Der Konflikt um den Metaller-KV geht in die heiße Runde. Die Industriellen geben nicht nach und wollen den gemeinsamen Kollektivvertrag aufspalten. Was tun?
Bei einem Schachspiel sind Fragen der Taktik vom ersten Zug an von großer Bedeutung. Wer in der Eröffnung Vorteile erzielt, genießt in der Regel auch später eine Überlegenheit gegenüber dem Gegner. Im Konflikt um den Metaller-KV haben die Unternehmer den ersten Zug gemacht und angekündigt, dass sie nicht mehr bereit sind einen Kollektivvertrag für die gesamte Metallindustrie abzuschließen.
Mit einer bundesweiten Betriebsrätekonferenz Ende Juni in Leonding und Gesprächen mit den Geschäftsführern auf betrieblicher Ebene wollte die Gewerkschaftsführung die Gegenseite noch einmal von den Segnungen der Sozialpartnerschaft überzeugen. Wie es ausschaut, war dieses Bemühen vergebens.
Was wollen die Unternehmer
Mittlerweile hat jeder einzelne der 6 Fachverbände der Metallindustrie den zuständigen Gewerkschaften PRO-GE und GPA-djp einen separaten Verhandlungstermin geschickt, d.h. jeder Fachverband will mit der Gewerkschaft einen eigenen KV ausverhandelt.
Dies wirft die Frage auf, warum die Unternehmer überhaupt den gemeinsamen Metaller-KV entsorgen wollen. Das Hauptargument der Gewerkschaft lautete bisher: Die Arbeitgeberseite ist sich uneins, eine Gruppe von besonders lautstarken Gewerkschaftsgegnern will provozieren. Es geht um Rache für den hohen Lohnabschluss im vergangenen Herbst als Ergebnis des Streiks.
Die Unternehmer wollen natürlich mit diesem Angriff die Gewerkschaft schwächen. Simonitsch von der Kleinen Zeitung brachte die Haltung der Unternehmer in einem Gastkommentar in den Vorarlberger Nachrichten auf den Punkt: „Freilich geht es im Kern darum, letztlich in einigen Sparten geringere Löhne zahlen zu müssen.“
Ein starker Kollektivvertrag ist v.a. vielen exportorientierten Unternehmen aus dem Maschinenbau- und Metallverabreitungssektor ein Dorn im Auge, weil der KV gegen ihre Profitinteressen steht und ihre Wettbewerbsfähigkeit einschränkt. Wenn man sich das Verhandlungsteam in diesem Fachverband ansieht, dann sieht man, dass dort eine neue radikale Generation von Unternehmern das Sagen haben. Diese UnternehmerInnen haben mit der Sozialpartnerschaft nichts mehr am Hut. Diese Damen und Herren wollen sich jetzt für die nächste Phase der Krise fit machen.
Reaktion der Gewerkschaften
Die Gewerkschaften stehen jetzt vor der Entscheidung, wie man damit umgehen soll. Bisher war die Linie ganz klar: Der gemeinsame Metaller-KV ist „heilige Erde“ und somit unantastbar. Wenn die Unternehmer nicht zu gemeinsamen Verhandlungen bereit sind, dann bedeutet das Kampf.
Doch dieser Kurs wurde nun im Hochsommer aufgeweicht. Nun will die Gewerkschaftsführung die 6 Verhandlungstermine annehmen. Die jetzige Sprachregelung lautet: Das sind „nur“ Wirtschaftsgespräche, wo man sich einmal anhören wird, wie die Fachverbände das wirtschaftliche Umfeld ihrer Branche sehen. Schon in der von der Betriebsrätekonferenz verabschiedeten Resolution gab es eine sehr schwammige Formulierung, die – der kämpferisch angelegten Konferenz zum Trotz – einen solchen Schritt vorbereitet hat. Dort wurde der angestrebte „sozialpartnerschaftliche Weg“ so beschrieben: „Begegnung auf Augenhöhe, gegenseitiger Respekt, vorhandene Probleme ansprechen und lösen und Verantwortung zum Nutzen der ArbeitnehmerInnen und der Unternehmen wahrnehmen.“ Wir haben schon damals betont, dass solche Aussagen alles andere als dazu geeignet sind, um die Gewerkschaftsbewegung für diese Auseinandersetzung kampffähig zu machen.
Die 6 Verhandlungstermine im September sollen nun also wahrgenommen werden, werden aber von Seite der Gewerkschaft nur als (die üblichen) „Wirtschaftsgespäche“ interpretiert, die dann mit gemeinsamen Verhandlungen fortgesetzt werden, so der Plan der PRO-GE.
Die Industriellen werden bei diesen Gesprächen natürlich die Chance nutzen und die wirtschaftliche Notwendigkeit einer Aufspaltung des KV argumentieren. Und – ein nicht zu unterschätzender Faktor – man sitzt genau so zu Tisch, wie es sich die Unternehmer gewünscht haben.
