Folgender Text erschien in der Broschüre „…ihr seid der moralische Rammbock“ und behandelt die Rolle von Frauen in der ArbeiterInnenbewegung und in linken Organisationen aus einer marxistischen Perspektive.
Einleitung
Wir leben in einer Gesellschaft, in der Frauenunterdrückung in ihren verschiedensten Ausformungen allgegenwärtig ist. Dies spiegelt sich auch in den Organisationen der ArbeiterInnenbewegung und der radikalen Linken wider, wo traditionelle Rollenbilder oft unkritisch reproduziert werden und Frauen in den meisten Fällen stark unterrepräsentiert sind. Der Widerstand von Genossinnen gegen Sexismus in den eigenen Reihen hat eine lange Geschichte, die bis in die frühe Sozialdemokratie zurückreicht. In den 1970er Jahren haben im Zuge der Frauenbewegung Frauen verstärkt politische und organisatorische Auswege aus diesem unhaltbaren Zustand zu suchen begonnen. Eigene Frauentreffen, Quoten und andere strukturelle Maßnahmen zur positiven Diskriminierung von Genossinnen haben sich im Zuge dieses Prozesses in der Sozialdemokratie und den Gewerkschaften durchgesetzt.
In diesem Text wollen wir uns anschließend an eine Darstellung der Entstehung und Funktion von Frauenunterdrückung anhand der Erfahrungen der proletarischen und der kommunistischen Frauenbewegung aber auch aufgrund aktueller Entwicklungen vor allem in der Sozialdemokratie und speziell der Sozialistischen Jugend Österreich aus marxistischer Sicht die Stellung von Frauen in linken Organisationen diskutieren, mit der Forderung nach Frauenquoten, Frauenfreiräumen und anderen strukturellen Maßnahmen zur Förderung von Genossinnen auseinandersetzen bzw. eine Antwort geben, wie MarxistInnen der mangelnden Repräsentanz von Frauen in der ArbeiterInnenbewegung, der Linken und auch in revolutionären Strömungen entgegenwirken wollen.
Frauenunterdrückung
MarxistInnen erklären die Entstehung der Frauenunterdrückung aus der Entwicklung der materiellen Lebens- und Arbeitsbedingungen der Menschen. Sie ist untrennbar verbunden mit der Herausbildung der Familie, des Privateigentums und somit der Klassengesellschaft. Mit der Entwicklung der Produktivkräfte und in der Folge mit der Produktion von Überschüssen sowie einer sich verstärkenden gesellschaftlichen Arbeitsteilung waren die materiellen Bedingungen für die Herausbildung sozialer Unterschiede und Klassen aber auch für die Geschlechterungleichheit gelegt. Die Männer verrichteten tendenziell eher Arbeiten, mit denen ein Überschuss geschaffen wurde, und dies gab ihnen einen größeren Stellenwert in der Gesellschaft, den vorher die Frauen aufgrund ihrer Mutterrolle eingenommen hatten. Das Vorhandensein von Überschüssen eröffnete die Frage nach dem Recht auf die Weitergabe derselben an spätere Generationen. Damit hatten die Männer ein Interesse zu wissen, wer ihre Erben sind. Das war nur möglich, indem der Frau die Monogamie aufgezwungen wurde. “Der Umsturz des Mutterrechts war die weltgeschichtliche Niederlage des weiblichen Geschlechts. Der Mann ergriff das Steuer auch im Hause, die Frau wurde entwürdigt, geknechtet, Sklavin seiner Lust und bloßes Werkzeug der Kinderzeugung. Diese erniedrigte Stellung der Frau, wie sie namentlich bei den Griechen der heroischen und noch mehr der klassischen Zeit offen hervortritt, ist allmählich beschönigt und verheuchelt, auch stellenweise in mildere Form gekleidet worden; beseitigt ist sie keineswegs.” (Friedrich Engels, Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staates)
Frauenunterdrückung hat seine Wurzeln in der Entstehung der Klassengesellschaft. Alle bisherigen Klassengesellschaften inklusive der kapitalistischen haben sich der Frauenunterdrückung bedient. Der Kampf um Frauenbefreiung ist daher auch untrennbar verbunden mit dem Kampf um die Überwindung der Klassengesellschaft. Unter kapitalistischen Bedingungen entstehen aber erstmals die Voraussetzungen dafür, dass dieser Kampf erfolgreich geführt werden kann, weil die Frauenarbeit, die bis dahin in erster Linie in der Sphäre des Privaten verrichtet wurde, nun auch in zunehmendem Maße in Form von kapitalistischer Erwerbsarbeit wieder öffentlichen Charakter erhält. Frauenbeschäftigung ist also eine wichtige Vorbedingung für Frauenbefreiung, aber nicht mehr.
In weiten Teilen der Welt existiert Frauenunterdrückung noch immer in offen barbarischer Form. Frauen sind vor dem Gesetz nicht gleichgestellt, sie können wie ein Stück Vieh verkauft werden usw. Ihnen wird das Recht auf Bildung und Ausbildung verwehrt und sie werden auf die Rolle der Hausfrau und Mutter reduziert, die im öffentlichen Leben keinen Platz haben.
Der utopische Sozialist Charles Fourier hat einst die These aufgestellt, dass sich menschlicher Fortschritt am Grad der Emanzipation der Frau messen ließe. Marx hat diese Ansicht geteilt und mehrfach in seinen Schriften zitiert. In den entwickelten kapitalistischen Ländern haben sich tatsächlich die Bedingungen für Frauen verbessert. Die Basis dafür wurde vor allem durch die positive ökonomische Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte gelegt. Frauen wurden in zunehmendem Maße auf dem Arbeitsmarkt erwerbstätig, es gab materielle Ressourcen um Teile der Hausarbeit und der Kindererziehung zu vergesellschaften. Dieser Prozess spiegelt sich auch in einem massiv gestiegenen Bildungs- und Kulturniveau der Frau wider. Die Bedingungen wurden geschaffen, dass die Frau im öffentlichen Leben eine zentrale Rolle einnehmen bzw. sich diesen Platz in der Öffentlichkeit erkämpfen kann.
Vor dem Gesetz ist die Frau heute in vielen Ländern weitgehend mit dem Mann gleichgestellt. Trotz alledem existieren selbst in den entwickeltsten kapitalistischen Gesellschaften Frauenunterdrückung und eklatante Geschlechterungleichheiten weiter. Frauen verdienen noch immer um ein Drittel weniger als Männer, das gilt auch für Länder, wo es seit den 1970ern Gesetze gibt, die gleichen Lohn für gleiche Arbeit vorschreiben wie in Großbritannien oder Dänemark. Ein Großteil der Hausarbeit und der Kindererziehung wird weiterhin von Frauen erledigt. Durch den Abbau öffentlicher Dienstleistungen im Kinderbetreuungs-, Gesundheits- und Sozialbereich ist die Belastung von Frauen, die wieder mehr Zeit für Reproduktionsarbeit aufwenden müssen, weiter gestiegen. Dazu kommt die generelle Intensivierung der Arbeit entsprechend der Logik der kapitalistischen Produktion.
Die rechtlich festgelegte Abhängigkeit der Frau vom Mann ist nach langen Kämpfen abgeschafft worden, doch die Mehrheit der Frauen ist weiterhin ökonomisch abhängig. Wer aus dieser Abhängigkeit ausbricht, lebt z.B. als Alleinerzieherin in den meisten Fällen in direkter Armut bzw. im Dauerstress, um Kindererziehung, Job und sonstige Aufgaben des täglichen Lebens halbwegs meistern zu können. Eine Teilnahme am öffentlichen Leben ist diesen Frauen durch die Macht der Umstände de facto unmöglich gemacht. Unter den Bedingungen der kapitalistischen Krise werden sich diese Tendenzen weiter zuungunsten der Frau verändern.
