Die Sozialistische Jugend diskutiert derzeit ein neues Grundsatzprogramm. Beim „Mini-Verbandstag“ im Juni konzentrierte sich die Debatte vor allem um die Punkte Kapitalismusanalyse, Staatsfrage, Imperialismus und die Rolle der UNO und Faschismus. Hier eine Einschätzung der Diskussion sowie unser Antrag zur Frage, wie „der Weg zum Sozialismus“ aussehen könnte.
Wir SozialistInnen betrachten die soziale Umwälzung der bestehenden kapitalistischen Besitzverhältnisse als unser strategisches Hauptziel. Wir lehnen den Kampf für Reformen innerhalb des kapitalistischen Systems nicht ab, wissen jedoch auf Grund der wissenschaftlichen Analyse unserer Gesellschaftsordnung und aus der Geschichte der ArbeiterInnenbewegung um die Unzulänglichkeit solcher Reformen besonders in der Epoche der kapitalistischen Krise. Ein „Kapitalismus mit menschlichen Antlitz, ist eine Utopie. Grundlegende Zieleder ArbeiterInnenbewung wie Friede, soziale Sicherheit, eine Demokratisierung der Gesellschaft, die Gleichberechtigung der Frau und steigender Massenwohlstand sind im Kapitalismus nicht nachhaltig erreichbar.
Deshalb ordnen wir den Kampf für kleine Verbesserungen dem Kampf für eine neue Gesellschaftsordnung unter. Wir weisen im Kampf für Reformen auf die Begrenztheit dieser Reformen hin und fordern die Beseitigung des Kapitalismus. Unser Ziel ist es die verschiedenen Teilkämpfe zu einem Kampf der ArbeitnehmerInnenschaft um die politische und wirtschaftliche Macht zu vereinen.
Revolution und Reform
Manche Theoretiker denken eine sozialistische Gesellschaftsordnung könnte graduell und ausschließlich mit gesetzlich erlaubten Mitteln, durch die Errichtung von Genossenschaften, die steigende Mitbestimmung der Gewerkschaften und parlamentarischen Mehrheiten erreicht werden. Ein graduelles „Hineinwachsen, in den Sozialismus auf streng legalem Weg widerspricht jedoch sämtlichen Lehren der Vergangenheit.
Erstens haben die Herrschenden ihre Macht nie freiwillig und kampflos abgegeben. Bei einer ernsthaften Gefährdung der Besitzverhältnisse hat sich das Kapital niemals gescheut Diktatur und Faschismus zur Hilfe zu rufen.
Zweitens kann die ArbeitnehmerInnenschaft nur bedingt mit legalen Mitteln, mit Gerichten, Polizei, Heer und Beamtenapparat gegen das Kapital vorgehen, da diese Grundfesten des bürgerlichen Staats selbst überwiegend loyale Verbündete des Kapitals sind. Die ArbeitnehmerInnenschaft muß sich daher in einer revolutionären Situation auf die in Gewerkschaften oder Räten organisierten Massen stützen, was den Rahmen des bürgerlichen Gesetzes sprengt.
Drittens entwickelt sich ein gesellschaftlicher Umbruch niemals graduell, sondern in einer Kombination aus Phasen der graduellen Entwicklung mit Phasen revolutionärer Krisen.
Durch steigende wirtschaftliche und politische Instabilität im Weltmaßstab, bereiten sich Krisen vor, in denen die Mehrheit der ArbeitnehmerInnen und der Jugendlichen versucht eine neue Gesellschaftsordnung zu erkämpfen. Sozialisten bereiten sich auf solche Situationen vor, um den Massen im entscheidenden Moment eine Führung bieten zu können.
Bei der Wahl der Mittel im Kampf für eine neue Gesellschaftsordnung ist für revolutionäre SozialistInnen nicht das bürgerliche Gesetzbuch ausschlaggebend, sondern der Wille der Mehrheit der ArbeitnehmerInnen, der sich in revolutionären Situationen unmittelbar in Betriebsversammlungen, Räten und Gewerkschaften äußert.
