Spät nachts wurde am 24.02. in der 6.Verhandlungsrunde der SWÖ-Kollektivvertrag abgeschlossen. Dem ist eine beeindruckende Streikwelle im Gesundheits- und Sozialbereich vorausgegangen. Entspricht der Abschluss dem tatsächlichen Kräfteverhältnis zwischen der Gewerkschaftsbewegung und den Geschäftsführungen? Eine Analyse von Lis Mandl.
Was bisher geschah
Mit dem Wechsel von Erich Fenninger an die Spitze der SWÖ ArbeitgeberInnen, gab es für viele die Hoffnung, dass sich dadurch an der chronischen Unterfinanzierung und Unterpersonalisierung der Branche etwas ändert. Fenninger präsentierte sich selbst als Marxist und leistete vor allem in der Flüchtlingshilfe oft beeindruckende Arbeit. In den Verhandlungen, argumentierte er aber offensiv, auch in der Öffentlichkeit, gegen die geforderte Arbeitszeitverkürzung. Er gab das nette Gesicht einer Branche in der die Arbeitsbedingungen und Löhne seit Jahren massiv nach unten gedrückt werden und gleichzeitig das private Profitprinzip massiv vorangetrieben wird (siehe die Artikel „Zur Ökonomisierung der Daseinsvorsorge“ und „Sozialwirtschaft: ArbeitgeberInnen provozieren Streik“). Zusätzlich wurde während des Arbeitskampfes öffentlich bekannt, dass der zuständige Gewerkschaftschef Wolfgang Katzian als neuer ÖGB Präsident gehandelt wird und sich als mächtiger Vorsitzender präsentieren will. Katzian gilt zudem intern als wichtigster Kritiker von rot-blau.
Am wichtigsten aber wahrscheinlich ist, dass es unter den Beschäftigten dieser Branche aufgrund der Verschlechterungen der letzten Zeit eine Politisierungs- und Aktivierungswelle gibt. So werden neue Betriebsratskörperschaften gewählt, die oft weiblich und migrantisch sind und bisher wenig in alteingesessenen Betriebskaiser(-Innen)strukturen und Gewerkschaftsstrategien eingebunden sind. Das alles gab Hoffnung, dass der diesjährige Abschluss sehr gut für die Beschäftigten ausgehen könnte.
Der Abschluss in Zahlen
2,5% auf alle Lohn- und Gehaltstabellen, jedoch mindestens 48.- Euro, das sind in den unteren Verwendungsgruppen durchschnittlich 2,51 – 2,74%, für die Beschäftigten in der Pflege monatliche Zulagen von stufenweise 30.- bis 100.- €. Alle Beschäftigten die bereits 5 Jahre im Betrieb sind, erhalten einen zusätzlichen Urlaubstag. Die zuschlagsfreie Mehrarbeit für Teilzeitkräfte wurde auf 16 Stunden pro Durchrechnungszeitraum reduziert. Weitere kleinere Verbesserungen gab es im Rahmenrecht.
Die zentralste Forderung war die Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn und Personalausgleich – die Hauptkampagne der GPA-djp und das Kampfziel schlechthin, das auf Plakate gedruckt und in den Reden betont wurde – hier ging nichts weiter.
Die Streikbewegung
Im Zuge der Verhandlungen kam es zu Kundgebungen, Demonstrationen und zu Warnstreiks (siehe den Artikel „Sozialwirtschaft: Asoziale Unternehmen provozieren Arbeitskampf“) . Tausende Beschäftigte streikten wahrscheinlich zum ersten Mal in ihrem Leben für bessere Arbeitsbedingungen. Gerade die Arbeitszeitverkürzung war der Hauptmotor für die Streikbereitschaft. Aus den meisten Betrieben wurde eine extrem positive Resonanz auf die Kampfmaßnahmen rückgemeldet. Hunderte kreative Protestbeiträge zeichneten die Stimmung, vereinzelt kam es sogar zu Solidaritätsstreiks. Die Beschäftigten zeigten klar auf, dass auch dieser sensible Bereich streiken kann und dass viele KollegInnen zu kämpfen bereit sind. Besonders Betriebe mit linken Betriebsratsstrukturen waren federführend an den Maßnahmen beteiligt und konnten viele KollegInnen mobilisieren. Auch die mediale Berichterstattung war eher positiv, in der Bevölkerung gab es eine breite Unterstützung für die Streiks.
Ja, aber…
Die Streikbewegung hat kraftvoll begonnen und hatte längst nicht ihr volles Potential ausgeschöpft. Die AktivistInnen rechneten mit einer zweiten Streikrunde, da klar war, dass die 35 Stunden nur in einem umfassenderen Arbeitskampf erreicht werden können. Denn die Geschäftsführungen im Sozialbereich sind genauso asozial, überheblich und dem Kollektivvertrag feindlich gesinnt, wie die UnternehmerInnen anderer Branchen.
Das Vorgehen der GPA-djp war von vorneherein etwas schaumgebremst. Bereits in der ersten Verhandlungsrunde war klar, dass dieser Kampf offensiv geführt werden müsste, sofern man ernsthaft die 35 Stunden-Woche durchsetzen wollte. Die mediale Öffentlichkeit hätte besser genützt, oder auch andere Betriebe (außerhalb des SWÖ-Kollektivvertrages) in dem Bereich eingebunden werden können. Eine Forderung nach Arbeitszeitverkürzung mit Lohn- und Personalausgleich kann nicht herbeidiskutiert werden, sondern um sie zu erreichen muss ein umfassender Kampf organisiert werden. Die Führung kann hier nicht aus ihrer spezifischen Verantwortung entlassen werden. Auch das Ausscheren der Caritas (mit einem eigenen KV), die inoffiziell vor der SWÖ abschloss, ist schlussendlich schädlich für die Gesamtbewegung gewesen. Solidarität ist eben mehr als ein Wort, sie muss aktiv organisiert, eingefordert und ausgeübt werden.
Erfolg oder Misserfolg?
Der Abschluss wird innerhalb der meisten VerhandlerInnen als großer Erfolg ausgegeben. Doch kurz nach dem Bekanntmachen, wütete ein wahrer Shitstorm auf der GPA-djp Facebook Seite von Mitgliedern, die ihrer Enttäuschung lautstark Luft machten. Vor allem, dass in Punkto Arbeitszeitverkürzung nichts erreicht wurde und das, obwohl die Beschäftigten schon in den Startlöchern für weiter Aktionen saßen, stößt sehr sauer auf. Aber am schärfsten steht die althergebrachte Verhandlungstaktik des kleinen Verhandlungsteam in der Kritik. So wurden die Mitglieder nicht befragt, ob sie weiter kämpfen wollen und auch das Ergebnis wurde nicht abgestimmt. Genau deshalb gilt es eine Tradition von gewerkschaftlichen Urabstimmungen zu etablieren. Der SWÖ Streik hat gezeigt, dass die Basis oft kämpferischer als ihre Führung ist. Das Zaudern ging nicht von den Beschäftigten in den Betrieben aus. Bei all dem berechtigten Stolz auf die Performance der kämpfenden KollegInnen muss auch festgehalten werden, dass sich momentan aufgrund des Abschlusses Frustration und eine anti-gewerkschaftliche Haltung breit machen, die die nächsten Kampfmaßnahmen auch erschweren könnten. Soziale Arbeit ist mehr wert und auch die gewerkschaftlichen Rechte der Mitglieder sind mehr als ein kurzer Bühnenauftritt. Art, Umfang und Ausgang der Kampfmaßnahmen müssen von den Betroffenen selbst entschieden werde. So geht Gewerkschaft viel besser!