Auch die zweite Runde bei den Kollektivvertragsverhandlungen in der Metallindustrie brachte keinen Abschluss. Die Gewerkschaft rüstet sich nun für einen Arbeitskampf. Dieser Artikel basiert auf Berichten unserer Korrespondenten aus der Metallindustrie.
Nach der ersten Verhandlungsrunde, als die Arbeitergeberseite ihre Forderung nach einer Arbeitszeitflexibilisierung zurückgenommen hatte, schien der vorhergesagte Arbeitskonflikt in der Metallindustrie schon zu Ende, bevor es noch so richtig begonnen hat. Dass dies nicht der Fall sein würde, zeigten wir schon in unserem letzten Artikel zu dem Thema. Bei den Betriebsratskonferenzen vergangenen Freitag machten die Verhandlungsführer der Gewerkschaft klar, warum es doch keinen billigen Kompromiss geben wird – auch wenn sich die Kapitalisten das wünschen würden.
Die wirtschaftliche Lage in der Metallindustrie
Die Wirtschaftskrise im Jahr 2009 hatte einen massiven Einbruch der Industrieproduktion mit sich gebracht. Die Unternehmen reagierten auf diese Krise mit einem bisher nicht gesehenen Stellenabbau. Die Beschäftigung in der Metallindustrie ging letztes Jahr um 9% zurück, d.h. 9700 KollegInnen verloren in der Krise 2009 ihren Arbeitsplatz. Viele erhielten zwar eine Wiedereinstellungszusage, doch die meisten sind noch immer arbeitslos. Dabei hat sich die Auftragslage der Metallunternehmen bereits in den ersten Monaten des heurigen Jahres wieder deutlich verbessert (+23,2%). Die Gesamtindustrieproduktion dürfte 2010 um 3,4% zunehmen. Die Rezession in der Industrie und im verarbeitenden Gewerbe ist also erstmal hintangestellt. Trotz der zweistelligen Wachstumsraten in fast allen Sparten der Metallindustrie wurden auch von Jänner bis Mai dieses Jahr noch einmal 9% der KollegInnen auf die Straße gesetzt.
Wie die Krise auf den Rücken der Beschäftigten abgewälzt wird
Die Unternehmen nutzten die Krise also zu einem beispiellosen Angriff auf die Arbeitsbedingungen der Kollegen und Kolleginnen in der Metallindustrie und gerieren sich als aktive Krisengewinnler. Während auf der einen Seite Tausende ihren Job verloren haben, werden die, die weiterhin in Beschäftigung sind, wie die Zitronen ausgepresst. Es gehört mittlerweile zur gängigen Praxis der Unternehmen, dass sie die bereits bestehenden Flexibilisierungsregeln bei der Arbeitszeit bis ans Limit ausnutzen. Die tatsächliche Wochenarbeitszeit beträgt knapp unter 44 Stunden, obwohl der KV eine 38,5-Stunden-Woche vorsieht. In der Krise hat sich dieser Wert übrigens kaum verändert. Das ist nach Griechenland die höchste Überstandenzahl in der gesamten EU. In Vorarlberg gab es vor kurzem unter dem Druck der Gewerkschaft verstärkt Kontrollen der Arbeitsinspektion in Metallfabriken bezüglich der Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes. Dabei wurden in einem Betrieb nach dem anderen gesetzwidrige Übertretungen festgestellt. Auf den Zeitkonten, wo die Überstunden gesammelt werden, befinden sich in vielen Betrieben pro MitarbeiterIn 300-500 Stunden aus den letzten beiden Jahren. In ganz Österreich umfassen die von den Unternehmen verwalteten Zeitkonten Gutstunden im Wert von rund 1,5 Mrd. Euro, sprich 1,5 Mrd. nicht ausbezahlte Löhne. Aufgrund der engen Personaldecke in den Betrieben ist es den KollegInnen aber fast unmöglich diese angehäuften Gutstunden zu konsumieren.
Wenn Betriebe angesichts der steigenden Auftragszahlen Leute einstellen müssen, dann passiert das fast zur Gänze über Leiharbeitsfirmen. Teilweise sind in den Fabriken bereits 30-40% der Gesamtbelegschaft ZeitarbeiterInnen. In den meisten Betrieben werden auch am Wochenende regelmäßig Überstunden geleistet. Der Betriebsratsvorsitzende einer der größten Leiharbeitsfirmen berichtete bei der Betriebsratskonferenz in Wien, dass dieses Unternehmen ihm Jahr 2008 1750 LeiharbeiterInnen im Angebot hatten, im letzten Jahr 900 und heuer bereits wieder 2800, mit weiteren 4600 potentiellen Leiharbeitskräften auf Abruf.
