Angesichts der zunehmenden Turbulenzen der Weltwirtschaft veröffentlichen wir eine Analyse der weltwirtschaftlichen Entwicklung seit 1945. Wir wollen zeigen, wie sich die Krisentendenzen, die die marxistische Theorie am Kapitalismus diagnostiziert, in der Realität entfalten. Im diesem ersten Teil einer dreiteiligen Serie untersuchen wir die Nachkriegszeit bis zur Krise 1974. Der zweite Teil unterzieht Keynesianismus und Neoliberalismus einer marxistischen Kritik. Im dritten Teil werden wir die Entwicklung der Weltwirtschaft der letzten Jahrzehnte analysieren und skizzieren die Perspektiven für die Weltwirtschaft. Von Josef Falkinger jun. Teil 2, Teil 3
Vorwort
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit den Krisentendenzen des Kapitalismus. Genau während den letzten Wochen der Fertigstellung gelangen auch die anerkannten Institutionen bürgerlicher Wirtschaftsforschung zusehends zu der Einschätzung, dass eine Rezession zumindest in den USA bevorstehen könnte. Die OECD schätzt, dass die schlussendlichen Verluste der aktuellen Kreditkontraktion 300 Mrd. US-Dollar betragen werden, was im Vergleich zu anderen Instituten eine vorsichtige Schätzung ist. Dies wären nahe zu 1 % des jährlichen Bruttoinlandsproduktes der Welt.
Nach dem Einbruch der Weltbörsen im August konnten ein Zusammenbruch der Weltbörsen, eine Rezession und ein „Bank Run“ nur durch einen massiven Eingriff der Notenbanken, Zinssenkungen und der finanziellen Rettung ganzer Banken wie der britischen „Northern Rock“ durch die Regierung gerade noch einmal abgewehrt werden.
Darauf brach unter den BankerInnen sofort wieder grenzenloser Optimismus aus. Die faulen Kredite seien abgeschrieben, der Aufschwung könne ungebrochen weitergehen. Selbst eine Rezession in den USA würde sich nicht auf Europa und Asien übertragen, weil diese bereits viel zu unabhängig von den USA seien. In jedem Fall würde China die Weltwirtschaft vor einer Rezession bewahren.
Die Argumente sind alle falsch. Gerade der Eingriff der Notenbanken verhinderte, dass der wirkliche Schuldenstand bei den Banken in seiner Totalität zum Vorschein trat. Die undurchsichtige Verwicklung wechselseitiger Verschuldung ist um nichts besser geworden. Sie wurde durch die Zinssenkungen nur wieder zugedeckt – nachdem sie ein bisschen von ihrem Grauen gezeigt hatte. Jeder neue Einbruch muss sie erneut und dieses Mal in ihrer ganzen Schrecklichkeit zum Vorschein bringen.
Nun hat die US Notenbank Fed schon wieder eine Zinssenkung angekündigt. Das kann allerdings nicht ewig so weitergehen. Zu schlimm ist das Gespenst der Inflation, das nicht nur durch die Erhöhung der Geldmenge bei gleichzeitiger Unwilligkeit oder Unfähigkeit der Betriebe, das Angebot zu erhöhen, getrieben wird, sondern auch durch ein historisch einmaliges Anziehen der Erdölpreise. Zinssenkungen machen es zudem für die USA immer gefährlicher, dass ein Einbruch des Dollars und eine Kapitalabflussspirale einsetzt. Gleichzeitig erhöht China die Zinsen, wertet seine Währung auf und wird dadurch für AnlegerInnen attraktiver. Es hört durch seine Aufwertung der Währung mehr und mehr auf, den Inflationsdruck in den USA zu mindern. Statt Deflation wird zusehends Inflation in die USA exportiert.
Kuwait, einer der loyalsten Verbündeten der USA, hat seine Währung bereits von der Bindung an den Dollar losgelöst, was den Wertverfall des Dollars weiter ankurbelt. Je mehr die Fed mit der Zinsschraube spielt, desto stärker wird die Gefahr einer universellen Kapitalflucht aus den USA.
Wir dürfen nicht vergessen, dass gleichzeitig die Immobilienblase geplatzt ist und der Verfall der Immobilienpreise ungebrochen weitergeht. Die grundsätzliche Unsicherheit der InvestorInnen und KonsumentInnen kann also nicht beseitigt werden. Eine Geldmengenerhöhung in so einer Situation – am Ende eines Booms, an dem die Fabriken auf Hochtouren laufen und die Kapazitäten ausgelastet sind – ist in Bezug auf die Inflation ein Spiel mit dem Feuer.
