Wir veröffentlichen hier einen interessanten Bericht über das sehr erfolgreiche Arbeitstreffen der FRETECO, der „Front der besetzten Betriebe und Betriebe unter Cogestión“ in Venezuela, das Anfang September stattfand.
Für die 10 Millionen Stimmen! Für den Sozialismus! Für die Fortsetzung und Ausweitung der Enteignungen und der Entwicklung der Mitbestimmung zur ArbeiterInnenkontrolle!
Am Samstag, dem 2. September, trat der SprecherInnenrat der „Front der besetzen Betriebe und Betriebe unter ArbeiterInnenkontrolle“ (FRETECO“ in den Räumlichkeiten des besetzten Betriebes Inveval um aktuelle Aufgaben der Bewegung zu besprechen und eine nationale Konferenz der ArbeiterInnen der besetzten Betriebe vorzubereiten. Mehr als 50 KollegInnen nachfolgender Betriebe waren anwesend: Inveval (Metallbetrieb, Bundesstaat Miranda), das Kollektiv der entlassenen ArbeiterInnen von Invepal Maracay (Papier, Bundesstaat Aragua), Invepal Moron (Bundesstaat Carabobo), Invetex (Textil, Bundesstaat Cojedes), Sideroca (Metall, Bundesstaat Zulia), die Kooperativen, die Alfa Quark besetzt halten (Bundesstaat Miranda), die besetzte Textilfabrik Sel Fex (Caracas) sowie die Transportkooperative Groupo 20. Die KollegInnen der enteigneten Zuckermühle Central Cumanacoa (Bundesstaat Sucre) konnten nicht persönlich anwesend sein, nahmen aber via telefonischer Liveschaltung an den Beratungen teil.
Weitere TeilnehmerInnen waren Repräsentanten der besetzten Fabriken Brasiliens, die gerade einen großen Auftrag in Venezuela abwickeln, nämlich die Errichtung mehrerer Fertigteilfabriken, Luis Primo, Koordinator der UNT Caracas und führender Genosse der CMR (revolutionäre marxistische Strömung), Jose Ramirez, lokaler Koordinator der UNT des Bundesstaates Miranda. Weiters ein Unterstützer der Kampagne „Hände weg von Venezuela“ und der Betriebsrat des spanischen Schiffwerftkonzerns Astilleros Navantia de Ferrol, Xaquín García Sinde.
Ein weiterer Schritt in der Entwicklung der FRETECO
Allein schon die Zahl der TeilnehmerInnen und die Anzahl der repräsentierten Betriebe spricht für die wachsende Unterstützung der FRETECO, deren Ziel in der Koordination der besetzten Betriebe liegt. Das wichtigste Thema der TeilnehmerInnen war die inhaltliche Vorbereitung der nationalen Konferenz der besetzten und wiedereröffneten Betriebe, die am 13. und 14. Oktober in Caracas abgehalten werden soll.
Das nationale Treffen wird folgende Inhalte diskutieren:
1. Wie schalten sich die Belegschaften der besetzen Betriebe in die Kampagne zur Wiederwahl des Präsidenten Chávez ein? Im Kampf um die 10 Millionen Stimmen sollen die Vorstellungen zum Sozialismus des 21. Jahrhunderts aus der Sicht der Arbeiterklasse eingebracht werden.
2. Diskussion der Arbeitsordnung, die von der Regierung den Betrieben präsentiert wurde, und Erarbeitung eines gemeinsamen Alternativvorschlags der ArbeiterInnen.
3. Diskussion und Verabschiedung strategischer Linien auf Grundlage der Vorschläge aus den einzelnen besetzten Betrieben und Betrieben unter Mitbestimmung. Ziel ist es angesichts der bürokratischen Angriffe auf die revolutionäre Mitbestimmung diese Richtung ArbeiterInnenkontrolle und ArbeiterInnenmanagement weiterzuentwickeln.
4. Debatte über die Vorschläge der ArbeiterInnen der in der FRETECO organisierten besetzen Betriebe, die auf dem „Panamerikanischen Treffen der besetzten Fabriken“ Anfang Dezember in Joinville in Brasilien vorgebracht werden sollen.
Dies ist einer der bedeutendsten Fortschritte der FRETECO in der jüngsten Vergangenheit, nämlich die internationale Vernetzung der besetzten Betriebe. Besonders intensiv entwickelte sich der Austausch mit den KollegInnen der besetzen Betriebe in Brasilien (Cipla, Interfibra und Flasco). Gemeinsam mit den KollegInnen dieser Betriebe organisieren wir eine Panamerikanische Konferenz der besetzten Betriebe.
