In keinem anderen EU-Land sind die Gaspreise anhaltend so stark gestiegen wie bei uns und der nächste Anstieg steht vor der Tür. Die Auseinandersetzungen zwischen den imperialistischen Blöcken treffen den österreichischen Kapitalismus besonders hart. Bezahlen soll dafür die Arbeiterklasse. Von Willy Hämmerle.
Im Vergleich zum Jänner 2015 haben sich die Gaspreise in Österreich mehr als verdoppelt (+142%), während sie im EU-Schnitt um 58 % gestiegen sind (Quelle: IHS Preismonitor, Stand April 2024). Der Standard veröffentlichte dazu eine Analyse („Nirgendwo in Europa halten sich hohe Gaspreise so hartnäckig wie in Österreich. Wie kommt das?“, 15.3.2024) und bringt folgende Faktoren ins Treffen: Hohe Monopoldichte, lange Vertragsbindungen, gierige Unternehmen und sture, wechselunwillige Konsumenten.
Während alle diese Umstände sicherlich eine Rolle bei der Preisgestaltung der Energiekonzerne spielen, wird das zentrale Problem in der Analyse umschifft, gar nicht, oder als ein Faktor unter vielen dargestellt: Die enge Bindung an russisches Gas, gepaart mit den westlichen Sanktionen gegen russische Energielieferungen und die Sprengung der Nordstream-Pipelines. Die Liberalen sind sich dieses Problems eigentlich bewusst. Wie oft hören wir es nicht? „Die Regierung muss endlich die Abhängigkeit vom russischen Gas in den Griff kriegen!“ Wenn es nur so einfach wäre. Tatsächlich ist der Anteil an russischem Gas sogar noch gestiegen (Dezember 2023: 98%)! Die für die österreichische Gasversorgung zuständige OMV hat sich 2018 mit einem langfristigen Vertrag bis 2040 an die russische Gazprom gebunden, um einen „wesentlichen Beitrag zur Versorgung Österreichs sowie anderer europäischer Länder [!] angesichts der wachsenden Nachfrage“ zu leisten. Diese Orientierung wird jetzt zum Problem.
Was in diesen Verträgen genau drinnen steht, weiß die Öffentlichkeit nicht, selbst Energieministerin Gewessler gibt an, den Vertragsinhalt nicht zu kennen. Klar scheint aber: Aufgrund der allgemein gestiegenen Energiepreise ist auch das Gas aus Russland nicht mehr besonders billig – aber deutlich billiger als US-amerikanisches Flüssiggas (LNG), das die russischen Ausfälle kompensieren soll. Die OMV kann sich auch nicht einseitig entscheiden, geringere Mengen abzunehmen. Solange Russland die vereinbarte Menge liefert, wird die OMV zahlen müssen, so E-Control-Chef Urbantschitsch (ORF, 8.11.2023). So einen Vertrag kann man nicht einfach brechen, ohne die Interessen des österreichischen Kapitals in Russland zu gefährden. Allein die Raiffeisenbank sitzt auf mehr als drei Mrd. € Gewinn, den sie derzeit nicht aus Moskau herausbekommt, aber auch andere österreichische Unternehmen machen noch gute Geschäfte in Russland, die im Falle eines Vertragsbruchs als Entschädigung von Putin enteignet werden könnten.
Der westliche Imperialismus macht seinerseits Druck, die Beziehungen zwischen Russland und Österreich zu kappen. Am 22. Mai wurde bekannt, dass ein europäisches Energieunternehmen ein Gerichtsurteil erwirkt hat, das die OMV dazu zwingen könnte, für die Gazprom bestimmte Zahlungen stattdessen an jenes (bisher unbekannte) Unternehmen zu leisten – und damit vertragsbrüchig zu werden und einen Lieferstopp zu provozieren.
Die Bundesregierung hat also nur schlechte Optionen vor sich und wird von den geopolitischen Auseinandersetzungen getrieben. Eine Normalisierung ist nicht in Sicht – die Zeichen stehen auf noch mehr Unsicherheit und Instabilität. Spätestens Anfang 2025 wird kein russisches Gas mehr durch die Ukraine fließen, so die Selenskyj-Regierung in Kiew. Dieser Zeitplan wurde durch das Gerichtsurteil potenziell verschärft und schon jetzt reagieren die Märkte mit bis zu 20 % höheren Gaspreisen. Der österreichische Kapitalismus schlittert immer tiefer in die Krise.
Bezahlen darf wie immer die Arbeiterklasse. Die bisher mildernd wirkende Strompreisbremse soll im Juli halbiert werden und Ende Jahr auslaufen. Am Horizont stehen hohe Strom- und Gasrechnungen, weitere Teuerung und – egal wie die Wahlen im Herbst ausgehen – eine Regierung der sozialen Angriffe. Unsere Klasse muss sich kampfbereit machen.
(Funke Nr. 224/30.05.2024)