Die IMT hat von Beginn an die revolutionären Bewegungen in der arabischen Welt mit Analysen, Berichten und konkreter Solidaritätsarbeit verfolgt und unterstützt. Dieses Manifest ist das Ergebnis eines breit geführten internationalen Diskussionsprozesses und richtet sich an alle, die einen Ausweg aus der kapitalistischen Sackgasse suchen, speziell an die RevolutionärInnen in der arabischen Welt.
Die Arabische Revolution – Manifest der Internationalen Marxistischen Strömung
- Das Manifest gibt es auch als Broschüre in unserem Online-Shop
Teil 1: Thawra hatta’l nasr! – Revolution bis zum Sieg!
Die Arabische Revolution ist für die arbeitenden Menschen und Jugendlichen auf der ganzen Welt eine Quelle der Inspiration. Sie hat jedes Land im Nahen Osten bis auf die Grundfesten erschüttert. Die Auswirkungen dieser Bewegung sind weltweit zu spüren. Die dramatischen Ereignisse in Nordafrika markieren einen entscheidenden Wendepunkt in der Menschheitsgeschichte. Hier handelt es sich nicht um isolierte, zufällige Ereignisse: Es ist nicht weniger als der erste Akt der sozialistischen Weltrevolution. Es handelt sich um einen allgemeinen Prozess: Wenn auch in unterschiedlichen Rhythmen, wird er sich über den gesamten Globus ausbreiten. Ebbe und Flut werden sich abwechseln, Niederlage und Sieg, Enttäuschung und Erfolg. Die allgemeine Entwicklung begünstigt jedoch eindeutig die Zunahme von Klassenkämpfen.
Die beeindruckenden Massenbewegungen in Tunesien und Ägypten waren erst der Anfang. Revolutionäre Entwicklungen stehen auf der Tagesordnung, und kein Land wird davon ausgenommen sein. Die Revolutionen in der arabischen Welt sind Ausdruck der Krise des internationalen Kapitalismus. In diesen Ereignissen können die entwickelten kapitalistischen Länder bereits ihre Zukunft sehen.
Tunesien
Tunesien erschien lange Zeit als das stabilste Land der arabischen Welt. Die Wirtschaft florierte, ausländische InvestorInnen machten fette Profite. Präsident Zine al-Abidine Ben Ali herrschte mit eiserner Hand. Es schien die beste aller möglichen kapitalistischen Welten.
Die bürgerlichen KommentatorInnen betrachteten aber nur die Oberfläche – sie waren außerstande, die Prozesse in den Tiefen der Gesellschaft zu sehen. Deshalb waren sie auch blind gegenüber den Entwicklungen in Nordafrika. Aus ihrer Sicht war die Möglichkeit einer Revolution in Tunesien völlig ausgeschlossen. Umso perplexer sind heute die bürgerliche StrategInnen, WirtschaftswissenschaftlerInnen und andere „ExpertInnen“.
Ausgelöst wurde die Revolution durch die Selbstverbrennung von Mohamed Bouazizi, einem jungen Arbeitslosen. Laut Hegel drückt sich die historische Notwendigkeit oft in einem zufälligen Ereignis aus. Es war nicht der erste Fall eines Selbstmordes durch einen völlig verzweifelten jungen Menschen in Tunesien. Doch diesmal hatte dieser Akt der Verzweiflung unerwartete Folgen: Die Massen strömten auf die Straßen, die Revolution nahm ihren Lauf.
In einer ersten Reaktion versuchte das Regime die Rebellion mit Gewalt zu zerschlagen. Doch auch durch die starke Polizeirepression konnten die Proteste nicht gestoppt werden. Bald schon wurde den MachthaberInnen klar: Beim nächsten blutigen Zusammenstoß droht die Spaltung der Armee. Daher ging man dazu über, die Lage mit Zugeständnissen zu befrieden – doch dafür war es bereits zu spät.
Es kam zu einer Welle von regionalen Generalstreiks, die schließlich in einem landesweiten Streiktag mündete. Das war der Punkt, an dem sich Ben Ali gezwungen sah, nach Saudi-Arabien zu fliehen. Die gesamte Lage in der Region war wie verwandelt: Es war der erste Sieg der Arabischen Revolution.
Als Ben Ali floh, herrschte für kurze Zeit ein Machtvakuum. Dieses wurde in vielen Städten, Dörfern und teilweise sogar in ganzen Regionen von revolutionären Komitees gefüllt. In Redeyef oder in der Bergbauregion von Gafsa gab es keine staatliche Autorität mehr. Hier hatte nun die Gewerkschaft das Sagen. Polizeistationen wurden niedergebrannt, das Rathaus von der Gewerkschaft übernommen. Auf dem Hauptplatz wurden Massenversammlungen abgehalten, wo die lokalen Gewerkschaftsvorsitzenden der Bewegung die nächsten Schritte vorschlugen. Es wurden Komitees eingerichtet, die den Verkehr, die öffentliche Sicherheit, öffentliche Dienstleistungen usw. sicherstellen sollten.
Diese ersten Erfolge stellten die breite Masse der Bevölkerung aber bei weitem nicht zufrieden. Immer wieder gingen sie gegen alle Versuche, die alte Ordnung unter einem anderen Namen wiederzuerrichten, auf die Straße. Die alten Parteien sind in der Bevölkerung weitgehend diskreditiert. Als Ministerpräsident Gannouchi in den Regionen neue Gouverneure einsetzen wollte, kam es neuerlich zu riesigen Protesten, bis diese wieder abgesetzt wurden.
Die Lava der Revolution ist in Tunesien noch nicht abgekühlt. Die ArbeiterInnen fordern die Beschlagnahmung des Vermögens der Familie Ben Alis. Und nachdem dieser Clan große Bereiche der Wirtschaft kontrollierte, bedeutet dies allein schon eine direkte Herausforderung für die kapitalistische Ordnung in Tunesien. Die Losung nach der Enteignung der Clique rund um Ben Ali ist eine zutiefst sozialistische Forderung.
Die Belegschaften haben in vielen Betrieben unpopuläre ManagerInnen hinausgeworfen. Die linke „Front des 14. Jänners“ propagierte die Einberufung einer nationalen Versammlung der revolutionären Komitees. Das ist eine sehr wichtige Forderung – doch leider wurden bis jetzt keine konkreten Schritte in diese Richtung gesetzt.
Dennoch: Trotz des Fehlens einer echten Führung gelang es der Bewegung, Ministerpräsident Gannouchi zum Rücktritt zwingen. Unser Slogan muss lauten: thawra hatta’l nasr! – Revolution bis zum Sieg!
Die Ägyptische Revolution
Tunesien eröffnete die Arabische Revolution. Doch es ist letztlich ein kleines Land – Ägypten hingegen ist der Schlüssel zur gesamten Region. Mit 82 Millionen EinwohnerInnen stellt es das Herz der arabischen Welt dar. Das ägyptische Proletariat ist zahlenmäßig sehr stark und verfügt über eine sehr klassenkämpferische Tradition. Die Ägyptische Revolution wurde zweifelsohne durch den Sieg der Protestbewegung in Tunesien beflügelt, doch sie nährte sich aus einer Reihe von anderen Kräften: der Unzufriedenheit über die hohe Arbeitslosigkeit, den fallenden Lebensstandard und eine korrupte Regierung, die mit eiserner Faust regierte.
Die Revolution in Tunesien wirkte wie ein Katalysator. Katalysatoren können aber nur dann ihre Funktion erfüllen, wenn alle anderen notwendigen Bedingungen gegeben sind. In Tunesien zeigte die revolutionäre Bewegung, was möglich ist. Doch es ist falsch zu glauben, sie wäre die entscheidende Ursache für die Ereignisse in Ägypten gewesen. Vielmehr waren die Bedingungen für eine revolutionäre Explosion in all diesen Ländern bereits herangereift. Es fehlte nur noch der entscheidende Funke, der das Pulverfass entzünden sollte. Und dieser Funke kam aus Tunesien.
Die Bewegung in Ägypten war gekennzeichnet vom unvorstellbaren Heroismus der Massen. Die Sicherheitskräfte konnten nicht mit scharfer Munition gegen die Demonstrationen auf dem Tahrir-Platz vorgehen, weil das Regime ein Szenario wie in Tunesien fürchtete. Man war der Meinung, es würde wie in der Vergangenheit ausreichen, den Kopf der Protestbewegung zu zerschlagen. Doch diesmal sollte dies nicht genügen: Quantität war in eine neue Qualität umgeschlagen, die Menschen hatten ihre Furcht verloren. Plötzlich musste die Polizei im Angesicht der Entschlossenheit der DemonstrantInnen die Flucht ergreifen.
Das direkte Ergebnis war die Besetzung des Tahrir-Platzes in Kairo. Das Regime schickte daraufhin die Armee auf die Straßen, doch die einfachen Soldaten verbrüderten sich mit den Massen. Die ägyptische Armee basiert auf der allgemeinen Wehrpflicht. Die hohen Offiziersränge, die Generäle sind korrupt und fixer Bestandteil des Regimes, doch die gewöhnlichen Rekruten sind Arbeiter und arme Bauern. Selbst die unteren und mittleren Offiziersränge, aus der Mittelschicht kommend, zeigten sich nicht gegen den Druck der Massen immun.
Die Oppositionsparteien forderten Reformen und die Auflösung des Parlaments, das erst im vergangenen Dezember nach gefälschten Wahlen neu zusammengetreten war. Neuwahlen sollten ausgerufen werden, und Staatspräsident Mubarak sowie sein Sohn sollten eine Erklärung abgeben, dass sie bei den Präsidentschaftswahlen im September nicht antreten werden. Doch die Führung der Opposition hinkte mit diesem Programm weit hinter den Forderungen der Massen her. Die Bewegung begnügte sich bei weitem nicht mit diesen Losungen. Die Menschen begannen mit ganz grundlegenden Forderungen – Beendigung des Ausnahmezustands, Entlassung des Innenministers, höhere Mindestlöhne – um in der Folge den Sturz von Mubarak und die vollständige Auflösung seines Regimes zu fordern. Das Bewusstsein machte binnen kürzester Zeit gewaltige Sprünge.
Staat und Revolution
Die breiten Massen stellten von Anfang an den Motor der Ereignisse in Tunesien und Ägypten dar. Bürgerliche und kleinbürgerliche “ExpertInnen” geben sich jetzt alle Mühe, gerade die Bedeutung der Massenaktionen kleinzureden. Sie schenken vor allem dem Geschehen an der Spitze des Staates ihre Aufmerksamkeit. Aus ihrer Sicht war der Sturz der Diktatoren nicht viel mehr als ein „Putsch“. Wir kennen diese Erklärungsversuche bürgerlicher HistorikerInnen in Bezug auf die Russische Revolution von 1917.
Ihre Analysen bleiben rein an der Oberfläche stehen. Für die bürgerliche Philosophie im Allgemeinen existiert alles bloß als rein äußerliches Phänomen. Es ist wie der Versuch, die Bewegung von Meereswellen verstehen zu wollen, ohne die submarinen Strömungen der Ozeane zu studieren. Selbst als Kairo schon von Massendemos erschüttert wurde, hielt Hillary Clinton an der Meinung fest, Ägypten sei „stabil“. Sie stützte ihre Aussage auf die Tatsache, dass der Staat und sein Repressionsapparat noch intakt waren. Nur zwei Wochen später sollte alles anders sein.
Ein mächtiger staatlicher Unterdrückungsapparat ist kein Garant gegen eine Revolution. Unter Umständen ist gerade das Gegenteil der Fall. In einer bürgerlichen, parlamentarischen Demokratie verfügt die herrschende Klasse über gewisse Sicherheitsventile für den Fall, dass die Lage außer Kontrolle gerät. In einer Diktatur, einem totalitären Regime, haben die Menschen keine Möglichkeit, ihrer Meinung im Rahmen des politischen Systems Ausdruck zu verleihen. Deshalb können politische Erschütterungen abrupt auftreten und sofort eine sehr scharfe Form annehmen.
Die Streitkräfte stellten die wichtigste Basis des alten Regimes dar. Auf dem Papier stellte diese Armee eine eindrucksvolle Kraft dar. Doch wie jede andere Armee spiegelte sie die Gesellschaft wider und geriet ab einem gewissen Punkt unter den Einfluss der Massen. Armeen setzen sich aus Menschen aus Fleisch und Blut zusammen und sind dem selben Druck wie jede andere soziale Schicht ausgesetzt. Im entscheidenden Moment konnten weder Mubarak noch Ben Ali die Armee gegen die Bevölkerung einsetzen.
Die Armeen in vielen arabischen Ländern sind nicht mit den Streitkräften in der entwickelten kapitalistischen Welt zu vergleichen. Letztlich handelt es sich zwar um kapitalistische Armeen, um Einheiten bewaffneter Menschen zur Verteidigung des Privateigentums, sie sind aber auch das Produkt der anti-kolonialen Revolution. Die Generäle spielen natürlich eine reaktionäre Rolle, doch die unteren und mittleren Offiziersränge spiegeln den Druck der Massen wider, wie sich auch 1952 im Putsch von Nasser gezeigt hat.
Die Revolution führte zu einer Krise im Staatsapparat. Es kam zu Spannungen zwischen der Armee und der Polizei, die offen gegen die Proteste vorging. Dies führte letztendlich zu einem Punkt, an dem der Armeerat zu der Schlussfolgerung kam, dass Mubarak zum Rücktritt gezwungen werden musste. Unter dem Druck der breiten Massen hatte sich der Gärungsprozess in der Armee verstärkt. Es drohte die Spaltung der Armee. In mehreren Fällen warfen Offiziere die Waffen weg und schlossen sich den Demonstranten an. Das war eine Situation, in der die Armee nicht länger gegen das revolutionäre Volk eingesetzt werden konnte.
Die Rolle des Proletariats
In den ersten beiden Wochen lag die Macht auf den Straßen. Doch die Führung der Bewegung wusste nicht, was sie damit anfangen sollte. Es herrschte die Vorstellung vor, dass es ausreiche, große Menschenmengen auf dem Tahrir-Platz zu versammeln. Damit wurde aber die entscheidende Frage der Staatsmacht außer Acht gelassen. Es handelte sich um eine rein passive Strategie, dabei hätte die Situation eine Offensivstrategie verlangt.
Ben Ali wurde durch Massendemonstrationen ins Exil gezwungen, die Regierungspartei RCD gestürzt. Daraus folgerten viele Menschen in Ägypten, das Regime von Mubarak sei ebenso instabil. Das Problem war jedoch, dass Mubarak sich weigerte zu gehen. Die Anstrengungen und der Mut unzähliger DemonstrantInnen waren fast übermenschlich. Dennoch gelang es nicht, Mubarak zu stürzen. Großdemonstrationen sind von großer Bedeutung, weil sie die für gewöhnlich träge Masse mobilisieren, sie zusammenführen und ihr auf diesem Weg ein Gefühl für die eigene Stärke geben. Um jedoch siegen zu können, musste die Bewegung auf eine neue, höhere Ebene gehoben werden. Dazu war jedoch nur das Proletariat imstande: Das Erwachen der ArbeiterInnenklasse drückte sich bereits in den vergangenen Jahren durch eine Welle von Streiks und Protesten aus. Dies war einer der wichtigsten Faktoren, die die Revolution vorbereitet haben – und darin liegt auch der Schlüssel zu ihren künftigen Erfolgen. Indem das ägyptische Proletariat die Bühne der Geschichte betreten hat, gab es dem Verlauf der Revolution eine neue Wende. Erst eine Streikwelle rettete die Revolution und führte zum Sturz Mubaraks. In einer Stadt nach der anderen traten ArbeiterInnen in den Streik, besetzten Betriebe, verjagten verhasste ManagerInnen und korrupte GewerkschaftsfunktionärInnen.
Die Revolution machte einen qualitativen Sprung. Aus einer großen Demonstration wurde plötzlich ein Aufstand. Welche Schlussfolgerung können wir daraus ziehen? Nur eine: Dass der Kampf um Demokratie nur in dem Maße erfolgreich sein kann, als sich das Proletariat an die Spitze dieser Bewegung stellt. Die entscheidende Rolle haben die Millionen ArbeiterInnen inne, die den gesellschaftlichen Reichtum produzieren und ohne deren Erlaubnis keine Glühbirne leuchtet, kein Telefon klingelt und kein Rad sich dreht.