Die FRETECO im Kampf um die 10 Millionen Stimmen für den Sozialismus
Jorge Paredes, Arbeiter und von der Belegschaft zum Direktor von Inveval gewählt, sowie Koordinator von FRETECO eröffnete die Sitzung. Er rief dazu auf, dass die Wahlkampagne energisch in allen Betrieben geführt werden soll. „Am 3. Dezember haben wir eine Abmachung mit unserem Präsidenten. Wir dürfen es nicht zulassen, dass die Rechte die Macht wieder übernimmt. Die Revolution ist kein Spiel. Wenn Chávez besiegt wird, wird die Konterrevolution kein Erbarmen zeigen. Sie verzeihen nicht. Wir müssen Gewehr bei Fuß stehen und dürfen nicht zulassen, dass sie unsere Träume stehlen.“
In seinen weiteren Ausführungen legte Jorge Paredes das Schwergewicht auf die Gefahr, die die reformistische Bürokratie für die Revolution bedeutet: “Die Bürokratie will nicht, dass dieses Projekt funktioniert.“ Die Erfahrung zeige, dass nur die ArbeiterInnen selber die Betriebe retten und ins Laufen bringen können. Er bestand auch darauf, dass sich die besetzten Betriebe mit den Stadtteilorganisationen verbünden. Die ArbeiterInnen sollen die spezifischen Bedürfnisse ihrer Barrios herausfinden und Raum für die misiones und andere Sozialprogramme schaffen und diese ins Viertel holen.
ArbeiterInnenmanagement funktioniert!
Jorge Paredes gab Einblicke in die Arbeitsweise von Inveval. Alle Aspekte der Wiederaufnahme der Arbeit würden in den ArbeiterInnenversammlungen besprochen und beschlossen. In diesen Versammlungen wurde auch über die internationale Debatte zur Arbeitszeitverkürzung diskutiert und diese im Betrieb umgesetzt. Die Arbeitszeit beträgt jetzt 7 stunden täglich, 35 h in der Woche. Man hat uns immer gesagt, dass wir ArbeiterInnen nur dazu taugen eine Maschine zu bedienen, heute wissen wir aus Erfahrung, dass ohne uns nichts funktioniert, wir ArbeiterInnen bringen die Maschinen ins Laufen und nicht umgekehrt. Es ist die Stunde gekommen zu zeigen, dass wir ArbeiterInnen es können.“
Jorge beendete seine Intervention mit einer Anayse der bevorstehenden Wiederwahl des Präsidenten Chávez. Er betonte, dass diese Wahlauseinandersetztung auch Teil des Kampfes um die Vervollständigung der bolivarischen Revolution im Sozialismus ist. „Die Revolution muss ein neues Land schaffen, einen neuen Staatsapparat, eine Regierung der ArbeiterInnen. In den Ministerien gibt es noch viele Funktionäre der IV. Republik, diese Situation ist gefährlich. Die Revolution darf nicht auf dem Papier bleiben und von einer einzigen Person repräsentiert werden. Der Präsident hat wiederholt betont, dass wir hinausgehen und sagen was wir wollen, dass wir protestieren wenn etwas nicht funktioniert und dass wir dafür kämpfen, dass dies geändert werde. Der Präsident ist alleine, er hat nur uns: das Volk. Und das Volk ist weise, und es ist die ArbeiterInnenklasse, die an der Spitze der Volksbewegung den Wandel erkämpfen kann.“
Am Ende seiner Rede rief Jorge alle Delegierten dazu auf sich an der Diskussion um die neuen Arbeitsstatuten in den besetzten Betrieben zu beteiligen, diese sollen dann dem Arbeitsministerium vorgelegt werden. Einen besonderen Appell richtete er an die Unterstützung der entlassenen ArbeiterInnen von Inveval Maracay.
Invepal Moron und die Entlassenen von Invepal Maracay
Nach Jorge Paredes ergriffen die SprecherInnen der entlassenen ArbeiterInnen von Invepal Maracay das Wort. Sie berichteten von ihrem harten Kampf gegen die Bürokratie und die Winkelzüge des bürgerlichen Rechts. Alle SprecherInnen betonten ihre Loyalität zur Revolution und betonten ihren Kampfeswillen, mit dem sie die bürokratische Mauer um sie herum zu durchbrechen versuchen.
