Noch sind nicht alle Stimmen ausgezählt, doch eines steht bereits fest. Hugo Chávez wurde mit rund 60% der Stimmen wieder zum Präsidenten gewählt. Die rechte Opposition von Washingtons Gnaden musste ihre Niederlage eingestehen. Was bedeutet dieses Wahlergebnis?
Noch in der Wahlnacht hielt Chávez in Caracas vor Hunderttausenden seine Siegesrede. Die Massenveranstaltung begann mit dem Absingen der Nationalhymne „Gloria al bravo pueblo“. Als das Lied zu Ende war, rief Chávez der Menge zu „Es lebe die sozialistische Revolution!“, worauf die Masse mit dem aus den Putschtagen des April 2002 stammenden Spruch „Uh Ah Chávez no se va“ und „Sieg des Volkes“ antworteten.
Und als solches wird dieses Wahlergebnis auch gesehen – sowohl von den Massen, die hinter der Bolivarischen Projekt stehen und die revolutionäre Bewegung tragen wie auch von der rechten Opposition.
In der Linken innerhalb der bolivarischen Bewegung wurde in den Wochen vor den Wahlen immer wieder über die Perspektiven der Venezolanischen Revolution nach den Wahlen diskutiert. Dabei war man sich einig, dass ein Ergebnis von über 60% für Chávez eine unerlässliche Voraussetzung dafür sei, dass das Kräfteverhältnis innerhalb der Bewegung zuungunsten der Bürokratie und reformistischer Sektoren weiter nach links verschoben würde. Alles darunter hätten die ReformistInnen dazu genutzt, um den Prozess mit dem Argument der fehlenden Unterstützung in der Bevölkerung zu bremsen.
In Venezuela geht der revolutionäre Prozess nun in eine neue Etappe. Die Basis verlangt nun nach einer Radikalisierung und Ausdehnung der Revolution. Auch Chávez sprach bei seiner Rede von einer „Vertiefung, Erweiterung und Ausdehnung der sozialistischen Revolution“. Und Chávez weiter: „Mehr als 60% der Bevölkerung wählte nicht für Chávez sondern für ein Projekt, das ein klaren Namen hat: der venezolanische Sozialismus.“
Chávez konkretisierte in dieser Rede nicht seine Pläne, wie dieses Projekt ausschauen sollte. Er nannte aber als einen der zentralen Aspekte der neuen Etappe „die Schlacht gegen die konterrevolutionäre Bürokratie und gegen die Korruption“. Chávez sprach von der Notwendigkeit eines „neuen Staates, der imstande ist diese Bürokratisierung zu brechen.“ Damit bringt er auch die wichtigste Forderung der revolutionären Bewegung in Venezuela zum Ausdruck.
Weiters kündigte er eine Fortsetzung und Intensivierung der „Misiones“, der Sozialprogramm im Bildungs- und Gesundheitssystem an. Reformen soll es auch im Wohnungsbau und beim Arbeitsschutz geben. Chávez meinte auch, dass Venezuela nie wieder eine Kolonie der USA werden würde und grüßte aber die Bevölkerung in den USA und erklärte sich mit ihr solidarisch.
Chávez wurde von den Massen an diesem Abend gefeiert, mit unvorstellbarer Emotion gingen die TeilnehmerInnen an dieser Kundgebung bei seiner Rede mit. Doch gleichzeitig waren sich die fortgeschrittensten Teile der Bewegung noch nie so der Gefahren für die Revolution bewusst. Sie haben verstanden, dass es nun einen qualitativen Sprung braucht, um die Revolution voranzubringen und abzusichern. Die Revolution ist mit diesem Wahlsieg an einem kritischen Punkt angelangt. Wenn die Revolution nicht voranschreitet, wird sie unweigerlich wieder in die Defensive geraten. Auf halbem Weg das Tempo zu reduzieren wäre in dieser Situation fatal. Die Revolution ist aber an einem Punkt angelangt, wo sie längst nicht vom Willen eines einzelnen Individuums abhängt.
Was Chávez in seiner Rede gestern Nacht gesagt hat, muss nun in die Tat umgesetzt werden. Die Menschen müssen sich organisieren und vernetzen. Die zentrale Stoßrichtung muss die Enteignung aller Schlüsselbereiche der Ökonomie sowie der Aufbau eines neuen revolutionären Staates sein, der von den in Massenversammlungen organisierten ArbeiterInnen und LandarbeiterInnen getragen wird. Die Schalthebel der Wirtschaft müssen verstaatlicht und demokratisch geplant werden. Nur so können die sozialen Probleme des Landes nachhaltig bekämpft werden. Vor diesen Herausforderungen steht nun die revolutionäre Bewegung in Venezuela, die aus dieser Wahl gestärkt herausging. Welchen Weg diese neue Etappe konkret einschlagen wird, hängt nicht zuletzt davonb ab, ob es gelingt in Venezuela die revolutionären Kräfte effektiv zu organisieren und zu vernetzen. Dies wird eine der zentralen Aufgaben der Corriente Marxista Revolucionaria (CMR) sein.
Miguel Campos, CMR Caracas