Am 8. November fand das erste Treffen der Kampagne „Wir sind ÖGB“ statt. Das Treffen, an dem rund 50 GewerkschafterInnen und junge AktivistInnen teilgenommen haben, zeichnete sich vor allem durch eine unglaublich erfrischende und spannende Diskussion aus. Auffallend war auch die Lebendigkeit und der optimistische Grundtenor der Wortmeldungen. Es war nichts zu spüren von der typischen Frustration, die viele Gewerkschaftsveranstaltungen in der Vergangenheit geprägt hat.
Arbeitskampf und ÖGB-Reform
Dass am selben Tag ein erster Warnstreik bei Siemens PSE stattgefunden hat, gab der Veranstaltung den Kick. Zwei Betriebsrätinnen von Siemens PSE kamen direkt nach dem Warnstreik zur Veranstaltung und wurden enthusiastisch begrüßt.
Linda Sepulveda, eine Kollegin von Siemens PSE, die selbst von der Ausgliederung betroffen ist, ergriff als erstes das Wort. Sie betonte die Solidarität, die bei den Beschäftigten von Siemens PSE zu spüren ist. Trotz massivem Druck der Unternehmensleitung ist die Kampfbereitschaft groß, weil die Ausgliederung von den meisten Beschäftigten als Teil eines größeren Angriffs gesehen wird.
Im September haben von 1.500 Beschäftigten 97″3% in einer geheimen Abstimmung für Kampfmaßnahmen bis hin zum Streik gestimmt. Das alleine sagt eigentlich alles. Auf der gestrigen Teilbetriebsversammlung wurde eine Resolution beschlossen, wonach nächste Woche nur „Dienst nach Vorschrift“ gemacht wird. Außerdem gibt es noch eine weitere Eskalationsstrategie, falls die Unternehmensleitung nicht einlenkt.
Zur ÖGB-Reform meinte Linda, dass der ÖGB dringend mit seiner sozialpartnerInnenschaftlichen Orientierung brechen müsste. Seitdem es keine Systemalternative mehr gibt, sei kein Spielraum mehr für die SozialpartnerInnenschaft gegeben. Mit dem Kapital könne es zwar Abkommen geben; es dürfe aber keinesfalls als Partner betrachtet, sondern müsse als Gegenseite gesehen werden.
Abschließend betonte die Kollegin, dass bei ihnen Burn-out oder Frust noch keine Gefahr sind, weil es der erste Kampf sei, den sie führen und weil sie noch ganz am Anfang seien.
Andreas Rauch, Betriebsrat von Generali, erzählte die Chronologie der Ereignisse des Kampfes gegen den Arbeitsplatzabbaus, und hob dabei die beeindruckende Demonstration von 700 MitarbeiterInnen in Kitzbühl im Juli 2006 hervo. Zur Zeit befindet sich das Management in einer Nachdenkpause. Besonders interessant waren die Ausführungen von Andreas über die Verhandlungsstrategie mit dem Management. Auch hier wurde klar, dass sich eine Betriebsratskörperschaft auf keinen Fall bei Gesprächen mit der Unternehmensleitung ins selbe Boot holen lassen dürfe.
Bezüglich der ÖGB-Reform kritisierte Andreas die Mitgliederbefragung als Alibiaktion, und vermutete dass alles wie bisher weitergehen wird.
Als dritter Redner sprach Robert Hengster in Vertretung des Betriebsrats Bord der AUA. Bei der AUA gibt es momentan trotz 1.000 wackelnder Arbeitsplätzen keinen offenen Arbeitskampf mit dem Management, weil das Personal ohnehin bei anderen Fluglinien bessere Jobaussichten hat. Robert meinte, das Beispiel AUA zeige, dass Personaleinsparungen Unternehmen nicht retten können, dass oft die Unfähigkeit des Managements Unternehmen zu Grunde richtet und dass es folglich eine falsche Strategie des ÖGB sei, Personalkostensenkungen mitzutragen, um vermeintlich das Unternehmen oder den Standort zu retten.
