Die Chaostage der österreichischen Politik nehmen kein Ende. So ist für Österreichs Kapitalisten sicher beruhigend, was spätestens seit den ÖVP-Chatprotokollen auch schwarz auf weiß verbrieft ist: Relevante Entscheidungen werden nicht im Parlament, sondern in Hinterzimmern und den Chefetagen der großen Konzerne getroffen.
In dieses Bild passt auch die „European Gas Conference“, die Ende März in Wien stattfindet und „die Zukunftssicherheit von Gas im zukünftigen Energiemix“ sicherstellen will. Sprechen werden Vertreter von Banken und Hedgefonds wie BlackRock, die für ihre wohlhabenden Klienten Kapital gewinnbringend investieren, indem sie Konzernen (wie der OMV) Kapital für gewinnbringende Projekte vermitteln. Diese Investments müssen politisch koordiniert werden, weshalb auch ein langjähriger Mitarbeiter für Energiefragen der Europäischen Kommission vor Ort spricht, der derzeit in der EU-Kommission den Ausstieg aus russischem Gas verantwortet.Die Zukunft fossiler Brennstoffe ist keineswegs besiegelt. Kapitalisten, die stark in fossile Energie investiert haben, haben kein Interesse an einem Ausstieg. Die westlichen Erdölkonzerne schrieben im vergangen Jahr Rekordprofite in der Höhe von 210 Mrd. USD und schütteten mehr als 110 Mrd. USD an die Aktionäre aus.
Ironischerweise könnten gerade Erdölkonzerne, die auf Bohrungen und Erforschung der Erdkruste spezialisiert sind, relativ leicht umgestellt werden. So gibt es ein Forschungsprojekt von Wien Energie und OMV, das besagt, dass allein mit heißen Quellen unter Wien bis zu 120.000 Haushalte mit Wärme versorgt werden könnten. Doch eine Gesamtumstellung der Energieproduktion ist kapitalintensiv und unsicher. Für fossile Energieträger existiert eine eingespielte Infrastruktur, wie Hochspannungsleitungen, die Gasmeiler mit Industriegebieten verbinden oder ein bestehendes Netzwerk von Gaspipelines. All das existiert für Erneuerbare nicht, beispielsweise liegt ein Großteil des bekannten Geothermie-Potentials der USA in Nationalparks, weit entfernt von Infrastruktur und Industrie.
Hier liegt ein weiteres Problem: Nicht (nur) die „böse Erdöllobby“ zwingt die Nationalstaaten, Klimaziele zu ignorieren, sondern auch die Konkurrenz der Nationalstaaten untereinander. Fossile Energieträger sind der wichtigste Energielieferant und über ein Jahrhundert tief in die Produktionsketten eingebettet. Eine abrupte Abkopplung von fossilen Brennstoffen schwächt die Position eines einzelnen imperialistischen Staates im Wettbewerb. In Europa soll etwa die Anzahl von Flüssiggas-Terminals auf 34 ausgebaut werden – eine Verdreifachung. Mit Förderung des deutschen Staates sollen elf davon in Deutschland stehen, mit einer Gesamtkapazität, die die russischen Gasimporte vor dem Krieg übersteigen wird. Die Klimaziele sind mit einem Revival der Kohleverstromung und der Zementierung der Gasindustrie nicht erreichbar. Doch hier findet ein Wettlauf europäischer Nationalstaaten statt, die zukünftige Energiedrehscheibe Europas zu werden und gleichzeitig den eigenen Kapitalisten möglichst sicher billige Energie zu gewährleisten.
Der frühere Senior Energy Advisor der Obama-Regierung David Goldwyn erklärt die Bedeutung einer ausgebauten Produktion fossiler Energieträger. „Fracking hat die USA wieder an die Spitze der Geopolitik katapultiert. Sie ist in einer Position, wo sie sich nicht über weltweite Verfügbarkeit von Öl und Gas Gedanken machen muss und das gibt uns immense Handelsfreiheiten in internationalen Angelegenheiten.“ Gleichlautend US-Außenminister Blinken nach der Sabotage an den Nord-Stream Pipelines: „Das ist eine gewaltige Möglichkeit sich von russischer Energie unabhängig zu machen.“
Die Umstellung auf die Erneuerbaren läuft chaotisch, konfliktiv und der Erfolg ist gar nicht gegeben. Der Grund dafür ist, dass es den Herrschenden nicht um die Rettung des Planenten geht, sondern um die Profitinteressen des (jeweils heimischen) Kapitals. „Greentech“ ist ein Kampfbegriff für Protektionismus und Kontrolle von Produktionsketten geworden. Der bereits vereinbarte Ausstieg aus den Verbrennungsmotoren im Verkehr bis 2040 steht etwa wieder auf der Kippe, weil die Autoindustrie in Deutschland, Italien und Österreich stark in den Regierungszimmern lobbyiert. Bundeskanzler Nehammer bezeichnete in seiner „Zukunftsrede“ so zuletzt Österreich als „Land der Autofahrer“.