Die Frage der Frauenunterdrückung ist aber mehr als nur eine der Einkommensungleichheit und der ungleichen Aufteilung der Reproduktionsarbeit in der Kleinfamilie. Frauenunterdrückung ist in allen Lebensbereichen der Frau spürbar und wird über die geschlechtsspezifische Sozialisation im frühen Kindesalter, traditionelle Rollenbilder, unwissenschaftliche Vorurteile usw. von Generation zu Generation weitergegeben. Es handelt sich nicht zuletzt auch um eine Frage der Ideologie und der Kultur. Die Jahrtausende alte Unterdrückung der Frau hat natürlich seine Spuren hinterlassen. MarxistInnen ziehen daraus auch wichtige Schlüsse für die Organisierung von Frauen: „Wir vergessen nicht die sozialen Bedingungen, die als Hemmnisse für die Betätigung der Frau, für ihr politisches Erwachen, ihren politischen Kampf noch vielfach in den gesellschaftlichen Einrichtungen, im Familienleben und auch in sozialen Vorurteilen vorhanden sind. Wir sehen klar den Niederschlag, den die Jahrtausende alte Knechtschaft in der Seele, der Psyche der Frau zurückgelassen hat.“ (Komintern, 3. Weltkongress)
Für den Kapitalismus ist das traditionelle Frauenbild deshalb so bedeutsam, weil es die weitgehende Erledigung der Reproduktionsarbeit (Waschen, Putzen, Kochen, Kinder beaufsichtigen/erziehen) im Einzelhaushalt und gratis ideologisch legitimiert und mit den Frauen eine industrielle Reservearmee zur Verfügung steht. In Zeiten des wirtschaftlichen Aufschwungs lässt man mehr Frauen auf den Arbeitsmarkt, in Zeiten der Krise drängt man sie zurück an den Herd. Die ideologische Funktion der Rollenbilder ist von ökonomischen Fakten (niedrigere Frauenlöhne) begleitet und wird dadurch verstärkt. Stellt sich in einer Familie die Frage, wer in Karenz geht, wird es in den meisten Fällen die Frau sein, da der Mann mehr verdienen kann. Und zu guter Letzt ist ideologischer Sexismus eine gute Waffe, um die Lohnabhängigen zu spalten und die wahren (kapitalistischen) Herrschaftsverhältnisse zu verschleiern. Solange der Kapitalismus existiert, wird er nicht auf die Unterdrückung der Frauen verzichten können – in Krisenzeiten am allerwenigsten. Erst eine sozialistische Gesellschaft, in der die Wirtschaft nicht für die Profite weniger, sondern für den Wohlstand aller demokratisch gelenkt wird, bietet das Potential die Unterdrückung des Menschen durch den Menschen in all seinen Facetten aufzuheben. Im Bezug auf die Stellung der Frau werden gleiche Löhne, eine hochwertige Kinderbetreuung, Alten- und Krankenpflege etc. erst die Grundlage für das Verschwinden sexistischer Ideologien bieten. Das bedeutet aber wiederum nicht, dass alle sexistischen Ideologien sich am Tag nach der Revolution automatisch in Luft auflösen, wie es oft im Zusammenhang mit den Begriffen Haupt- und Nebenwiderspruch fälschlicherweise argumentiert wurde. Auch dann wird es einen konsequenten ideologischen Kampf zur Überwindung von Sexismus brauchen.
Aber alle Konzepte, die ein Durchbrechen sexistischer Ideologien innerhalb des Kapitalismus versprechen, sind zwangsweise zum Scheitern verurteilt. In diesem Zusammenhang wären alle Theorien zu nennen, die nur Unterdrückungsverhältnisse beschreiben ohne sie tiefgehender zu analysieren. Stelle ich verschiedene Formen der Unterdrückung (Rassismus, Sexismus, Klassenunterdrückung) einfach nur nebeneinander (so wie es üblicherweise in den Race-Class-Gender-Diskursen passiert), dann laufe ich Gefahr nicht zu verstehen, dass Rassismus und Sexismus gerade auf der kapitalistischen Klassengesellschaft beruhen.
Daraus leiten wir den Schluss ab, dass der antisexistische oder antirassistische Kampf gewonnen werden kann, wenn er Teil des Kampfes zur revolutionären Überwindung des Kapitalismus ist. Für MarxistInnen ist der Kampf gegen Rassismus und Sexismus im hier und jetzt eine Selbstverständlichkeit und notwendig, um die gleichwertige und möglichst vorurteilsfreie Teilnahme aller Teile der Klasse an gemeinsamen Kämpfen sicher zu stellen.
Die proletarische Frauenbewegung
Der Kampf gegen Frauenunterdrückung hat eine lange Geschichte. Bei genauerer Analyse zeigt sich, dass Frauenbewegung und Feminismus keineswegs synonym sind. So entstand neben der bürgerlichen, feministischen Frauenbewegung Ende des 19. Jahrhunderts auch eine starke proletarische Frauenbewegung, die sich als Teil der damals noch revolutionär gesinnten Sozialdemokratie verstand.
Die deutsche Sozialdemokratie gilt bis heute als großes Vorbild, wenn es um die Organisierung von Frauen und speziell Arbeiterinnen geht. Als MarxistInnen sehen wir uns in vielen wichtigen Fragen in der direkten Tradition dieser proletarischen Frauenbewegung und vor allem ihres linken, revolutionären Flügels rund um Clara Zetkin.
Die sozialdemokratische Frauenbewegung sah ihre Aufgabe darin den weiblichen Teil des Proletariats für den gemeinsamen Kampf der gesamten ArbeiterInnenklasse zur Überwindung des Kapitalismus zu organisieren. Die proletarische Frauenbewegung musste von Anfang an unter den Bedingungen einer sehr restriktiven Vereinsgesetzgebung des Staates ihre Arbeit organisieren. Bis 1908 war es in den meisten deutschen Staaten Frauen nicht möglich sich in der SPD zu organisieren. Die Sozialdemokratie versuchte dieses Verbot gezielt zu unterlaufen. Auf Ebene der Ortsparteien wählten alle Sozialdemokratinnen eigene Vertrauenspersonen, welche die Genossinnen auch in der Partei vertraten und die Agitation und Propaganda unter proletarischen Frauen anleiteten. Diese Vertrauenspersonen wurden dann auf regionaler Ebene miteinander vernetzt und wählten aus ihrer Mitte regionale Vertrauenspersonen. Damit wurde ein gewisses Maß an zentralistischer Organisation geschaffen.
Ab dem Jahre 1900, damals gab es 25 weibliche Vertrauenspersonen, veranstaltete die deutsche Sozialdemokratie dann auch eigene Frauenkonferenzen – immer in Verbindung mit den Parteitagen. In Österreich wurde sogar bereits 1898 die erste Frauenkonferenz abgehalten. Von Victor Adler wissen wir, dass diese Konferenzen mit großem Misstrauen von der Mehrheit der männlichen Genossen verfolgt wurden. Auf seine typische Art versuchte er dieser Stimmung entgegenzuwirken, indem er meinte die Frauenbewegung hätte in der Vergangenheit ja auch nicht viel zustande gebracht und stelle daher „keine große Gefahr“ dar.
Allgemein war die Einführung dieser Konferenzen aber sehr wohl ein Zeichen der Anerkennung für die erfolgreiche Arbeit der proletarischen Frauenbewegung, die eine Organisationsstruktur entwickelt hatte, die in den folgenden Jahren ein starkes Wachstum verzeichnen sollte. Die andere Seite der Medaille war, dass frauenpolitische Fragen auf diesem Weg kaum noch im Rahmen der Parteitage abgehandelt wurden und dort auch Genossinnen noch weniger als Referentinnen eingeteilt wurden als zuvor.
1896 auf dem Parteitag der SPD war eine sehr ausführliche Debatte über die Frauenagitation der Partei geführt worden. Schon damals wurde die vollständige Integration der Frauenbewegung in die Gesamtpartei als grundlegende Zielvorstellung betrachtet, auch wenn dies unter den gegebenen gesetzlichen Rahmenbedingungen als noch nicht möglich gesehen wurde. In der „Gleichheit“, dem Zentralorgan der proletarischen Frauenbewegung, wurde dieser Ansatz folgendermaßen bilanziert:
„Wenn die proletarische Frauenbewegung ihrem Inhalt, ihren Zielen nach eins sein muss mit der Sozialdemokratie, so ist sie doch in der Folge gezwungen, der Form nach den verschiedenen Schwierigkeiten Rechnung zu tragen. So innig sie mit der sozialistischen Bewegung verbunden ist: die selbstverständliche Rücksicht auf die Erfüllung ihrer Aufgabe und die erzwungene Rücksicht auf unsere reaktionären Vereins- und Versammlungsgesetze machen vielfach eine Loslösung von der allgemeinen Agitation und der Organisation der Klassengenossen zur Notwendigkeit. Die proletarische Frauenbewegung bedarf vielerorten ihrer eigenen Organe, ihrer eigenen Einrichtungen und einer gewissen Bewegungsfreiheit innerhalb des Rahmens der allgemeinen Arbeiterbewegung. All den praktischen Notwendigkeiten gegenüber ist es nicht das Prinzip, ist es die Zweckmäßigkeit, welche das letzte Wort hat. Hier entscheidet nicht die Theorie, vielmehr die praktische Erfahrung.“
Die Frauenkonferenzen waren übrigens nicht rein für weibliche Parteimitglieder gedacht. Die Delegierten wurden von den lokalen Versammlungen der Genossinnen gewählt und zu den Frauenkonferenzen entsandt, mussten aber nicht unbedingt Frauen sein. So waren bei diesen Konferenzen immer 1/6 bis ein 1/3 der Delegierten Männer, die das Vertrauen der Genossinnen in ihrer Stadt erhalten hatten. Trotz der Beteiligung von männlichen Genossen können wir aufgrund der Berichte und biographischen Notizen von Teilnehmerinnen davon ausgehen, dass die Frauenkonferenzen einen ganz wesentlichen Beitrag zur Herausbildung von weiblichen Kadern und zur inhaltlichen und organisatorischen Stärkung der proletarischen Frauenbewegung hatten. Luise Zietz dazu im Jahre 1908:
„Diese Konferenzen haben außerordentlich viel dazu beigetragen, dass wir heute so viele geschulte Genossinnen haben. Hier haben die Frauen den größten Teil der Anregungen und Fingerzeige zur Agitation bekommen. Hier wurden auch die Genossinnen untereinander bekannt, was unsere Agitation ungemein fördert. Die Konferenzen haben ihren Wert darin, dass auf ihnen aus unserem Parteiprogramm heraus Fragen, die die Frauen besonders interessieren, in den Mittelpunkt der Diskussion gestellt werden. Auf den Parteitagen können solche Fragen nicht mit genügender Gründlichkeit erörtert werden, weil die Parteitage schon ohnehin überlastet sind und weil die Genossen für diese Fragen doch nicht das notwendige lebendige Interesse haben. Die Frauenkonferenzen sind so ein vorbereitender Ausschuss der Parteitage für diese besonderen Fragen. Es würde die ganze Frauenbewegung außerordentlich zurückwerfen, wenn die Frauenkonferenzen aufgehoben würden.“
Versuche vor allem der reformistischen Teile der sozialdemokratischen Frauenbewegung grundlegende theoretische Fragen auf diesen Frauenkonferenzen zu erörtern, um den Weg für eine Zusammenarbeit mit den bürgerlichen Frauenrechtlerinnen zu ebnen, lehnte die Linke rund um Zetkin ab. Die Beziehung zur bürgerlichen Frauenbewegung wird sehr gut durch den Titel von einem grundlegenden Artikel Zetkins in der „Gleichheit“ aus dem Jahre 1894 zusammengefasst: „Reinliche Scheidung“. Zetkin schreibt darin: „Die bürgerlichen Frauenrechtlerinnen erstreben nur durch einen Kampf von Geschlecht zu Geschlecht, im Gegensatz zu den Männern ihrer eigenen Klasse, Reformen zu Gunsten des weiblichen Geschlechts innerhalb des Rahmens der bürgerlichen Gesellschaft, sie tasten den Bestand dieser Gesellschaft selbst nicht an. (…) Die bürgerliche Frauenbewegung ist nicht mehr als eine Reformbewegung, die proletarische Frauenbewegung ist revolutionär und muss revolutionär sein.“
An dieser Position sollte nicht gerüttelt werden. Bei den Frauenkonferenzen ging es laut Zetkin nur um die Auseinandersetzung mit „praktischen Fragen“ im Aufbau der proletarischen Frauenbewegung, grundsätzliche Debatten über eine Neuausrichtung der sozialdemokratischen Frauenpolitik müssten auf dem Parteitag debattiert werden.
