„Antisemitismus“: Offensive gegen Jugend & Migranten


Mit der im November beschlossenen „Nationalen Strategie gegen Antisemitismus 2.0“ führt die Bundesregierung ihre Linie der bedingungslosen Solidarität mit Völkermord und nationaler Unterdrückung fort. Antisemitismus wird fälschlicherweise mit Antizionismus gleichgesetzt und somit jegliche Kritik am Handeln Israels delegitimiert. Die Jugend soll auf Linie gebracht und die Gesellschaft gespalten werden, um die Sparpolitik zu rechtfertigen. Von Ruby Zörer & Laura Höllhumer
Grundlage dieser Kampagne ist die 2017 von Integrationsminister Sebastian Kurz im Ministerrat eingebrachte Arbeitsdefinition der IHRA zu Antisemitismus. Die IHRA ist eine 1998 lancierte zwischenstaatliche Organisation mit 35 Mitgliedsländern. Sie ist dafür bekannt und umstritten, Holocaustleugnung und Antisemitismus mit Kritik an Israel und dem Zionismus (Antizionismus mit Antisemitismus) gleichzusetzen. Besonders rechte Regierungen (wie in Ungarn, den USA und Israel) nutzen diese unhaltbare ideologische Gleichsetzung zur Kaschierung der antisemitischen Geschichte der herrschenden Klassen und der Stigmatisierung von Muslimen.
Unter dem Vorwand, der „Nahostkonflikt“ sei für junge Menschen einfach zu komplex und deshalb ein „Einfallstor für antisemitisches Denken und Narrative“, wird jetzt das Bildungssystem genutzt, um den Zionismus aggressiv in die Jugend zu tragen. Im Oktober wurde das Forschungsprojekt „Antisemitismus in der Schule“ als Kooperation des Bildungsministeriums mit der Israelitischen Kultusgemeinde Wien (IKG) u.a. durchgeführt. Ergebnis ist eine Handreichung mit Handlungsempfehlungen für Lehrer, die speziell den sogenannten antiisraelischen Antisemitismus in der Schule in den Fokus nimmt.
Eine zentrale Rolle in der vermeintlichen Bekämpfung von Antisemitismus in der Schule spielt ERINNERN:AT der OeAD – Österreichs Agentur für Bildung und Internationalisierung. Ihre Lernmaterialien zum Nahostkonflikt offenbaren eine deutliche politische Schlagseite: „Ziele antisemitismuskritischer Bildungsarbeit sind die Anerkennung und Wertschätzung gesellschaftlicher Vielfalt, des Judentums einerseits und Israels als demokratischem Staat andererseits, der für viele Jüdinnen und Juden ein Schutzraum ist.“ Als antisemitische Delegitimierung Israels gilt, „die Gründung Israels als Unrecht gegen das palästinensische Volk zu bezeichnen“ oder den „Kampfbegriff“ Apartheid zu benutzen. Eine falsche, antisemitische Deutung sei auch „die Vorstellung, es habe einen Nationalstaat Palästina gegeben, auf dessen Territorium die zionistische Bewegung mit Hilfe Englands oder der USA Israel errichtet habe“ oder ein Konfliktverständnis, „das von einer einseitigen Aggression Israels oder des Zionismus gegen eine palästinensische Bevölkerung ausgeht, die wiederum nur als Opfer und ohne politische Strukturen dargestellt wird“.
Lehrer werden gezwungen, diese Positionen gegenüber ihren Schülern zu verteidigen, werden zusätzlich noch in die Position von Hilfspolizisten gedrängt und müssen beim Erkennen von radikalisierten Jugendlichen sofort Kontakt mit Beratungsstellen wie der „Beratungsstelle Extremismus“ oder der Bundesstelle für Sektenfragen aufnehmen.
Antisemitismus, vermeintlich oder real, ist nach Auffassung der Regierung Teil „komplex verwobener, globaler Verschwörungstheorien“, angefeuert von der „COVID-19-Pandemie, dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine sowie dem terroristischen Angriff der Hamas auf Israel“. Insofern werden die 3000 geplanten “Extremismus-Präventionsworkshops” an Schulen neben dem Thema Antisemitismus und Nahostkonflikt auch Verschwörungstheorien und die Verteidigung der Demokratie abdecken.