Das Wiedererwachen der ägyptischen Nation
Der Marxismus hat nichts mit ökonomischem Determinismus gemein. Massenarbeitslosigkeit und Armut stellen ein explosives Gemisch dar – das allein kann aber die revolutionäre Situation in der arabischen Welt nicht erklären. Es gab eine weitere Ursache: Etwas, das nicht so leicht zu fassen und zu messen ist, aber in nicht geringerem Maße zur vorherrschenden Unzufriedenheit beitrug als die materielle Not. Es ist das brennende Gefühl der Erniedrigung in den Herzen und Köpfen eines Volkes, das auf eine lange Geschichte zurückblicken kann, aber seit Generationen vom Imperialismus beherrscht wird.
In der gesamten arabischen Welt, die seit mehr als 100 Jahren vom Imperialismus versklavt und unterdrückt wird, herrscht dieses Gefühl vor. Zuerst waren es die europäischen Großmächte, dann der transatlantische Riese, die die Geschicke der Region lenkten. Fehlgeleitet kann dieses Gefühl einen Ausdruck im islamischen Fundamentalismus finden, für den alles, was aus dem Westen kommt, Teufelswerk ist. Doch dürfen wir nicht vergessen, dass das Erstarken des Islamismus in erster Linie eine Folge des politischen Versagens der Linken darstellt, angesichts der drückenden Probleme in diesen Gesellschaften eine sozialistische Alternative anzubieten.
In den 1950er und 1960er Jahren beseelte Gamal Abdel Nassers Traum von einem “Panarabischen Sozialismus” die breiten Massen der gesamten Region. Ägypten wurde zum Hoffnungsträger aller Unterdrückten und Ausgebeuteten der arabischen Welt. Doch Nasser war nicht bereit, alle logischen Schlussfolgerungen aus seinem Konzept zu ziehen, und unter Anwar Sadat wurde der gesamte Prozess wieder ins Gegenteil verkehrt. Ägypten wurde auf die Rolle eines kleinen Rädchens in der Großmachtpolitik der USA reduziert. In den drei Jahrzehnten der Herrschaft Mubaraks war Ägypten eine bloße Marionette der USA und Israels. Die Rechnung dafür bezahlte nicht zuletzt der palästinensische Befreiungskampf.
In diesen Jahrzehnten wurde die arabische Seele von Enttäuschungen, Niederlagen und Erniedrigungen gemartert. Doch nun hat sich das Blatt gewendet: Die Idee der Revolution hat heute in der arabischen Welt eine ganz konkrete Bedeutung bekommen. Sie hat die Köpfe von Millionen von Menschen erfasst und wird dadurch zu einer materiellen Kraft. Ideen, die bis vor kurzem nur von kleinen Minderheiten vertreten wurden, setzen plötzlich Millionen in Bewegung.
Revolutionen unterziehen alle politischen Strömungen einem Härtetest. Von einem Tag auf den anderen verloren der individuelle Terrorismus und der islamische Fundamentalismus jede Anziehungskraft. Die Revolution hat längst vergessen geglaubte Ideen zu neuem Leben erweckt. Die alten Traditionen des Sozialismus und des panarabischen Nationalismus rücken wieder ins Bewusstsein breiter Schichten. Alte Widerstandslieder werden gesungen, Bilder von Nasser sind wieder auf den Demonstrationen zu sehen.
Wir werden heute Zeugen einer neuen arabischen Renaissance. In der Hitze des Gefechts wird das Massenbewusstsein neu geformt. Demokratische Losungen sind unter den gegebenen Umständen von grundlegender Bedeutung. Menschen, die lange Zeit versklavt waren, schieben endlich die alte von Passivität und Fatalismus geprägte Mentalität beiseite und erheben sich zu voller Größe.
Derartige Prozesse im Bewusstsein können wir in jedem Streik sehen. Dies ist kein Zufall, ist doch ein jeder Streik sozusagen eine Revolution im Kleinen. Umgekehrt ist jede Revolution wie ein Streik der gesamten Gesellschaft gegen die Unterdrücker. Sobald die Menschen aktiv werden, ihr Schicksal in die eigene Hand nehmen und ihre Rechte einfordern, entdecken sie ihre Würde. Sie fordern mit Respekt behandelt zu werden. Das ist die Essenz eine jeden Revolution.
Durch die Revolution schwingt sich das Bewusstsein zu neuen Höhen auf. Der Reaktion wird der Boden unter den Füßen weggezogen. Die Nebelschwaden, die vom religiösen Fundamentalismus verbreitet wurden, verhüllen nicht länger die Köpfe der Menschen. Entgegen der Darstellung vieler westlicher Medien spielten islamistische Kräfte in Tunesien und Ägypten keine relevante Rolle in der Revolution. Sektiererische Gewalt gegen religiöse Minderheiten hörte plötzlich auf. Frauen und Männer, Junge und Alte, MuslimInnen und ChristInnen standen nun vereint Seite an Seite.
Die revolutionäre Bewegung überstrahlt alle religiösen, nationalen und ethnischen Unterschiede. Die alten Geschlechterrollen gelten plötzlich nicht mehr. Frauen sind nun auf der Straße präsent und kämpfen an vorderster Front. Unter dem Banner der Revolution vereinigen sich alle lebendigen Kräfte der arabischen Nation im gemeinsamen Kampf. Die Menschen können nun erhobenen Hauptes und mit Stolz sagen: „Wir werden nicht länger SklavInnen sein.“
Die Grenzen der Spontaneität
Die Revolution in Tunesien und Ägypten kam von unten. Keine politische Partei kann für sich in Anspruch nehmen, diese Revolution organisiert zu haben. Diese Bewegung wurde von keiner Partei vorhergesehen, dementsprechend wurden sie von diesem spontanen Protest völlig unvorbereitet erwischt. Wenn es eine Lehre aus den Erfahrungen der Ägyptischen Revolution gibt, dann folgende: Die revolutionäre Bewegung kann niemandem außer sich selbst trauen. Sie muss auf die eigene Stärke bauen.
Die Ereignisse in Ägypten erinnern frappant an jene von Barcelona des Jahres 1936. Ohne Partei, ohne Programm, plan- und führungslos marschierten die ArbeiterInnen heldenmütig auf die Kasernen zu und schlugen die FaschistInnen. In dieser Situation hätten sie die Macht übernehmen können. Warum stellten sie nicht die Machtfrage? Wegen dem Fehlen einer Führung. Oder genauer gesagt: Die Führung der anarchistischen CNT, der die Mehrheit der ArbeiterInnenklasse vertraute, hatte keinen Plan. Wer immer Illusionen in den Anarchismus hegt, der möge die Geschichte der Spanischen Revolution studieren.
Auf den ersten Blick erscheinen die Revolutionen in Tunesien und Ägypten als spontane Bewegungen ohne Organisation und ohne Führung. Doch diese Definition ist nicht wirklich exakt: Die Bewegung war nur zu einem gewissen Grade spontan. Einzelpersonen und kleinere Gruppen setzten Initiativen, gaben Losungen aus, riefen zu Demos und Streiks auf.
In diesem Zusammenhang wurde in den bürgerlichen Medien der Rolle von sozialen Netzwerken wie Facebook und Twitter sehr viel Aufmerksamkeit gewidmet. Kein Zweifel: Diese neuen Technologien haben sich als sehr nützlich für die Sache der Revolution erwiesen. Wie zuvor bereits im Iran, verlor der Staatsapparat dadurch in Ägypten und Tunesien das Informationsmonopol. Wer jedoch diesen technologischen Aspekt überbetont, der verzerrt die tatsächlichen Ereignisse, der relativiert die Rolle der breiten Massen und des Proletariats im Speziellen. Es ist der Versuch, die Revolution hauptsächlich als eine Angelegenheit der Mittelschichten, von Intellektuellen und Internet-AktivistInnen, darzustellen.
Dieser Ansatz ist grundlegend falsch. Erstens hat nur ein kleiner Teil der Bevölkerung überhaupt Zugang zum Internet. Zweitens haben die Regierungen das Internet fast vollständig lahmgelegt und die Handynetze gestört, in der Hoffnung, so die Proteste im Keim zu ersticken. Doch auch mit diesen Maßnahmen konnte die Bewegung nicht gestoppt werden. Ohne Internet und Handys, griffen die Menschen bei der Organisierung der Demonstrationen auf eine sehr alte Technik zurück – die mündliche Kommunikation. Diese war schon in der Französischen und der Russischen Revolution im Einsatz und leistet noch immer gute Dienste. Wenn überhaupt, spielte der Fernsehsender Al Jazeera eine weit wichtigere Rolle als Facebook. Millionen Menschen konnten Tag für Tag, Stunde für Stunde verfolgen, wie sich die Ereignisse entwickelten.
Von Anfang an gab es in gewisser Hinsicht eine Führung, die aus einer losen Koalition von etwas mehr als einem Dutzend kleinerer Parteien und AktivistInnengruppen bestand. Sie verbreiteten den Aufruf zu einem “Tag des Zorns”, der mit dem “Tag der Polizei” am 25. Januar zusammenfiel.
Sowohl in Tunesien als auch in Ägypten wurden die ersten Demonstrationen hauptsächlich von jungen Menschen ins Leben gerufen. Damit übernahmen sie die Rolle gerade jener Führung, welche die „offiziellen“ Oppositionsparteien nicht zu spielen wagten. „The Economist” charakterisierte sie als “lose zusammenhängende Gruppen von generell säkularen, aber sonst ideologisch nicht wirklich zuordenbaren Jugendlichen, die Reformen forderten und über das Internet operieren. Einige schlossen sich in Kampagnen für Arbeitsrechte zusammen, andere setzen sich für die Menschenrechte oder die Freiheit der Wissenschaft ein“.
Die ersten Protestaktionen wurden also von einer kleinen entschlossenen Minderheit durchgeführt und waren daher nicht wirklich „spontan“. Die Sympathie der Öffentlichkeit war von Anfang an auf Seiten der Proteste. Daraus entwickelte sich ein allgemeiner Aufstand gegen das Regime von Mubarak mit Massenprotesten in ganz Ägypten. Im Grunde genommen gab es also eine Führung, auch wenn diese keine sehr klaren Ideen und Vorstellungen hatte. Sowohl in Tunesien als auch in Ägypten wurden die OrganisatorInnen der Proteste von der Massenbeteiligung überrascht. Nie hätten sie sich erwartet, dass die Unterstützung für ihren Aufruf so groß sein würde. Und noch weniger hätten sie wohl gedacht, dass sie die Sondereinheiten der Polizei in die Flucht schlagen würden.
Es stimmt, dass der “spontane” Charakter der Revolution einen gewissen Schutz vor der staatlichen Repression darstellte, und in diesem Sinne war dies ein positives Element. Doch das Fehlen einer adäquaten Führung stellt in weiterer Folge eine ernsthafte Schwäche dar.
Die Tatsache, dass es gelang, sowohl Ben Ali als auch Mubarak auch ohne eine bewusste Führung zu stürzen, zeugt vom gewaltigen revolutionären Potential des Proletariats. Allerdings erschöpft diese Feststellung dieses Thema nicht: Die Schwächen einer rein spontanen Bewegungen sahen wir im Iran, wo die Revolution, bei allem Heldenmut, in einer Niederlage endete – zumindest vorerst.
Die häufig vorherrschende Einstellung “Wir brauchen keine Führung” entspricht nicht der Situation. Selbst bei einem halbstündigen Streik in einer Fabrik gibt es eine Führung. Man wird KollegInnen wählen, die die Belegschaft vertreten und den Streik organisieren. Diese KollegInnen werden nicht zufällig oder willkürlich ausgewählt, sondern sind im Normalfall die mutigsten und erfahrensten ArbeiterInnen.
Die Führung ist von großer Bedeutung, ebenso das Vorhandensein einer Partei. Diese Feststellung gehört zum ABC des Marxismus. Doch damit ist die Frage noch nicht erschöpft. Gewisse „MarxistInnen“ meinen, dass wir es erst dann mit einer Revolution zu tun hätten, wenn eine revolutionär-marxistische Partei an der Spitze des Proletariats stünde. Ein derartiger Schematismus hat nichts mit Marxismus gemein. Die Revolution wird sich nicht in geordneten Bahnen vollziehen, dirigiert von der revolutionären Partei.
Im Jahre 1917 meinte Lenin, dass die ArbeiterInnenklasse in einer Revolution immer weit revolutionärer sei als jede noch so revolutionäre Partei. Im April 1917 war er gezwungen sich direkt, über das Zentralkomitee der Bolschewiki hinweg, an die ArbeiterInnen zu wenden, weil seine eigene Partei eine völlig konservative Haltung zur Frage der proletarischen Revolution in Russland entwickelt hatte.
Dieselbe konservative Geisteshaltung, das selbe herablassende Misstrauen gegenüber den breiten Massen kann bei vielen beobachtet werden, die sich selbst als “Avantgarde” der Klasse sehen, jedoch in den entscheidenden Situationen eine Bremse für die Bewegung darstellen. Es reicht aus, an die alte sogenannte “Avantgarde” im Iran zu denken, die die Revolution von 1979 überlebt hatte, aber völlig abseits stand, als im Jahr 2009 Millionen von Menschen das Regime auf den Straßen offen herausforderten.
Sagt der Marxismus, dass eine Revolution ausgeschlossen ist, wenn keine revolutionäre Partei an der Spitze der ArbeiterInnenklasse steht? Nein. Eine Revolution verläuft nach ihren eigenen Gesetzen – unabhängig vom Willen der RevolutionärInnen. Eine Revolution beginnt, wenn alle objektiven Bedingungen gegeben sind. Die breiten Massen warten nicht, bis eine revolutionäre Partei aufgebaut ist. In revolutionären Situationen macht der Faktor Führung aber sehr wohl einen entscheidenden Unterschied, nicht selten entscheidet er zwischen Sieg und Niederlage.
Eine Revolution ist ein Kampf lebendiger Kräfte. Ein siegreicher Ausgang ist natürlich nicht von vornherein garantiert. In der Tat drohte die Ägyptische Revolution an einem bestimmten Punkt in einer Niederlage zu enden. Die Entscheidung auf dem Tahrir-Platz zu bleiben, war taktisch alles andere als die beste Wahl. Darin drückte sich die politische Begrenztheit der OrganisatorInnen aus. Mubarak wäre es fast gelungen, die Bewegung auszumanövrieren, indem er einige Teile der Bewegung einzukaufen versuchte und andererseits lumpenproletarische Schläger mobilisierte. Diese Taktik hätte durchaus aufgehen können. Nur das entschlossene Auftreten der Massen und speziell der ArbeiterInnenklasse machte Mubarak einen Strich durch die Rechnung.
Das Problem der Führung
Zu Beginn einer Revolution verfügen die Massen nie über einen klaren Plan. Sie lernen erst durch die konkreten Erfahrungen im Kampf. Obwohl sie nicht genau wissen, was sie wollen, wissen sie sehr gut, was sie nicht mehr wollen. Und das ist zunächst ausreichend, um die Bewegung voranzutreiben.
Führung ist ein wichtiger Faktor in jedem Krieg. Das heißt natürlich nicht, sie wäre der einzige Faktor. Selbst die großartigsten politischen FührerInnen können den Erfolg einer Bewegung nicht garantieren, wenn die objektiven Bedingungen nicht gegeben sind. Manchmal ist es sogar möglich, mit schlechten GenerälInnen eine Schlacht zu gewinnen. Eine Revolution ist in gewissem Maße der höchste Ausdruck des Kriegs zwischen den Klassen. Die ArbeiterInnenklasse verfügt über den Vorteil, dass sie zahlenmäßig weit überlegen ist und dass sie die Kontrolle über zentrale Bereiche des gesellschaftlichen Produktionsapparats inne hat.
Doch die herrschende Klasse verfügt über viele andere Vorteile: Mit dem Staatsapparat verfügt sie über ein Mittel zur Aufrechterhaltung der Diktatur einer Minderheit von Ausbeutern über die Mehrheit der Gesellschaft. Zusätzlich verfügt sie über Presse, Radio und TV, Schulen und Universitäten, die staatliche Bürokratie und, nicht zu vergessen, die spirituelle Bürokratie und die Gedankenpolizei in den Moscheen und Kirchen. Ferner hat sie eine Heerschar von BeraterInnen, ÖkonomInnen und anderen „ExpertInnen“ auf dem Gebiet der Manipulation und Täuschung.