Dem Versuch des rechten Flügels mit der bürgerlichen Frauenbewegung Bündnisse abzuschließen, stellte die Redaktion der „Gleichheit“ ein Konzept entgegen, wonach die weiblichen Vertrauenspersonen dafür zu sorgen haben, dass „die Forderungen der proletarischen Frauen und Mädchen auf allen Gebieten des sozialen Lebens mit Nachdruck vertreten werden. Sie müssen darauf hinwirken, dass das weibliche Proletariat an allen Kämpfen und Aufgaben seiner Klasse teilnimmt und das hinwieder den Interessen und Bestrebungen der Proletarierinnen moralische und materielle Unterstützung seitens der organisierten Arbeiterschaft zuteil wird.“
Die Mittel zur Erfüllung dieser Aufgaben seien eigene Veranstaltungen für proletarische Frauen zu allen für die Klasse relevanten Fragen, eigene Publikationen (Broschüren, Flugblätter,…) für diese Zielgruppe, Artikel in der allgemeinen sozialdemokratischen Presse usw. Es ging der proletarischen Frauenbewegung in erster Linie darum „für die Sozialdemokratie die Frauen als Anhängerinnen (zu) werben.“ (Ottilie Baader)
Die Frauenversammlungen, die neben den Ortsvereinen der Partei bestanden, hatten auch das Recht eigene Delegierte zu den Parteitagen zu entsenden, was aber auch innerhalb der proletarischen Frauenbewegung zumindest anfangs recht umstritten war, weil die Frauen „keine Vorrechte sondern gleiche Rechte“ (Baader) anstreben würden.
Die Zentralvertrauensperson wurde auf den Frauenkonferenzen gewählt und hatte für die Umsetzung der Beschlüsse dieser Konferenzen zu sorgen. Sie sollte außerdem die Arbeit der Genossinnen vor Ort unterstützen, Agitationsmaterial für diese erarbeiten und basierend auf den Berichten aus den Regionen einen Gesamtbericht für die „Gleichheit“ und für den Parteivorstand erstellen.
In der österreichischen Sozialdemokratie war es schon 1897 zu einem Eklat gekommen, als die Genossinnen demonstrativ nicht am Parteitag teilnahmen. Sie protestierten damit gegen die Weigerung der Wiener Parteileitung weiblichen Delegierten die Fahrtkosten zum Parteitag zu bezahlen. Dabei hatte der Parteitag 1894 beschlossen, dass „Orte, an welchen eine Frauenorganisation besteht, das Recht haben sollten, außer Genossen auch Genossinnen zum Parteitage zu entsenden.“ Daraufhin wurde am Parteitag 1897 nochmals festgehalten, dass die Frauenorganisationen einer jeden Nation (im Vielvölkerstaat der Habsburgermonarchie, Anm.) das Recht haben sollten, „je durch zwei Genossinnen am Parteitag vertreten“ zu sein. Ähnlich wie in der deutschen Schwesterpartei wurde 1911 am Parteitag nach dem politischen Vereinsverbot für Frauen der Beschluss gefasst, wonach die Genossinnen entsprechend ihrer Mitgliederstärke aber mindestens durch eine Vertreterin in den Vorständen der politischen Vereine der Sozialdemokratie vertreten sein sollten.
Eine besondere Erwähnung verdient gewiss die „Gleichheit“, die von Zetkin bis 1917 herausgegeben wurde und eine Art Zentralorgan der proletarischen Frauenbewegung darstellte. Eine eigene Zeitung wurde deshalb von den Genossinnen gefordert, weil ihnen in den offiziellen Parteizeitungen nicht der nötige Platz eingeräumt wurde. In Österreich erschien bereits ab 1892 die „Arbeiterinnenzeitung“. Während letztere vor allem an die Masse der Arbeiterinnen gerichtet war und einen wesentlichen Beitrag zum Aufbau einer proletarischen Frauenbewegung in Österreich leisten sollte, war die „Gleichheit“ eher ein Instrument zur Schulung der Avantgarde der proletarischen Frauenbewegung in Deutschland (und international). Die Vertrauenspersonen der Frauenbewegung erhielten über die „Gleichheit“ im Wesentlichen ihre politische Anleitung. Zetkin gab der „Gleichheit“ außerdem eine Ausrichtung, die sich nicht rein auf die Behandlung „der Frauenfrage“ beschränkte. Für sie war der Kampf um Frauenbefreiung untrennbar mit dem allgemeinen Klassenkampf verknüpft und folgerichtig musste die Frauenbewegung eine weitergehende Perspektive entwickeln, wollte sie erfolgreich sein.
Neben den Frauenkonferenzen hielt die proletarische Frauenbewegung auch eigene Frauentage ab, die den Charakter von sozialdemokratischen Machtdemonstrationen hatten. Die Frauentage der proletarischen Frauenbewegung waren aber vielen männlichen Genossen vor allem des reformistischen Flügels ein Dorn im Auge. Als 1908 es Frauen gesetzlich möglich war sich in der Partei zu organisieren, wurde die Autonomie der proletarischen Frauenbewegung wieder gezielt eingeschränkt. Es gab nun keine weiblichen Vertrauenspersonen und keine eigenen Frauenversammlungen mehr. Im Gegenzug wurden die Ortsparteien angehalten, den Frauen entsprechend ihres Anteils an der gesamten Mitgliedschaft Plätze in den Parteivorständen zu reservieren, mindestens eine Genossin musste aber auf alle Fälle vertreten sein. Diese Bestimmungen sind als Ausdruck dessen zu sehen, dass sich die Frauenbewegung in der Partei aufgrund ihrer organisatorischen Erfolge Einfluss erkämpft hat, den sie gegen jene männlichen Genossen verteidigen wollte, denen die Präsenz von Frauen in der Partei nicht ins Konzept passte. Offensichtlich erhielten die Genossinnen dabei die Unterstützung durch die Parteiführung. Auch bei den Delegierten sollten Genossinnen vertreten sein. Das Frauenbüro wurde beibehalten, wenn auch im Laufe der folgenden Jahre unter die Kontrolle des Parteivorstands gebracht und später gänzlich aufgelöst, was aber in erster Linie auch vor dem Hintergrund der innerparteilichen Auseinandersetzungen zwischen dem revisionistischen und dem revolutionär-marxistischen Flügel, der in der proletarischen Frauenbewegung besonders stark vertreten war, zu sehen ist.
Das herkömmliche Argument der Gesamtpartei für eigene Frauenstrukturen hatte durch das neue Vereinsgesetz seine Gültigkeit verloren. Die Linken in der proletarischen Frauenbewegung argumentierten aber weiterhin für eigene Frauenversammlungen usw., was v.a. mit der Rolle der Frauen als Mütter und der traditionellen Rollenaufteilung auch in proletarischen bzw. sozialdemokratischen Familien begründet wurde. Dies rechtfertige gewisse Sonderstellungen der Genossinnen in der Gesamtpartei.
Ab 1910 sollte dann auch die Frauenkonferenz der deutschen Sozialdemokratie nicht mehr abgehalten werden. Als Reaktion darauf ergriffen Zetkin und andere Genossinnen, die dem linken Flügel angehörten, auch bei der 2. Internationalen Frauenkonferenz 1910 in Kopenhagen die Initiative für die Abhaltung eines Internationalen Frauentags, der erstmals am 19. März 1911 abgehalten wurde. In anderen Ländern, wie z.B. den Niederlanden, gab es eine ähnliche Entwicklung.
