Interview mit Karl-Heinz Klausner, Betriebsratsvorsitzender der ArbeiterInnen am Produktionsstandort der Saline Ebensee und Hauptmotor des Widerstands der dortigen Belegschaft gegen die brachialen Methoden der Geschäftsführung.
Kannst Du uns ein paar Informationen zu Deinem beruflichen und gewerkschaftlichen Werdegang in der Saline geben?
Ich bin seit 11 Jahren in der Saline beschäftigt, zuerst 6 Jahre als Maschinist und nun seit 5 Jahren als Lagerarbeiter. Ich bin seit Anbeginn gewerkschaftlich im Betrieb aktiv und wurde im April 2010 als neuer, nicht freigestellter Vorsitzender des Arbeiterbetriebsrats gewählt, nachdem der ehemalige Vorsitzende aus gesundheitlichen Gründen zurückgetreten war. Unser Arbeiterbetriebsrat besteht aus 5 Voll- und 5 Ersatzmitgliedern, alle von der Fraktion Sozialdemokratischer GewerkschafterInnen (FSG).
Wie viele MitarbeiterInnen vertrittst Du als Betriebsratsvorsitzender?
Am Produktionsstandort der Saline (wo das Salz von den div. Sondenfeldern angeliefert und weiterverarbeitet wird) in Ebensee haben wir 135 ArbeiterInnen und 102 Angestellte. Insgesamt sind wir also in Ebensee rund 240 Leute. In den eigentlichen Bergbaustandorten sind weniger Mitarbeiter beschäftigt, in Bad Ischl ca. 40, in Hallstadt ca. 40 und in Bad Aussee ca. 50. Hallein ca. 30. Unmittelbar vertrete ich also die 135 ArbeiterInnen an diesem Produktionsstandort.
Nun zu Eurem Konflikt mit der Geschäftsführung.
Das hat viele Aspekte. Im Zentrum steht sicherlich einmal die plötzliche Änderung der Schichtzeiten und hier vor allem die für die Mitarbeiter sehr ungünstige Nachtschicht. Ungünstig deshalb, weil diese jetzt erst um 23:00h anfängt und die Mitarbeiter somit die halbe Nacht auf den Beginn der Schicht warten müssen. Außerdem wurde die Schicht auch bis 7:00h am Morgen verlängert, was heißt, dass die Morgenschicht erst um 7:00h beginnt, was dem Wunsch fast aller Mitarbeiter nach einem früheren Beginn widerspricht.
Doch das wäre ja alles noch kein großes Problem, könnte man mit der Geschäftsführung ein vernünftiges Gespräch führen und diese Dinge verhandeln. Doch die fährt einfach nur über uns drüber und erklärt alles für unverhandelbar. Das ist schlimm, denn die neuen Schichtzeiten haben auf die Kollegen sehr negative Auswirkungen. Viele können nur mehr mit Schlaftabletten ausreichend Schlaf finden. Manche sind in ihrem Rhythmus so zerrüttet, dass sie komplett verzweifeln. Dass hat auch damit zu tun, dass das tägliche Leben für die Mitarbeiter immer unplanbarer wird, aufgrund der Praxis, dass der Schichtrhythmus plötzlich während der Woche umgestellt wird und man es schlimmstenfalls erst ein paar Stunden vorher erfährt. Man wird solange telefonisch terrorisiert – d.h. bis zu 40x angerufen, wenn man nicht abhebt – dass man gar nicht aus kann.
Ein großer Beweggrund also, warum ich mich nun so für unseren Protest engagiere, ist somit der, dass mir diese Kollegen einfach nicht egal sein konnten. So wurde ich in der vergangenen Zeit selbst zuhause von den Kollegen oder auch ihren Ehepartnern aufgesucht und sie schilderten mir unter Tränen, dass sie (oder ihre Ehepartner) diesen Job nicht mehr aushalten würden, gleichzeitig aber ihre Existenz darauf beruhen würde, sie sähen keinen Ausweg mehr und ich müsse nun unbedingt etwas machen.
Neben diesem „Schichtproblem“ haben wir aber auch mit dem generellen Angstregime im Betrieb zu kämpfen, das die Geschäftsführung, wie es scheint, immer weiter ausbauen will: So wurde fünf langjährig beschäftigten und sehr zuverlässigen Kollegen ohne Begründung oder mit nur sehr fadenscheinigen Anschuldigungen gekündigt und das zu einer Zeit, wo 25 neue Leute eingestellt wurden. Zwar sind vier dieser Kündigungen noch beim Arbeitsgericht anhängig, doch man kann jetzt schon sagen, dass alle KollegInnen dadurch extrem verunsichert sind. Gerade durch die Unerklärlichkeit der Kündigungen fragt sich ein jeder insgeheim: „Bin ich der Nächste?“ Manch einer wird vielleicht bald von selbst das Handtuch werfen. So wird langsam aber stetig die erfahrene und streitbare Belegschaft durch neue, unerfahrene und – soll es nach dem Willen der Geschäftsführung gehen – natürlich auch „zahmere“ Mitarbeiter ersetzt.