Um den über Jahrzehnte aufgebauten und perfektionierten Unterdrückungsapparat bekämpfen zu können, muss die ArbeiterInnenklasse ihre eigenen Organisationen entwickeln und eine erfahrene, entschlossene Führung herausbilden, welche die Lehren der Geschichte verarbeitet hat und auf alle Eventualitäten vorbereitet ist. Die herrschende Klasse und den bürgerlichen Staat ohne Organisation und Führung besiegen zu wollen, wäre wie der Versuch, eine Armee unausgebildeter und unvorbereiteter SoldatInnen gegen eine Berufsarmee in die Schlacht zu schicken.
In den meisten Fällen wird ein solcher Kampf in einer Niederlage enden. Doch selbst wenn es gelingen sollte, den Feind in einem ersten Aufeinanderprallen zu überrumpeln, dann wird das nicht ausreichen, um die Revolution gänzlich zum Sieg zu führen. Der Gegner wird sich neu sammeln, reorganisieren, seine Taktik ändern und eine Gegenoffensive vorbereiten, die umso gefährlicher sein wird, weil die Massen in dem Glauben sind, den Kampf bereits gewonnen zu haben. Was anfänglich als Moment des Triumphes und der Freude erscheint, kann sich schnell als extreme Gefahr für das Schicksal der Revolution entpuppen. Das Fehlen einer adäquaten Führung wird sich in solch einem Fall als Achillesferse, als fatale Schwäche der revolutionären Bewegung herausstellen.
Die Führung der Protestbewegung in Ägypten umfasste verschiedene ideologische Strömungen. Letztlich spiegeln diese Strömungen unterschiedliche Klasseninteressen wider. Zu Beginn der Revolution wird diese Tatsache durch das allgemeine Gefühl der „Einheit“ übertüncht. Doch im weiteren Verlauf kommt es unvermeidlich zu einem Prozess der inneren Differenzierung. Die bürgerlichen Elemente und die „DemokratInnen“ aus der Mittelschicht werden rasch die ersten Zugeständnisse des Regimes annehmen wollen. Sie werden Kompromisse suchen und hinter dem Rücken der Bewegung in Verhandlungen treten. Früher oder später werden sie der Revolution den Rücken kehren und ins Lager der Reaktion wechseln. Teilweise sehen wir dies bereits jetzt.
Es sind nur die entschlossensten Teile der Bewegung, die letztlich den Sieg der Revolution sicherstellen können: Jene, die nicht bereit sind, Kompromisse einzugehen, sondern den Kampf bis zum Letzten führen wollen. In der gegenwärtigen Situation sind neuerliche Explosionen angelegt. Schlussendlich muss die eine oder die andere Seite triumphieren. Objektiv sind die Bedingungen reif für eine Machtübernahme durch die ArbeiterInnenklasse. Nur das Fehlen eines subjektiven Faktors – einer revolutionären Partei und Führung – hat bisweilen nicht zu einem solchen Szenario geführt. Die Lösung des Problems der Führung ist daher die zentrale Aufgabe, vor der wir stehen.
Intrigen an der Spitze
Es war der landesweite Aufstand, der die Generäle zu dem Schluss kommen ließ, dass Mubaraks Abgang die einzige Möglichkeit sei, um die Straße wieder zu beruhigen und die „Ordnung“ wieder herzustellen. Das war und ist ihr vorrangiges Anliegen. Das ganze Gerede von „Demokratie“ sollte davon nur ablenken. Korrupt und skrupellos, waren die Generäle Teil des alten Regimes. Sie fürchten die Revolution wie die Pest und wollen schnellstmöglich wieder zur “Normalität” zurückkehren – sie wollen ein Zurück zum alten Regime unter einem neuen Namen.
Die herrschende Klasse verfügt über eine Vielzahl von Strategien, um die Revolution in die Knie zu zwingen. Wenn ihr das mit den Mitteln der Gewalt nicht gelingt, wird sie einen anderen Weg wählen. Wenn die herrschende Klasse vor der Perspektive steht, alles zu verlieren, dann wird sie immer Zugeständnisse machen. Der Sturz Ben Alis und Mubaraks stellte einen großen Sieg dar, doch das war nur der erste Akt in diesem revolutionären Drama.
Die VertreterInnen des alten Regimes halten noch immer ihre Machtposition; der alte Staatsapparat, die Armee, die Polizei und die Bürokratie sind allesamt intakt. Gleichzeitig stehen die Armeespitzen in engstem Kontakt mit dem Imperialismus und suchen nach einem Weg, die Revolution zu erwürgen. Sie bieten „Kompromisse“ an – Kompromisse, bei denen sie ihre Macht und ihre Privilegien behalten können.
Auf der Straße in die Knie gezwungen, versucht nun das alte Regime die Opposition durch Verhandlungsangebote einzubinden. Die Idee hinter dieser Initiative ist nicht schwer zu durchschauen: Sobald es Verhandlungen mit einem kleinen, erlauchten Kreis gibt, werden die breiten Massen zu passiven BeobachterInnen degradiert. Die wirklichen Entscheidungen sollen andernorts getroffen werden, hinter verschlossenen Türen, hinter dem Rücken der Bewegung.
Langsam aber sicher haben sich die VertreterInnen des alten Regimes wieder erholt und gewinnen an Selbstvertrauen. In ihren Manövern und Intrigen stützen sie sich auf die gemäßigten Teile der Opposition. Die breiten Massen sehen diese Entwicklung mit Argwohn, denn sie wollen nicht, dass die Bewegung von BerufspolitikerInnen und KarrieristInnen für deren eigene Interessen ausgenutzt wird.
Wenn sich die Bewegung radikalisiert, werden einige, die in der ersten Phase eine führende Rolle eingenommen haben, wieder zurückfallen. Andere werden überhaupt die Bewegung verlassen; wieder andere werden ins Lager des Gegners wechseln. Das hängt mit den unterschiedlichen Klasseninteressen der einzelnen Teile der Bewegung zusammen. Die Armen, die Arbeitslosen, die ArbeiterInnen, die Besitzlosen haben kein Interesse an einer Fortführung der alten Ordnung. Sie wollen nicht nur Mubarak hinwegfegen, sondern das gesamte Regime, das auf Unterdrückung, Ausbeutung und Ungleichheit basiert. Die bürgerlichen Liberalen hingegen sehen den Kampf für „Demokratie“ als einen Weg zu einer komfortablen Karriere im Parlament. Sie haben kein Interesse, die Revolution weiterzutreiben, geschweige denn die bestehenden Eigentumsverhältnisse anzugreifen.
Für sie ist die Massenbewegung nicht viel mehr als ein willkommenes Druckmittel bei den Verhandlungen mit dem Regime. Wir können uns sicher sein, dass sie die Revolution verraten werden. El Baradei sagt jetzt, dass er die vorgeschlagenen Abänderungen zur Verfassung ablehnt, doch anstatt die sofortige Einberufung einer Verfassungsgebenden Versammlung zu fordern, meint er, die Wahlen sollten nach hinten verschoben werden, weil die Voraussetzungen für freie Wahlen noch nicht gegeben seien. Für diese Damen und Herren wird es nie einen richtigen Zeitpunkt für die Demokratie geben. Für die Massen, die für die Revolution große Opfer gebracht und ihr Blut vergossen haben, ist der Zeitpunkt für Demokratie aber jetzt gekommen!
Deshalb:
* Kein Vertrauen in die Generäle!
* Kein Vertrauen in die selbsternannten “FührerInnen”, die eine Rückkehr zur Normalität herbeireden wollen!
* Die Massenbewegung muss fortgeführt werden!
* Organisieren und stärken wir die revolutionären Komitees!
* Weg mit allen UnterstützerInnen des alten Regimes!
* Keine Deals mit dem alten Regime!
* Die gegenwärtige “Interimsregierung” verfügt über keine Legitimität und muss sofort aufgelöst werden – Fordern wir die umgehende Einberufung einer Verfassungsgebenden Versammlung!
Die Muslimbruderschaft
Beginnend mit Irans religiösem Führer Khamenei wurde mehrfach die Behauptung aufgestellt, diese revolutionäre Bewegung stehe für ein „Wiedererwachen des Islam“. Doch diese Aussage entbehrt jeder Realität. Selbst die wichtigsten Kleriker in Ägypten geben dies zu. Wir haben hier eine Bewegung gesehen, die von AnhängerInnen aller Religionen getragen wurde. Während der Demonstrationen gab es keine Übergriffe gegen die christliche Minderheit, und es gab keine Anzeichen von Antisemitismus.
Religiöses Sektierertum ist eine Waffe der Reaktion, um die Bewegung zu spalten. Die gewaltsamen Übergriffe gegen die koptisch-christliche Gemeinde im vergangenen Dezember waren ganz klar das Machwerk der Geheimpolizei, um von den tatsächlichen Problemen im Land abzulenken. Jetzt versuchen die Kräfte des alten Regimes, neuerlich auf diese schmutzige Taktik zu setzen. Die Revolten in Tunesien und Ägypten waren weitgehend säkulare und demokratische Bewegungen, in denen islamistische Kräfte kaum eine Rolle spielten. Die Behauptung, die Muslimbruderschaft sei „die einzig wirkliche Opposition“ ist von Grund auf falsch. Die zentralen Forderungen der Demonstrationen in Ägypten waren Arbeit, Brot und Demokratie. Sie stellen eine Brücke zu einer sozialistischen Umwälzung der Gesellschaft dar. Und wir sollten nicht vergessen, dass gerade die Idee des Sozialismus in Ägypten und anderen arabischen Ländern über eine starke Tradition verfügt.
Es gibt Teile der Linken, welche die Bewegungen in Tunesien und Ägypten als “Revolution der Mittelschichten” beschreiben. Es sind die selben Gruppen, die lange Zeit mit reaktionären Gruppen wie der Hisbollah, der Hamas oder der Muslimbruderschaft geflirtet haben. Sie argumentieren dieses Abrücken von marxistischen Positionen mit dem angeblichen “Anti-Imperialismus” dieser islamistischen Organisationen. Sie vergessen dabei, dass die sogenannten IslamistInnen in Worten vielleicht gegen den Imperialismus auftreten, in der konkreten Praxis aber eine völlig reaktionäre Strömung darstellen.
Der Imperialismus präsentiert die islamistischen Kräfte als große Bedrohung, um den wahren Charakter der Arabischen Revolution zu verschleiern. Die Masche lautete: „Wenn Mubarak geht, dann werden die Muslimbrüder die Macht übernehmen.“ Mubarak selbst warnte die ägyptische Bevölkerung ebenfalls vor einem Zustand „wie im Irak“. Doch war dies alles bloße Angstmache. Die Rolle des islamischen Fundamentalismus und von Organisationen wie der Muslimbruderschaft wurde maßlos übertrieben. Was auf alle Fälle klar ist: Diese Kräfte stellen nichts Fortschrittliches dar. Sie geben sich selbst anti-imperialistisch, stehen aber in Wirklichkeit auf der Seite der GroßgrundbesitzerInnen und KapitalistInnen. Letztlich werden sie immer die Sache der ArbeiterInnen und BäuerInnen verraten.
Die Unterstützung von linken Gruppen in Europa für islamistische Kräfte ist ein ausgesprochener Skandal und kommt einem Verrat an der proletarischen Revolution gleich. Es stimmt zwar, dass die Muslimbruderschaft entlang von Klassenlinien gespalten ist. Die Führung besteht großteils aus konservativen Elementen und reichen Geschäftsleuten, während die Basis zumeist ärmeren Gesellschaftsschichten entstammt und auch kämpferische Teile der Jugend umfasst. Das Ziel muss es sein, diese Basis für die Revolution zu gewinnen. Dies wird aber nicht in Form von Bündnissen mit den bürgerlichen Führern funktionieren, sondern indem wir die Politik dieser Organisationen einer schonungslosen Kritik unterziehen und den wahren Charakter offenlegen, der sich hinter den anti-imperialistischen Floskeln verbirgt.
Das ist aber das genaue Gegenteil von dem, was viele Linke machten, als sie vor einigen Jahren ein Bündnis mit der Führung der Muslimbruderschaft bei der Organisierung der Anti-Kriegskonferenz in Kairo eingingen. Im Grunde haben diese Gruppen der Führung der Muslimbrüder linken Flankenschutz geboten und ihr die Möglichkeit gegeben, sich als anti-imperialistische Kraft zu präsentieren. So half man bloß der Führung, sich vor der eigenen Basis zu profilieren.
In der Vergangenheit wurde die Muslimbruderschaft von der CIA unterstützt, um das linksgerichtete, nationalistische Regime von Nasser zu untergraben. Der islamische Fundamentalismus war ein Produkt von US-Außenminister John Foster Dulles, um die Linke nach der Suezkrise zu schwächen. Erst als der ägyptische Präsident Sadat zur offenen Marionetten der USA wurde (Mubarak sollte später seine Rolle übernehmen), wurden die Muslimbrüder nicht mehr gebraucht. Aus dem gleichen Grund waren die Hamas und die Hisbollah ursprünglich aufgebaut worden, um in Palästina den Einfluss der PFLP und anderer linker Strömungen zurückzudrängen. Später schuf die CIA mit Osama bin Laden und seinen GotteskriegerInnen ein Gegengewicht zu den Sowjets in Afghanistan. Hillary Clinton und andere haben jüngst versucht, die Muslimbruderschaft nicht als Bedrohung, sondern als konstruktive Kraft darzustellen. Das ist ein eindeutiges Zeichen, dass der Imperialismus früher oder später wieder auf diese Kraft setzen wird, um die Revolution zu besiegen.
Aber die Muslimbruderschaft ist keine homogene Bewegung – sie ist gerade dabei, sich entlang von Klassenlinien zu spalten. Die Armen, welche die Bruderschaft unterstützen, sind die eine Sache, ihre Führer eine andere. In den 1980ern gehörten die Führer der Bruderschaft zu den wichtigsten Nutznießern der wirtschaftlichen Liberalisierung – dem Programm der infitah oder “Öffnung” – als Sadat und später Mubarak den Staatssektor zurückdrängten und Privatkapital begünstigten. Durch diese Politik kontrollierten der Bruderschaft nahestehende Geschäftsleute rund 40 Prozent der ägyptischen Privatwirtschaft. Mubarak verkaufte staatliche Unternehmen an das Privatkapital. Die Muslimbruderschaft ist heute fester Bestandteil des kapitalistischen Systems und hat jedes Interesse, dieses aufrechtzuerhalten. Ihre Haltung wird nicht durch den Koran bestimmt, sondern von handfesten Klasseninteressen.
Die HardlinerInnen unter den Islamisten fürchten sich vor einer revolutionären Massenbewegung genauso sehr wie das Regime selbst. Die Muslimbrüder erklärten, sie wären zu keinen Verhandlungen mit der Regierung bereit, solange Mubarak nicht zurückgetreten wäre. Doch sobald das Regime den kleinen Finger rührte, hatten sie diese Aussage wieder vergessen. Einer ihrer Führer trat auf dem Tahrir-Platz auf, wo die DemonstrantInnen unter Einsatz ihres Lebens die Panzer davon abhielten, den Platz zu besetzen, und warnte davor, die Armee herauszufordern.
Unsere Haltung gegenüber solchen Leuten wurde vor langer Zeit von Lenin auf dem Zweiten Weltkongress der Kommunistischen Internationale ausgearbeitet:
“11) In bezug auf die Staaten und Nationen, die einen mehr zurückgebliebenen, vorwiegend feudalen oder patriarchalischen oder patriarchalisch-bäuerlichen Charakter tragen, muss man insbesondere folgende Punkte im Auge behalten:
a) Alle kommunistischen Parteien müssen die revolutionären Freiheitsbewegungen in diesen Ländern durch die Tat unterstützen. Die Form der Unterstützung muss mit der kommunistischen Partei des betreffenden Landes erörtert werden, wenn es eine solche Partei gibt. In erster Linie trifft diese Verpflichtung der tatkräftigen Hilfe die Arbeiter desjenigen Landes, von dem die zurückgebliebene Nation in kolonialer oder finanzieller Hinsicht abhängt.
b) Unbedingt ist der Kampf gegen den reaktionären und mittelalterlichen Einfluss der Geistlichkeit, der christlichen Missionen und ähnlicher Elemente zu führen.
c) Notwendig ist der Kampf gegen den Panislamismus und ähnliche Strömungen, die den Versuch machen, den Freiheitskampf gegen den europäischen und amerikanischen Imperialismus mit der Stärkung der Macht des Adels, der Großgrundbesitzer, der Geistlichen usw. zu verbinden.“ (Leitsätze über die Nationalitäten- und Kolonialfrage, angenommen auf dem II. Kongress der Kommunistischen Internationale, aus: Der I. und II. Kongress der Kommunistischen Internationale, Dietz-Verlag, 1959, S.174)
Das ist die Position des Marxismus gegenüber allen reaktionären religiösen Strömungen. Das ist die Position, die die Internationale Marxistische Strömung konsequent verteidigt.