1913 schrieb Zetkin in einem Brief an die niederländische Sozialistin Heleen Ankersmit über die Gründe, warum sie eine gewisse Selbständigkeit der proletarischen Frauenbewegung verteidige, auch wenn das Vereinsgesetz eine gleichberechtigte Organisierung in der Partei nun ermöglichte:
„Sollen die Frauen des Volkes für den Sozialismus gewonnen werden, so bedürfen sie zum Teil besonderer Wege, Mittel und Methoden. Sollen die Erweckten für Arbeit und Kampf im Dienste des Sozialismus theoretisch und praktisch geschult werden, so müssen wir dafür besondere Einrichtungen und Veranstaltungen haben. Das erklärt sich aus dem historisch gegebenen Milieu, in dem die Proletarierin steht, wie aus der psychologischen Eigenart, die geschichtlich geworden ist, wie endlich aus der Vielfalt der Pflichten, die auf der proletarischen Frau lasten, mit einem Wort: aus all den tatsächlichen Lebensbedingungen, die wirtschaftlich, politisch, sozial und geistig eine gewisse Sonderstellung für das Weib schaffen.“
Vor allem wenn es darum gehe, „die breitesten Massen der Proletarierinnen zu erfassen und zu heben“, brauche es „Maßnahmen für Agitation und Schulung“, die „auf den Durchschnitt“ und nicht nur „auf die Elite“ zugeschnitten sind. Im Regelfall könne nur eine „Elite“ von proletarischen Frauen „ohne besondere sozialistische Frauenagitation“ und „ohne besondere Einrichtungen zur theoretischen praktischen Schulung“ allein „durch die Mitarbeit in der allgemeinen Bewegung zum politischen Leben erwachen“.
Zetkin schreibt auch, dass bei der Umsetzung dieser Sondermaßnahmen überwiegend Frauen die treibende und ausführende Kraft darstellen werden. Frauen, die sich speziell der „Erweckung und Schulung der Frauen“ widmen.
Die damals bestehenden Frauenklubs und –vereine, die eigene Frauenzeitung galt es aus ihrer Sicht zu verteidigen, weil diese genau solche Maßnahmen darstellten um proletarische Frauen in der Sozialdemokratie zu organisieren. Wichtig zu betonen ist aber, dass Zetkin nicht eine Autonomie der Frauenorganisationen von der Sozialdemokratie sondern lediglich eine stärkere Selbständigkeit in Fragen der Agitation unter arbeitenden Frauen innerhalb derselben befürwortete. Niemals stellte sie in Frage, dass Frauenstrukturen „in engster Fühlung mit der Gesamtpartei, möglichst organisatorisch an sie angegliedert sein und auch ihrer Kontrolle unterliegen“ müssen. Zetkin sprach sich somit innerhalb der Sozialdemokratie für das Organisationsprinzip des demokratischen Zentralismus aus.
Die proletarische Frauenbewegung solle zwar eine eigene Verwaltung und eigene Arbeitsbereiche haben, die Form der Aktionen usw. sollte aber gemeinschaftlich mit der Parteileitung beschlossen werden. Zetkin stellt aber in dem Brief fest: „Wenn die sozialistische Frauenbewegung ihren vollen äußeren und inneren Erfolg zeitigen soll, so muss sie bei allem festen organisatorischen Zusammenhang mit der Gesamtbewegung doch ein gewisses Maß der Selbständigkeit und Bewegungsfreiheit besitzen. Das, liebe Genossin Ankersmit, dürfen sich die Genossinnen in Holland nicht nehmen, nicht verkümmern lassen. Um des Sozialismus und der Partei selbst willen. Es ist dies meine feste Überzeugung auf Grund einer langen Lebensarbeit und einer erdrückenden Fülle von Beobachtungen.“
Zetkin findet auch klare Worte gegenüber den Genossen, denen die proletarische Frauenbewegung ein Dorn im Auge war: „Die Genossen aber wiederum fassen die gemeinschaftliche Organisation vielfach ganz äußerlich und roh schematisch auf. Hinter jeder notwendigen oder nützlichen selbständigen Lebensäußerung der Genossinnen wittern sie Quertreibereien und Sonderbündelei. (…) Doch ist meiner festen Überzeugung nach das oben erwähnte Maß von Selbständigkeit und Bewegungsfreiheit ein solches Lebensbedürfnis für die sozialistische Frauenbewegung, dass seine Verwirklichung sich unbedingt durchsetzen muss, welches auch immer die Form der Organisation sei. Wenn die Genossen nicht einsichtig genug sind, diese Lebensnotwendigkeit zu gewähren, so wird sie erkämpft werden müssen.“
Die proletarische Frauenbewegung stand zwischen einer gewissen politischen Selbständigkeit und dem prinzipiellen Ziel ihrer Integration in die gemeinsame politische Partei. Die Antwort auf diese Frage war in all den Jahren keine dogmatische sondern war sehr abhängig von den realen Möglichkeiten für eine revolutionär-sozialistische Politik der Frauenbefreiung.
Die sozialdemokratische Frauenbewegung scheiterte letztlich daran, dass sie unter den Einfluss des Reformismus geriet und 1914 bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs ihre ursprüngliche Antikriegshaltung zugunsten einer nationalistischen Burgfriedenspolitik fallen ließ. Der revolutionäre Flügel rund um Zetkin war nicht bereit diesen Kurs mitzutragen und begann eine Zusammenarbeit mit jenen KriegsgegnerInnen in der internationalen ArbeiterInnenbewegung, die nach 1917 den Kern der neuen Kommunistischen Internationale bilden sollten.
Die Tradition der Bolschewiki und der KI
Die besten Traditionen der proletarischen Frauenbewegung vor 1914 vor allem in Deutschland wurden dann auch von der Kommunistischen Internationale (Komintern) weitergeführt. Das bedeutete auch unter Rücksichtnahme auf die spezifischen Bedürfnisse von proletarischen Frauen die Anerkennung, dass es eigene Formen der Agitation und Propaganda sowie auch eigene Organisationsformen braucht.
Der zweite prägende Strang bei der Herausbildung der Frauenpolitik der Komintern waren die Erfahrungen der Rolle der proletarischen Frau in der russischen Revolution. Frauen spielten in der Revolution eine sehr wichtige Rolle. Die Bolschewiki setzten auch eine Reihe von Maßnahmen um die Selbstaktivierung der Frauen in der Revolution zu befördern. In Russland hatten die Bolschewiki schon im März 1917 ein eigenes Frauensekretariat etabliert, das von Inessa Armand geleitet wurde. In den Ortsparteien gründeten die Bolschewiki eigene Frauenabteilungen, die „Zenotdel“. Diese waren darauf ausgerichtet, den werktätigen Frauen ein organisatorisches Angebot in die Hand zu geben, um in der Revolution eine aktive Rolle einnehmen zu können. Diese Struktur war auch offen für Frauen, die keine Parteimitglieder waren. Parteilose Frauen befanden sich sogar in den Führungsstrukturen der „Zenotdel“. Weiters gab es ab dem November 1918 einen eigenen Allrussischen Kongress der Arbeiterinnen und Bäuerinnen, deren Delegierte in den Fabriken und Dörfern gewählt wurden. Delegierte wurden für ca. 3 Monate gewählt, konnten aber nur einmal gewählt werden, wodurch sehr viele Frauen in relativ kurzer Zeit wichtige politische Erfahrungen machen konnten.
Nach 1918 wurde auch in anderen Ländern von den KPen eine eigene Frauenagitation gestartet. Zu diesem Zweck wurden auch eigene Frauenbeilagen zu den kommunistischen Zentralorganen eingerichtet. Außerdem sollte jede Ortsgruppe der KP eine Genossin als „Vertrauensmännin“ (so die Diktion der frühen KPDÖ) bestimmen, welche für die Organisierung von Frauen verantwortlich sein sollte. Auch auf den höheren Ebenen der Partei gab es eigene Verantwortliche für die Frauenarbeit. In der KPD wurde ein eigenes Sekretariat für Frauenagitation eingerichtet und 1920 die erste Frauenkonferenz der Partei abgehalten. Clara Zetkin sorgte dabei für die personelle Kontinuität zur proletarischen Frauenbewegung der Vorkriegssozialdemokratie.
Im Mittelpunkt des Kampfes um Frauenbefreiung der frühen KI stand die These, dass dieser Kampf gemeinsam von Frauen und Männern der ArbeiterInnenklasse geführt werden müsse und untrennbar mit dem Kampf für die sozialistische Revolution verbunden sei.