Im Kampf gegen den Klimawandel und seine Folgen braucht es einen weltweiten rationalen Gesamtplan, wo sich jedes kleine Rädchen dem größeren Ganzen unterordnet. Doch im Kapitalismus lenken allein Profitinteressen die Investitionen und Produktion. Niemand, auch nicht Regierungen und der von ihnen finanzierte Wissenschaftsbetrieb, vertritt ein rationales gesellschaftliches Gesamtinteresse.
Doch das stößt auf immer mehr Widerstand. Die aktuelle Block-Gas-Initiative, die aus ganz Europa nach Wien mobilisiert, um die oben erwähnte Gaskonferenz zu blockieren und stillzulegen, spricht von der Notwendigkeit, den „Kapitalismus zu überwinden“. Das ist ein wichtiger Schritt nach vorne. Die vorherrschenden Illusionen in der Klimabewegung in bürgerliche Regierungen, Ministerien, Gerichte etc. müssen überwunden werden, um dem Kampf gegen die Klimakatastrophe eine neue Perspektive zu geben. Sie sind über tausend Fäden mit dem Kapital verbunden und werden nur in dessen Interesse handeln. Man kann die herrschende Klasse nicht „demokratisieren“, sie muss gestürzt und durch eine andere Macht ersetzt werden.
Dieses Potential hat die Arbeiterklasse – die Lohnabhängigen dieser Welt, die die Gesellschaft mit ihrer Arbeit am Laufen halten. Ihre Macht sehen wir aktuell in Frankreich, wo ArbeiterInnen im Kampf gegen eine Pensionsreform in sogenannten „Robin Hood Aktionen“ dazu übergegangen sind, den Strom in Villenvierteln ab-, dafür für arme Familien wieder anzudrehen, und für Krankenhäuser und Schulen verbilligte Preise abzurechnen.
Diese Kontrolle über die Produktion, die die Arbeiterklasse hier ausübt, gilt es auf alle Bereiche der Gesellschaft auszuweiten. Diese Kontrolle brauchen wir nicht nur über die fossilen Energieriesen, sondern über die ganze Großindustrie und Banken, die alle enteignet werden müssen.
Der einzige Ansprechpartner der Klimabewegung, der ihre Ziele wirklich durchsetzen kann, ist die Arbeiterklasse. Keine Aktion von einzelnen Aktivisten oder Aktivistengruppen kann sie ersetzen. Sie wird derzeit von ihren bankrotten reformistischen Führungen zurückgehalten. Doch sie allein hat das Potential, den Kapitalismus in einer Revolution zu stürzen und eine rationale an den Bedürfnissen von Mensch und Natur ausgerichtete Wirtschaft zu etablieren. Das bedeutet, dass alle Aufrufe, alle Forderungen und alle Kampfmethoden in der Klimabewegung und darüber hinaus davon durchdrungen sein müssen, an die Arbeiterklasse zu appellieren und sie für einen massenhaften Kampf zu gewinnen. Dafür steht die International Marxist Tendency, in Österreich der Funke. Stärke diese Ideen und schließ dich uns an!
Wien, am 21.03.2023
Aus dem Inhalt
- Österreich
- SPÖ-Vorsitz: Not gegen Elent (Update: „Die Krise des österreichischen Kapitalismus und die SPÖ-Spitzenkandidatur von Andi Babler„)
- Dank Krieg: Raiffeisen-Profite explodieren
- Bürgerliche wollen Milliarden-Subventionen und Fachkräfte
- Leserbrief: Ich spucke auf eure Gleichberechtigung
- Kultur & Technik
- „Im Westen nichts Neues“: Brutale Geschichtsverfälschung
- Open for profit, closed for science
- Warum ich aktiv geworden bin (von Emil)
- Betrieb & Gewerkschaft
- AUA: Die Bosse sollen zahlen
- Frühjahrslohnrunde: Aus den Erfahrungen lernen!
- Über Bildung, Personalmangel und Leistungen …
- Schwerpunkt
- Nach einem Jahr Krieg: Wohin steuert Russland?
- Die Gewerkschaften und die Ukraine
- Über uns
- Marxistisches Pfingstseminar 2023: Ohne revolutionäre Theorie keine revolutionäre Praxis
- Lesekreise & Termine
- Gesellschaft
- Wo steht die Bewegung gegen Frauenunterdrückung?
- Bankenkrise
- Vom Silicon Valley zum Züricher-See: Täler imperialistischer Tränen
- Von Anleihen, Zinsen und Einlagen
- International
- Zugunglück in Griechenland: Kein Unfall, sondern Verbrechen!
- Israel: Massenproteste zeigen tiefe Staatskrise
- Macron in Pension schicken – für den unbefristeten Generalstreik!
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