Deshalb:
* Verteidigen wir die Einheit der revolutionären Bewegung!
* Nieder mit den Hasspredigern und den Drahtziehern hinter den Pogromen!
* Gegen jede Form der religiösen Diskriminierung!
* Keine Kompromisse mit reaktionären und obskurantistischen Kräften!
* Alle Menschen müssen das Recht haben, frei ihre Religion zu praktizieren oder ohne Bekenntnis zu sein!
* Für die völlige Trennung von Staat und Religion!
Demokratische Forderungen
Vordergründig verfolgt die Ägyptische Revolution demokratische Ziele – wie könnte es nach 30 Jahren blutiger Diktatur auch anders sein. Die Jugend sehnt sich nach Freiheit. Natürlich kann dieses Verlangen nach Demokratie von den bürgerlichen PolitikerInnen missbraucht werden, die nach einer Karriere in einem „demokratischen” Parlament streben. Wir sind jedoch verpflichtet, den Kampf für demokratische Forderungen voll und ganz zu unterstützen, und wir müssen diesen Forderungen einen revolutionären Inhalt geben.
Im Zuge eines Streiks oder einer Revolution entdecken die Menschen ihre Würde, sie erkennen ihre Rechte. Nach einem Leben der Friedhofsruhe finden sie ihre Stimme wieder. Die Interviews von Menschen auf den Straßen Kairos haben es deutlich zum Ausdruck gebracht: Arme, des Lesens nicht mächtige Personen erklärten, dass sie mit diesen Demonstrationen ihre Rechte einfordern und mit Respekt behandelt werden möchten. Diese Aufbruchsstimmung ist fixer Bestandteil einer jeden Revolution.
MarxistInnen ordnen demokratische Forderungen zwar der Perspektive einer sozialistischen Revolution unter, doch in der Praxis führen die fortgeschrittensten revolutionär-demokratischen Forderungen notwendigerweise zu dem Punkt, an dem die Machtfrage und die Frage einer sozialistischen Umwälzung gestellt werden. Die Russische Revolution ist das beste Beispiel: Im Jahre 1917 eroberten die Bolschewiki die Macht mit der Losung „Frieden, Brot und Land“ – einer Losung ohne klar sozialistischen Inhalt. Theoretisch können alle drei Forderungen unter kapitalistischen Bedingungen erfüllt werden. In der Praxis war dies jedoch nur durch einen Bruch mit der Bourgeoisie und die Machtübernahme durch die ArbeiterInnenklasse möglich.
Einige in der Linken vertreten die Meinung, es handle sich in Tunesien und Ägypten lediglich um bürgerlich-nationalistische Bewegungen, nicht aber um Revolutionen im eigentlichen Sinn. Das zeugt von völligem Unverständnis der Bedeutung demokratischer Forderungen unter den heutigen Bedingungen. Die Erfahrung der Russischen Revolution selbst zeigt die Wichtigkeit einer korrekten, d.h. revolutionären Verwendung demokratischer Losungen. Die Forderung nach einer Verfassungsgebenden Versammlung spielte auch damals eine sehr wichtige Rolle in der Mobilisierung breitester Bevölkerungsschichten für die Sache der Revolution.
Zwar kämpfen MarxistInnen für die fortgeschrittensten demokratischen Forderungen, aber sie sehen sie nicht als Selbstzweck sondern als Mittel im Kampf für eine grundlegende Umwälzung der Gesellschaft. Das unterscheidet die marxistische Herangehensweise an diese Frage von jener der kleinbürgerlichen DemokratInnen.
Die unmittelbare Aufgabe der Ägyptischen Revolution lag im Sturz von Mubarak und seinem Regime. Doch das konnte nur der erste Schritt sein: Die Bewegung öffnete die Schleusen, das revolutionäre Volk betrat die Bühne der Geschichte. Tag für Tag entdeckten sie auf den Straßen ihre eigene Stärke, die Notwendigkeit sich zu organisieren und die Bedeutung von Massenmobilisierungen. Das ist für sich genommen schon eine gewaltige Errungenschaft. Nach 30 Jahren der Diktatur werden sie nicht ohne Weiteres eine Neuauflage des alten Regimes zulassen. Die Entwicklung in Tunesien ist ein ausreichender Beweis dafür.
Die Massen haben ein Gefühl für ihre eigene Stärke entwickelt und werden sich daher nicht so leicht mit halbherzigen Maßnahmen abspeisen lassen. Sie wissen, dass sie die bisherigen Errungenschaften der Revolution mit ihren eigenen Händen erkämpft haben. Der Kampf für vollständige, konsequente Demokratie wird den Weg zum Aufbau von Gewerkschaften und von ArbeiterInnenparteien freimachen. Dadurch wird auch die Frage der Demokratie in der Wirtschaft und des Kampfes gegen soziale Ungleichheit auf die Tagesordnung gesetzt.
Losungen und Taktiken müssen in einer derartigen Situation konkret sein; sie müssen die reale Lage und die tatsächlichen Sorgen der breiten Massen widerspiegeln. Die objektiven Aufgaben der Russischen Revolution waren ebenfalls demokratische und nationale: Sturz des Zaren, formale Demokratie, Befreiung aus dem Abhängigkeitsverhältnis vom Imperialismus, Pressefreiheit. In Ländern wie Ägypten und Tunesien fordern wir heute ebenfalls demokratische Rechte, die sofortige Beseitigung aller reaktionären Gesetze und eine Verfassungsgebende Versammlung.
Wir müssen das alte Regime stürzen – nicht nur Ben Ali und Mubarak, sondern auch all die “kleinen Mubaraks”, die “kleinen Ben Alis”. Der gesamte Staat muss gründlich gesäubert werden. Niemand, der im alten Regime eine Rolle gespielt hat, soll in einer künftigen Regierung – auch nicht einer Übergangsregierung – vertreten sein. Warum sollte das revolutionäre Volk, das so viele Opfer gebracht hat, denen die Macht überlassen, die in der Revolution keine Rolle gespielt haben? Mit einem großen Besen müssen die Köpfe des alten Regimes weggefegt werden. Das muss unsere erste Forderung sein.
Doch das allein ist nicht ausreichend. Über Jahrzehnte haben sich diese Damen und Herren schamlos bereichert. Sie lebten in obszönem Luxus, während die Menschen zu einem Leben in Armut verdammt waren. Wir fordern deshalb die sofortige Konfiszierung des Vermögens und Eigentums dieser Leute sowie die Enteignung des Vermögens der internationalen Konzerne, mit denen sie unter einem Hut steckten und denen die alten Regime durch ihre Liberalisierungspolitik Tür und Tor öffneten.
Das ist die Brücke, die direkt von einem revolutionär-demokratischen zu einem sozialistischen Programm führt. Wer nicht imstande ist, demokratische Forderungen auf revolutionäre Art und Weise einzusetzen, der wird in einer solchen Situation zum ohnmächtigen Zuschauer degradiert. Er wird niemals dazu imstande sein, in einer Massenbewegung eine Rolle zu spielen.
Das Wort “Demokratie” hat nicht für jedermann dieselbe Bedeutung. Die Armen verbinden damit eine Lösung ihrer dringlichsten Probleme: Arbeitslosigkeit, Wohnungsnot, hohe Lebensmittelpreise. Diese wirtschaftlichen und sozialen Probleme sind so gravierend, dass keine bürgerliche Regierung sie zu lösen imstande ist.
Wer nicht bereit ist, Hand an den obszönen Reichtum der herrschenden Elite zu legen, der reduziert den Begriff “Demokratie” auf eine hohle Phrase. Den Kampf um Demokratie konsequent zu Ende führen zu wollen, heißt die Eigentumsfrage zu stellen und die Errichtung einer Arbeiter- und Bauernregierung als unmittelbares Ziel zu formulieren.
Deshalb:
* Für die sofortige Abschaffung aller reaktionären Gesetze!
* Für das Recht sich zu versammeln, sich zu organisieren und zu streiken!
* Für eine revolutionäre Verfassungsgebende Versammlung!
* Für die Konfiszierung des vom alten Regime gestohlenen Geldes!
* Für die Enteignung des Eigentums der internationalen Konzerne!
Die Forderung nach einer Verfassungsgebenden Versammlung
Gäbe es in Ägypten eine revolutionäre Partei ähnlich den Bolschewiki, sie würde die Machtfrage stellen. Doch mangels einer Führung mit einem klaren Plan, kann die Revolution durch eine Reihe sehr unterschiedlicher Stadien gehen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist die revolutionäre Welle noch nicht verebbt. Doch die Massen können nicht in einem Zustand der permanenten Mobilisierung verharren. Sie müssen ihren Lebensunterhalt verdienen. Dadurch wird die revolutionäre Lava zwangsläufig abkühlen. Die Revolution wird daher höchstwahrscheinlich durch eine Phase der bürgerlichen Demokratie gehen.
In einer Situation wie in Ägypten unter Mubarak sind demokratische Losungen von ganz besonderer Bedeutung und können zu einem machtvollen Hebel für die Mobilisierung breiter Bevölkerungsschichten werden. Wir müssen für ein Maximum an demokratischen Rechten kämpfen, weil dies die Bedingungen für den Klassenkampf begünstigt. Es macht einen großen Unterschied, ob die ArbeiterInnen unter einem totalitären Regime leben müssen, oder ob sie zumindest grundlegende Rechte haben. Demokratische Forderungen müssen daher in unserem Programm eine zentrale Rolle einnehmen. Dazu gehört auch die Forderung nach einer revolutionären Verfassungsgebenden Versammlung.
Wie kommt es dann, dass wir im Fall von Argentinien und Bolivien die Forderung nach einer Verfassungsgebenden Versammlung abgelehnt haben? Die Erklärung ist recht einfach: Politische Losungen existieren nicht außerhalb von Zeit und Raum, sondern müssen sich aus den konkreten Bedingungen des Klassenkampfes in dem gegebenen Entwicklungsstadium eines Landes ableiten.
In Bolivien, während der revolutionären Aufstände vom Oktober 2003 und Mai–Juni 2005, war die Losung einer Verfassungsgebenden Versammlung konterrevolutionär. Warum? Damals hatten die bolivianischen ArbeiterInnen zwei Generalstreiks und zwei Aufstände hinter sich; räteähnliche Strukturen in Form der Nachbarschaftskomitees, der Volksversammlungen und der cabildos abiertos hatten sich gebildet.
Die bolivianischen ArbeiterInnen hätten in dieser Situation leicht die Macht erobern können. Es hätte ausgereicht, wenn sich die Führung des Gewerkschaftsdachverbandes COB zur neuen Regierung ernannt hätte. Unter diesen konkreten Bedingungen lenkte die Forderung nach einer Verfassungsgebenden Versammlung die Aufmerksamkeit der ArbeiterInnen nur ab: von der zentralen Aufgabe der Machteroberung in die ungefährlichen Kanäle des Parlamentarismus.
Der konterrevolutionäre Charakter dieser Losung zeigt sich nicht zuletzt daran, dass das von der Weltbank und den USA finanzierte Office for Transition Initiatives ebenfalls auf die Einberufung einer Verfassungsgebenden Versammlung drängte. Und dann wäre da noch das kleine Detail, dass Bolivien bereits eine bürgerliche Demokratie war.
Im Fall von Argentinien wurde diese Losung im Argentinazo, dem Aufstand im Dezember 2001, von mehreren linken Gruppen ausgegeben. Vor dem Hintergrund einer bereits existierenden bürgerlichen Demokratie war der Ruf nach einer Verfassungsgebenden Versammlung geichbedeutend mit der Aussage: “Wir wollen das bürgerliche Parlament, das wir haben, nicht. Stattdessen wollen wir ein anderes bürgerliches Parlament.”
Der Unterschied zur heutigen Situation in Tunesien und Ägypten liegt auf der Hand. Nach Jahrzehnten der Diktatur gibt es große Illusionen in die bürgerliche Demokratie. Dies gilt nicht nur für das Kleinbürgertum, sondern auch für die ArbeiterInnenklasse. Das ist einmal der Ausgangspunkt für alle weiteren Überlegungen. Wir sind natürlich für Demokratie, aber es muss eine Demokratie sein, die ihren Namen verdient. Es braucht eine neue Verfassung, und deshalb auch eine Verfassungsgebende Versammlung. Doch es wäre falsch, der Armee die Abhaltung der Wahlen zu einer solchen Versammlung zu überlassen. Deshalb muss der Kampf auf der Straße weitergehen.
Natürlich dürfen MarxistInnen keine mechanische Herangehensweise an demokratische Losungen haben. Der Kampf um Demokratie ist unter allen Bedingungen den allgemeinen Interessen der sozialistischen Revolution untergeordnet. Die formale Demokratie stellt aus unserer Sicht keinen Wert an sich dar, und im Zuge der Revolution werden die Grenzen der bürgerlichen Demokratie sehr deutlich zum Vorschein kommen. Durch ihre eigene Erfahrung werden die ArbeiterInnen verstehen, dass sie selbst die Macht übernehmen müssen. Das setzt aber einen ernsthaften Kampf um die fortgeschrittensten demokratischen Losungen voraus.
Nach Jahrzehnten der autoritären Herrschaft können wir gegenüber der Frage der Verfassung nicht gleichgültig sein. Die Vorgangsweise des obersten Armeerats, dass einige von oben ernannte “Experten” Abänderungsanträge zur alten Verfassung ausarbeiten, welche dann einem Referendum unterzogen werden, lehnen wir als undemokratisch ab. Mubaraks Verfassung kann nicht einfach nur in einigen Punkten abgeändert werden, sondern muss zur Gänze entsorgt werden. Jetzt muss eine demokratische, revolutionäre Verfassungsgebende Versammlung einberufen werden, die eine völlig neue Verfassung diskutiert. Die reaktionäre Rolle der Generäle zeigte sich nicht zuletzt, als die Armee die Proteste auf dem Tahrir-Platz gewaltsam auflöste.
Die revolutionäre Bewegung darf es nicht zulassen, dass dieselben Generäle, die Mubarak bis zur letzten Minute unterstützt hatten, weiterhin die Macht im Staat inne haben. Die ArbeiterInnen dürfen der Armeespitze und den “Verfassungsexperten”, die von den Generälen ernannt wurden, kein Vertrauen schenken. An einer Verfassungsgebenden Versammlung darf in der Situation kein Weg vorbeiführen. Doch es bleibt die Frage, wer eine solche Versammlung einberufen soll. Diese Aufgabe darf nicht der Armee überlassen werden, sondern muss von der revolutionären Bewegung, die weiterhin in den Fabriken, Universitäten, auf der Straße für den Kampf für Demokratie mobilisieren muss, übernommen werden.
Die Situation in Ägypten, Tunesien, aber auch dem Iran, ist nicht zu vergleichen mit jener im Bolivien der Jahre 2003 und 2005 oder im Argentinien von 2001. Vielmehr ähnelt sie der Lage im Russland der Jahre 1905 und 1917. Ausgehend von den fortgeschrittensten demokratischen Losungen müssen wir die zentrale Frage der Arbeitermacht stellen. Wir MarxistInnen werden folgendermaßen gegenüber den ArbeiterInnen und der Jugend auftreten: “Ihr wollt Demokratie? Wir auch. Aber vertrauen wir nicht den Generälen oder ElBaradei – kämpfen wir gemeinsam für echte Demokratie!“
Teile der ägyptischen ArbeiterInnenklasse selbst sind bereits zu diesen Schlussfolgerungen gekommen. Das im Zuge der Proteste gegen Mubarak ausgearbeitete Forderungspaket der Eisen- und Stahlarbeiter von Helwan ist das beste Beispiel dafür:
„1. Sofortiger Rücktritt von Mubarak und allen anderen Köpfen des Regimes.
2. Enteignung des Vermögens und des Eigentums des Regimes und all jener, die sich als korrupt erwiesen haben.
3. Sofortiger Austritt aller Arbeiter aus den Gewerkschaften, die vom Regime kontrolliert werden. Für die Gründung unabhängiger Gewerkschaften und Vorbereitung eines Kongresses zur Wahl einer neuen Gewerkschaftsvertretung.
4. Übernahme aller Unternehmen des öffentlichen Sektors, die verkauft oder geschlossen wurden, und Verstaatlichung derselben im Interesse der Bevölkerung. Diese Betriebe sollen eine neue Verwaltung unter Miteinbeziehung der Arbeiter und des technischen Personals erhalten.