Wir vertreten nicht den Standpunkt, daß im Klassenkampf der gesetzlich erlaubte Weg erst verlassen werden darf, wenn auch das Kapital diesen Weg verläßt. Diese Taktik führte immer wieder zu tötlichen Fehlern der ArbeiterInnenbewegung, da das Kapital den Weg der Gewalt nur dann beschreitet, wenn es sicher ist, daß es in der Auseinandersetzung siegreich sein wird. Die Folge ist, daß die ArbeiterInnenbewegung, nach dieser Taktik erst dann zum Aufstand übergeht, wenn sich das Kräfteverhältnis in der Gesellschaft schon zu ihren Lasten verändert hat.
Wie die Massen gewonnen werden können
Der zentrale Widerspruch unserer Epoche ist, dass einerseits die Zerfallstendenzen des Kapitalismus auf Weltebene objektiv eine sozialistische Umwälzung notwendig machen, dass dies aber der Masse der ArbeitnehmerInnen und Jugendlichen noch nicht bewusst ist. Das Bewusstsein hinkt hinter der Realität hinter her. Deshalb sieht es die Sozialistische Jugend als ihre wichtigste Aufgabe, den Massen im Verlauf ihres täglichen Kampfes, zu helfen, die Brücke zwischen ihren augenblicklichen Forderungen und dem sozialistischen Programm der Revolution zu finden. Diese Brücke besteht aus einem System von Übergangsforderungen, die von den heutigen Bedingungen und dem heutigen Bewusstsein breiter Schichten der Arbeitnehmerschaft ausgehen und stets zu ein und demselben Schluss führen: zur Eroberung der Macht durch die Arbeitnehmerschaft und die Jugend. Beobachten wir die heutige Situation in Österreich, springen vorerst drei zentrale Problemstellungen für die organisierte Arbeitnehmerschaft ins Auge:
1. Zuerst einmal die Privatisierungsoffensive der Regierung, die nach der in die Wege geleiteten Zerschlagung von ÖBB und VOEST, das Gesundheits- und Bildungssystem ins Visier genommen hat. Die Privatisierung wird schon jetzt von der Masse der Bevölkerung als Bedrohung für ihren Lebensstandard empfunden. Aber wie kann die Alternative zur Privatisierung aussehen ? Soll es die alte Verstaatlichte der 60er und 70er Jahre sein ? Der alten Verstaatlichten fehlte die Demokratie, die Kontrolle der Firmenleitung durch die Beschäftigten selbst. Deshalb kam es zu Korruption und Misswirtschaft seitens des Managements. Außerdem befand sich das Management von Anfang an in einem Kompromiss mit dem Kapital, welches die Verstaatlichte als Melkkuh für billige Rohstoffe benutzte und dadurch in eine vorprogrammierte Schuldenkrise stürzte. Eine Neuauflage der Verstaatlichten kann daher nur unter der demokratischen Leitung der Beschäftigten erfolgreich sein.
2. Ein anderes drückendes Problem für die österreichische Arbeitnehmerschaft ist die Massenarbeitslosigkeit, die nicht nur täglich die Ineffizienz und den parasitären Charakter unserer Wirtschaftsordnung aufs neue beweist und einen beträchtlichen Teil der Arbeitnehmerschaft aus unserer Gesellschaft ausgrenzt, sondern die Arbeitnehmerschaft in ihrem Kampf gegen die Offensive des Kapitals spaltet und den Druck auf die Beschäftigten massiv erhöht. Die vollständige Eingliederung der Arbeitslosen in den Produktionsprozess bei gleichzeitiger Verteidigung des Lebensstandards der Beschäftigten und einer Verkürzung der Arbeitszeit muss daher das vordringliche Ziel der organisierten Arbeitnehmerschaft sein. Es wird jedoch nicht reichen, ein Gesetz zu verabschieden. Die Unternehmer werden die Arbeitszeitverkürzung sabotieren in dem sie die Arbeit intensivieren oder mit Überstundenregelungen das Gesetz umgehen. Es ist daher notwendig die Eingliederung der Arbeitslosen in den Produktionsprozess unter die Leitung von demokratisch gewählten Organen der Beschäftigten zu stellen.