Ein weiteres nicht stichhaltiges Argument ist die relative Unabhängigkeit der USA von der Weltwirtschaft. Schaut man lediglich auf die Handelsbilanzen, stimmt es, dass sich die Abhängigkeit von den USA vermindert hat. Das Problem ist aber, dass die gegenseitige Abhängigkeit von Wirtschaftsstrukturen kein quantitatives Problem ist, sondern ein qualitatives. Wir müssen die Handelsströme der Leitsektoren der nationalen Volkswirtschaften verstehen, um wirklich das Ausmaß der Abhängigkeit feststellen zu können. In diesem Zusammenhang ist es so, dass die Leitsektoren der deutschen, japanischen und chinesischen Wirtschaft, nämlich die exportorientierten Hochtechnologiesektoren der Industrie, in einem enormen Ausmaß vom US-Binnenmarkt abhängen. Es ist wahr, dass Japan seit Mitte der 90er Jahre in steigendem Ausmaß nach China exportiert und Deutschland nach Osteuropa. Aber dies ist nur deshalb der Fall, weil China und Osteuropa als verlängerte Werkbank für eine Industrieproduktion benutzt werden, die schlussendlich ihren Absatz wieder in den USA finden muss. Krisen in den Exportsektoren ziehen dann auch den Binnenmarkt nach unten – und sei dieser auch noch so groß wie in China.
Wir dürfen nicht glauben, dass die Milde der letzten Rezessionen 2001 und 1992 darauf schließen lässt, dass die nächste Weltwirtschaftskrise schwach wird. Es ist genau die relative Schwäche der letzten Rezessionen, vor allem der Rezession von 2001, die die kommende Rezession so gefährlich macht. Die Fed hat es 2001–2003 durch ihre expansive Geldpolitik, die durch eine expansive Fiskalpolitik im Rahmen des Irakkrieges ergänzt wurde, nicht zugelassen, dass die Weltwirtschaft und die US-Wirtschaft ihre Ungleichgewichte bereinigen konnten. Die Handelsbilanz der USA ist noch negativer geworden, der Abwertungsdruck auf den Dollar verbunden mit der Gefahr einer Kapitalflucht aus den USA ist gestiegen, die Spekulation und die Expansion des Kredites sind ins unermessliche Höhen geklettert. Die wechelsseitige Verschuldung ist intransparenter und riesenhafter denn je geworden.
Zudem sind die Spielräume für keynesianistische Politik durch die Staatsverschuldung und die extreme Überspannung des Kredits gering geworden. Auch die Spielräume für einen neoliberalen Ausweg aus der Krise sind in den letzten 20 Jahren weitgehend ausgeschöpft worden.
Wien, am 3. Dezember 2007
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Einleitung
Die vorliegende Arbeit ist Teil einer größeren Arbeit mit dem Namen „Die marxistische Theorie über Zyklus und Trend“. Sie wird deshalb getrennt veröffentlicht, weil sie auch für die LeserInnen interessant ist, die sich ohne die Mühe eines ausführlichen Studiums der marxistischen Krisentheorie in Kauf nehmen zu wollen, direkt dafür interessieren, was der Marxismus zur wirtschaftlichen Realität seit 1945, zum Neoliberalismus und zum Keynesianismus zu sagen hat.
In der Arbeit „Die marxistische Theorie über Zyklus und Trend“ werden die allgemeine Krisentendenzen des kapitalistischen Wirtschaftssystems dargestellt: Die periodischen Überproduktionskrisen und der tendenzielle Fall der Profitrate. Als Ursache für den tendenziellen Fall der Profitrate werden die steigende organische Zusammensetzung des Kapitals einerseits und die steigende Bedeutung der unproduktiven Sektoren der Wirtschaft andererseits analysiert.
In der folgenden Schrift handelt es sich darum zu zeigen, wie sich diese allgemeinen Krisentendenzen in der konkreten Realität entfalten. Es geht darum darzulegen, wie der allgemeine Gang der ökonomischen Gesetze von bisher unberücksichtigten Phänomenen, wie des Kampfes zwischen Arbeit und Kapital, des Welthandels, der Weltpolitik und des Einflusses des Staates auf die Wirtschaft verändert und mitgestaltet wird.
Wir werden zu diesem Zweck eine Untersuchung der Weltwirtschaft nach 1945 vornehmen und in diesem Kontext nicht nur die konkrete Wirksamkeit allgemeiner Gesetze überprüfen, sondern auch die Rolle wirtschaftspolitischer Paradigmen.
Gerade in der Linken, in globalisierungskritischen Kreisen, sowie in den wirtschafttheoretischen und –politischen Abteilungen der Gewerkschaften und der Sozialdemokratie ist die Ansicht weitverbreitet, dass der wirtschaftspolitische Paradigmenwechsel der Motor der wirtschaftlichen Entwicklung sei. Hauptursache für die Stabilität der 50er und 60er Jahre sei der Keynesianismus in Zusammenhang mit dem Bretton-Woods-Abkommen der fixen Wechselkurse. Hauptursache der Krise seit den 70er und 80er Jahren seien zum einen ein Verlassen der Politik der fixen Wechselkurse und zum anderen ein Übergehen zu neoliberaler Wirtschaftspolitik. Ein Hauptziel der vorliegenden Arbeit ist es dieser These auf den Grund zu gehen.