Luisiana Ramirez, stellvertretend für Invepal Moron, sagte: „Wir kämpfen nicht nur für unsere Wiederaufnahme, sondern darüberhinaus für die Implementierung einer tatsächlich revolutionären Mitbestimmung in Invepal. Wir orgnisieren uns in der FRETECO, um das sozialistische Projekt der revolutionären Mitbestimmung, so wie es Präsident Chávez zum Ausdruck gebracht hat, tatsächlich durchzusetzen. Am 3. Dezember werden wir unseren Commandante bestätigen, weil die Missionen und die anderen Sozialprogramme gab es vorher nicht. Wir ArbeiterInnen müssen uns bewusst darüber werden, dass wir die eigentliche Macht in unseren Händen haben, wir müssen nun alle Betriebe besetzen. Wir waren es, das Volk, die den Präsidenten am 13. April (2002, Putsch, Anm.) gerettet haben.“
Alexis Pereira, Mitglied des Direktorialgremiums von Invepal Moron legte in seinen kurzen Ausführungen den Hindergrund des aktuellen Arbeitskofliktes in Invepal Moron dar und skizzierte die Strategie der ArbeiterInnen zur Verteidigung eines revolutionären Modells der Mitbestimmung: „Wir haben einen harten Kampf um die Fabrik geführt, und wir haben dank der Unterstützung der gesamten Arbeiterklasse Venezuelas gewonnen. Wir haben durchgesetzt, dass der Direktor des Unternehmens von der Belegschaft gewählt wird, aber wir mussten erkennen, dass er dann den korrekten Weg verlassen hat. So haben wir ihn in der Betriebsversammlung abgewählt. Dann intervenierten Repräsentanten des Ministeriums, die meinten, dass dies nicht unser Recht sei, mit folgenden Worten: ‚Wir wären zwar in der Mehrheit, aber die Mehrheit hat sich auch geirrt als sie Christus ans Kreuz nagelten‘. Wir blieben hart, und die Vertreter des Ministerium behaupten nun, dass wir Probleme machen, weil wir sagen was ist. Der abgewählten Direktion halten sie jedoch die Stange. Wir sagen: genau diese sind es, gegen die wir unseren Kampf richten.“
Die Versammlung beschloss den Kampf um die revolutionäre Cogestion landesweit auszudehnen und die Kampagnae „Hände weg von Venezuela“ zu kontaktieren ihren Fall auch internatiopnal zur Sprache zu bringen.
Die Entwicklung der FRETECO – eine zentrale Aufgabe
Jose Gregorio Quintero von Inveval beleuchtete die Geschichte der FRETECO: „Als wir 2003 für die Enteigniung unserer Fabrik kämpften, kontaktierten wir die KollegInnen von Invepal, Fenix und Industrial de Perfumes, alles Belegschaften, die sich in einem ähnlichen Konflikt befanden und machten den Vorschlag ein nationales Treffen der ArbeiterInnen der besetzten Betriebe zu organisieren. Damals haben wir für diesen Vorschlag keine Unterstützung gefunden, dies gelang erst im Februar dieses Jahres mit der Gründung der FRETECO. Unser Ziel ist es die ArbeiterInnen der wiedereröffneten und besetzten Betriebe, sowie der Betriebe in Cogestion zu vereinigen und uns mit unseren anderen Klassengeschwistern zu verbünden um die Enteignungen voranzutreiben und die revolutionäre Mitbestimmung Richtung ArbeiterInnenkontrolle weiterzuentwickeln. Es geht uns auch darum der Regierung Vorschläge aus der Sicht der ArbeiterInnen zu präsentieren wie wir zum Sozialismus kommen.
Die Mitbestimmung, die wir wollen, ist die ArbeiterInnenkontrolle. Wir arbeiten gerne mit der Regierung zusammen, aber wir müssen unseren Standpunkt als ArbeiterInnen vertreten und dafür selbstständig kämpfen. Die Diskussion, wie denn nun die revolutionäre Mitbestimmung aussieht, oder die Arbeitsstatuten, kann nicht auf Grundlage der bestehenden Gesetze passieren, denn dies sind in Mehrheit kapitalistische Gesetze, die geändert werden müssen. Der Vorschlag der ArbeiterInnen von Inveval ist, dass auf der kommenden nationalen Konferenz die Erarbeitung von Arbeitsstatuten und einem Gesetz der revolutionären Mitbestimmung entstehen soll. Ein Gesetz für ArbeiterInnen von ArbeiterInnen. Wir brauchen schnelle Lösungen und können nicht darauf warten, dass ein neuer parlamentarischer Gesetzgebungsprozess, der ja angedacht ist, Lösungen bringt.
Ein anderes wichtiges Thema ist, dass die Enteignungen auf alle Wirtschaftsbereiche ausgeweitet werden. Dann wäre es notwendig, dass wir einen nationalen Wirtschaftsplan aufstellen. So können wir mit dem Kapitalismus brechen. Die Mitbestimmung und die ArbeiterInnenkontrolle wird dann die Basis des Sozialismus, wenn wir allerdings im kapitalistischen Markt gefangen bleiben, dann haben wir nichts zu gewinnen.
