Im von Pakistan kontrollierten Teil des umstrittenen Gebiets Kaschmir konnte eine Massenbewegung aller Repression standhalten und wichtige Teilsiege erringen. Dieser Sieg hat in der ganzen Region Wellen geschlagen und kann der Arbeiterklasse aller angrenzenden Länder den Weg nach vorne weisen. Von Valentin Iser
Am 13. Mai marschierten 500.000 Menschen aus der ganzen Region auf Muzaraffarabad, um eine Senkung der Mehl- und Strompreise zu verlangen. Die Regierung gab endlich nach: Eine Stromeinheit kostet jetzt 6 Rupien für private Haushalte, zuvor lag der Preis bei teilweise über 70 Rupien. Der Preis für 40kg Mehl wurde von 3.100 Rupien auf 2.000 gesenkt.
Muzzafarabad liegt im vom Pakistan kontrollierten Teil der umstrittenen Kaschmirregion, der euphemistisch „Asad Kaschmir“ („freies Kaschmir“) genannt wird (Indien, Pakistan und China erheben alle Gebietsansprüche in Kaschmir). Diese Gegend blieb von den enormen wirtschaftlichen und sozialen Missständen, die das restliche Land erschüttert haben, nicht verschont.
Seit über einem Jahr war es zu anhaltenden Protesten gekommen, insgesamt acht Mal wurde die gesamte Region durch Streiks und Transportblockaden zum Stillstand gebracht. Der Großteil der 4,5 Millionen Einwohner verweigerte die Zahlung von Stromrechnungen. Der Höhepunkt der Bewegung war der Marsch auf Muzaffarabad, der schließlich den Sieg errang.
All das wurde von einem Zusammenschluss von Aktionskomitees koordiniert, an denen die pakistanischen Genossen unserer Schwesterorganisation „Lal Salaam“ maßgeblich beteiligt waren. Die Aktionskomitees waren der Grund, dass die Bewegung über ein ganzes Jahr aufrechterhalten, verteidigt und ausgeweitet werden konnte. Die erreichten Forderungen wurden zuvor als utopisch wahrgenommen, im Nachhinein ist aber klar, dass man viel mehr hätte fordern können.
Trotz immenser Repressionsversuche, bei denen mehrere Demonstranten erschossen, weitere verletzt und sogar Polizei aus benachbarten Bundesstaaten herbeigezogen wurde, konnte die Bewegung nicht eingeschüchtert werden.
Für alle etablierten Parteien ist diese Bewegung ein wohlverdienter, schwerer Schlag. Sie alle stützen sich auf nationalistische und sektiererische Spaltung und versuchten, die Bewegung zu vereinnahmen, um ihre eigene Position in den Institutionen zu verteidigen. Die Aktionskomitees hingegen bestanden aus normalen Menschen der Bevölkerung, die Delegierte wählten. Der ursprüngliche Impuls für die Organisierung der Bewegung war ein lokales Aktionskomitee, das von unseren Genossen in einer kleinen Stadt ins Leben gerufen wurde, um für niedrigere Mehlpreise zu protestieren, ein Kampf, der auch gewonnen werden konnte. Ein Genosse wurde zum Koordinator der Ausweitung der Komitees gewählt und so bildeten sich bald in den umliegenden Städten und dann in der gesamten Region ähnliche Komitees, die jeweils Vertreter für ein übergreifendes Komitee stellten, das vor einem Jahr eine breit angelegte Kampagne startete.
Anfang Mai rief das Aktionskomitee zu einem „langen Marsch“ nach Muzaffarabad auf. Aus der ganzen Region machten sich Leute auf den Weg dorthin. Die „Pilger“ wurden unterwegs mit offenen Armen empfangen, verköstigt und bekamen einen Schlafplatz, bevor sich die Gastgeber ihnen dann anschlossen und weiterzogen. Auch wenn Frauen nicht an der Hauptversammlung teilnahmen, spielten sie eine absolute Schlüsselrolle in der Organisation, im Aufstellen von Finanzen, Essen, Unterkunft und Logistik. Eine Frauendemonstration, zu der das Aktionskomitee im Oktober gegen den Widerstand reaktionärer Vorurteile ausrief, brachte Tausende auf die Straße und zeigte praktisch ihre kämpferische Rolle auf. Sie lieferten sich sogar Kämpfe mit den extrem reaktionären paramilitärischen „Pakistan Rangers“.
In Pakistan eröffnet sich nun eine neue Situation. Das Bewusstsein der Massen hat sich durch diesen Sieg verändert und die Arbeiterklasse im ganzen Land blickt auf den Erfolg der Bewegung. Doch der pakistanische Staat wird einen Gegenangriff vorbereiten. Unter dem Banner der RKI werden unsere Genossen nun eine neue politische Offensive starten, in Bewegungen intervenieren und die revolutionäre Partei aufbauen!
(Funke Nr. 224/30.05.2024)