1920 wurde erstmals eine Internationale Konferenz kommunistischer Frauen abgehalten. Ergebnis der Debatten auf dieser Konferenz, die in den darauf folgenden Monaten mit der Führung der KI weitergeführt wurden, waren die „Richtlinien für die kommunistische Frauenbewegung“. Zur Umsetzung des in diesem Papier beschriebenen kommunistischen Programms zur Frauenbefreiung wurde ein Internationales Frauensekretariat etabliert, das sich aus mehreren Genossinnen zusammensetzen sollte, die von der internationalen Frauenkonferenz vorgeschlagen und dann von den Komintern-Kongressen bestätigt werden sollten. Das Frauensekretariat sollte mit dem EKKI eng zusammenarbeiten und eine Vertreterin zu dessen Sitzungen entsenden können, mit voller Stimme in allen frauenpolitischen Fragen und mit beratender Stimme in allen anderen Fragen. Ziel war aber, dass die Kommunistinnen „als gleichberechtigte und gleichverpflichtete Mitglieder den örtlichen Parteiorganisationen einzureihen und zur Mitarbeit in allen Parteiorganen und Parteiinstanzen heranzuziehen“ sind. Es sollte also keine eigenständigen, autonomen Frauenorganisationen aber gezielt für die Arbeit unter proletarischen Frauen ausgerichtete Agitations- und Propagandakomitees geben. Lenin fasste laut Zetkin diese Orientierung folgendermaßen zusammen: „Aus unserer ideologischen Auffassung ergibt sich das Organisatorische: keine Sondervereinigungen von Kommunistinnen. Wer Kommunistin ist, gehört als Mitglied in die Partei wie der Kommunist. Mit gleichen Pflichten und Rechten. Darüber hinaus kann es keine Meinungsverschiedenheit geben. Jedoch dürfen wir uns einer Erkenntnis nicht verschließen. Die Partei muss Organe haben, Arbeitsgruppen, Kommissionen, Ausschüsse, Abteilungen oder wie sonst man sagen mag, deren besondere Aufgabe es ist, die breitesten Frauenmassen zu wecken, mit der Partei zu verbinden und dauernd unter ihrem Einfluss zu halten. Dazu gehört natürlich, dass wir ganz systematisch unter diesen Frauenmassen tätig sind. (…) Wir brauchen eigene Organe zur Arbeit unter ihnen, besondere Agitationsmethoden und Organisationsformen. Das ist nicht Feminismus, das ist praktische, revolutionäre Zweckmäßigkeit.“
Zetkin zufolge gab es gegen diese Ansicht großen Widerstand seitens vieler männlicher Genossen. Für Lenin und Zetkin stellten diese Maßnahmen aber genauso wie spezifische Forderungen gegen Frauenunterdrückung eine Notwendigkeit aufgrund der besonderen „Nöte und Demütigungen der Frau“ dar. Es geht darum zu zeigen, dass die KommunistInnen „alles hassen, jawohl hassen und beseitigen wollen, was die Arbeiterin, die Arbeiterfrau, die Bäuerin, die Frau des kleinen Mannes, ja in mancher Beziehung sogar auch die Frau der besitzenden Klassen drückt und quält.“
Die besondere Rolle von Frauen im Kampf um Frauenbefreiung erklärte Trotzki in einer Grußbotschaft an eine Versammlung von Arbeiterinnen 1923 folgendermaßen: „Aber die, die am energischsten und beharrlichsten für das Neue kämpfen, sind die, die am meisten unter dem Alten leiden. Und unter den bestehenden Familienverhältnissen leidet die Frau und Mutter am meisten.”
Mit der Stalinisierung der KI ab Mitte der 1920er Jahre wurden viele der positiven Ansätze in der kommunistischen Frauenpolitik wieder zunichte gemacht. Führende Köpfe der kommunistischen Frauenbewegung wie Zetkin und Kollontai vollzogen diesen Kurswechsel ebenfalls mit. Es gehört zum Verdienst der Linken Opposition die besten Traditionen der Bolschewiki auch in dieser Frage gegen die stalinistische Bürokratie verteidigt zu haben.
Die autonome Frauenbewegung
Einen neuerlichen Aufschwung im Kampf gegen Frauenunterdrückung sahen wir mit der Frauenbewegung Ende der 1960er und Anfang der 1970er Jahre. Diese Bewegung sollte auch nachhaltige Auswirkungen auf die Organisationen der ArbeiterInnenbewegung und der radikalen Linken haben.
Überall begannen Genossinnen ihre Stellung in diesen Organisationen und die auch dort vorherrschenden traditionellen Rollenbilder zu hinterfragen. Kritik wurde laut, dass der Kampf gegen Frauenunterdrückung immer zugunsten „wichtigerer“ Fragen hintangestellt wird. Viele Frauen kamen damals zu dem Schluss, dass sie sich autonom von der SPÖ, KPÖ oder auch linksradikalen Organisationen wie der GRM organisieren müssten.
In Österreich ist die Debatte in der GRM ab Mitte der 1970er über eine autonome Organisierung von Frauen bzw. den Stellenwert von Frauen in der Linken sehr lehrreich. Zu Recht forderten die Genossinnen eine inhaltliche Auseinandersetzung mit einer Reihe von theoretischen Fragen: Entstehung und Entwicklung der Kleinfamilie, Sexismus in der ArbeiterInnenbewegung usw. Zur Aufarbeitung dieser Themen wurde auch eine Frauenkommission eingerichtet. Auf Wunsch der Genossinnen sollten keine Männer in dieser Kommission mitarbeiten. Außerdem weigerten sich die Genossinnen einen Platz in den Leitungsgremien zu übernehmen, weil sie nicht als „Alibifrauen“ gelten wollten. Die Gesamtorganisation gab dieser Position nach, und dies hatte den Effekt, dass die „Frauenfrage“ auf die Frauen abgeschoben wurde, ohne dass es über die Leitungsgremien einen kollektiven Diskussionsprozess in der gesamten Organisation gab. Dies führte erst recht zu Spannungen zwischen Genossinnen und Genossen. In der weiteren Folge machte die GRM unter dem Druck der Genossinnen einen Kurswechsel in der „Frauenfrage“, was zu einer schrittweisen Anpassung an die autonome Frauenbewegung führte.
Sozialdemokratie und Quote
Der Kampf der Frauen gegen Sexismus und für einen wichtigen Platz in der Organisation lässt sich auch in der Sozialdemokratie zumindest bis in die 1970er Jahre zurückführen und stand natürlich auch unter dem Eindruck der autonomen Frauenbewegung dieser Zeit bzw. wurde von dieser beflügelt. Neben der sozialen Benachteiligung durch Doppel- und Dreifachbelastung, die es vielen Frauen allein schon aufgrund ihrer schwierigen Lebensumstände de facto unmöglich macht, politisch aktiv zu sein, herrschten und herrschen auch in der Sozialdemokratie und den Gewerkschaften Sexismus und männliche Seilschaften vor. Diese von bürgerlichen Vorurteilen bezüglich der Rolle von Frauen geprägte Organisationskultur war ein offensichtliches Hindernis für die politische Aktivität von Genossinnen. Über Jahrzehnte mussten diese für ihre spezifischen politischen Forderungen auch gegen die Männer in der eigenen Partei kämpfen. Ein gutes Beispiel liefert die Debatte zum Recht auf Abtreibung. Erst unter dem Eindruck einer starken Frauenbewegung, die diese Frage in den Mittelpunkt rückte, kippten in der SPÖ letztlich die Mehrheiten. Kreisky, der selbst alles andere als ein Feminist war, versuchte als Erster Schritte zur Integration der Frauenbewegung in die Sozialdemokratie. Ein wichtiges Signal war, dass Frauen gezielt in die Regierung geholt wurden. Das beste Beispiel ist Johanna Dohnal als Frauenstaatssekretärin. Sie sollte auch einen wichtigen Beitrag dazu leisten, dass Teile der Frauenbewegung den Weg der Institutionalisierung beschritten.
Angesichts der ständigen Widerstände gegen zentrale Forderungen der SP-Frauen und die Weigerung Genossinnen in Führungspositionen zu lassen, suchten Dohnal & Co. in Maßnahmen wie der Quote einen Ausweg um ihre Position abzusichern. Am Bundesparteitag 1985 wurde dann die Frauenquote erstmals ins Parteistatut aufgenommen. In einem ihrer letzten Interviews meinte Dohnal: „Ohne Quote geht gar nichts. Und das gilt auch für meine Partei. Wenn die SPÖ-Frauen nicht bald das Regulativ ändern und Sanktionen festschreiben, dann schaut unsere Partei in 10 Jahren punkto Frauen schlecht aus. 1985 haben wir durchgesetzt, dass 25 Prozent der Abgeordneten im Parlament Frauen sein müssen. Aber schon nach kurzer Zeit habe ich begriffen, dass wir das nie erreichen werden, wenn wir die Quote nicht auf 40 Prozent anheben. Ich hätte die Quote ja überhaupt auf 50 Prozent erhöht. Jetzt sind wir bei einem Frauenanteil von offiziell 40 Prozent, de facto sind es 38 Prozent. Wenn die Quotenregelung nicht klar gesetzlich geregelt und mit Sanktionen, die wirklich greifen, verbunden wird, wird sich nichts verändern. Eine Frau in einem Gremium ist ja noch keine Frauenbewegung! Und jede Frau, die rauf kommt, muss andere Frauen fördern. Wenn sie es nicht tut, kann ich auch nichts machen.“
Mit dem Niedergang der Frauenbewegung und ihrer Institutionalisierung wurde diese Position natürlich verfestigt. Einerseits weil wieder weit weniger Frauen politisch aktiv waren und viele sich ins Privatleben zurückgezogen haben und das auch in Organisationen wie der SPÖ und der SJ sichtbar wurde. Die Logik war, dass mit diesem organisatorischen Hilfsmittel die Errungenschaften abgesichert und ein politischer Backlash verhindert werden sollte. Diese Überlegung ging aber auf keinen Fall auf, weil die Entwicklung des Kapitalismus dieses angebliche Schutzschild für Frauenrechte erdrückte. Der wachsende Druck auf die Sozialdemokratie seitens der herrschenden Klasse hat auch in der Frauenpolitik ihre Spuren hinterlassen. Der ökonomische Spielraum für Reformen wurde massiv eingeschränkt, und das führte dazu, dass auch die SPÖ-Politikerinnen, die durch die Quote leichter in Führungspositionen gelangten, ihre sozialen Forderungen auf die lange Bank schoben und sich verstärkt auf eine Politik des Symbolismus konzentrierten und gleichzeitig Sparpakete, die Ausdünnung sozialer und öffentlicher Dienstleistungen akzeptierten, was wiederum vor allem Frauen traf. Entscheidend ist, dass die Frauen, die durch die Quote in führende Funktionen und Ämter kommen, genauso zu einem Teil der Bürokratie werden und nach deren Logik agieren. Selbst Johanna Dohnal fiel diesem Prozess bereits zum Opfer, wenn auch weit weniger als ihre Nachfolgerinnen. Das entscheidende Kriterium ist also nicht das Geschlecht sondern die soziale Stellung und die politische Perspektive, mit der jemand eine politische Funktion antritt – egal ob Mann oder Frau.