5. Bildung von Komitees in allen Betrieben zur Kontrolle der Produktion, der Güterverteilung, der Preise und Löhne.
6. Für die Abhaltung einer Verfassungsgebenden Versammlung und die Wahl von Volksräten, ohne die Verhandlungen mit dem ehemaligen Regime abzuwarten.“
Diese Forderungen sind absolut korrekt. Sie zeugen von einem hohen revolutionären Bewusstsein und decken sich vollständig mit dem Programm, das wir MarxistInnen in dieser Situation entwickelt haben. Das ist das Programm, das den objektiven Anforderungen der Ägyptischen Revolution entspricht.
Gewerkschaften
Die Revolution wirft die Frage der Organisierung auf. Gewerkschaften waren immer die grundlegendste Organisationsform der ArbeiterInnen. Ohne Organisation wird die ArbeiterInnenklasse immer nur Rohmaterial des kapitalistischen Ausbeutungsprozesses sein. Der Aufbau und die Stärkung der Gewerkschaften haben daher oberste Priorität.
In Ägypten und Tunesien standen die Gewerkschaften in einem engen Naheverhältnis zum alten Regime und waren stark mit dem Staat verflochten. Die korrupten GewerkschaftsführerInnen waren in der Regel Mitglieder der Regierungspartei. Ihre Rolle war die einer Polizei in den Reihen der ArbeiterInnenbewegung. Die Basis dieser Gewerkschaftsverbände setzte sich aber trotzdem hauptsächlich aus ganz gewöhnlichen ArbeiterInnen zusammen, die ehrlich für ihre Interessen eintreten wollten.
Selbst in bürgerlichen Demokratien gibt es eine naturwüchsige Tendenz zur Einbindung der Gewerkschaftsspitzen in den Staatsapparat. Doch die Geschichte zeigt, dass sich selbst die korruptesten und bürokratischsten Gewerkschaften zu bewegen beginnen und sogar ihren Charakter ändern können, sobald die Klasse zu kämpfen beginnt. Die alte Führung muss dann unter dem Druck der ArbeiterInnen einen Kurswechsel vornehmen oder sie wird zur Seite geschoben und durch eine neue, kämpferischere Führung ersetzt.
In Tunesien war die Führung der UGTT durch ihre Unterstützung für das Regime von Ben Ali kompromittiert. Nach der Flucht von Ben Ali war sie umgehend bereit, Teil der von Gannouchi gebildeten Übergangsregierung zu werden. Sie musste jedoch unter dem Druck der eigenen Basis die Regierung bald wieder verlassen. Auf lokaler und regionaler Ebene spielte die UGTT allerdings eine führende Rolle in der Revolution. Es war die UGTT, die zur Gründung der revolutionären Komitees aufrief und somit einen wichtigen Beitrag zur Selbstorganisation leistete. In einigen Gebieten, wie in Redeyef, übernahm die UGTT sogar die Verwaltung der Gesellschaft. Dies zeigt sehr gut, welch ungeheure Bedeutung die Gewerkschaften als Kampfinstrument in der Revolution einnehmen.
Alle UGTT-BürokratInnen, die mit dem alten Regime verbunden waren, müssen aus ihren Posten verdrängt werden, allen voran Generalsekretär Abdessalem Jerad, der eine offen streikbrecherische Rolle gespielt hat. Die regionalen Strukturen wie auch die nationalen Verbände, die von der Gewerkschaftslinken angeführt werden und die Mehrheit der UGTT-Mitgliedschaft repräsentieren, sollten umgehend einen außerordentlichen Gewerkschaftskongress einberufen. Jeder Schritt zur Demokratisierung der Gewerkschaften würde von den einfachen ArbeiterInnen mit großer Begeisterung unterstützt werden. Wenn es möglich war, Ben Ali und Gannouchi zu stürzen, sollte es ein Leichtes sein, auch noch die korrupte Gewerkschaftsführung loszuwerden!
In Ägypten war es der korrupten Gewerkschaftsführung nicht gelungen, die Streikwelle zu verhindern, wodurch die Revolution eine zusätzliche Dynamik erhielt. Die streikenden ArbeiterInnen richteten sich gegen ihre alte Führung und begannen mit dem Aufbau wirklich demokratischer und kämpferischer Gewerkschaften. Damit haben sie einen unfehlbaren Klasseninstinkt bewiesen. Der Kampf für Demokratie beschränkt sich nicht auf die politische Arena. Er muss auch in den Gewerkschaften und den Betrieben offensiv geführt werden.
Die Bewegung scheint auf die Schaffung eines neuen Dachverbandes unabhängiger Gewerkschaften hinauszulaufen. In einer Revolution, wie wir sie jetzt sehen, kann ein solcher Zusammenschluss sogar zur wichtigsten Organisation des ägyptischen Proletariats werden. Doch es wäre ein Fehler, den Kampf innerhalb der alten, offiziellen Gewerkschaften völlig aufzugeben, in denen noch immer wichtige Teil der Klasse organisiert sind. In einigen Fällen werden neue Gewerkschaften in Betrieben oder gar ganzen Wirtschaftszweigen aus dem Nichts entstehen. In anderen Fällen werden die ArbeiterInnen die alten gewerkschaftlichen Strukturen übernehmen und diese zu demokratischen Kampfinstrumenten machen.
Die Bürgerlichen verstehen die zentrale Bedeutung von Gewerkschaften. Sie werden versuchen, deren Führung durch Bestechung unter ihren politischen Einfluss zu bekommen, damit die ArbeiterInnen nicht zu revolutionären und sozialistischen Schlussfolgerungen kommen. Die CIA verfügt traditionell über enge Beziehungen zur Führung des US-amerikanischen Gewerkschaftsdachverbands AFL-CIO, der internationalen Gewerkschaftsverbände und der europäischen Sozialdemokratie. Über diese Verbindungen werden sie versuchen, die Gewerkschaftsbewegung unter ihre Kontrolle zu bekommen.
Die ArbeiterInnen müssen vor solchen “Freunden” auf der Hut sein, deren einziges Ziel es ist, die revolutionären Kräfte in geordnete Bahnen zu lenken. Das gilt auch für die NGOs, die oft nichts anderes als eine Agentur des Imperialismus darstellen. Die Aufgabe dieser NGOs besteht in erster Linie darin, die Unterdrückten und Ausgebeuteten von revolutionären Abenteuern abzulenken und ehemalige KlassenkämpferInnen in bezahlte Lakaien des Imperialismus zu verwandeln. NGOs haben letztlich die Funktion, die ArbeiterInnenbewegung von eigener Aktivität abzuhalten.
Die Aufgabe der Gewerkschaften muss im Sturz des Kapitalismus liegen und nicht darin, das System aufrechtzuerhalten. Ihr erstes Ziel ist es, für einen höheren Lebensstandard, höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen zu kämpfen. Wir müssen uns für jede noch so kleine Verbesserung einsetzen. Doch wir müssen auch verstehen, dass es unmöglich ist, die einfachsten Forderungen dauerhaft durchzusetzen, solange die parasitäre Oligarchie das Land, die Banken und die wichtigsten Industrien ihr Eigen nennt.
In den Protesten gegen das alte Regime haben sich die Gewerkschaften mit anderen Schichten der Gesellschaft zusammengeschlossen: den Arbeitslosen, den Frauen, der Jugend, der Bauernschaft, den Intellektuellen. Das ist eine absolute Notwendigkeit. Dabei muss sich aber die ArbeiterInnenklasse an die Spitze der Nation stellen und den Kampf gegen alle Formen der Ungerechtigkeit und der Unterdrückung führen.
Die revolutionäre Bewegung hat sich in Komitees der verschiedensten Art organisiert. Das ist ein notwendiger Schritt, um der Bewegung eine organisierte Form zu geben. Diese Komitees können aber die Gewerkschaften nicht völlig ersetzen.
Die Gewerkschaften stellen eine Schule der Revolution dar und werden eine Schlüsselrolle beim Sturz des alten Regimes sowie beim Aufbau einer neuen sozialistischen Gesellschaft, bei der Organisierung der verstaatlichten Industrien, bei der Planung der Produktion und der Verwaltung der Gesellschaft einnehmen.
Deshalb:
* Bauen wir die Gewerkschaften auf und machen wir sie zu echten Kampfinstrumenten!
* Säubern wir die Gewerkschaften von allen korrupten und bürokratischen Elementen!
* Für demokratische Gewerkschaften: Alle Hauptamtlichen müssen gewählt werden und jederzeit abwählbar sein!
* Gegen jede Korruption! Kein Hauptamtlicher soll mehr als einen durchschnittlichen Facharbeiterlohn verdienen!
* Keine staatliche Kontrolle über die Gewerkschaften! In den Gewerkschaften dürfen nur die ArbeiterInnen selbst das Sagen haben!
* ArbeiterInnenkontrolle in der Industrie! Für die Enteignung der Banken, des Großgrundbesitzes und der Konzerne! Für einen demokratischen Produktionsplan!
Die Rolle der Jugend
Der große deutsche Revolutionär Karl Liebknecht sagte einst: “Die Jugend ist die Flamme der Revolution.” Wie sehr dies heute für die Arabischen Revolution gilt! In jedem Stadium dieser Bewegung spielte die Jugend eine entscheidende Rolle. Es waren junge Arbeitslose ohne Zukunftsperspektive, die als erste in Tunesien und Ägypten auf die Straße strömten. Einige von ihnen waren junge AkademikerInnen, andere kamen aus den Slums.
In allen Ländern der Region stellt die Jugend die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung dar. Sie leidet am meisten unter den Auswirkungen der kapitalistischen Krise. 70 % der Jugendlichen in Tunesien unter 25 Jahren sind arbeitslos. In Algerien sind es 75 %, in Ägypten 76 %. Ähnlich ist die Lage in anderen Ländern.
Diese Fakten verdeutlichen, in welcher Sackgasse der Kapitalismus steckt. Dabei würden diese Länder ÄrztInnen, LehrerInnen, TechnikerInnen usw. benötigen. Doch es gibt keine Jobs. Selbst viele JungakademikerInnen sind arbeitslos und haben keine Aussicht auf einen eigenen Hausstand, auf die Gründung einer eigenen Familie. Sie werden getrieben von einem tiefsitzenden Sinn für Ungerechtigkeit; von dem Zorn auf ein System, das ihnen jede Zukunftsperspektive nimmt und in dem sich eine kleine Elite auf Kosten der Bevölkerung schamlos bereichert.
Die einzige Hoffnung, die diesen jungen Menschen bleibt, liegt im Kampf für eine grundlegende Umwälzung der Gesellschaft. Sie haben ihre Angst abgeschüttelt und sind bereit, ihr Leben im Kampf für Freiheit und Gerechtigkeit zu riskieren. In Tunesien hat sich die revolutionäre Jugendbewegung organisiert und zu Massendemonstrationen vor dem Regierungssitz in Tunis, der Kasbah, aufgerufen. In Massenprotesten der SchülerInnen wurde die Forderung nach einer Verfassungsgebenden Versammlung erhoben und der Sturz der Regierung gefordert. Die Jugend spielte dabei die Rolle eines Katalysators für die Bewegung, die Ende Februar die Regierung Gannouchi zum Rücktritt zwang. In Ägypten war die Situation sehr ähnlich.
Die Geschichte wiederholt sich hier in gewissem Maße. Im Jahre 1917 belächelten die Menschewiki die Bolschewiki als einen “Haufen Kinder” – und sie lagen mit dieser Aussage nicht ganz falsch. Das Durchschnittsalter der bolschewistischen AktivistInnen war in der Tat sehr niedrig. Die Jugend spielt vor allem deshalb in der Revolution eine wichtige Rolle, weil sie weitgehend frei von Vorurteilen, Ängsten und dem Skeptizismus der älteren Generationen ist.
Die Jugend ist in jedem Land offen für revolutionäre Ideen. Deshalb müssen sich MarxistInnen an die Jugend wenden. Die Ideen des revolutionären Marxismus und des proletarischen Internationalismus werden dort auf ein Echo stoßen.
Deshalb:
* Arbeit für alle!
* Alle Jugendlichen müssen das Recht auf einen Arbeitsplatz oder einen Ausbildungsplatz haben!
* Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit!
* Nein zur Polizeirepression!
* Volle demokratische Rechte und Wahlrecht ab 16 Jahren!
Die Rolle von Frauen
Einer der inspirierendsten Aspekte der Revolution in Tunesien und Ägypten war zweifelsohne die aktive Beteiligung der Frauen. Die alte Unterwürfigkeit ist plötzlich verschwunden. In Alexandria haben sogar ältere Hausfrauen von ihren Balkonen aus die Polizei mit Töpfen und Pfannen beschossen. Auf den Demonstrationen kämpften junge Studentinnen in Jeans Seite an Seite mit Frauen, die den Hijab trugen. Bereits in den Streiks der letzten Jahre, die den Weg zur heutigen revolutionären Erhebung bereiteten, haben Frauen eine zentrale Rolle gespielt, wie etwa die Textilarbeiterinnen von Mahalla al Kubra.
Frauen standen in jeder Revolution an vorderster Front. Verschleierte und unverschleierte Frauen, die sich in Bahrain auf Demonstrationen furchtlos der Polizei entgegenstellen: Das ist Revolution. Sie erinnern an die heroischen Frauen von Paris des Oktobers 1789 oder von Petrograd des Februars 1917.
Das politische Erwachen der Frau ist ein sicheres Zeichen dafür, dass wir es hier mit einer wirklichen Revolution zu tun haben. Die Gesellschaft kann nicht vorwärtsschreiten, solange die Frau versklavt ist. Es ist kein Zufall, dass die Kräfte der Reaktion in Ägypten die Demonstration zum Internationalen Frauentag am 8. März auf dem Tahrir-Platz brutal angriffen. Die Arabische Revolution wird ihre entschlossensten und mutigsten KämpferInnen nicht zuletzt aus den Reihen der Frauen rekrutieren. Die vollständige Befreiung der Frau gehört zu den Hauptaufgaben der Revolution. Der Platz der Frauen ist nicht am Herd, sondern auf der Straße, im revolutionären Kampf, Seite an Seite mit den Männern. Sie haben das größte Interesse am Gelingen dieser Revolution.
Deshalb:
* Nieder mit jeder Form von Diskriminierung und Ungleichheit!
* Volle Bürger- und Menschenrechte für die Frau!
* Vollständige soziale, politische und wirtschaftliche Gleichheit für die Frau!
* Für die Organisierung der arbeitenden Frauen in freien und demokratischen Gewerkschaften, die vom Staat unabhängig sind!
* Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit!
Die Revolution ist nicht vollendet
Eine Revolution ist kein Einakter. Wir sagen bewusst, die Arabische Revolution habe begonnen. Sie muss erst vollendet werden, damit ihr Sieg gesichert ist. Sie ist ein Kampf lebendiger Kräfte, ein komplexer Prozess mit vielen Erfolgen und Rückschlägen. Der Sturz von Mubarak, Ben Ali und Gannouchi markiert das Ende der ersten Phase. Doch der Kampf wird weitergehen: Weder sind die alten Kräfte wirklich gestürzt, noch haben es die alten Machthaber geschafft, die Kontrolle wiederzuerlangen.
Die Revolution in Russland 1917 dauerte insgesamt neun Monate, von Februar bis Oktober, als die ArbeiterInnen unter der Führung der Bolschewiki die Macht übernahmen. Jedoch verlief die Revolution nicht entlang einer geraden Linie, sondern entwickelte sich durch allerlei Wirren und Widersprüche. Es gab eine Phase der offenen Reaktion von Juli bis August. Lenin musste nach Finnland fliehen und die Bolschewistische Partei wurde praktisch verboten. Aber dies bereitete nur den Weg für einen erneuten Aufschwung der Revolution. Am Ende stand der Oktoberaufstand.
In Spanien gab es einen ähnlichen Prozess nach dem Fall der Monarchie im Jahre 1931 – es folgte ein gewaltiger Aufschwung des Klassenkampfs. Die Niederschlagung der Asturischen Kommune im Oktober 1934 führte zu einer Periode der Reaktion, dem Bienio Negro, den zwei schwarzen Jahre von 1935-36. Es sollte aber nur das Vorspiel zu einem neuen Aufflammen der Revolution sein, das mit dem Sieg der Volksfront in den Wahlen von 1936 begann und zum offenen Bürgerkrieg führte. Am Ende stand schließlich dennoch der Sieg des Faschismus.