Das Angstregime hat aber auch noch „tiefere“ Methoden: Immer wieder bekomme ich von KollegInnen erzählt, dass dieser oder jener Vorgesetzte sinngemäß gesagt hat: „Wenn Du nicht spurst, dann fängst Du eine!“ Vor allem diese Unmenschlichkeit in der Führung im Betrieb treibt uns auf die Barrikaden. Und natürlich der Umstand, dass wir seit November letzten Jahres keinerlei gültige Betriebsvereinbarung über die geänderten Schichtzeiten (Schichtmodell) und einige andere Dinge zustande bringen, da sich die Geschäftsführung beharrlich weigert, uns als gleichwertige Gesprächspartner anzuerkennen. Vielmehr versucht sie, Stimmung im Betrieb gegen den Betriebsrat zu machen, so im Sinne von: „Hört nicht auf die, das ist nur eine kleine, verrückte Minderheit“!
Stichwort Barrikaden: Was habt Ihr nun unternommen, um gegen das Vorgehen der Geschäftsführung zu kämpfen?
Nachdem wir also sahen, dass man uns bei den Verhandlungen nicht ernst nimmt, haben wir eine schärfere Gangart beschlossen. Wir hielten am 3. September eine öffentliche Betriebsversammlung (siehe unseren Bericht) vor dem Werkstor ab. Der 3. September bot sich da für uns insofern an, da an diesem Tag der Tag der offenen Tür in der Saline abgehalten werden sollte. Ich sage „sollte“, da die Geschäftsführung schnell kalte Füße bekam und den Tag der offenen Tür absagte. Öffentlich mit der Wahrheit konfrontiert zu werden, ist also, wie es scheint, nicht die Sache der Geschäftsführung. Im zweiten, nicht öffentlichen Teil der Betriebsversammlung, stimmten dann in einer geheimen Abstimmung 64% der Belegschaft für eine Resolution, wo die Eigentümer der Salinen Austria AG sinngemäß aufgefordert werden, alle Bestimmungen einzuhalten und das Angstregime zu beenden (siehe die Resolution weiter unten). Die 64% sind vor dem Hintergrund zu sehen, dass sich zwar der Angestelltenbetriebsrat klar solidarisch zeigt, nicht aber alle Angestellten. Einigen wird von der Geschäftsführung erfolgreich eingeflüstert, dass alles gar nicht so sei, wie wir es darstellen usw. Aber es ist jedenfalls eine klare Mehrheit.
Wie soll es weitergehen?
Wir warten nun einmal auf die Antwort der Eigentümer auf unsere Resolution, die bis jetzt noch aussteht. Natürlich haben wir schon weiterführende Pläne, sollten wir weiterhin ignoriert werden, doch ich bitte um Verständnis, das ich über diese Pläne momentan Stillschweigen halten muss.
Euer beherztes Vorgehen stellt für uns jedenfalls einen Lichtblick in diesen düsteren Zeiten des großteils schweigenden Ertragens der Auswirkungen der Wirtschaftskrise dar. Euer Beispiel sollte da meiner Meinung nach Schule machen.
Das sehe ich auch so. Die Gewerkschaften müssen endlich wieder kämpfen, müssen auch endlich wieder streiken (lernen). Insofern unterstütze ich auch vollkommen die Anstrengungen der PRO-GE Gewerkschaft, bei den künftigen KV-Verhandlungen eine Arbeitszeitverkürzung durchzusetzen. Gerechtigkeit muss her! Die Wirtschaftskrise darf nicht auf unserem Rücken, d.h. dem Rücken der ArbeitnehmerInnen, abgeladen werden. Ich bin großer Zuversicht, dass die Gewerkschaften im Herbst kämpfen werden, ich habe ja auch ein Streikseminar der PRO-GE besucht. Überhaupt muss ich sagen, dass uns beim jetzigen Konflikt bisher die landesweite Gewerkschaftsführung sehr unterstützt und oftmals besucht hat.
In den Medien konnte man aber lesen, dass sich ein Zentralbetriebsrat der Salinen AG gegen Euch gestellt hatte?
Das betrifft nur einen Stellvertreter des Vorsitzenden – Johannes Weissenbacher – aus dem Angestellten-Bereich. Der Vorsitzende selbst – Bernhard Pühringer – hat uns zugesichert, dass er zum Produktionsstandort Ebensee steht.
Und was erwartest Du Dir als sozialdemokratischer Gewerkschafter von der SPÖ, angesichts der drohenden Sparpakete zur Budgetsanierung im Herbst?
Dass da die SPÖ das Bestmögliche herausholt und keinen Einsparungen auf unsere Kosten zustimmt.
Ich danke für das Gespräch!
Das Interview wurde am 7. September von Martin Wieland, Mitglied des SprecherInnenteams der SPÖ-Linke, geführt.