Den wahren Charakter sozialdemokratischer Frauenpolitik ab Mitte der 1980er am Beispiel Deutschland beschreibt die prinzipielle Quotenbefürworterin Mechtild Jansen in dem Buch „Halbe-halbe“: „Mit den herannahenden Wahlzeiten ist die Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen mehr durch das entschiedene Verlangen nach innerparteilicher Gleichstellung und Quotierungsforderung aufgefallen. (…) Aber – abgesehen vom Verweis auf die Unlust der Männer, Macht abzugeben – fehlt es an einer Erklärung, wie es schon in sozialdemokratischen Regierungszeiten zu einer erheblich erschwerten Lage der Frauen kommen konnte. Auffallend ungenauer und leiser sind die Ausführungen zu einer neuen Politik, die die reale Lebenslage der breiten Schichten der Frauen verbessern könnte. Erst recht mangelt es an Kampfstrategien und Initiativen zur Verhinderung des konkret stattfindenden Abbaus von Frauenarbeitsplätzen und für neue Beschäftigungsprogramme.“ (Mechtild Jansen, „Halbe-halbe“, S. 14)
Vor diesem Hintergrund rückte die Forderung nach Quoten immer mehr in den Mittelpunkt feministischer Debatten. Gedacht war die Quotierung als „Konzeption bürgerlicher Gleichstellung“ (M. Jansen, a.a.O., S.12). Jansen weiter: „Jene autonomen Varianten, die das Problem der Chancenungleichheit und Diskriminierung auf den Geschlechtergegensatz, d.h. die Unterwerfung der Frau durch den Mann als grundlegendes Strukturelement der bestehenden Ordnung, reduzieren, reduzieren auch seine Lösung auf eine Frage des formalen Verteilungskampfes allein zwischen den Geschlechtern. Eine gewisse Logik erheischt diese Einschätzung höchstens aus der Sicht eines privilegierten Status – hier bleibt in der Tat nicht mehr zu tun, als den Männern Privilegien abzunehmen. Aber wie groß ist der Kreis der Frauen, die eine gesicherte, nicht abhängige, nicht entfremdete Erwerbsarbeit, freie Entfaltungsmöglichkeiten familiärer, bildungsmäßiger, kultureller etc. Art haben? Nur wer von solchem Status aus absieht von sozialen Unterschieden und Interessensgegensätzen, kann allein die sofortige 50prozentige Aufteilung aller Plätze der Gesellschaft als Lösungsmodell vorschlagen.“ (Jansen, a.a.O., S.15) Jansen warnt vor diesem Hintergrund vor der „Tücke einer Formalisierung und Verabsolutierung der Debatte um Quotierung.“
Mangels einer realen Frauenbewegung bzw. dem Ende des Klassenkampfzyklus der 1970er, der in vielen Ländern sogar die Frage einer revolutionären Umwälzung der Gesellschaft aufgeworfen hatte und in dessen Rahmen wir auch die Frauenbewegung jener Zeit sehen müssen, ersetzte die Quotendebatte die Debatte über Perspektiven des Kampfes für Frauenbefreiung und Sozialismus. Erst unter diesen gesamtgesellschaftlichen Bedingungen rückte die Frage der Quoten überhaupt ins Zentrum der politischen Aufmerksamkeit. Dies zeigt sich auch daran, dass gerade die Linken unter den sozialdemokratischen Frauen, als diese Debatte Ende der 1970er aufkam, noch gegen die Quote und Formalisierungen im Streben nach innerparteilicher Gleichstellung argumentierten. Die Sorge war, dass die Parteiführung dann mittels der Quote einfach ihr angenehme Frauen in Führungspositionen hieven würde. Die politischen Niederlagen jener Jahre hinterließen aber auch bei den linken Genossinnen Spuren und ließ sie letztlich Zuflucht suchen in der Quote.
Quoten wurden auch ein wichtiges Instrument für jene Teile der Frauenbewegung der 1970er, die den Weg der Institutionalisierung beschritten haben und nicht zuletzt eigene Karriereinteressen verfolgten.
Die entscheidende Frage ist vielmehr, wie es gelingen kann, dass Frauen verstärkt sich politisch und gewerkschaftlich organisieren. Die Quote löst dieses Problem in keiner Weise. Dies geht nur über eine kämpferische Politik für die sozialen und politischen Interessen der ArbeiterInnenklasse im Allgemeinen und von Frauen im Speziellen, wobei der Kampf gegen jede Form von Frauenunterdrückung als zentrales Politikfeld zu gelten hat.
Die Geschichte der SJ in den 1990ern zeigt sehr schön, dass die Quote allein die Stellung der Frauen in der Organisation nicht verbessern kann. Das Fehlen einer realen Frauenbewegung und eine fehlende sozialistische Perspektive im Allgemeinen und gerade auch in frauenpolitischen Fragen führten dazu, dass die Genossinnen in Führungsgremien in ihrer überwiegenden Zahl nur die Funktion von „Quotenfrauen“ erfüllten. Das allgemeine Organisationsklima war weiterhin geprägt von mehr oder weniger offenem Sexismus (sexistische Witze,…) und traditionellen Rollenbildern (z.B. Genossinnen, die ohne zu überlegen vor Ende des politischen Seminarprogramms in die Küche gingen um zu kochen).
Schminkkurse statt Kampf gegen Frauenunterdrückung war das Programm der SJÖ damals. Es waren die GenossInnen der Funke-Strömung, die als erste in dieser Phase einen Kontrapunkt setzten und eine grundlegende Broschüre zum Thema Marxismus und Frauenbefreiung erarbeiteten und in der SJ zur Diskussion stellten.
Freiräume
Erst mit der linken Wende begann auch dieser lange Zeit stark vernachlässigte Bereich der politischen Arbeit der SJ neu belebt zu werden. In dieser Zeit kam es auch zu einer Politisierung der Frauenpolitischen Kommission (FPK), in der linke SJlerinnen frauenpolitische Arbeit begannen. Die Geschichte der proletarischen Frauenbewegung zeigt, dass eine solche Kommission prinzipiell ein wichtiges Instrument sein kann, um junge Frauen zu organisieren. Die SJ hat in den folgenden Jahren den Kampf gegen Frauenunterdrückung gezielt zum Thema gemacht (8. März, Aktionstage gegen Gewalt an Frauen, eigene Seminare,…) und damit auch sichtbare Erfolge bei der Organisierung von Frauen gehabt.
In der SJ hat sich auch die Meinung durchgesetzt, dass junge Frauen aufgrund ihrer spezifischen Sozialisation besonders gefördert gehören. Dieser Ansatz lässt sich durchaus auch mit den Begründungen der proletarischen Frauenbewegung und der KI für eine eigene Frauenagitation aufgrund einer „über Jahrtausende geschaffenen besonderen Psyche der Frau“ in Einklang bringen. Eigene Frauentreffen können zusätzlich zu den Seminaren, Diskussionen und Aktivitäten der Gesamtorganisation einen Beitrag dazu leisten, dass junge Frauen speziell gefördert werden. Aufgrund ihrer Sozialisation ist es für sie oft viel schwerer in der Organisation eine führende Rolle einzunehmen. Auf diesem Gebiet hat die FPK teilweise durchaus erfolgreiche Arbeit geleistet. Im Vergleich zu früher ist der Anteil an Funktionärinnen in der SJ weit größer, das ist mit Sicherheit auch ein Ergebnis dessen, dass der Kampf gegen Frauenunterdrückung im Zentrum der SJ-Arbeit steht und Mädchen bewusst gefördert werden.