Nach dem Sturz von Mubarak erschien die Ägyptische Revolution wie ein riesengroßer Karnevalsumzug. Die Menschen kämpfen für Dinge, die ihnen keine bürgerliche Regierung geben kann. Wie den russischen ArbeiterInnen von 1917 ist es den ägyptischen ArbeiterInnen gelungen, einen Tyrannen zu stürzen, aber die Hauptaufgaben sind damit noch nicht gelöst. Der wirkliche Kampf liegt noch vor ihnen. Was hat der Sturz Mubaraks gelöst? Was wurde dadurch erreicht, dass Ben Ali nach Saudi Arabien geflohen ist? Nichts Grundsätzliches wurde gelöst. Die ArbeiterInnen kämpfen für Brot, Arbeit und ein Dach über dem Kopf, nicht für die Farce irgendeiner Form von formaler bürgerlicher Demokratie. Es ruft uns ein altes französisches Sprichwort in Erinnerung: Je mehr sich ändert, desto mehr bleibt alles beim Alten.
Durch schmerzvolle Erfahrungen lernen die Massen wichtige Lektionen. Früher oder später werden sie zu dem Schluss kommen, dass die ArbeiterInnenklasse die Macht übernehmen muss. Es wird ein langer Lernprozess sein, ein ausgedehnter Prozess der inneren Differenzierungen in der revolutionären Bewegung. Dieser Prozess hat bereits begonnen. In den revolutionären Komitees werden die moderateren Kräfte, die die Bewegung in ihren früheren Stadien geführt haben und Illusionen in die Armee hegen, bereits von einer neuen Schicht von ArbeiterInnen und Jugendlichen herausgefordert, die alle Kompromisse ablehnen. Letztere fürchten, dass ihnen das, was sie mit ihrem Blut erkämpft haben, durch Betrug wieder abgerungen werden könnte. Und dieses Misstrauen ist gut begründet.
Mit dem Fall Mubaraks hat die Ägyptische Revolution ihren ersten großen Sieg gefeiert. Aber keines der fundamentalen Probleme der ägyptischen Gesellschaft ist gelöst. Die Preise steigen weiter, etwa 10 % der arbeitsfähigen Bevölkerung ist laut offiziellen Statistiken arbeitslos – wobei die wirklichen Zahlen wohl viel höher sind.
Es gibt einen glühenden Hass gegen die Ungleichheit und die allgegenwärtige Korruption des alten Regimes. Milliarden an US-Dollar öffentlicher Gelder sind irgendwo versickert. Allein der Mubarak-Clan genehmigte sich zwischen 40 und 80 Milliarden Dollar – dies in einem Land, in dem 40 % der Menschen unter der Armutsgrenze leben!
Es ist unmöglich, die nächsten Ereignisse vorherzusehen. Eines scheint aber gewiss: Die Revolution wird sich hinziehen und allerlei Auf- und Abschwünge erleben. Noch sind breite Bevölkerungsschichten von der abstrakten Idee der Demokratie berauscht. Dieses Gefühl der Euphorie erfasst sogar die fortgeschrittensten und revolutionärsten Elemente. Eine solche Phase der demokratischen und konstitutionellen Illusionen ist unvermeidlich, sie wird aber nicht lange dauern. Zu gründlich pflügt die Revolution die Gesellschaft um. Sie erweckt neue, vorher passive und scheinbar zurückgebliebene Schichten zu politischem Leben. Und wenn diese Leute „thawra hatta‘l nasr“ (Revolution bis zum Sieg) rufen, dann meinen sie es ernst.
Alle Versuche, das politische Gleichgewicht wiederherzustellen, müssen zwangsläufig scheitern. Die Krise des kapitalistischen Systems erlaubt es nicht, die einfachsten Bedürfnisse der Bevölkerung zu erfüllen. Eine Reihe von schwachen bürgerlichen Regierungen wird das Land erleben. Ein instabiles Kabinett wird dem nächsten folgen. Wenn der Klassenkampf eine derartige Sackgasse erreicht, tendiert der Staat dazu, sich über die Gesellschaft zu erheben und eine relative Selbständigkeit zu erlangen. Das Resultat ist meist ein instabiles Militärregime, oder, um den marxistischen Begriff zu verwenden, ein bonapartistisches Regime. Allein die Existenz solcher Regimes wird zeigen, dass die Revolution noch nicht zu Ende ist.
Trotz aller Appelle an die „nationale Einheit“ polarisiert sich die ägyptische Gesellschaft weiter. Die Revolution verfügt noch immer über ernstzunehmende Reserven in der Gesellschaft. Studierende agitieren an den Unis. ArbeiterInnen streiken und besetzen Fabriken, werfen verhasste Manager und korrupte Gewerkschaftsfunktionäre hinaus. Der Streik der ägyptischen ÖlarbeiterInnen hat in nur drei Tagen einen vollständigen Sieg errungen, einschließlich des Rücktritts des Ölministers. Das zeigt, wer wirklich die Macht in der Gesellschaft inne hat.
Das Militärregime in Ägypten wird sich nicht lange halten können. Alle Versuche, die „Ordnung“ wiederherzustellen (das heißt, die Herrschaft der Reichen und Mächtigen), sind gescheitert. Die Armee versuchte, die Streiks zu unterbinden, aber ohne Erfolg. Die ArbeiterInnenbewegung befindet sich nicht im Rückzug, im Gegenteil, sie ist in der Offensive. Was können die Generäle tun? Wenn sie es nicht geschafft haben, ihre Panzer im Namen Mubaraks einzusetzen, dann können sie diese umso weniger dafür einsetzen, Streiks in einem angeblich demokratischen Regime niederzuschlagen.
Die Generäle werden die Macht an eine zivile (das heißt bürgerlich-kapitalistische) Regierung abgeben müssen. Es wird eine Konterrevolution in demokratischem Gewande sein. Aber es wird für die Konterrevolution nicht einfach sein, die „Stabilität“ wiederherzustellen. Denn für die ArbeiterInnen ist Demokratie kein Selbstzweck: Wenn sie nicht zu einem Anstieg des Lebensstandards und zu neuen Jobs führt, warum sollte man überhaupt für sie gekämpft haben?
Wenn all dies vor zehn Jahren passiert wäre, hätten die Machthaber es vielleicht geschafft, ein bürgerlich-demokratisches Regime in der einen oder anderen Form zu etablieren. Der Aufschwung des Weltkapitalismus hätte ihnen ein wenig Spielraum verschafft. Heute aber steckt der Kapitalismus weltweit in einer tiefen Krise. Das ist sowohl der Grund für die revolutionären Prozesse, als auch dafür, dass diese nicht so einfach zu bändigen sein werden. Das kapitalistische System bietet den breiten Massen nichts. Es schafft es nicht einmal, in den USA und Europa für Arbeitsplätze und ein bescheidenes Auskommen für jeden zu sorgen. Um wie viel schwieriger noch ist dies in Ägypten!
Die Streiks, die Fabrikbesetzungen, das Hinauswerfen von Managern durch die Belegschaften: Dies alles ist von enormer Bedeutung. Die Revolution ist bis in die Fabriken, bis in jeden Betrieb vorgedrungen. Die ArbeiterInnen Ägyptens schreiten vom Kampf um politische Demokratie zum Kampf um innerbetriebliche Demokratie voran. Die ägyptische ArbeiterInnenklasse nimmt unter ihrem eigenen Banner an der Revolution Teil und stellt eigenständige Klassenforderungen auf. Das ist entscheidend für die Zukunft der Revolution.
Die ArbeiterInnen protestieren gegen Korruption und niedrige Löhne. Sie rebellieren gegen vom Staat ernannte Manager und bilden revolutionäre Komitees, die Fabriken und andere Betriebe leiten. Das ist der richtige Weg. Bürgerliche Kommentatoren haben betont, dass viele dieser Streiks ökonomischer Natur sind. Natürlich sind sie das! Die ArbeiterInnenklasse kämpft für ihre unmittelbaren Forderungen. Sie sehen die Revolution nicht nur als Mittel, um formale Demokratie zu erkämpfen, sondern auch für bessere Löhne, bessere Arbeitsbedingungen, für – ein besseres Leben. Und dieser Kampf kann nicht aufhören, nur weil Hosni Mubarak nicht mehr im Präsidentenpalast sitzt.
Für ArbeiterInnendemokratie!
In der Stadt Suez brach der Staatsapparat mit all seinen Einrichtungen für vier bis fünf Tage völlig zusammen. Wie vorher schon in Tunesien, bildeten sich revolutionäre Komitees und bewaffnete Straßenkontrollen, um die Bevölkerung vor Übergriffen zu verteidigen. Das zeigt, dass räteähnliche Strukturen keine willkürliche Erfindung von MarxistInnen sind, sondern in jeder Revolution spontan entstehen.
Damit ist die zentrale Frage gestellt: Wer verfügt über die Staatsmacht? Der alte Staatsapparat wurde von der Revolution in die Knie gezwungen. Er muss nun durch etwas Neues ersetzt werden. Es gibt eine gesellschaftliche Kraft, die stärker ist als jeder Staat: das revolutionäre Volk. Aber es muss sich organisieren. In Ägypten wie in Tunesien gab es Elemente von Doppelmacht: Ganze Städte und Regionen sind unter die Kontrolle revolutionärer Komitees gefallen.
In Tunesien erreichte die revolutionäre Organisation ein höheres Niveau als in Ägypten. Die revolutionären Organe entwickelten sich rund um die lokalen Strukturen der Gewerkschaft UGTT. Nachdem sie die Führungspersönlichkeiten des alten RCD-Regimes fortgejagt hatten, übernahmen sie die Kontrolle über viele Bereiche des politischen und gesellschaftlichen Lebens in einigen Städten und selbst ganzen Regionen. All das Gerede der herrschenden Klasse über „Chaos“ und „Unsicherheit“ blendet die Tatsache aus, dass sich die arbeitende Bevölkerung hier selbst organisiert hat. Auch sie will Ordnung und Sicherheit wieder herstellen, doch es ist eine andere, eine revolutionäre Ordnung.
Nach dem Zusammenbruch der Polizei am 28. Januar, sprang in Ägypten die Bevölkerung ein, um die Sicherheit in den Wohnvierteln sicherzustellen. Sie errichteten Straßenkontrollen, bewaffnet mit Messern, Macheten und Knüppeln. In einigen Bereichen übernahmen die revolutionären Komitees praktisch das gesamte organisatorische Leben ihrer Stadt, einschließlich der Regelung des Straßenverkehrs. Hier sehen wir den Embryo einer Volksmiliz – einer alternativen Staatsmacht.
Es geht nun darum, immer mehr Menschen in diese Bewegung hineinzuziehen. Um die Revolution auszuweiten und zu vertiefen, geht es nun darum, überall solche Verteidigungskomitees zu schaffen. Gewählte Komitees zur Verteidigung der Revolution, welche bereits in einigen Gegenden existieren, müssen in jeder Fabrik, in jeder Straße, in jedem Dorf ins Leben gerufen werden. Diese revolutionären Komitees sollten sich auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene vernetzen. Dies wäre der Startpunkt für eine zukünftige demokratische Regierung der ArbeiterInnen, Bäuerinnen und Bauern – eine echte Alternative zu den verrotteten Regimes der Region.
Die Internationale Marxistische Strömung fordert daher:
* eine gründliche Säuberung und Demokratisierung der Armee
* die Errichtung von Soldatenkomitees und Komitees der unteren, revolutionär gesinnten Offiziersränge
* Weg mit den korrupten und reaktionären Generälen!
* die sofortige Auflösung aller repressiven Einrichtungen des Staates
* alle, die sich des Terrors gegen die eigene Bevölkerung schuldig gemacht haben, müssen vor Gericht gestellt und abgeurteilt werden
* die allgemeine Volksbewaffnung
* die Etablierung einer Volksmiliz
* für eine Regierung der ArbeiterInnen, der Bäuerinnen und Bauern
Die Revolution kennt keine Grenzen
Der internationale Charakter der Revolution war von Anfang an offensichtlich. Andere arabische Länder befinden sich in einer ähnlichen Situation wie Tunesien und Ägypten: steigende Nahrungsmittelpreise, eine sich verschlechternde wirtschaftliche Situation, Arbeitslosigkeit und ungezügelte Korruption. Millionen Menschen müssen tagtäglich ums Überleben kämpfen. Ähnliche gesellschaftliche Umstände führen zu ähnlichen Ergebnissen. Was in Tunesien und Ägypten passiert ist, kann in vielen anderen Ländern passieren – nicht nur in der arabischen Welt.
Der Imperialismus versucht sich einzureden, dass es keinen Dominoeffekt geben würde. Doch die Dominosteine haben bereits zu fallen begonnen: Libyen, Marokko, Sudan, Irak, Dschibuti, Jemen, Bahrain und Oman – all diese Länder werden vom revolutionären Strom mitgerissen. Wie in Tunesien und Ägypten, lebt etwa die Bevölkerung Algeriens, Jordaniens und des Jemen in Armut, diktatorisch beherrscht von einer Oberschicht, die sich ihr luxuriöses Leben durch die Plünderung der Gesellschaft finanziert.
Im Fall des Irak ist der Kampf der Revolution eng mit dem Kampf gegen Imperialismus und Fremdherrschaft sowie für das Recht der kurdischen Bevölkerung auf Selbstbestimmung verbunden. Gleichzeitig ist es ein Merkmal der Protestbewegung im Irak, die sektiererische Spaltung der Bevölkerung in Sunniten, Schiiten, Araber, Kurden und Turkmenen überwunden zu haben. Gerade diese Spaltung trug dazu bei, dass sich die reaktionären Herrscher so lange halten konnten.
Einige der Hauptforderungen der Protestierenden betrifft die steigenden Lebenshaltungskosten, die teilweise durch das Streichen der staatlichen Subventionen von Benzin und Zucker verursacht wurden. Dies ist eine der brennendsten Fragen quer durch die arabische Welt. Die Regime in Jordanien, Algerien und Libyen senkten umgehend Importzölle und Steuern auf Lebensmittel, in der Hoffnung, Unruhen abwenden zu können. Das Regime in Algerien hat allen Grund, eine gesellschaftliche Explosion zu fürchten, die den Aufstand in den Berberregionen des Jahres 2001 in den Schatten stellen könnte.
Selbst die ölreichen Monarchien in den Golfstaaten sind besorgt. Kuwait hat 4.600 Euro pro StaatsbürgerIn verteilt, um die Menschen ruhig zu stellen. Doch solche Maßnahmen werden die revolutionäre Erhebung nur hinauszögern.
Die westlichen Medien stellten die Bewegung in Bahrain schamlos als einen religiös-sektiererischen Kampf zwischen der schiitischen Mehrheit und der sunnitischen Elite dar. Weit entfernt davon: Auch in Bahrain kämpfen die Menschen gegen Korruption, Diskriminierung und Arbeitslosigkeit, für freie Wahlen, für die Rechte der MigrantInnen und der Frauen und für eine gerechte Verteilung des Wohlstandes. Auch in Bahrain zeigen die breiten Massen dieselbe Entschlossenheit zum Kampf. Die Armee war gezwungen, sich vom Perlenplatz zurückzuziehen. Wieder einmal war die Rolle der ArbeiterInnenklasse ausschlaggebend gewesen: Es war die Androhung eines Generalstreiks der Gewerkschaften, die das Regime zu Zugeständnissen zwang.
In den Golfstaaten werden die ArbeiterInnen, die großteils aus dem Ausland stammen, brutal ausgebeutet. Es gibt alleine in Saudi-Arabien 1,1 Millionen pakistanische GastarbeiterInnen. In der Vergangenheit kam es in der Region immer wieder zu Streiks (z.B. 2007 der Streik der Bauarbeiter in Dubai), die von den Massenmedien allerdings totgeschwiegen werden.
Für sich selbst genommen, mag das saudische Regime noch eine Bastion der Reaktion im Mittleren Osten darstellen. Mehr und mehr gleicht es aber einem Dampfkochtopf ohne Sicherheitsventil. Unter einem solchen Regime kann eine revolutionäre Explosion äußerst heftig und ohne Vorwarnung passieren. Die saudische Königsfamilie ist korrupt und moralisch verrottet. Sie ist in der Frage der Zugeständnisse, die der Bevölkerung gemacht wurden, bereits gespalten. Denn trotz dieses Entgegenkommens des Regimes zeigen die Menschen zunehmend öffentlich ihre Unzufriedenheit. Wenn der Moment gekommen ist, wird sie auch ihr Öl nicht retten können. Es ist bezeichnend genug, dass sich mittlerweile sogar wahabitische Geistliche gegen die Königsfamilie stellen.