Bei Angestellten und vermehrt auch bei ArbeiterInnen haben die Unternehmen über den Weg der “All-in”-Verträge ein Mittel gefunden, um die Lohnkosten massiv zu senken. Damit ersparen sie sich die Zahlung von Zuschlägen, weil bei diesen Arbeitsverträgen das Entgelt die gesamten Leistungen, unabhängig von der Anzahl der tatsächlich geleisteten Stunden und Leistungen (Fahrtengelder, Montagezuschläge,…), abdeckt. Im Endeffekt müssen viele Beschäftigte so viele Mehrstunden machen, dass ihre Entgeldzahlungen unter dem KV-Lohn liegen, womit der KV still und heimlich unterminiert wird.
Das erklärt auch, warum die Lohnstückkosten in Österreich dieses Jahr massiv sinken werden (-6,2%), was die Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Industrie gegenüber den anderen EU-Staaten stark verbessern wird. Die Kapitalisten können also schwerlich behaupten, dass es ihnen wirtschaftlich schlecht geht. Und selbst im Rezessionsjahr 2009 haben sie sich eine goldene Nase verdient. Laut einer Studie der Arbeiterkammer wurden in 170 untersuchten Unternehmen nicht weniger als 2,2 Mrd. (!) Euro an Dividenden und Gewinnausschüttungen abgeschöpft. Für die gesamte Branche würde dieser Wert schätzungsweise bei ca. 3 Mrd. Euro liegen. Allein die 2,2 Mrd. Euro machen 41,2% der gesamten Personalkosten in der Metallindustrie aus. Es ist also überhaupt nicht einzusehen, warum die ArbeiterInnen den Gürtel weiterhin enger schnallen sollen, wenn die Damen und Herren in den Chefetagen selbst in der Krise so abkassieren konnten. Diese 2,2 Mrd. Euro entsprechen 75 Prozent der erwirtschafteten Erträge dieser Betriebe, was nichts anderes heißt, als dass für jeden Euro der vom Ertrag im Betrieb wieder investiert wurde, drei Euro an die Eigentümer und Aktionäre ausbezahlt wurden!
Die Konterrevolution an der Werkbank stoppen!
Auf diese Konterrevolution auf betrieblicher Ebene muss die Gewerkschaft reagieren, sonst wird sie scheibchenweise demontiert. Seit Monaten laufen gewerkschaftsintern die Vorbereitungen für einen harten Konflikt. Und das dürfte mehr als Säbelrasseln sein. Die Art und Weise wie heute die Gewerkschaftsführung die Betriebsratskonferenzen abhielt, unterscheidet sich in mehrfacher Hinsicht von der bisher bekannten Praxis in KV-Verhandlungen.
Derzeit stehen drei Punkte für die Gewerkschaft im Mittelpunkt ihres Forderungspakets:
– Eine Lohnerhöhung von über 3 Prozent;
– Eine Verkürzung der tatsächlichen Arbeitszeit, um geregelte Beschäftigung zu sichern und zu erzwingen;
– Lehrlinge sollen einen Teil der Prämien bei einem erfolgreichen Abschluss des “Praxistests” bekommen. Diese Prämien sind eine staatliche Förderung in der Höhe von 3000 Euro, die derzeit zur Gänze der Lehrherr kassiert.
Erstmals legt sich die Gewerkschaft mit diesem Forderungspaket vor der Basis relativ genau fest, welche Lohnerhöhung sie durchsetzen will. Einen Lohnzuwachs von unter 3 Prozent will sie heuer nicht akzeptieren. Und sie präsentiert bereits jetzt eine sehr genaue Eskalationsstrategie für den Fall, dass am Verhandlungstisch ihre Forderungen nicht durchzubringen sind. Bei der Forderung nach einer Verkürzung der Arbeitszeit versucht sie zwar bewusst die Erwartungen möglichst niedrig zu halten und stellt die KollegInnen in den Betrieben auf einen längeren Kampf ein. In dieser Frage ist die Industriellenvereinigung aber zu keinerlei Zugeständnissen bereit. Das bedeutet, dass auch in diesem Punkt die Zeichen auf Sturm stehen.
Die Unternehmer sind weit davon entfernt, diesen Forderungen nachzukommen. Dazu kommt noch, dass ihr Verhandlungsführer Christoph Hinteregger aus Vorarlberg als echter Falke gilt und besonders arrogant gegenüber den Gewerkschaften auftritt. In der zweiten Verhandlungsrunde hätten sie 1,9 Prozent Lohnerhöhung sowie eine Einmalzahlung angeboten. Die Arbeitgeber hofften auf einen schnellen Abschluss bei der Lohnrunde, damit es nicht mitten in die Budgetverhandlungen auch noch eine Eskalation in der Metallindustrie gibt, was zu einer gesamtgesellschaftlichen Radikalisierung führen könnte. Und ihr vorrangiges Ziel, sich über eine “Arbeitszeitflexibilisierung” die Überstundenzuschläge zu ersparen, wollen sie an die Regierung delegieren.