Entscheidend ist aber letztlich mit welchem politischen Konzept eine solche Kommission organisiert wird. Und hier setzt unsere zentrale Kritik an der frauenpolitischen Arbeit der SJ an. Die FPK und das Femsem sind nichts anderes mehr als Frauenfreiräume, in der einzelne Aspekte von Frauenunterdrückung aufgearbeitet werden, ohne diese Fragen direkt mit einer sozialistischen Perspektive der Frauenbefreiung zu verbinden. Clara Zetkin hat ähnliche Ansätze als „bürgerliche Frauenrechtlerei“ kritisiert. Was in der SJ-Frauenpolitik heute fehlt, sind politische Diskussionen geschweige denn Taten, die den Ansprüchen einer marxistischen SJ gerecht werden könnten. Die zentrale Schwäche der SJ liegt in der künstlichen Trennung von Minimal- und Maximalprogramm, in „realistische“ Reformforderungen für das Hier und Jetzt einerseits und das Fernziel einer sozialistischen Gesellschaft andererseits. In der frauenpolitischen Arbeit wird dieser Ansatz, der dem Reformismus eigen ist, ganz besonders gut deutlich.
Bei der letzten Frauenkonferenz der SJÖ wurde erstmals offen andiskutiert, dass die FPK, wenn es nach den Vorstellungen der Frauensprecherin geht, eine Art politischen Alleinvertretungsanspruch im Kampf um die Befreiung der Frau erhalten soll. Dieses organisatorische Konzept, das der FPK ein Vetorecht in allen frauenpolitischen Fragen geben würde, lehnen wir als einen schweren Fehler ab. Diese Organisationsform widerspricht völlig unserem Ansatz, dass der Kampf um Frauenbefreiung untrennbar mit dem Kampf für den Sozialismus verbunden ist und dementsprechend die gesamte ArbeiterInnenklasse die zentrale Rolle in diesem Bestreben einnehmen muss. Nicht nur das: Auch der Kampf um ein gesundes Geschlechterverhältnis in der Organisation muss die Sache aller GenossInnen unabhängig von ihrem biologischen Geschlecht sein. Die Debatten zu diesen Fragen müssen breit und von allen GenossInnen geführt werden. Nur so kann das nötige Bewusstsein in diesen Fragen sowie eine gemeinsame Aktion entstehen, die unter der Losung zu stehen hat:
Keine Frauenbefreiung ohne Sozialismus – kein Sozialismus ohne Frauenbefreiung!
Die Forderung nach Quoten, Frauenfreiräumen etc. war eine verständliche Reaktion der Genossinnen auf eine männlich dominierte Organisationskultur, in der männliche Rollenbilder einen höheren Stellenwert genießen als weibliche Rollenbilder. Wer lauter und wortgewandter ist, wer von Anfang an mehr Selbstbewusstsein in die Organisation mitbringt, der hat einen Vorteil. Das sind tendenziell mehr Männer als Frauen. Ausnahmen bestätigen natürlich die Regel. Das erklärt aber auch die Dominanz von GenossInnen aus „besseren Verhältnissen“ bzw. aus bildungsnahen Schichten gegenüber ArbeiterInnenjugendlichen. Die Reproduktion von gesellschaftlichen Unterdrückungsmechanismen in den reformistischen Massenorganisationen provoziert verständlicherweise Gegenreaktionen. Lenin hat z.B. geschrieben, die ArbeiterInnenbewegung zahlt für den Opportunismus mit dem Preis des Linksradikalismus. Ähnlich verhält es sich mit dem bürgerlichen Feminismus, der sich nicht zufällig gerade an dem Punkt in der Sozialdemokratie und den Gewerkschaften breitmachen konnte, als die Bürokratie Ende der 1970er/Anfang der 1980er ihre Macht aufrechtzuerhalten versuchte und die großen Klassenkämpfe und sozialen Bewegungen ausebbten.
Dies hatte aber nur den Effekt, dass Frauenquoten und Frauenfreiräume zur Herausbildung einer Art neuen Bürokratie in den Massenorganisationen führten. Eine kleine Schicht relativ privilegierter Frauen schaffte sich über diesen Weg eine Plattform, von der aus sie selbst Teil der Bürokratie wurde. Der grundlegende Charakter der Bürokratie hat sich nicht geändert, nur ihre Zusammensetzung und ihr Erscheinungsbild.
In Wirklichkeit heben sich in Frauenfreiräumen, die nach dem Politikverständnis reformistischer Organisationen funktionieren, genauso kleine Eliten über den Rest empor. Auch hier werden die Widersprüche zwischen Führung und Basis reproduziert. Selbst in der autonomen Frauenbewegung in den 1970ern und 1980ern, die über basisdemokratische Konzepte die „patriarchalen Hierarchien“ bewusst zu überwinden versuchten, war dies der Fall. Ein gutes Beispiel liefert ein Bericht einer damals jungen, politisch unerfahrenen Aktivistin in den Frauenzentren in dem Buch „Donauwalzer – Damenwahl: Frauenbewegte Zusammenhänge in Österreich“: „Die ersten Schritte ins Frauenzentrum waren meist aufregend. Auf anfängliche Unsicherheit folgte der oft langwierige Prozess, sich im Beziehungsgefüge zu orientieren und einen eigenen Platz zu finden. Einschüchternd und verwirrend die Plena, wo Frauen ‚mit politischen Erfahrungen’ das Geschehen bestimmten; ungewohnt die Sprache, der Jargon; (…) Eine ‚politische Mutter’ konnte den Weg durch den Dschungel der linken Szenerie und der feministischen Pflichtlektüre weisen. Der erste Schritt zur Integration: am Plenum zu Wort zu kommen, eine notwendige Bedingung dafür, ‚jemand zu sein’.“ Auch hier gab einen „innersten Kreis“ an politischen Kadern, wenn wir so wollen, die der Organisation den Stempel aufdrückten. Und es zählten dieselben Fähigkeiten, wollte eine Frau dazugehören, wie dies in herkömmlichen politischen Organisationen der Fall ist.
Noch einmal zur Frage der Quoten
Wir haben gezeigt, unter welchen Umständen in den Organisationen der ArbeiterInnenbewegung Frauenquoten Eingang gefunden haben und scheinbar unverrückbarer Teil der Organisationsstruktur wurden. Organisatorische Methoden sind immer abgeleitet von politischen Ideen und einem theoretischen Konzept. Anhand der proletarischen und der kommunistischen Frauenbewegung haben wir versucht das darzulegen. Frauenbefreiung ist aus marxistischer Sicht untrennbar verbunden mit dem Kampf für die revolutionäre Überwindung des Kapitalismus. Das definierte laut Zetkin & Co. die Rolle von Frauensekretariaten, Frauenkommissionen usw. in der Gesamtorganisation. Welchen Zweck haben die Organisationen der ArbeiterInnenbewegung und der Linken zu erfüllen? Aus marxistischer Sicht haben sie die Funktion eine möglichst große Einheit aller Lohnabhängigen im Kampf gegen Ausbeutung und alle Formen von Unterdrückung und für die Überwindung des Kapitalismus herzustellen. Quoten mögen ein Mittel sein, um einer kleinen Schicht von im Regelfall privilegierten Frauen den Weg nach oben zu ebnen. Die Masse der Frauen wird aber durch die Möglichkeit, welche die Quote bieten würde, nicht politisch aktiv werden. Zu schwer wiegen in normalen Zeiten Beruf, Hausarbeit, Kindererziehung und traditionelle Rollenbilder auf ihren Schultern.
Dazu kommt der Aspekt, dass Quoten für spezielle Gruppen der Klasse das demokratische Grundprinzip von revolutionären Organisationen aushebelt. Konsequent zu Ende gedacht, würde es bedeuten, dass die Organisation in eine Vielzahl von Sektoren aufgegliedert wird, die allesamt ihre eigene Struktur haben, wo sie für sie spezifische Fragen selbständig behandeln können und dann über eine Quote in den Führungsgremien der Gesamtorganisation vertreten sind. Das wäre eine gefährliche Logik, die den Keim der Spaltung der Klasse und ihrer Organisationen entlang verschiedener Kriterien (Geschlecht, Alter, Nation, Qualifikation,…) in sich trägt.
Unser Ansatz muss ein anderer sein. Der Kapitalismus liefert dazu selbst seine TotengräberInnen, nicht zuletzt indem er die Frauen über die Erwerbsarbeit ins öffentliche Leben gestoßen hat. Sowohl Marx und Bebel wie auch Clara Zetkin haben darin das größte Potential gesehen, dass Frauen zu politischen Subjekten werden können. SozialistInnen müssen auf Grundlage eines klassenkämpferischen Programms für höhere Löhne, den Ausbau des Sozialstaates und die Vergesellschaftung der Hausarbeit aber auch gegen alle Formen von Sexismus und Diskriminierung Frauen eine politische Perspektive bieten. In sozialen Bewegungen stehen eigentlich immer plötzlich viele Frauen in der ersten Reihe, die es in den Reihen der ArbeiterInnenbewegung zu organisieren gilt. Das sollte unser Ansatz sein, wie Frauen eine aktive und führende Rolle in linken Organisationen einnehmen können. Die Quote ist dazu ein denkbar ungünstiges Instrument.