3. Schlussendlich ist es eine wesentliche Frage für die österreichischen Lohnabhängigen, wie die Alternative zur schwarz-blauen Bürgerblockregierung aussehen könnte. Die Frage nach der Wende zur Wende, ist eine entscheidende, weil sie die Frage nach der Macht im Staat in sich birgt. Der Bürgerblockregierung muss die Forderung nach einer Arbeiterblockregierung entgegengesetzt werden. Wie könnte diese aussehen ? Keinesfalls dürften Koalitionen mit bürgerlichen Parteien eingegangen werden, die ein wirkliches Programm zur Verbesserung der Situation der Beschäftigten ohnehin niemals mittragen würden. Das trifft auch auf die Grünen zu, sie spielen in Deutschland die Rolle eines Einpeitschers neoliberaler Politik, und sind auch in Österreich bereit, diese Rolle zu übernehmen, wenn Schüssel nach ihnen ruft. Wir müssen eine SPÖ- Alleinregierung fordern, die am stärksten den Druck der Arbeitnehmerschaft spüren würde. Aber auch das ist nicht genug! Die Alleinregierung müsste sich auf eine mobilisierte Arbeiterschaft stützen, um dem Druck des bürgerlichen Beamtenapparats und des Kapitals standzuhalten. Eine mobilisierte Arbeitnehmerschaft würde ihre Arbeitnehmerregierung ständig vorantreiben und verhindern dass diese zu einem Instrument bürgerlicher Politik wird.
Der Übergang zum Sozialismus
Alle drei aufgezählten Problemstellungen bringen die Notwendigkeit von demokratischen Organen der Arbeitnehmerschaft zum Ausdruck. Diese Organe sollen die Verstaatlichte leiten, die Arbeitslosen in den Produktionsprozess eingliedern und schlussendlich durch eine ständige Mobilisierung der Arbeitnehmerschaft, Druck auf eine Arbeiterregierung ausüben. Betrachten wir wiederum die österreichischen Verhältnisse eingehender, wird klar, dass diese Organe in embryonalen Zustand vorhanden sind. Es sind dies die Betriebsräte, die von der gesamten Belegschaft gewählt werden. Die Betriebsräte waren ursprünglich zur Zeit der österreichischen Revolution zwischen 1918 und 1923 und kurz nach dem zweiten Weltkrieg authentische Organe der Arbeitermacht. Sie haben jedoch in der Zeit des sozialen Friedens viel von ihrer Kraft eingebüßt. Zum einen finden Wahlen nur mehr alle 4 Jahre statt und es gibt keine jederzeitige Abwählbarkeit wie es bei Räten üblich ist. Außerdem sind die Betriebsräte per Gesetz gezwungen für einen Interessensausgleich im Betrieb zu sorgen und dem Unternehmen nicht zu schaden. Damit dürfen sie ihren ureigensten Aufgabe, den Willen der Belegschaft bedingungslos zu vertreten, von Gesetzeswegen gar nicht nachkommen. Zusätzlich sind die Betriebsräte nicht mehr Österreichweit und regional vernetzt. Diese Vernetzungsrolle haben die Fraktionen in der Gewerkschaft eingenommen. Die Betriebsräte werden bei Zusammenkünften von den Fraktionen für Betriebe delegiert, deren Belegschaften sie teilweise gar nicht kennen. Sie sind einem Fraktionszwang unterworfen und nicht dem Willen der Beschäftigten ihres Betriebes. Auf diese Weise wurden dem Betriebsrätesystem die Zähne gezogen. Jedoch bergen die Betriebsräte sobald sie anfangen sich zu vernetzen, sobald sie sich vollständig demokratisieren das Potential wirklicher demokratischer Organe der Arbeitnehmerschaft. Daher fordern wir die Leitung der Verstaatlichten, die Eingliederung der Arbeitslosen in die Produktion durch die demokratisierten österreichweit und regional vernetzten Betriebsräte. Diese müssen auch eine Mobilisierung der Beschäftigten durchführen, um eine Arbeiterregierung zu stützen und zu kontrollieren. Der Witz an der Sache besteht darin, dass die Demokratisierung und Vernetzung der Betriebsräte einerseits die notwendige Antwort auf die drückendsten Fragen der österreichischen Arbeiterbewegung darstellt, andererseits aber bereits die Machtfrage stellt. Der nationale Ausschuss eines demokratisierten vernetzten Betriebsrätesystem wäre bereits eine parallele Regierung zur bürgerlichen Regierung, das Rätesystem müsste in einer revolutionären Situation nur die alte bürgerliche Staatsmaschinerie beiseiteschieben und die sozialistischen Demokratie ausrufen.