Zuckermühle Cumanacoa und Inveval, ein Beispiel gelebter Solidarität
Ein bewegender Moment der Versammlung war, als die ArbeiterInnen der Zuckerfabrik Cumanacoa anriefen. Sie erklärten, dass sie heuer nichts produzierten, obwohl das Land über 2000 Tonnen Zucker importieren müsse. Die Kapitalisten nützen diese Gelegenheit zu Preiserhöhungen, während gleichzeitig ihre Fabrik still stehe.
Das Problem in Cumanacoa sei die mangelnde Wartung des Ventil- und Rohrsystems, so Jose Gregoro von Inveval. Die dafür notwendigen Mittel würden seit Monaten blockiert. Die ArbeiterInnen von Inveval vereinbarten, dass sie diese Reparaturarbeiten solidarisch übernehemen würden, und dass dies ein weiterer Beweis dafür sei, dass die wiedereröffneten Betriebe in einem nationalen Wirtschaftsplan miteinander verbunden und staatliche Finanzgarantien abgegeben werden müssen.
Milred von Invetex betonte ihre Freude über die Fortschritte der FRETECO. Sie betonte, dass die ArbeiterInnen der besetzen Betriebe sich gewerkschaftlich in der UNT organisieren sollten, denn nur die Einheit der ArbeiterInnenklasse könne den Kapitalismus zerschlagen und die Revolution zum Sozialismus führen.
Viele GenossInnen, die zum ersten Mal an einer Arbeitstagung der FRETECO teilnahmen, wie die KollegInnen von SIDEROCA in Zulia, die Kooperaiven von Grupo 20 etc. befürworteten den Beitritt ihrer Belegschaften zur FRETECO und wollen sie weiter stärken. Elsa, eine Delegierte der Textilfabrik Sel Fex, berichtet, dass es in ihrem Kampf keine Neuigkeiten gäbe, dass der Kampf an einem schwierigen Punkt sei, aber dass sie trotz aller Probleme weiter an der Forderung nach der Enteignug ihres Betriebes festhalten würden.
Ein Sprecher der Kooperativen der Grupo 20 fügte hinzu, dass Präsident Chávez von lauter Funktionären umgegeben sei, die nicht in die gleiche Richtung gehen wollen. „Das Modell der Kooperativen, das wir heute in Venzeuela haben, passt nicht in die Situation, die wir heute im Land haben, so heisst es dort etwa, dass der Präsident der Kooperative der Eigentümer des Unternehmens sei. Wir brauchen definitiv ein neues Gesetz für Kooperativen.“
Unter dem Tagesordnungspunkt „Allfälliges“ wurde die Enteignung der Golfplätze „Country Club“ und „Valle Arriba“ durch die Stadtverwaltung von Caracas gutgegeheißen, und darauf hingewiesen, dass noch viel mehr vergesellschaftet werden müsse, im speziellen die Banken, die Monopole und der Großgrundbesitz. Nur auf dieser Grundlage könne eine demokratisch geplante Wirtschaft funktionieren.
Antonio Betancourt, Invepal, beendete das Treffen mit folgenden Worten:
„Die Kapitalisten haben viele Schranken in unseren Köpfen aufgebaut. Etwa die Idee, dass wir keine Unternehmen führen können, die Idee dass die Betriebe private Eigentümer haben müssen etc. Aber die Revolution durchbricht diese Barrieren. Alles was wir wollen können wir uns erkämpfen. Die ReformistInnen aber verbarrikadieren sich hinter diesen ideologischen und psychologischen Barrieren, wir hingegen reißen sie nieder. Nur so kann die Revolution siegen!“
Nachlese zu Cumanacoa:
Zwei Wochen nach dem Arbeitstreffen machte sich eine Delegation von 17 ArbeiterInnen der Inveval und zwei Arbeitern von Invepal Maracay gemeinsam mit dem UNT-Koordinator Jose Ramirez auf den Weg in die Zuckerfabrik Cumanacoa. Dort wurden die kaputten technischen Anlagen inspiziert, die nun repariert werden sollen. Der Besuch wurde von den ArbeiterInnen der Zuckermühle finanziert. Neben den dringlichen technischen Besprechungen, es gilt die Zuckermühle bis zum Beginn der Zuckerrohrernte instand zu setzen, wurde der Tag vor allem für politische Diskussionen genutzt. Die Diskussion um die allgemeinen politischen Perspektiven und die Rolle der ArbeiterInnenklasse bildete den Hauptteil der Diskussion. Weiters wurde die Diskussion um einen Gesetzesvorschlag für neue Arbeitsregelugngen in den enteigneten Betrieben vorangetrieben.