Reale Verbesserungen gab es für Frauen immer nur im Zuge großer sozialer Bewegungen und Klassenkämpfe. Das war so in der revolutionären Welle nach dem Ersten Weltkrieg und später in den 1970ern. Die BefürworterInnen der Quote argumentieren, dass die Linke darauf aber nicht einfach warten könne. Wenn wir die Gesellschaft schon nicht umwälzen können, dann sollten wir zumindest in einer Art Zwischenschritt dafür sorgen, dass Frauen in der bestehenden Gesellschaft einen größeren Stellenwert erhalten. Das stimmt insofern, als es hier und jetzt den Kampf um konkrete soziale Reformen bzw. Angriffe auf soziale Errungenschaften der Vergangenheit zu führen gilt. Es kann aber nicht bedeuten, dass wir uns zum Ziel stecken, dass Frauen verstärkt in den Institutionen der bürgerlichen Herrschaft, wo die wichtigen Entscheidungen gefällt werden, vertreten sind. Dies ist aber der Ansatz jene, die durch gesetzlich festgelegte Quoten Verbesserungen herbeiführen wollen. Die Frauenquoten bei der Erstellung von Listen für die Wahl zum Parlament war der erste Schritt. Doch dabei sollte es nicht bleiben. Mittlerweile gehört auch die Forderung nach „mehr Frauen in Führungspositionen und eine verpflichtende Quote in Vorstandsgremien und Aufsichtsräten” (aus: Unsere Ziele, ÖGB-Frauen) zum Programm nicht nur von offen bürgerlichen Organisationen sondern auch den feministischen Teilen der ArbeiterInnenbewegung. Die damit verbundene Hoffnung lautet, dass Regierung und Parlament bzw. die Unternehmensleitungen mehr die Bedürfnisse von Frauen in ihre Entscheidungen einfließen lassen. Damit wird aber eine gefährliche Illusion geschürt, die völlig die Mechanismen der kapitalistischen Ordnung verkennt. In der Tat stellen weibliche Spitzenpolitikerinnen oder Topmanagerinnen Sparzwang und Profitlogik genauso über die Interessen der breiten Masse von männlichen und weiblichen Lohnabhängigen, wie dies Männer in solchen Funktionen machen. Thatcher, Merkel, die Heerscharen von Ministerinnen in den Regierungen von Berlusconi und Sarkozy untermauern dieses Faktum eindrücklich. Für Frauen als Spitzenmanagerinnen oder Unternehmerinnen gilt dasselbe. Brigitte Ederer agiert wie es jeder männliche Chef an der Spitze von Siemens auch täte. Welcher lohnabhängigen Frau ist geholfen, wenn sie von einer Frau einen geringeren Lohn als ihre männlichen Kollegen ausbezahlt bekommt? Oder wenn sie von einer Frau entlassen wird? Oder wenn eine Chefin oder Managerin davon spricht, dass „es auch Frauen schaffen können“ Familie und Karriere unter einen Hut zu bringen, während sie ihre Wohnung von einer billigen Putzfrau aus Osteuropa reinigen und ihre Kinder von einem unterbezahlten Au Pair-Mädchen betreuen lässt?
Jedes Bestreben gegen jede Form der Diskriminierung werden wir unterstützen. Aber als SozialistInnen sind wir indifferent gegenüber der Frage, wie die herrschende Klasse ihre leitenden Organe besetzt. Diese Forderung steht völlig außerhalb der Logik, dass Frauenbefreiung nur durch einen gemeinsamen Kampf der gesamten ArbeiterInnenklasse entlang eines sozialistischen Programms erreichbar ist. Wenn uns linke BefürworterInnen einer derartigen Quotenforderung entgegenhalten, dass damit zumindest Mädchen und jungen Frauen sehen können, dass Frauen mehr sein können als Hausfrau und Mutter, dann mag das stimmen. Aber auch wenn jede einzelne Frau das Recht auf Karriere haben soll, so wälzen wir keine Überlegungen, wie eine spezielle Gruppe in dieser auf Ausbeutung und Unterdrückung basierenden Gesellschaft bessere Karrierechancen bekommen soll. Aufsichtsräte sind eine zentrale Führungsebene in der kapitalistischen Ordnung. Unser Konzept lautet nicht Feminisierung der Aufsichtsräte so wie wir auch gegen eine verstärkte Mitsprache von Betriebsräten in Aufsichtsräten sind. Wir kämpfen hingegen für ArbeiterInnenkontrolle in den Betrieben.
Natürlich sind wir sehr wohl daran interessiert, dass in unseren Organisationen möglichst viele Frauen aktiv sind und eine führende Rolle einnehmen. Mädchen und junge Frauen, vor allem jene aus der ArbeiterInnenklasse, sollen in den Medien und im öffentlichen Leben sehen können, dass Frauen eben nicht nur nach traditionellen Frauenbildern leben. Aber es sollen Frauen einer organisierten ArbeiterInnenbewegung mit revolutionärem Programm sein, die ihnen Vorbild sein können, und nicht Betriebsrätinnen und Managerinnen, die in Aufsichtsräten von Konzernen sitzen. Um dies zu erreichen, müssen SozialistInnen in erster Linie konsequent die Interessen v.a. der proletarischen Frauen zum Thema machen und dem Sexismus – auch in den eigenen Reihen – den Kampf ansagen.
Zusammenfassung
Zusammenfassend kann das Verhältnis der proletarischen Frauenbewegung zur Gesamtbewegung wie folgt beschrieben werden: Revolutionäre MarxistInnen gehen von der Notwendigkeit einer revolutionären Partei aus, deren Ziel die größtmögliche Einheit der ArbeiterInnenklasse auf der Grundlage eines sozialistischen Programms ist. Ihr Ziel ist die revolutionäre Überwindung des Kapitalismus und die Befreiung der ArbeiterInnenklasse von Ausbeutung und allen Formen der Unterdrückung. Der Kampf um Frauenbefreiung ist untrennbar verbunden mit dem Kampf für Sozialismus. Doch dieser Kampf kann nur erfolgreich sein, wenn die ArbeiterInnenklasse alle Formen der Spaltung im Klassenkampf überwindet. Als Vorbedingung dafür sah Trotzki: „Um die Lebensbedingungen zu ändern, müssen wir lernen sie mit den Augen der Frauen zu sehen.“ (aus: Fragen des Alltagslebens)
Selbst in einer revolutionären Organisation spiegeln sich die Unterdrückungsmuster der kapitalistischen Ordnung sowie die unterschiedliche Sozialisation der Geschlechter wider. Dem gilt es aktiv und möglichst kollektiv als Gesamtorganisation gegenzusteuern. Sexismus darf wie Rassismus in einer revolutionären Organisation keinen Platz haben. Verhaltensmuster von Genossen und Genossinnen, die die sozialisationsbedingten Unterschiede zwischen den Geschlechtern reproduzieren, sind regelmäßig kritisch zu reflektieren und aktiv zu bekämpfen. Der in unserem Theoriemagazin „Aufstand der Vernunft Nr. 7“ gemachte Vorschlag einer eigenen Kommission, die das Geschlechterverhältnis in der Organisation analysiert und auf dieser Grundlage den Gremien der Gesamtorganisation Vorschläge macht, um negativen Entwicklungen entgegenzuwirken, ist aus unserer Sicht eine geeignete Form dieses Problem in der revolutionären Organisation zu bekämpfen. Frauen sind auch gezielt durch besondere Maßnahmen v.a. auf dem Gebiet der politischen Schulung zu fördern. Eigene Frauentreffen können dazu dienlich sein. Um möglichst große Teile des weiblichen Proletariats organisieren zu können, muss die revolutionäre Organisation eine eigene Agitation, die auf Frauen ausgerichtet ist, entwickeln und zu frauenpolitischen Fragen eigene Veranstaltungen anbieten. Die besondere Rolle von Frauen im Kampf gegen Frauenunterdrückung brachte Trotzki in folgendem Zitat aus einer Rede auf der Dritten All-Unions Konferenz zum Schutze der Mütter und der Kinder, die er 1925 gehalten hatte, auf den Punkt: „Und genau so, Genossen, ist diese Wand von Familienvorurteilen, im Verhalten des Familienoberhauptes gegenüber der Frau und dem Kind – die Frau ist der Kuli der Familie – diese Wand ist über Jahrtausende, nicht über Jahrhunderte aufgebaut worden. Und so seid ihr – müsst ihr sein – der moralische Rammbock, mit der diese Wand des Konservativismus, die in unserer alten asiatischen Natur, in der Sklaverei, in der Knechtschaft, in bürgerlichen Vorurteilen und in den Vorurteilen selbst der Arbeiter, wurzelt, die aus den schlimmsten Seiten der bäuerlichen Traditionen hervorgekommen sind, durchbrochen wird. Insoweit ihr diese Wand zerstören werdet, wie ein Rammbock in der Hand der sozialistischen Gesellschaft, die aufgebaut wird, ist jeder bewusste Revolutionär, jeder Kommunist, jeder fortschrittliche Bauer und Arbeiter verpflichtet, Euch mit all seiner Kraft zu unterstützen. Ich wünsche Euch großen Erfolg Genossinnen, und vor allem wünsche ich euch mehr Aufmerksamkeit in unserer öffentlichen Meinung. Eure Arbeit die wirklich reinigend ist, wirklich gesund ist, muss in das Zentrum der Aufmerksamkeit unserer Presse gestellt werden, so dass sie unterstützt werden kann von allen progressiven Elementen im Land, und euch geholfen werden, Erfolge im Aufbau unseres Lebens und unserer Kultur zu erzielen.”