ZuwanderInnen Deutsch zu lernen, sondern die Verpflichtung der Stadt Wien echte Chancen und Möglichkeiten zu schaffen, dass der Erwerb der deutschen Sprache für alle Menschen in Wien möglich ist. Nicht mit der plumpen Keule des Zwanges und der Repression, sondern mit Verständnis für Probleme muss MigrantInnen und ZuwanderInnen in Wien begegnet werden.
„Damit alle, die bereits hier leben, Chancen auf gute Arbeit und persönlichen Aufstieg haben, muss Wien ein starker Wirtschaftsstandort bleiben. Wo Fachkräfte fehlen, ist Zuwanderung notwendig. Sie muss klar geregelt sein. Ausbildung und Aufstiegschancen für Menschen, die bereits hier leben, müssen aber Vorrang haben.“
Zuwanderung und Migration ist ein Menschenrecht. Es ist einer Partei wie der SPÖ, deren Mitglieder lange genug politisch verfolgt wurden und deren Rettung in vielen Fällen ebenfalls nur die Flucht ins Ausland war, unwürdig Menschen auf Waren zu reduzieren, die nur dem Wirtschaftsstandort Wien zu dienen haben. Menschen haben nicht der Wirtschaft zu dienen, sondern umgekehrt. Die Bedürfnisse und Talente aller Menschen – auch die der ZuwanderInnen und MigrantInnen – müssen im Mittelpunkt einer sozialen und demokratischen Partei stehen und nicht die kapitalistische Standortlogik. Es darf nicht sein, dass für die Sozialdemokratische Partei Österreichs, die das Ideal der Gleichheit hochhalten muss manche Menschen Vorrang vor anderen Menschen haben.
„Wien hält den Grundwert des Zusammenhalts hoch. Auch neuen Mitbürgerinnen, Mitbürgern und ihren Kindern müssen daher soziale Sicherheit, Aufstiegschancen und ein besseres Leben ermöglicht werden. Zugleich wird ihr Beitrag zur Gemeinschaft und zum guten Zusammenleben erwartet.“
Wir müssen am Grundwert des Zusammenhaltes und an der Solidarität wichtige Prinzipien der sozialdemokratischen ArbeiterInnenbewegung festhalten. Dabei sollten wir jedoch nicht implizieren, dass ZuwanderInnen nicht ihren Beitrag, der erwartet wird, leisten. Soziale Zuwendungen und Solidarität dürfen nicht davon abhängen wie viel jemand leistet, sondern das „Mensch sein an sich“ muss genug sein um das Sozialsystem Wiens in Anspruch nehmen zu können. Das Sozialsystem muss gerade für die Schwächsten der Schwachen, die ZuwanderInnen, weiter ausgebaut werden und auf ein hohes Niveau gebracht werden, sodass für alle BewohnerInnen dieser Stadt eine gesicherte Existenz vorhanden ist.
Die „Wiener Positionen zum Zusammenleben“ sind daher nicht der langersehnte klare Standpunkt der SPÖ in der Integrations- und Zuwanderungspolitik, sondern ein Zugeständnis an alle Hetzer von rechts, seien sie schwarz, blau oder orange. Hier werden bislang für die SPÖ unmögliche Positionen vertreten. Die SPÖ muss deshalb viel energischer und aktiver dem momentanen vorherrschenden rassistischen Klima entgegentreten und nicht die Forderungen von FPÖ und Konsorten in nettere Formulierungen verpacken!
Zum Weiterlesen:
Rassismus: Das neue Opium des Volkes