Die Arabische Revolution hat auch der revolutionären Bewegung im Iran neuen Schwung gebracht. Offiziere der Revolutionsgarden erklärten offen, nicht mehr auf Demonstrationen feuern zu wollen. Sie riefen die brutalen Basij-Milizen auf, ihre Knüppel zu Hause zu lassen. Diese Risse im Staatsapparat deuten auf eine tiefe Krise des Regimes hin.
Jedes Land weist unterschiedliche Bedingungen auf. Daher ist es schwierig zu sagen, wie sich jedes einzelne Regime verhalten wird. Welche politischen Richtungen sich durchsetzen werden, hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab, die von einem Land zum anderen unterschiedlich sind. Die Ereignisse in Tunesien und Ägypten waren fast identisch, aber in Libyen ist die Situation grundverschieden. Das Regime verfügt speziell rund um Tripolis über größere soziale Reserven. Der Aufstand war vor allem auf den Osten des Landes begrenzt. Die Revolution ging somit in einen Bürgerkrieg über, dessen Ausgang noch immer ungewiss ist.
Gaddafi scheint es egal zu sein, wenn das ganze Land mit ihm untergeht. Nach dem Verlust der Kontrolle über den Osten, mitsamt der zweitgrößten Stadt Libyens, Benghazi, beschloss er, bis zum bitteren Ende zu kämpfen. Das ganze Land wurde in einen blutigen Konflikt hineingezogen. Große Teile der Armee, selbst ranghohe Militärs, sind zu den Aufständischen übergelaufen. Dies hatte jedoch nicht denselben Effekt wie in Ägypten, weil dort der Stellenwert der Armee ein anderer ist.
Eines ist jedoch klar: Alle Länder werden in den revolutionären Schmelztiegel geworfen. Nicht eines dieser Regimes wird am Ende überleben. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die im Wesentlichen von den Kräfteverhältnissen der Klassen und einer ganzen Reihe innerer und äußerer Faktoren abhängen, die unmöglich vorherzusehen sind. Welche Regierungen auch immer am Ende herauskommen werden, sie werden nicht fähig sein, die grundlegendsten Bedürfnisse der Bevölkerung zu befriedigen.
Hilflosigkeit des Imperialismus
Der Imperialismus bangt angesichts dieser Bewegungen um seinen Einfluss in dieser strategisch so wichtigen Region. Die USA und die EU haben diese Ereignisse nicht vorhergesehen, und sie wissen auch nicht, wie sie darauf reagieren sollen. Obama traute sich wegen der Beispielwirkung auf andere Staaten nicht, Mubarak öffentlich zum Rücktritt aufzufordern. Er beließ es bei vorsichtig abgewogenen Formulierungen. Wie heuchlerisch klingen doch die Worte „Demokratie“ und „Menschenrechte“ aus dem Munde Obamas, Sarkozys und Merkels!
Nach all den Jahrzehnten, in denen die brutale Diktatur in Tunesien unterstützt wurde, sprechen sich plötzlich alle für Demokratie und Menschenrechte aus. Es ist nicht lange her, da pries Frankreichs Präsident Sarkozy Ben Ali als Freund der Demokratie und der Menschenrechte – trotz aller Folterzellen, von denen jedermann wusste. Und auch Washington verschleierte wissentlich die barbarischen Taten der pro-westlichen Diktatoren – nun werden sie dafür belohnt.
Die Politik beeinflusst die Wirtschaft und umgekehrt. Der Ölpreis klettert weiter nach oben, weil die Aufstände auch auf andere arabische Staaten überzugreifen drohen, einschließlich auf den Ölgiganten Saudi-Arabien; man fürchtet eine Behinderung der Öllieferungen vom Roten ins Mittelmeer durch den Suez-Kanal. Ein Fass Rohöl der Marke Brent überstieg kurzfristig sogar die 120-Dollar-Marke und notiert nach wie vor über 110 Dollar. Dies könnte wiederum die schwache Erholung der Weltwirtschaft untergraben.
Der Imperialismus braucht wirtschaftliche, politische und militärische Stabilität im Nahen Osten. Aber wie soll diese hergestellt werden? Von Anfang an haben die USA um eine einheitliche Strategie gerungen, um auf die sich schnell entfaltenden Ereignisse richtig zu reagieren. Letztlich beschränkte sich die Rolle dieser stolzen Weltmacht in Ägypten auf jene eines hilflosen Zusehers. Ein Artikel in der britischen Zeitung „Independent“ trug den bezeichnenden Titel „Washingtons starke Worte unterstreichen die Ohnmacht der USA“. Wie wahr!
So manch kluge Leute behaupten, die Arabische Revolution sei Teil einer imperialistischen Verschwörung. Nichts könnte weniger der Wahrheit entsprechen. Die Bourgeoisie wurde von diesen Ereignissen völlig überrascht. Diese Revolutionen destabilisieren eine ihrer wichtigsten Regionen – nichts, was sie sich wirklich wünschen können. Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass diese Bewegungen auch außerhalb der arabischen Welt auf ein Echo stoßen.
Der Nahe Osten stellt eine Schlüsselregion für den Imperialismus dar. Die USA verbrachten vier Jahrzehnte damit, dort ihre Position zu festigen. Ägypten war dabei von ganz besonderem Interesse. Nun werden allerdings innerhalb weniger Wochen die Karten neu gemischt. Die reichsten und mächtigsten Staaten der Welt waren angesichts der revolutionären Erschütterungen wie gelähmt. Obama wusste nicht, wie er eingreifen sollte, denn er durfte nichts sagen, was seine saudischen Verbündeten vor den Kopf stoßen hätte können.
Acht Prozent des Welthandels passieren den Suez-Kanal. Die USA waren entsetzt über die Möglichkeit, dass der Kanal geschlossen werden könnte – aber sie konnten nichts dagegen tun. Alles, was Obama dazu sagen konnte, war, dass dies die Entscheidung des ägyptischen Volkes sei. Wenn wir uns erinnern, zeigten sich die USA beim Einmarsch in Afghanistan und im Irak bei weitem nicht so nobel zurückhaltend!
Man schickte zwar US-Kriegsschiffe zum Suez-Kanal – doch … nichts geschah. Letztendlich war es eine leere Geste. Zu sehr haben sich die USA die Finger im Irak verbrannt. Ein neuerliches militärisches Abenteuer in Ägypten hätte einen Sturm provoziert – nicht nur in den USA, sondern auf der ganzen Welt. Nicht eine US-Botschaft im Nahen Osten würde noch stehen; alle US-freundlichen arabischen Regime würden sich Aufständen gegenübersehen. Dennoch: In Obamas „demokratischem“ Samthandschuh steckt nach wie vor die geballte Faust des US-Imperialismus.
Die USA haben ein besonderes Interesse an Bahrain, aufgrund der wichtigen strategischen Lage dieses Landes direkt zwischen Saudi-Arabien und dem Iran. Hier befindet sich die wichtigste US-Marinebasis der gesamten Region, der Stützpunkt ihrer Fünften Flotte. Trotzdem sahen die USA keine Möglichkeit direkt gegen die revolutionäre Bewegung in Bahrain vorzugehen. Wenn das alles Teil eines imperialistischen Plans gewesen sein soll – dann hat niemand davon Mister Obama erzählt.
Im Falle Libyens zögerten sie nicht, Gaddafi zu verurteilen und riefen zu seinem Sturz auf – was sie im Falle Mubaraks bemerkenswerterweise unterließen. Das ist nur ein weiteres Beispiel für ihre Doppelzüngigkeit und ihren Zynismus. Obwohl sie andeuteten, dass ein militärisches Eingreifen nicht ausgeschlossen wäre, zögerten sie zu handeln. In der Stunde der Wahrheit konnten sie nicht den Mut aufbringen direkt einzugreifen. Hillary Clinton meinte, eine Flugverbotszone müsste von den Vereinten Nationen genehmigt werden. Das ist das komplette Gegenteil zum einstigen Vorgehen der USA im Irak.
Schlussendlich stimmten die USA unter dem Druck Frankreichs und Großbritanniens für eine Flugverbotszone. Damit wurde der Startschuss für eine offene imperialistische Aggression gegeben. Dabei geht es nicht um einen „humanitären Einsatz“ zur Verteidigung der libyschen Bevölkerung und schon gar nicht um eine Unterstützung für die Revolution. Das genaue Gegenteil ist der Fall. Der Imperialismus versucht vielmehr mit dieser militärischen Intervention seinen Einfluss in der Region wieder zu festigen, um in der weiteren Folge die begonnene Revolution im Keim zu ersticken.
Wir lehnen diese imperialistische Intervention ab. Die libysche Bevölkerung selbst und niemand anderer muss Gaddafi stürzen. Die Wahrheit ist, dass die anfängliche revolutionäre Dynamik, die im Osten des Landes ihren Ausgangspunkt nahm, an Schwung verloren hat, und die konterrevolutionären Elemente im Übergangsrat die Initiative an sich reißen konnten und dieser nun das Schicksal des libyschen Volkes dem westlichen Imperialismus übertragen hat.
Daher:
* Nein zu jedem militärischen Eingreifen!
* Beendet die Besatzung Iraks und Afghanistans!
* Nieder mit dem Imperialismus!
* Hände weg von der Arabischen Revolution!
Israel und Palästina
Nirgendwo hat die Arabische Revolution größere Panik ausgelöst als in Israel. Die stärkste Militärmacht in der Region war starr vor Schreck angesichts der Ereignisse in Ägypten. Israels herrschende Clique musste mit ihren Aussagen über die Situation in Ägypten äußerst vorsichtig sein. Benjamin Netanjahu ordnete seinen Ministern an, keine öffentlichen Statements zu machen. Israel appellierte sogar an die Vereinigten Staaten und einige EU-Länder, ihre Kritik an Präsident Mubarak zu mäßigen. Jerusalem versuchte verzweifelt seine Verbündeten davon zu überzeugen, dass es in ihrem Interesse sei Mubarak zu unterstützen und die Stabilität des ägyptischen Regimes zu gewährleisten. Dies lief aber den Interessen der USA und der EU zuwider. Diese waren ab einem gewissen Punkt zu der Auffassung gelangt, dass ein „geordneter Übergang“ nötig sei, um einen revolutionären Umsturz zu verhindern.
Nach Marx kann niemand frei sein, solange er jemand anderen unterdrückt. Israel herrscht über eine zahlenmäßig große, unzufriedene palästinensische Bevölkerung. Diese sieht nun im Fernsehen, dass Tyrannen zu Fall gebracht werden können. Im Westjordanland werden die PalästinenserInnen zwar noch mit Hilfe der Polizeikräfte der palästinensischen Autonomiebehörden unter Kontrolle gehalten. Allerdings ist nicht klar, ob die palästinensischen und israelischen Sicherheitskräfte wirklich in der Lage sind, eine breite Demokratiebewegung niederzuschlagen – schließlich weigerte sich auch die ägyptische Armee auf DemonstrantInnen zu feuern.
Der Separatfrieden zwischen Israel und Ägypten von 1979 war ein Verrat an der palästinensischen Sache. Er ist in großen Teilen der arabischen Welt sehr unpopulär. Die Rückendeckung von Ägypten war ein wichtiger Faktor, um die israelische Besatzung über die 1967 eroberten palästinensischen Territorien aufrecht zu erhalten.
Der Vertrag von Oslo zwischen Israel und den Palästinensern aus dem Jahr 1993 bedeutete einen erneuten Verrat. Die sogenannten palästinensischen Autonomiegebiete sind nicht mehr als eine Variante der südafrikanischen „Bantustans“, eine Karikatur der „Homelands“. Sie sind nicht in der Lage, die elementarsten Bedürfnisse der palästinensischen Bevölkerung zu befriedigen. Israel blieb Herr im Hause und behielt die Kontrolle. Dadurch kam die palästinensische Bevölkerung vom Regen in die Traufe.
Der Sturz von Israels mächtigstem Verbündeten in der Region hat nun die ganze Situation verändert. Die israelische Regierung ist geschwächt; der bisher tiefsitzende Glaube an die Möglichkeit einer immerwährenden Besetzung der palästinensischen Gebiete ist erschüttert.
Jahrzehnte des so genannten bewaffneten Kampfs und der Verhandlungen haben kein Ergebnis gebracht. Erst durch die revolutionäre Bewegung erscheint die palästinensische Frage wieder in einem neuen Licht. Die herrschende Clique in Israel ist nicht so sehr besorgt über die Raketen und SelbstmordattentäterInnen der Hamas. Ganz im Gegenteil, jede Rakete, die in einem israelischen Dorf einschlägt, hilft der Regierung, die öffentliche Meinung in Israel hinter sich zu bringen.
Eine palästinensische Intifada, ein Aufstand der Unterdrückten, vor dem Hintergrund einer Revolution in Ägypten und Jordanien würde die Lage komplett verändern. Von einem rein militärischen Standpunkt aus ist Israel unbesiegbar. Im Falle eines Krieges mit Ägypten wäre ein Sieg Israels sehr wahrscheinlich. Aber wäre ein Sieg über DemonstrantInnen, die ihre Rechte auf den zentralen Plätzen der West Bank, von Gaza und Israel selbst einfordern, ebenso sicher? Diese Frage muss den israelischen Politikern und Generälen schlaflose Nächte bereiten.
Der Fall Mubaraks hat einige sehr ernste Auswirkungen auf Israel. Im besten Fall muss der Verteidigungshaushalt erhöht werden, um sich gegen die – in den Augen der israelischen Führung – erhöhte Kriegsgefahr in der Region abzusichern. Dies wäre eine gewaltige Belastung für die israelische Wirtschaft, die schon seit geraumer Zeit in einer tiefen Krise steckt. Neue Kürzungen und Angriffe auf den Lebensstandard der Bevölkerung wären die Folge, und damit letztlich die Intensivierung des Klassenkampfes in Israel.
Netanyahu präsentiert sein Land gern als Hort der Demokratie und der Stabilität, das gegenüber der Revolution immun sei. Im Grunde jedoch ist Israel nur ein weiteres Land im Nahen Osten, das von der revolutionären Welle bedroht ist. Die Lebenshaltungskosten in Israel zählen zu den höchsten der Welt, nicht zuletzt durch die jüngsten Preiserhöhungen für Kraftstoff und Wasser. Die Führung der israelischen Gewerkschaft Histadrut dachte bereits laut über die Ausrufung eines landesweiten Generalstreiks nach.
Die Ereignisse in Tunesien und Ägypten werden tiefgreifende Konsequenzen für die PalästinenserInnen haben. Sie wurden bisher von allen verraten, denen sie ihr Vertrauen schenkten – angefangen bei den vorgeblich befreundeten arabischen Regimen bis hin zu ihren eigenen Führungen. Die neuesten Enthüllungen von Wikileaks haben die skandalöse Abhängigkeit des Palästinenserpräsidenten Mahmud Abbas von den Israelis und den USA offenbart. Dies muss einen starken psychologischen Effekt auf die palästinensischen Massen haben.
Seit nunmehr 40 Jahren übt die PLO ununterbrochen Verrat an der palästinensischen Sache. Hätte sie 1970 die Macht in Jordanien übernommen, die Geschichte der Region wäre anders verlaufen. Aber ihre kleinbürgerlich-nationalistische Führung lehnte es ab, gegen ihre „arabischen Brüder“ zu kämpfen. So konnte das jordanische Königshaus die Beduinen mobilisieren, welche mit Hilfe der pakistanischen Armee tausende PalästinenserInnen abschlachteten. Es ist eine bittere Wahrheit, dass mehr PalästinenserInnen von ihren arabischen „Brüdern“ als von den Israelis umgebracht wurden.
Die gleichen Beduinen, die die PalästinenserInnen 1970 attackiert haben, protestieren nun gegen ihren König. Ehemalige Armeeoffiziere warnen das Regime davor, dass es, wenn es nicht schnell Zugeständnisse macht, das Schicksal der Regime Ben Alis und Mubaraks teilen wird. Dies zeigt, dass die Basis des haschemitischen Königshauses bereits bröckelt. Seine Herrschaft hängt an einem seidenen Faden. Die Bewegung breitete sich aus den Gebieten der Beduinen bis nach Amman aus, wo die PalästinenserInnen beheimatet sind, welche die Mehrheit der Bevölkerung Jordaniens ausmachen.