Darüber hinaus schreibt die Strategie gegen Antisemitismus 2.0 fest, dass die Zusammenarbeit mit der IKG weiter ausgebaut wird, u.a. mit dem Projekt LIKRAT für Schüler. Die Führung der IKG ist für ihre unverbrüchliche Solidarität mit der Netanjahu-Regierung bekannt. Als ihr Vorsitzender Oskar Deutsch in den ORF-Nachrichten den Hunger und die Opferzahlen in Gaza leugnete und das Rote Kreuz kritisierte, war das sogar einigen Bürgerlichen unangenehm.
Experten der IKG waren es auch, die für die fünftägigen „Werte- und Orientierungskurse für Asyl- und subsidiär Schutzberechtigte“ ein eigenes Sensibilisierungsmodul zum Thema Antisemitismus ausgearbeitet haben. Dieses Programm wird nun massiv verschärft: Ein ganzes Integrationsjahr wurde eingeführt und bei Regelverstößen drohen finanzielle Sanktionen und die Aberkennung des Aufenthaltsstatus. Am Schluss dieser Kurse müssen die Unglücklichen noch eine demütigende „Integrationserklärung“ unterschreiben, ergänzt durch eine Erklärung gegen Antisemitismus. Diese basiert selbstverständlich ebenfalls auf der IHRA-Definition und kommt damit einem Schwur auf Israel gleich.
Die ganze Strategie gegen Antisemitismus trieft vor Rassismus, wobei arabischstämmige und türkische Jugendliche sowie Asylwerber entwürdigt und gedemütigt werden. Es ist klar: Die Regierung will einen Kulturkrieg anfachen, während sie historische Angriffe auf Bildungs-, Gesundheits- und Sozialsystem gegen die gesamte Arbeiterklasse fährt.
Auch die Pressefreiheit und demokratische Rechte werden weiter eingeschränkt. Die ohnehin schon klar pro-israelisch berichtenden Medien werden im Bericht für ihren israelkritischen, „linken“ Antisemitismus kritisiert. Medien sollen auf aufbereitetes Material zum Nahostkonflikt zurückgreifen und nur noch in Konformität mit der IHRA-Arbeitsdefinition über Israel und die „Spannungen“ in Palästina berichten. Unterstützend dazu ist die Erprobung eines KI-Tools geplant, das antisemitische Inhalte im Internet erkennen soll.
Wenn Ex-Kanzler Sebastian Kurz nicht gerade auf der Anklagebank sitzt, leitet er heute ein Startup in Israel. Dieses sogenannte Unicorn – ein Startup, das über eine Milliarde wert ist – verkauft Staaten KI-gestützte Cybersecurity Software. Als jüngst österreichische Journalisten in einer PR-Aktion zum Lokalaugenschein geladen waren, wurde nicht nur die IDF-Zentrale besucht und Videos vom 07.10. vorgeführt. Sebastian Kurz beeindruckte die Journalisten auch damit, wie gut vernetzt er in der israelischen Politik ist, indem Avner Netanjahu, der Sohn des Ministerpräsidenten, zum Frühstück vorbeikam.
Die Krise des Kapitalismus radikalisiert die Jugend und immer mehr auch die Arbeiterklasse. Die Spaltungspolitik wird zunehmend durchschaut. Der Vorwurf des Antisemitismus wurde dabei von den Herrschenden völlig sinnentleert. Während die SPÖ sich diesem Kurs vollkommen verschrieben hat, schweigt die KPÖ zu „polarisierenden“ Themen wie Rassismus und Völkermord weiter. Es ist die Aufgabe von Kommunisten, dem Gift von Rassismus und Spaltung entgegenzustehen und die heuchlerische Strategie der Regierung zu enttarnen, die den „Kampf gegen Antisemitismus“ für ihre reaktionären Anliegen instrumentalisiert.
(Funke Nr. 239)