Auch das reichste Land der Welt bleibt nicht von der kapitalistischen Krise verschont. Durch die anhaltende Inflation müssen sich Millionen von Arbeitern zwischen Brot und Miete entscheiden. Und das in einem Land, in dem 40% mehr Lebensmittel produziert als konsumiert werden und wo auf jeden Obdachlosen ca. 28 leerstehende Wohnungen oder Häuser kommen. In der kommenden Wahl gibt es für die Arbeiterklasse keine Antwort auf dem Stimmzettel. Von Mio Purgathofer.
Die Regierung Bidens ist wegen der stark steigenden Lebenserhaltungskosten verhasst, gleichzeitig hat sie genug Geld, um Unsummen in den Krieg in der Ukraine und den Völkermord in Palästina zu stecken. Kein Wunder, dass es die unbeliebteste Präsidentschaft der amerikanischen Geschichte ist. Die Alternativlosigkeit auf dem Wahlzettel treibt Millionen von Arbeitern in das Lager von Trump, der ihnen seine reaktionäre Demagogie als Lösung für ihre Probleme verkauft.
Nach Bidens Rückzug gibt es nun einen medialen Hype um Kamala Harris. Sie soll frischen Wind in die Kampagne bringen und verspricht allerlei Dinge zu tun, dass sie alles für eine Waffenruhe in Gaza tun und die Abtreibungsrechte sichern werde. Die in Euphorie schwelgenden bürgerlichen Medien repräsentieren die Stimmung der Liberalen und der Kleinbürger, die erleichtert über den Abgang von „Sleepy Joe“ sind. Doch Kamala Harris ist genau wie ihr Vorgänger Kandidatin des Establishments, Kriegsverbrecherin und Top Cop und auf keinen Fall ein geringeres Übel.
63% der US-Amerikaner sagen, dass sie sich von keiner der beiden großen Parteien vertreten fühlen und 48% sind der Ansicht, dass es egal ist, wer die kommenden Wahlen gewinnt, weil sich nichts ändern wird. Und tatsächlich: Keine der Parteien kann (oder will) die Interessen der Arbeiterklasse und der Jugend verteidigen, denn es sind bürgerliche Parteien, die Politik für die Reichen und Bosse machen. Es ist nicht absehbar, wer die kommende Wahl gewinnt, aber in jedem Fall steht fest, dass die Arbeiterklasse verlieren wird.
In den Medien wird vor allem betont, dass Harris eine “empathischere” Palästina-Position habe. Sie meint, dass sie über das Leiden in Gaza nicht schweigen wird, weil sie weiß, dass Biden vor allem wegen Palästina so unbeliebt ist. Doch das ist pure Heuchelei. Das Gerücht, es käme ein amerikanisches Waffenembargo gegen Israel (die USA versorgen Israel mit 68% seiner importierten Waffen) wurde von einem ihrer Berater schnell richtig gestellt, Kamala Harris würde Israels Recht auf Selbstverteidigung immer gewährleisten! Den Pro-Palästina-Aktivisten, die sie angeblich „sehe und höre“, fiel sie bei einer Wahlkampfveranstaltung in Michigan unverschämt ins Wort. Am Nominierungsparteitag demonstrierten Tausende gegen die Demokraten und gegen die mörderische Unterstützung Israels durch die USA.
Wie schon ihre Kollegen will auch Kamala Harris die Stimmen von Frauen gewinnen, indem sie sich als Verteidigerin von Abtreibungsrechten darstellt, diese dann aber nicht umsetzt. Joe Biden (und vor ihm Obama) zum Beispiel versprach, das Abtreibungsrecht im Gesetz zu verankern. Das tat er aber nicht, weshalb 2022 trotz Mehrheit der Demokraten im Weißen Haus, im Kongress und Senat das Recht gekippt wurde.
Umfragen zeigen, dass für die Mehrheit der Frauen nicht das Abtreibungsrecht, sondern die Inflation ausschlaggebend für die Wahl ist. Eine US-Genossin der RKI schreibt: „Frauen haben nicht aufgehört, sich für Abtreibungsrechte zu interessieren, aber sie haben erkannt, dass es bei diesem Thema, genau wie bei allen anderen, keinen Unterschied zwischen den beiden kapitalistischen Parteien gibt.“
Auch wenn zurzeit Harris in den Umfragen knapp vorne liegt, werden viele Amerikaner diesen November wieder Trump wählen. Obwohl Trump als Präsident extrem unbeliebt war, hat die noch größere Enttäuschung über Biden ihm jetzt einen erneuten Aufstieg gesichert. Das ist dem Versagen der Linken, die keine Alternative zu den bürgerlichen Parteien bieten, zu verschulden. Seit Jahren ordnen sie sich der herrschenden Klasse unter und unterstützen die Demokraten als „geringeres Übel“. Das schafft Platz dafür, dass Trump und Vance sich als Politiker für „everday Americans“ und gegen die Eliten darstellen können. Natürlich sind die Republikaner genauso Teil des Establishments, gegen das sie sich demagogisch stellen, wenn auch Teil einer anderen Fraktion. Die Probleme der arbeitenden Massen können sie nicht lösen, denn die „Antwort“, die sie bieten, ist nur Rassismus, die Spaltung der Arbeiterklasse und das Erdrücken des Klassenkampfes.
Die Wut in der Bevölkerung über die Unterstützung des Genozids, über die Inflation und über die ständig sinkenden Lebensstandards sorgt für eine enorme Polarisierung. Unter der Oberfläche brodelt es: Immer mehr Menschen wird klar, dass keine der beiden Parteien ihr Leben verbessern kann, sondern dass sie dafür kämpfen müssen! Die Zahl der Streiktage in den USA hat sich in den letzten Jahren mehrmals verdoppelt und war letztes Jahr auf dem höchsten Niveau seit 2000. Und: es gibt einen enormen Drang, sich zu organisieren. “Unionization efforts”, also Kampagnen zur Gründung von Gewerkschaftsgruppen am Arbeitsplatz, gehen Hand in Hand mit diesen Arbeitskämpfen. Die Arbeiterklasse spürt, dass sie ein Kampfinstrument braucht. Auf diesem Weg tappt sie sich langsam vor. Neben den restriktiven Arbeitsgesetzen sind vor allem die Unerfahrenheit der Aktivisten und die Anbiederung der großen Gewerkschaftsführer an die Demokraten die größten Hindernisse, ein solches Instrument zu schaffen.
Der einzige Weg vorwärts ist der Klassenkampf und die politische Unabhängigkeit der Arbeiterklasse. Harris und Trump sind zwei Seiten derselben kapitalistischen Medaille und die Arbeiterklasse kann sich nur auf ihre eigene Stärke verlassen. Wie unsere US-Genossen es sagen:
„Um das zu erreichen, braucht die Arbeiterklasse eine revolutionäre Partei, bewaffnet mit marxistischer Theorie, um die Kapitalisten an jedem Arbeitsplatz, an jedem Uni Campus, auf der Straße und in der Wahlkabine zu bekämpfen.“
(Funke Nr. 226/30.08.2024)