Fragen der Taktik
Demgegenüber lassen wir uns von folgenden Überlegungen leiten:
Der gemeinsame Kollektivvertrag kann nur mit Kampfmaßnahmen verteidigt werden. Zu glauben, man müsse es jetzt besonders clever angehen, indem man die Verhandlungstermine annimmt, um so der Öffentlichkeit zu zeigen, man sei für alles offen und gesprächsbereit, verwirrt nur die eigenen Reihen. Die Gewerkschaft muss den Metallern in allen Betrieben deutlich machen, dass der KV unter allen Umständen verteidigt wird, weil es um die Sicherung der Löhne und der sozialen Errungenschaften geht. Es gibt keinen nachvollziehbaren Grund, warum man den Unternehmern jetzt entgegenkommen soll. Nach dem Eröffnungszug geben wir den Unternehmer nun die Möglichkeit noch mehr in die Offensive zu gehen. Und einer Sache müssen wir uns auch bewusst sein: Nicht nur gibt es bei den Unternehmern den Willen zur Aufspaltung des KV, in Teilen der Gewerkschaftsbewegung gibt es auch eine Offenheit gegenüber einer solchen Entwicklung. Dazu gehören etwa Betriebsräte, die sich aufgrund ihrer starken Position und der momentan noch relativ großen Margen in ihrem spezifischen Sektor glauben, dass sie dann noch immer auf betrieblicher Ebene mehr rausholen können. Aber es gibt auch Betriebsräte, die einen schlechteren KV in Kauf nehmen würden, weil sie hoffen, dass dann Jobs gesichert werden können usw.
Bei der bundesweiten Betriebsrätekonferenz im Juni hat die Gewerkschaftsspitze zu Recht darauf gepocht, dass es darum geht alle Betriebe zu einem gemeinsamen Kampf zu mobilisieren. Zu glauben, man nimmt die 6 Verhandlungstermine an, um dann an 6 Fronten den Kampf führen zu können, um dann vielleicht die Unternehmer leichter in die Knie und an den gemeinsamen Verhandlungstisch zwingen zu können, ist unter diesen Vorzeichen ein sehr riskantes Spiel, von dem die Gewerkschaft besser die Finger lassen sollte.
Indem die Gewerkschaftsführung bereit ist, die 6 separaten Verhandlungstermine anzunehmen, lässt sie dem Spaltpilz freien Lauf, anstatt ihn von Anfang an konsequent einzudämmen und die gemeinsamen Interessen aller Beschäftigten, die unter den Metaller-KV fallen, zu betonen. Das Gebot der Stunde heißt nun größtmögliche Einheit aller Beschäftigten in der Metallindustrie – und volle Solidarität der gesamten Gewerkschaftsbewegung.
Eine Schachpartie ist noch lange nicht entschieden, nur weil durch die Eröffnungszüge eine gewisse Überlegenheit erzielt wurde. Insofern ist mit dieser – aus unserer Sicht falschen – taktischen Entscheidung der Uminterpretation der Verhandlungstermine in Wirtschaftsgespräche noch nichts verloren. Alle Kolleginnen und Kollegen, die den gemeinsamen KV verteidigen wollen, sollten aber Druck machen, damit diese 6 Verhandlungstermine nicht wahrgenommen werden. Die Gewerkschaft muss auf ihrer Forderung nach einem gemeinsamen Verhandlungstermin beharren. Wenn die Unternehmer dazu nicht bereit sind, müssen sie mit den Mitteln des Arbeitskampfes an diesen Verhandlungstisch gezwungen werden.
Dieser Konflikt wird richtungsweisend sein für die weitere Entwicklung der Gewerkschaften. Ein erfolgreiches Kräftemessen mit den Unternehmern führt über eine gewerkschaftsinterne Auseinandersetzung über die Methoden, mit denen dieser Kampf zu führen ist. Eine Gewerkschaft, die einer längst verwelkten Sozialpartnerschaft nachhängen würde und dementsprechend schwach auftritt, ist zu einer schweren Niederlage verdammt. Die Kräfte, die für diesen alten Kurs stehen, dürfen in der Gewerkschaft keine Überhand mehr bekommen. Uns muss aber bewusst sein, dass sie sowohl unter Betriebsräten über eine nicht zu kleine Basis verfügen wie auch im Apparat auf einflussreichen Posten sitzen. Dazu kommt noch, dass sie bei einer Eskalation des Kampfes Unterstützung bekommen werden: Regierungsmitglieder, hochrangige ÖGB-Vertreter, Altfunktionäre werden dann anklopfen und zur Aufrechterhaltung der Sozialpartnerschaft und zu einer vernünftigen Politik mahnen. Es waren genau diese Interventionen, die schon letztes Jahr zum Abwürgen des Metallerstreiks, noch bevor er seine ganze Kraft entfalten konnte, führten. Dem gilt es dieses Mal vorzubeugen.
Die nächsten Schritte
Dazu ist es unerlässlich, dass Diskussionen und Entscheidungen über Taktik, Forderungen und Kampfmethoden so demokratisch wie nur möglich stattfinden. In Wahrheit braucht es gleich nach der Urlaubszeit eine Betriebsrätekonferenz, die über das konkrete weitere Vorgehen beratschlagt und entscheidet. Die kämpferische Stimmung von Leonding gilt es nun – angereichert mit den konkreten Ergebnissen der Informationsarbeit und der Aktualisierungen der Streikpläne der einzelnen Betriebe – in einen konkreten, und allseits verbindlichen Kampfplan zu gießen.
Dafür gilt es jetzt dafür Druck zu machen, aber auch dafür, dass die Gewerkschaftsführung die 6 Verhandlungstermine ablehnt und der Kampf für einen gemeinsamen Metaller-KV von Anfang an geschlossen und geeint geführt wird.
Und wenn man selbst kein Metaller ist, dann ist es höchst an der Zeit die Kolleginnen und Kollegen im eigenen Betrieb auf diese Auseinandersetzung im Herbst vorzubereiten, und von der eigenen Fachgewerkschaft konkrete Unterstützungsmaßnahmen für den Erhalt des Metaller-KVs einzufordern. Die Verteidigung des Metaller-KVs ist keine Aufgabe der Metaller allein! Gemeinsam den Metaller-KV verteidigen!