Auch Robert betonte die Notwendigkeit einer Abkehr von der SozialpartnerInnenschaft. BetriebsrätInnen dürften nie Negativbotschaften für das Management verbreiten. Bei Arbeitskämpfen müsse zu kreativen Methoden gegriffen werden. Kampfmaßnahmen müssten zum einen auch die Unternehmensleitung persönlich betroffen machen, wie beispielsweise bei Demonstrationen vor den Privathäusern der ManagerInnen. Andererseits sei es wichtig, Streiks auch mit unkonventionellen Mitteln, die das Unternehmen wirklich treffen, zu organisieren.
Diskussion
Die Diskussion war sehr rege und ist auch nach dem offiziellen Ende der Veranstaltung noch lange weitergegangen. Von mehreren TeilnehmerInnen wurde auf die Notwendigkeit hingewiesen, auf Betriebsebene starke gewerkschaftliche Basisgruppen (gewerkschaftliche Betriebsgruppen) aufzubauen; diese seien zum einen eine Möglichkeit der Gewerkschaftsdemokratie und der Mitbestimmung andererseits die Voraussetzung, um kampffähiger zu werden. Es wurde auch darauf hingewiesen, dass die Beschäftigten selbst über die Richtung des Arbeitskampfes abstimmen können müssen. Viele TeilnehmerInnen brachten zum Ausdruck, dass jede Art von Stellvertreterpolitik abzulehnen sei.
Eine andere interessante Kontroverse entspann sich um die Frage der Teilrechtsfähigkeit der Einzelgewerkschaften. Robert Hengster vertrat die Position, dass diese zu unterstützen sei, um die ÖGB-Führung unter Kontrolle zu bringen. Die meisten TeilnehmerInnen vertraten jedoch die Ansicht, dass die Führung zwar durch Demokratie unter Kontrolle gebracht werden muss, dass aber ein starker Dachverband notwendig sei, um Solidarität zu organisieren. Einen wichtigen Redebeitrag machte dazu eine Kollegin aus dem öffentlichen Dienst, die extra aus Niederösterreich angereist war. Sie trat für die Einheit des ÖGB ein und sah in dem Auseinanderbröckeln des ÖGB initiiert durch die GÖD eine Schwächung der Solidarität.
Output
Die praktischen Ergebnisse der Diskussion sind, dass wir als Kampagne „Wir sind ÖGB, ein gemeinsames Flugblatt beim GPA-Bundesforum, der Konferenz der Vida und auf dem ÖGB-Bundeskongress verteilen wollen, wo wir unsere Forderungen nach einem starken, demokratischen und kämpferischen ÖGB darstellen. Im Fall von Streiks und Arbeitskämpfen wollen wir Solidarität organisieren. An dieser Stelle muss auch betont worden, dass die Kampagne „Wir sind ÖGB, und ihre Aktivitäten von der Sozialistischen Jugend Österreich unterstützt werden. In unseren Betrieben wollen wir Mitgliederversammlungen zum Thema Gewerkschaftsreform abhalten und Betriebsgruppen initiieren.
Eine weitere Aktivität könnte sich ergeben, wenn die ÖGB-Führung im Zuge des „Reformprozesses“ tatsächlich die Bezirksorganisationen in Frage stellt. Diese müssen aufgrund ihrer zentralen Rolle bei der Organisierung gewerkschaftlicher Arbeit vor Ort unbedingt verteidigt werden. Gerade in der jetzigen Phase müssen Gruppenstrukturen des ÖGB mit Leben gefüllt werden und dürfen nicht weiter zerstört werden.
Zur Koordination der Aktivitäten und zum regelmäßigen Erfahrungsaustausch soll es einmal im Monat ein Treffen geben.
Das nächste solche Treffen findet am 7. Dezember um 19 Uhr in der Lustkandlgasse 10/1 statt. Folgende Themen werden Schwerpunkt des nächsten Treffens sein:
* Neue Entwicklungen bei den Arbeitskämpfen von Siemens PSE und Generali
* Welche Solidaritätsmaßnahmen sind notwendig?
* Neue Entwicklungen in der ÖGB-Reform
* Unser Auftreten am ÖGB-Bundeskongress im Jänner 2007