Wir haben diesen Protestbrief zugeschickt bekommen, den die Autoren an die SPÖ Vorarlberg gesendet haben, um gegen die Ausschlüsse und Hetzte gegen die SJ Vorarlberg zu protestieren.
Lieber Genosse Leiter, ich beziehe mich auf die Medienberichte der letzten Tage. Ich finde es als Parteimitglied der SPÖ befremdlich, das Sie als Vorsitzender der einzigen Arbeiterpartei, eigene Parteimitglieder in der Öffentlichkeit derart diffamieren, das kann ich beim besten Willen nicht gutheissen. Sie wollen doch nicht allen ernstes behaupten, das die Jugendlichen der SJ-Vorarlberg Antisemiten sind.
Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass die SJ-Vorarlberg die einzige Sektion der SPÖ-Vorarlberg ist, die regelmäßig Leute mobilisiert, auf die Straße zu gehen und gegen all die Ungerechtigkeiten unserer Zivilisation zu protestieren, vor allem, gegen Antisemitismus und Faschismus.
Um nun zum Kern der Sache zu kommen. Ich habe mir den Text auf den sich die bürgerliche Presse stürzt, durchgelesen. Ich kann ihn nur unterstützen. Es gibt eine ganz entscheidende Stelle in dem Artikel, der sich auf die Hamas bezieht, der wie folgt lautet: „Wir teilen weder ihre Ideologie, noch dulden wir ihre Methoden“ Sie wollen mir doch nicht wirklich erklären, dass Sie den Text gelesen haben.
Ich wandle nun seit gut 50 Jahren auf dieser Erde, der Konflikt in Palästina verfolgt mich also schon mein ganzes Leben. Ich frage mich ernsthaft, Sie nicht?
Wieso auf einmal dieser Aufschrei? Wo war die Empörung all die Jahrzehnte? Ich kann keiner Form von Terrorismus was abgewinnen, weder von der Hamas, noch vom israelischen Staat.
Oder wie sehen Sie das? Ist es kein Terror mit modernsten Waffen und Überwachungsmitteln gegen Menschen vorzugehen, die nicht vor allzu langer Zeit mit Steinen gegen gepanzerte Fahrzeuge warfen? Vertrieben und eingepfercht in einem Ghetto. Wie würden Sie das nennen? Sagen sie es mir.
Was glauben Sie wird passieren, wenn israelische Bodentruppen nach Gaza vorrücken? Ich sage es Ihnen, es werden viele unschuldige Zivilisten getötet, meines Erachtens ein schleichender Genozid, das ist sicher. Übrigens, falls es Ihnen nicht bewusst ist, 40% der Bewohner von Gaza sind unter 18 Jahren. Schutzbefohlene, denen man bewusst Wasser, Essen und Strom verwehrt – die sich, bei jeder weiteren Rakete der Israelis, radikalisieren werden.
Ich habe von der Jugendsprecherin der NEOS gelesen, das sie sich fragt, ob der moralische Kompass der SJ-Vorarlberg kaputt wäre?
Ich möchte es gerne mit NEIN beantworten. Es ist keine Frage der Moral, sondern von Recht und Unrecht.
Nach dem Schulterschluss mit den bürgerlichen Parteien frage ich mich, wie sieht es mit dem moralischen Kompass der SPÖ aus? Echt jetzt, Schulterschluss mit einer ÖVP, die ihre austrofaschistische Vergangenheit nicht loslässt. Die unter Dollfuß einen klerikalen Ständestaat installierte und hunderte von streikenden Arbeitern samt Familien, unter Beschuss nahm und dabei Duzende tötete, sämtliche Arbeiterparteien verbot und sie ihn Lager steckte. Eine FPÖ, die es nicht so genau mit der Geschichtsschreibung nimmt.
Die beiden Parteien stehen jetzt also auf der Seite der Israelis. Na ja, die haben es ja nicht so mit Arabern und Muslimen. Das Krisenkabinett der Regierung Nehammer und Kogler, die nun verstärkt auf eine Überwachung der Moscheen in ganz Österreich setzt, ist eine eindeutige Kriminalisierung von Menschen muslimischen Glaubens. Mit diesem Schulterschluss und der Befürwortung dieser Aussage fällt die SPÖ der arbeitenden muslimischen Bevölkerung in Österreich in den Rücken.
Viele Menschen in meinem Umfeld, die nicht Mitglieder der SPÖ sind, haben mir in den letzten Tagen mitgeteilt, dass sie gegen die himmelschreiende Ungerechtigkeit gegen die Palästinenser sind, trauen sich aber nicht, das laut auszusprechen, weil sie dann sofort als Antisemiten gelten – schade, dass die SPÖ ins selbe Horn bläst und es zulässt, dass die SJ als solche bezeichnet wird. Ihr zieht sofort Konsequenzen, droht mit Ausschluss und Streichung der Gelder – ist das die klare Kante, von der Genosse Andreas die ganze Zeit spricht?
Klare Kante wäre für mich, dass die Partei sich nicht durch die Medien auf so eine Hetze einlässt. Ich hätte Dir/Euch mehr Rückgrat zugetraut.
Herr Leiter, die SPÖ sollte die Menschen nicht spalten, sondern vereinen, im Kampf gegen Unterdrückung, Ausbeutung und Faschismus.
Wir stehen Seite an Seite mit allen Unterdrückten dieser Welt.
Ich möchte diesen Brief abschliessend mit den Worten von Berthold Brecht beenden: “Zuerst kommt das Fressen, dann kommt die Moral.“
Freundschaft,
Patrick Grabher-Radas
mit Tanja Radas
(Funke Nr. 218/25.10.2023)