In Vorarlberg reagiert die Landesregierung auf die große Demo für das Abtreibungsrecht vom 1.10. mit einer Kehrtwende. Doch damit geben wir uns nicht zufrieden. Der Kampf um das Recht auf Abtreibung geht in die nächste Runde.
1973, also vor 50 Jahren, wurde die Fristenlösung beschlossen, die Schwangerschaftsabbrüche bis zum 3. Monat straffrei stellt. In Vorarlberg aber wird den Frauen dieses grundlegende Recht auf Selbstbestimmung über ihren Körper weiterhin de facto verweigert. Die Landesregierung aus ÖVP und Grünen blockiert unter dem Druck christlicher Fundamentalisten legale Abtreibungsmöglichkeiten in den Landeskrankenhäusern. Krankenhäuser sind aber der sicherste Ort, um diesen medizinischen Eingriff durchzuführen und um die Frauen und das Gesundheitspersonal vor rabiaten Abtreibungsgegnern zu schützen.
Dass dies in Vorarlberg immer noch nicht möglich ist, erklärt die Stimmung aus Wut und Empörung unter den 400 TeilnehmerInnen auf der Demo am 1.10., was für das Ländle einen vollen Erfolg darstellt. Einen wesentlichen Beitrag für das Gelingen dieser Demo leistete die SJ Vorarlberg, die im Vorfeld einen Großteil der Organisation übernahm, aktiv mobilisierte und einen großen, lautstarken Block stellte. SJ Vorarlberg-Vorsitzende und Funke-Aktivistin Sonja Kopf erhielt für ihre kämpferische Rede, in der sie den Kampf um das Abtreibungsrecht mit einer antikapitalistischen Perspektive verknüpfte, mehrfach spontanen Applaus:
„Indem man Frauen die alleinige Verantwortung für Kindererziehung, Haushalt und Altenpflege zuschiebt, sparen sich die Kapitalisten jedes Jahr Milliarden im Sozialsystem, anstatt das gesellschaftlich zu organisieren – die Spaltung der Arbeiterklasse und Lohndrückerei inklusive.“
Dass die Demonstration wohl eine breitere gesellschaftliche Stimmung widerspiegelt und die Frage Brisanz hat, zeigte sich daran, dass in den letzten Wochen selbst die ÖVP in dieser Frage gespalten war und mehrere Bürgermeister verschiedener Parteien für die Option eintraten, dass an den LKHs Abtreibungen vorgenommen werden können. Die SPÖ brachte nach der Demo einen entsprechenden Antrag in den Landtag ein, damit an den Spitälern Schwangerschaftsabbrüche möglich werden sollen. Die SJ machte konkrete Vorschläge, wie man den Druck auf die Landesregierung erhöhen könnte und dass man zusätzlich zur parlamentarischen Arbeit auf der Straße dranbleiben sollte.
Dies gilt auch angesichts der jetzigen Kehrtwende der Landesregierung. In Zukunft wird es am LKH Bregenz möglich sein, Abtreibungen durchzuführen – allerdings als Privatleistung. Das ist ein wichtiger Teilerfolg. Dass es aber gilt, weiter zu kämpfen, zeigt auch die Betonung von Landeshauptmann Wallner, wonach es keine Abtreibungen auf Krankenschein geben soll. Abbrüche kosten in Zukunft 720 Euro (im Wiener Gesundheitsverband 355,41 Euro). Dass das für viele Frauen erst recht eine große Hürde ist, braucht man nicht lang ausführen. Außerdem soll es „Beratungen“ geben, wo man die Motive der Frauen erfragen möchte.
Die Bewegung für das Recht auf Abtreibung an den Landeskrankenhäusern und auf Krankenschein muss nun weitergeführt werden. „50 Jahre Fristenlösung“ Ende November ist ein guter Anlass, den Protest wieder auf die Straße zu tragen. Dann besteht auch die Möglichkeit, im Rahmen österreichweiter Aktionen Druck für dieses wichtige Recht der Frau zu machen.
Mit den Ausschlussdrohungen gegen die SJ, die nun auch kommentarlos aus den Vorbereitungen weiterer Proteste in der Abtreibungsfrage gedrängt wurde, schwächt die SPÖ-Führung die Bewegung. Die Mobilisierungsstärke der SJ Vorarlberg zeigte sich auch vor kurzem beim Protest gegen den Auftritt von FP-Kickl in Bregenz. Die SJ Vorarlberg und Der Funke werden jedenfalls weiter entschieden für die Selbstbestimmung der Frau kämpfen, denn: Ohne Befreiung der Frau kein Sozialismus – ohne Sozialismus keine Befreiung der Frau!
(Funke Nr. 218/25.10.2023)