Um den Kampf gegen den Kapitalismus bestmöglichst führen zu können, braucht die Arbeiter- und Jugendbewegung klare Ideen und Strategien. Willkürliche Einschränkungen auf Demonstrationen, verschiedene Ideen zu präsentieren und diskutieren, behindern den Prozess und helfen letztendlich nur Kapital und Staat.
Neben dem traditionellen SPÖ-Maiaufmarsch und anderen Demonstrationen fand am 1. Mai in Wien heuer auch die antikapitalistische MayDay-Demo statt. Diese Demo ist mittlerweile der wichtigste Anknüpfungspunkt für die revolutionär und antikapitalistisch gesinnte Jugend. So folgten dem Aufruf der OrganisatorInnen über 4.000 mehrheitlich junge Leute, obwohl der Kundgebungsort kurzfristig auf Anweisung der Polizei vom viel zentraler gelegenem Platz der Menschenrechte verschoben wurde. Auch andere zentrale Plätze wurden teilweise ohne Begründung als Treffpunkt abgelehnt. Schlussendlich waren so sowohl Treffpunkt als auch die Demoroute etwas abgelegen – und dennoch war die Demo größer als das Jahr zuvor.
Dies ist ein Ausdruck der Radikalisierung, die sich in der Gesellschaft vor unseren Augen vollzieht und einen stetig wachsenden Teil der Jugend davon überzeugt, dass ein Kampf gegen den Kapitalismus und seine Auswüchse notwendig ist. Dementsprechend kämpferisch war auch die Stimmung. Antikapitalistische und revolutionäre Slogans dominierten die Demo, ebenso der Slogan der revolutionären Bewegung im Iran („Frau, Leben, Freiheit!“) und antifaschistische Sprüche.
Leider haben die OrganisatorInnen heuer auf ein Konzept gesetzt, das den freien Austausch der verschiedenen Ideen, die in den Organisationen der antikapitalistischen Linken existieren, verhindern sollte. So wurde im Vorhinein verkündet, dass Infotische angemeldet werden müssen. Die Antwort auf unsere Anmeldung war die willkürliche Nachricht, dass ein Infotisch unsererseits „nicht erwünscht“ sei. Auch die Anzahl an Fahnen pro Organisation (maximal 2) wollten die VeranstalterInnen bestimmen.
Derartige Hürden sind beim Meinungsaustausch und dem Prozess der Klarifizierung der verschiedenen Ideen der Linken hinderlich. Es sind antidemokratische Methoden, die wir aus der Bürokratie in der Arbeiterbewegung kennen. Das ist leider kein Einzelfall: Schon zu Beginn der Fridays-for-Future-Proteste (FfF) und an der letzten Demo zum Weltfrauentag versuchten OrganisatorInnen, solche willkürlichen Beschränkungen durchzusetzen. Bei FfF trug das dazu bei, dass die herrschende Klasse über die Grünen viel Einfluss über die Bewegung gewinnen konnte: Sie hat es mit ihren Massenmedien, dem Staatsapparat und lukrativen Jobangeboten für die richtigen Leute nicht nötig, auf einer Demo sichtbar zu sein, um Einfluss auszuüben. Sie profitiert, wenn die Organisationen der revolutionären Linken unsichtbar gemacht werden.
Leider waren diese falschen Methoden, die letztendlich nur den Bürgerlichen größere Spielräume geben, auf der MayDay-Demo unter anderem auch sichtbar im Umgang von Demo-Ordnungspersonen mit Funke-UnterstützerInnen. Anstatt gemeinsam und solidarisch die Ideen zu diskutieren, die den Kampf gegen den Kapitalismus und gegen den bürgerlichen Staat voranbringen können, versuchten sie ein freies Auftreten mit unseren Ideen zu verhindern, indem sie Druck auf uns ausübten unseren Infotisch zu entfernen. Als die anwesenden Funke-UnterstützerInnen dem nicht nachgaben, beschimpfte eine Ordnungsperson einen Genossen und versuchte den Infotisch wegzuschieben. Laut ihr „wollen wir hier keine trotzkistische Führerorga die Jugendliche organisiert“.
„Wir“ kann sich dabei schwer auf die über 4000 Demonstrationsteilnehmer beziehen, unter denen es keine Abstimmung oder Diskussion über die Anwesenheit der MarxistInnen gab. Falls die Ordnungsperson mit „wir“ die Organisatoren gemeint haben sollte, sei hier nur gesagt, dass die Menschen am 1.Mai auf die Straße gehen, weil dieser Teil der kämpferischen Tradition der Arbeiterklasse und Jugend ist – die nicht einzelnen Organisatoren, sondern uns allen gehört, und der Marxismus ist ein fester Bestandteil davon.
Was mit „Führerorga“ gemeint sein könnte, wird wohl ebenfalls sein Geheimnis bleiben, nachdem es Funke-UnterstützerInnen sind, die für Demokratie in der Bewegung eintreten, während sie versuchte, genau diese offene Debatte zu verhindern. Die Frage der Führung der Jugend und Arbeiterklasse ist das brennende Problem unserer Zeit. Die Arbeiterklasse und Jugend kann dieses Problem nur lösen, indem sie die einzelnen Organisationen, die die Anleitung der Kämpfe auf sich nehmen wollen, abtestet – ob diese nun gewählt sind oder ungewählt „de facto“ existieren. Verbietet man linken Organisationen ein offenes Auftreten, verhindert man diesen Prozess und stärkt indirekt den Einfluss der herrschenden Klasse.
Und was gegen die Organisierung von Jugendlichen spricht, können wir am wenigsten nachvollziehen: Jeder Jugendliche sollte sich in der tiefsten Krise des Kapitalismus organisieren, um einen Beitrag zum Sturz dieses Systems zu leisten. Wir denken, dass der Marxismus die beste Grundlage dafür bietet, aber wir zwingen natürlich niemanden, sich uns anzuschließen, sondern laden jeden ein, sich mit unseren und anderen Ideen zu beschäftigen und sich auf dieser Grundlage zu entscheiden. Die Bewegung braucht diese offenen und demokratischen Debatten!
Wir weisen alle Einschüchterungsversuche auf das Schärfste zurück und fordern alle antikapitalistischen Kräfte dazu auf, sich solidarisch und gewaltfrei an Debatten innerhalb der Bewegung zu beteiligen. Angesichts der Zuspitzung der kapitalistischen Krise, von Klimawandel, Krieg und Inflation brauchen wir eine offene Debatte und Klarifizierung mehr denn je, um gegen die Bosse und ihr System zurückschlagen zu können. Wir müssen unsere Angriffe dorthin fokussieren, wo sie hingehören: auf die herrschende Klasse!
- Für einen solidarischen Umgang – für eine demokratische Atmosphäre des freien Meinungsaustauschs in der Bewegung
- Volle Freiheit im politischen Auftreten aller antikapitalistischer und linker Kräfte ohne willkürliche Beschränkungen – weder durch den Staat und das Kapital, noch durch bürokratische Manöver innerhalb der Bewegung