Bei den Betriebsratskonferenzen am 22. Oktober hat sich die Gewerkschaft vor den BetriebsrätInnen auf einen Arbeitskampf festgelegt. Falls die Arbeitgeber nicht großzügig auf die Gewerkschaftsforderungen eingehen, wird sie kämpfen müssen. Wir begrüßen es, dass sich die Gewerkschaft nach Jahren endlich kampfbereit zeigt und nicht schon Hintertüren offen lässt, die es ihr ermöglichen dann doch Kompromissen zuzustimmen, die nicht im Interesse der ArbeiterInnen sind. Diesmal könnte sie der eigenen Basis eine selbstverhandelte Niederlage nicht so ohne weiteres als (Teil-)Sieg verkaufen. Und das ist gut so!
Wie soll der Kampf nun geführt werden?
Die Gewerkschaftsführung will in der ersten Phase durch Gespräche mit den Geschäftsführungen und Betriebsleitungen das Verhandlungsteam der Arbeitgeber unter Druck setzen. Das alleine wird aber nicht viel bringen. Wichtig ist, dass jetzt die Belegschaften in Betriebsversammlungen noch vor der nächsten Verhandlungsrunde am 5. November ausführlich über den Stand der Verhandlungen und die Argumentationslinien bzw. das Forderungspaket der Gewerkschaft informiert werden. Die KollegInnen müssen die Möglichkeit haben sich selbst ein Bild zu machen und ausführlich über alle relevanten Fragen diskutieren können. Der Gewerkschaftsführung muss für die Verhandlungen der Rücken gestärkt werden. Das geht am besten, wenn die Belegschaften in Abstimmungen klar feststellen, welche Forderungen sie erheben.
Bei den Betriebsratskonferenzen war jedenfalls ersichtlich, dass die meisten KollegInnen den neuen Kurs der Gewerkschaftsführung positiv aufnehmen. In Vösendorf bei der Konferenz für die Metallbetriebe des südlichen Niederösterreich, in Wien und Oberösterreich waren die Wortmeldungen von den Betriebsräten durchwegs kämpferisch. Zwei Kollegen machten in der Diskussion den Vorschlag, dass ab sofort nur noch “Dienst nach Vorschrift” gemacht wird, d.h. die Überstunden (v.a. jene am Wochenende) kollektiv verweigert werden. Das wäre der beste Weg, um schnell Druck auf die eigenen Geschäftsführungen zu machen. Ein Betriebsrat forderte, dass die Gewerkschaft den Kampf für eine gesetzliche Begrenzung des Anteils an LeiharbeiterInnen in der Belegschaft beginnen müsse. Ein Kollege berichtete, dass er ein Mail von der Geschäftsführung erhalten habe, wonach er keine Flugblätter der Gewerkschaft mehr verteilen bzw. Plakate aufhängen dürfe. In anderen Betrieben würden die Aushänge der Betriebsräte von den Betriebsleitern überklebt, obwohl das ein eindeutiger Verstoß gegen das Koalitionsrecht ist. Das ist ein kleines Indiz dafür, wie aggressiv die Arbeitgeber auftreten. Der Kollege stellte fest, dass sich die Betriebsräte solche Provokationen nicht gefallen lassen dürfen und in die Öffentlichkeit gehen müssen (z.B. mittels Verteilaktionen vor den Werkstoren).
Den MetallarbeiterInnen und ihrer Gewerkschaft steht ein harter Arbeitskampf bevor, in dem sie die Solidarität der gesamten ArbeiterInnenbewegung brauchen. Sie sind nicht länger bereit, dass die Krise von den ArbeiterInnen und Angestellten bezahlt wird und gleichzeitig die Kapitalisten weiter Geld scheffeln. Schon im Sommer wurden gewerkschaftsintern die Vorbereitungen für einen heißen Herbst getroffen. Wenn wir unsere mehr als legitimen Forderungen durchsetzen wollen, dann werden wir wohl unsere ganze Macht demonstrieren müssen. Unser Motto muss wieder lauten: “Alle Räder stehen still, wenn unser starker Arm es will”! Wenn die Kapitalisten weiter auf stur schalten, dann hilft nur eins: Streiks bis wir unsere Forderungen durchgesetzt haben!
Der Arbeitskampf in der Metallindustrie fällt zusammen mit dem größten Spar- und Belastungspaket seit Jahrzehnten. Die Regierung hat nun ihre Pläne präsentiert, wie sie das Budget konsolidieren will. Wie erwartet bringt dieses Budget einen Angriff auf alle Lohnabhängigen und speziell auf die Jugend. Wenn die MetallarbeiterInnen entschieden für ihre Forderungen nach mehr Lohn und einer kürzeren Arbeitszeit kämpfen, dann könnte das das Signal für eine breite Bewegung gegen Sozialabbau werden.
“Der Funke” wird den Kampf der MetallarbeiterInnen mit voller Kraft unterstützen.