Es ist an der Zeit, die Strategie und Taktik des palästinensischen Befreiungskampfes zu überdenken. Die PalästinenserInnen sind zornig und verbittert. Es gab mehrere Versuche, Mobilisierungen gegen Abbas im Westjordanland und gegen die Hamas im Gazastreifen durchzuführen, die aber brutal niedergeschlagen wurden. Selbst Solidaritätsdemonstrationen für die ägyptische und tunesische Revolution wurden von der Hamas und der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) verboten.
Nun wurde eine Bewegung gegen die jetzigen Führer der palästinensischen Bewegung, gegen die israelische Besatzung und für die Einheit des palästinensischen Kampfes ins Leben gerufen. Sofort gewann diese Initiative auf Facebook die Unterstützung Zehntausender und rief zu Demonstrationen und Protesten auf. Für die PalästinenserInnen war eine Intifada in Ägypten ein langersehnter Traum, der sich nun erfüllte. Der Sturz der reaktionären arabischen Regime ist ein ernster Schlag gegen Israel und den US-Imperialismus. Nun sehen die PalästinenserInnen zum ersten Mal, wer ihre wahren Freunde sind: Die Arbeiterinnen und Arbeiter, die Bäuerinnen und Bauern der gesamten arabischen Welt.
Diese Entwicklung markiert einen fundamentalen Wendepunkt in diesem Konflikt. Die PalästinenserInnen haben gesehen, wie ihr Befreiungskampf doch erfolgreich sein könnte; nicht mit Bomben und Raketen, sondern mit revolutionären Massenaktionen. Die ganze Stimmung wird sich verändern. Es wird neue Jugendbewegungen geben, die gegen die Hamas in Gaza und gegen die PLO-Führung im Westjordanland gerichtet sein werden. Die Idee einer neuen Intifada wird zunehmend an Einfluss gewinnen. Die ganze Situation in der Region wäre dann nicht mehr wiederzuerkennen.
Für eine sozialistische Föderation!
Nach dem Ersten Weltkrieg wurden die sogenannten arabischen Nationen künstlich vom Imperialismus geschaffen. Diese Teilung basierte nicht auf natürlichen oder historischen Kriterien, sondern folgte den Interessen der imperialistischen Staaten. Das Sykes-Picot-Abkommen teilte den Irak, den Libanon, Syrien und Jordanien zwischen Frankreich und Großbritannien auf. In der Balfour-Deklaration von 1917 erklärte sich Großbritannien zudem mit den zionistischen Bestrebungen einverstanden in Palästina eine neue Heimstätte für das jüdische Volk zu errichten.
Im Persischen Golf wurden eine Reihe kleiner Staaten mit großen Ölreserven etabliert. Die saudischen Monarchen waren ursprünglich Wüstenbanditen, bevor sie von dem britischen Zivilverwalter Percy Cox an die Macht gebracht wurden. Skrupellos haben die imperialistischen Mächte den lebendigen Körper der großen arabischen Nation zerstückelt und unter sich aufgeteilt.
Die Arabische Revolution wird niemals siegreich sein, wenn sie nicht der Balkanisierung ihrer Region ein Ende setzt. Die Ketten des Imperialismus können aber nur gesprengt werden, wenn sich die Unterdrückten unter dem Banner der Sozialistischen Föderation der arabischen Welt sammeln. Ein mächtiges sozialistisches Commonwealth könnte hier entstehen – vom Atlantik bis an den Euphrat.
Auf der Basis einer staatlichen Planwirtschaft würde die Arbeitslosigkeit effektiv bekämpft werden. Ein großes Reservoir ungenützter Arbeitskraft könnte nutzbar gemacht werden. Damit könnten die Probleme in den Bereichen Wohnbau, Gesundheit, Bildung und Infrastruktur endlich gelöst werden. Mit der koordinierten Nutzung der Unmengen an gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Ressourcen könnten all diese Länder auf der Basis eines gemeinsamen Plans die Wüsten zum Blühen bringen. Eine neue kulturelle Revolution würde alle Errungenschaften der Vergangenheit in den Schatten stellen.
Eine sozialistische Föderation mit voller Autonomie für alle Völker ist der einzige Weg, die nationalen und religiösen Konflikte in der Region beizulegen, die für Jahrzehnte das gemeinsame Leben der Menschen vergiftet haben und nur von einem Krieg zum nächsten führten. Muslime und Kopten, Sunniten und Shiiten, Palästinenser und Juden, Araber, Berber, Maroniten, Kurden, Turkmenen, Armenier und Drusen – sie alle werden ihren Platz in einer Föderation basierend auf absoluter Gleichheit haben.
Daher:
* Verteidigt die Rechte der PalästinenserInnen und all der anderen unterdrückten Nationalitäten auf Selbstbestimmung!
* Nieder mit der imperialistischen Aggression! Für ein Ende der Besatzung des Irak, Afghanistans und Palästinas!
* Verjagt die Kollaborateure! Für den revolutionären Sturz der arabischen Marionetten des Imperialismus!
* Für die Enteignung des Eigentums der imperialistischen Konzerne und ihrer Handlanger!
* Der Reichtum der arabischen Länder muss der Bevölkerung zurückgegeben werden!
* Für die revolutionäre Einheit der Völker!
* Für die sozialistische Föderation des Nahen Ostens und Nordafrikas auf der Grundlage einer freien, gleichen und brüderlichen Union mit voller Autonomie für jede Nationalität!
Sprünge im Bewusstsein
Die Ägyptische Revolution ist die Antwort auf all jene SkeptikerInnen und intellektuellen Snobs aus dem Westen, die ständig vom „niedrigen Bewusstsein“ und der „politischen Apathie“ der breiten Massen gesprochen haben.
Wir MarxistInnen wissen sehr gut, dass das menschliche Bewusstsein unter normalen Umständen alles andere als revolutionär ist. Im Gegenteil, es ist zutiefst konservativ. Der Widerstand gegen alle Veränderung ist uns als instinktive Überlebensstrategie aus der menschlichen Urgeschichte mitgegeben worden. Deshalb hinkt das Bewusstsein den Ereignissen in der Regel hinterher. Es verändert sich nicht allmählich – es ist nicht heute etwas revolutionärer als gestern und morgen etwas revolutionärer als heute. Genauso wenig wird Wasser, wenn es von 100 Grad auf 0 Grad Celsius abkühlt, zuerst zur Paste, dann zum Gelee, um schließlich zu erstarren.
Eine derartige Vorstellung vom menschlichen Bewusstsein wäre metaphysisch und mechanisch. Die Dialektik lehrt uns, dass Dinge sich in ihr Gegenteil verwandeln können und kleine, scheinbar unbedeutende Veränderungen an einem bestimmten Punkt, in der Physik als „kritischer Punkt“ bekannt, explosive Veränderungen hervorrufen können. Das Bewusstsein ändert sich urplötzlich, wenn große Ereignisse es dazu zwingen. Wenn dies passiert, schließt das Bewusstsein schnell mit der Realität auf. Und genau dieser Bewusstseinssprung macht eine Revolution aus.
Die breite Masse lernt nicht aus Büchern sondern aus Erfahrungen. In einer Revolution lernen sie viel schneller als unter normalen Umständen. Die ägyptischen ArbeiterInnen und Jugendlichen haben in wenigen Tagen des Kampfes mehr gelernt als in 30 Jahren „normaler“ Existenz. Auf den Straßen haben die Massen ein Bewusstsein für ihre eigene Stärke entwickelt. Sie haben die lähmende Angst vor der uniformierten Bereitschaftspolizei verloren, die von Wasserwerfern und Schlägerbanden in Zivil unterstützt wurde. Sie haben die Kräfte der Reaktion in der offenen Konfrontation zurückgeschlagen und besiegt.
Die Revolution ist wie ein riesiges Laboratorium, in dem die verschiedenen, unklaren und miteinander konkurrierenden Forderungen, die von den verschiedenen Organisationen aufgestellt werden, getestet werden. Auf den Straßen entscheiden die Massen, welche Parolen passend sind und welche nicht. Wir werden denselben Prozess immer wieder sehen, nicht nur im Nahen Osten und in Nordafrika, sondern überall auf der Welt.
Von Kairo bis Madison
1917 dauerte es etwa eine Woche, bis die Menschen in Indien erfuhren, dass in Russland eine Revolution stattgefunden hatte. Heute kann jeder die Revolution live im Fernsehen verfolgen. Die Situation im Nahen Osten hat weltweit einen enormen Einfluss auf die Menschen. So organisierten etwa die indischen Gewerkschaften und Linksparteien vor kurzem zum ersten Mal seit 32 Jahren einen Generalstreik für höhere Löhne und gegen steigende Lebenshaltungskosten. Allein in Neu-Delhi demonstrierten 200.000 Menschen. Obwohl Indiens Wirtschaft jährlich um 9 % wuchs, nahm die soziale Ungleichheit weiter zu, weil der Reichtum an der Spitze konzentriert wurde.
In Tunesien und Ägypten droht die Kette des Kapitalismus an zwei ihrer schwächsten Glieder zu brechen. Die Bürgerlichen werden natürlich betonen, dass dies in den fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern nicht passieren kann, dass die Situation dort eine völlig andere ist usw. Ja, die Situation ist eine andere, aber nur dem Grade nach. Überall wird die ArbeiterInnenklasse und die Jugend vor derselben Entscheidung stehen: Entweder wir akzeptieren den systematischen Abbau unseres Lebensstandards und unserer Rechte – oder wir kämpfen dagegen an.
Das Argument „Das kann nicht hier passieren“ entbehrt jeder rationalen Grundlage. Dasselbe wurde vor einigen Monaten von Tunesien gesagt, als dieses Land noch als das stabilste Nordafrikas galt. Und dieses Argument wurde auch im Bezug auf Ägypten wiederholt, selbst als Ben Ali bereits gestürzt worden war. Innerhalb weniger Wochen war klar, dass es sich um hohle Phrasen gehandelt hatte. Früher oder später wird sich die Frage in jedem Land Europas, in Japan, in Kanada und auch den Vereinigten Staaten stellen.
Die Inflation steigt. Insbesondere die Lebensmittelpreise steigen. Das wird überall ernsthafte Folgen haben, vor allem aber in den armen Ländern. Der Weltbank zufolge werden in der kommenden Periode 44 Millionen Menschen zusätzlich in die äußerste Armut absinken. Millionen Menschen kämpfen um Nahrung, Arbeit und ein Dach über dem Kopf – das heißt, um die elementarsten Bedingungen einer halbwegs zivilisierten Existenz. Man möchte meinen, dass dies im 21. Jahrhundert kein großes Problem darstellen dürfte. Aber das altersschwache kapitalistische System schafft es nicht einmal mehr länger, diese Dinge auch nur in Europa und Nordamerika zu gewährleisten. Dies macht die kapitalistischen Gesellschaften zu einem sozialen Pulverfass.
Die derzeitige Krise ist keine normale, zyklische Krise des Kapitalismus. Und auch die gegenwärtige Erholung der Wirtschaft ist nicht normal. Das Kapital versucht die ArbeiterInnen mehr denn je auszupressen, um das wirtschaftliche Gleichgewicht wieder herzustellen. Aber dadurch wird die gesamte Situation destabilisiert. Das erklärt zum Teil sowohl die Arabische Revolution als auch den Aufschwung des Klassenkampfs in Europa.
Jedes Land der Welt ist von diesem Prozess betroffen. Es ist kein Zufall, dass China in den Chor derjenigen eingestimmt ist, die eine Rückkehr zur „Ordnung“ in Ägypten fordern. Teilweise geht es dabei um wirtschaftliche Interessen. Das chinesische Regime ist an weltweiter wirtschaftlicher Stabilität interessiert, weil es auch weiterhin viel Geld mit Exporten verdienen will. Aber darüber hinaus fürchtet Peking alles, was einen Auslöser für Streiks und Proteste in China selbst darstellen könnte. Die chinesischen Behörden haben daher jeden Protest unterdrückt und im Internet alle Nachrichten über Ägypten blockiert.
Im Gegensatz dazu werden alle klassenbewussten ArbeiterInnen die Bewegung der tunesischen und ägyptischen ArbeiterInnen und Jugendlichen stürmisch begrüßen. Der psychologische Effekt der Ereignisse in der arabischen Welt kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Vielen Menschen, vor allem in den entwickelten kapitalistischen Staaten, erschien die Idee der Revolution als etwas Abstraktes und Fremdes. Die Ereignisse, die sich jetzt vor allen Augen auf den Fernsehbildschirmen abspielen, zeigen, dass die Revolution nicht nur möglich sondern notwendig ist.
In Europa und den USA existiert ein brennender Hass auf die Finanzmagnaten, die sich schamlos hohe Extrazahlungen genehmigen, während der Rest der Gesellschaft zur Kasse gebeten wird. Dies zeigte sich jüngst sehr deutlich an den dramatischen Ereignissen im US-Bundesstaat Wisconsin. Es ist kein Zufall, dass die ArbeiterInnen aus Madison, der Hauptstadt Wisconsins, Losungen wie „Fight like an Egyptian“ skandierten. Das ist eine Antwort auf die rücksichtslosen Angriffe auf die ArbeiterInnenklasse – während gleichzeitig von einer „wirtschaftlichen Erholung“ gesprochen wird.
In Wisconsin gingen über 100.000 Menschen auf die Straße. Wir sahen auf den Demos Bilder von ArbeiterInnen mit Schildern, welche den Gouverneur in Anlehnung an den ägyptischen Diktator „Hosni Walker“ bezeichneten. Laut wurde skandiert: „Der Diktator von Wisconsin muss gehen!“ Ägyptische ArbeiterInnen haben sogar eine Solidaritätsbotschaft an die ArbeiterInnen von Wisconsin geschickt. Es gab SchülerInnenstreiks, spontane Kundgebungen, und es wurde sogar das Kapitol besetzt. Die Polizei, die entsandt wurde um die Demonstrationen aufzulösen, ging auf die Seite des Volkes über und nahm an der Besetzung teil. Auf ihren Jacken war „Cops for Labour“ zu lesen. Das ist eine äußerst bedeutsame Entwicklung.
In Europa kam es im Zuge der Krise ebenfalls zu großen Bewegungen der ArbeiterInnen und der Jugend: in Griechenland acht Generalstreiks binnen zwölf Monaten; eine riesige Streikbewegung in Frankreich, die 3,5 Millionen ArbeiterInnen auf die Straße brachte; große Uniproteste in Großbritannien; ein Generalstreik in Spanien; die Bewegung der MetallarbeiterInnen in Italien. Erst kürzlich gab es den größten Generalstreik in Portugal seit dem Fall der Diktatur im Jahre 1974. Selbst in den Niederlanden waren 15.000 StudentInnen in Den Haag auf der Straße.
Vor zwanzig Jahren freuten sich die Bürgerlichen über den Sturz des „Kommunismus“. Aber ihre Freude war verfrüht. Rückblickend wird der Fall des Stalinismus nur das Vorspiel für eine weitaus dramatischere welthistorische Entwicklung sein: Den revolutionären Sturz des Kapitalismus. Überall, auch in den Vereinigten Staaten, steckt das System in der Krise. Überall versucht die herrschende Klasse das volle Gewicht dieser Systemkrise auf die Schultern der ärmsten Bevölkerungsschichten zu laden.
Die aktuellen Bewegungen in der arabischen Welt weisen frappierende Ähnlichkeiten mit den Massenbewegungen auf, die zum Sturz der stalinistischen Regime in Osteuropa führten. Auf dem Papier hatten diese Regierungen einen mächtigen Staatsapparat, große Armeen, Polizei und Geheimpolizei zu ihrer Verfügung – aber das war zu wenig, um sich an der Macht halten zu können. Auch werden alles Geld und alle Armeen der Welt die Herrschenden in Europa und den USA nicht retten, wenn die ArbeiterInnen sich erst daran machen, die Gesellschaft zu verändern.
Die Massen haben in der Geschichte wieder und wieder die nötige Entschlossenheit und Kampfbereitschaft an den Tag gelegt, die es braucht, um die Gesellschaft zu verändern. Um siegreich zu sein, brauchen sie aber ein klares Programm und eine entsprechende politische Führung. Nur der Marxismus wird dieses Programm anbieten können, nur der Marxismus wird diese Führung hervorbringen. Die Zukunft ist unser.
* Es lebe die Arabische Revolution
* ArbeiterInnen aller Länder, vereinigt euch!
* Es lebe der Sozialismus, die einzige Hoffnung für die Zukunft der Menschheit!
* Thawra hatta‘l nasr!
London, den 14. März 2011