In meiner Darstellung der Nachkriegsökonomie verwende ich sehr wenig Literatur, sondern hauptsächlich Zahlen, die ich einerseits direkt aus den National Accounts übernehme oder aus den Büchern von Robert Brenner „Boom & Bubble“ (Brenner, 2003) und „Economics of Global Turbulance“ (Brenner, 2006), die wie die vorliegende Arbeit eine Interpretation der Nachkriegsökonomie zum Gegenstand haben.
In weiten Teilen komme ich zu ähnlichen Schlussfolgerungen wie Brenner, es gibt aber auch wichtige Unterschiede: Erstens unterscheidet sich die Analyse von Brenner fundamental von meiner, auch wenn die Schlüsse ähnlich sind. Brenner sieht den Hauptgrund für den tendenziellen Fall der Profitrate in der Überproduktion, ich hingegen in der steigenden organischen Zusammensetzung des Kapitals, das heißt in der steigenden Kapitalintensität der Produktion.
Dieser Unterschied ist wichtig, da in dem Fall, dass die Krisen reine Überproduktionskrisen wären, eine staatliche Ankurbelung der Nachfrage sehr wohl bedeutende Erfolge zeitigen könnte. Meiner Meinung nach ist aus diesem Grund die Brennersche Kritik am Keynesianismus etwas holprig.
Der zweite Unterschied, der sich aus dem ersten ergibt, ist der, dass in meiner Arbeit die Kritik am Keynesianismus und am Neoliberalismus und die Grenzen kapitalistischer Wirtschaftspolitik umfassender und allgemeiner behandelt werden.
Klar ist aber, dass diese Arbeit der Arbeit von Brenner sehr viel verdankt und in vieler Hinsicht auf der Analyse und den Forschungsergebnissen von Brenner aufbaut.
Teil 1: Die Situation nach 1945
Schon die Situation nach 1945 ist der beste Beweis, warum eine orthodoxe Interpretation des Marxismus als mechanischen, ökonomischen Determinismus für die Erklärung der wirtschaftlichen Entwicklung völlig unbrauchbar ist. Bestimmend für die Entwicklung der Weltwirtschaft und auch der Wirtschaftspolitik der kapitalistischen Staaten nach 1945 ist ein zutiefst politisches Faktum: Die UDSSR ging ungeheuer gestärkt aus dem 2 Weltkrieg hervor. Niemand erkannte das so gut wie der undogmatische Marxist Ted Grant, der bereits in seiner Schrift „Economic Perspectives“ durch eine dialektische Kombination politischer Perspektiven und marxistischer ökonomischer Theorie den Nachkriegsboom voraussah. (Vgl. Grant, 1946).
Nach der chinesischen Revolution 1949 ist der Kapitalismus auf einem Drittel der Erdoberfläche beseitigt, eine Situation die man sich heute im Jahr 2007 gar nicht mehr vorstellen kann. Die Existenz eines immer weiter vordringenden nicht-kapitalistischen Blocks hat den maßgeblichsten Einfluss auf die Politik der kapitalistischen Länder.
Und hier kommen wir bereits zum zweiten Ergebnis des zweiten Weltkrieges. Die traditionellen kapitalistischen Großmächte Deutschland, England, Frankreich sowie das aufstrebende Japan sind durch den zweiten Weltkrieg massiv geschwächt und der überwiegende Reichtum der kapitalistischen Welt, sowohl an Goldreserven, wie an intaktem Maschinenpark ist in der neuen Supermacht USA konzentriert.
Die Perspektive der revolutionären MarxistInnen vor dem zweiten Weltkrieg scheint sich nicht bewahrheitet zu haben: Aus dem zweiten Weltkrieg, der Todeskrise des kapitalistischen Weltsystems erhebt sich eine kapitalistische Supermacht von bisher nicht da gewesener Produktivkraft und Reichtum.
Es scheint, rein empirisch betrachtet, als käme es zur Existenz eines Systems, wie es Lenin und Trotzki nie für möglich gehalten haben – zur Existenz eines Ultraimperialismus, daher eines Weltkapitalismus, dominiert und organisiert von einer einzigen politischen Supermacht: den USA.
Gleichzeitig ist die Situation damals für die USA viel schwieriger als sie oberflächlich aussieht. Die USA sind in Wirklichkeit bereits 1945 ein Koloss auf tönernen Füßen. Sie tragen bereits alle Keime einer späteren Krise in sich.
Der Hauptgrund für die eigentliche Schwäche der USA liegt darin, dass sie angesichts der Existenz eines riesenhaften nicht-kapitalistischen Blocks die Verantwortung für die Verteidigung der gesamten kapitalistischen Welt in die Hand nehmen müssen und nicht einfach ihre egoistischen nationalen Interessen verfolgen können. Sie können nicht, wie ursprünglich im sogenannten „Morgentau“-Plan geplant, Deutschland und Japan deindustrialisieren und Frankreich und England in Sattelitenstaaten verwandeln, um sich selbst an der Ausbeutung der ganzen Welt zu bereichern, wie es vor ihnen England im 19. Jahrhundert getan hatte.
Bereits 1944 wird die Politik des „Containments“ zur zentralen Achse der Politik der USA – sprich: die „Eindämmung“ des Kommunismus. Diese Politik zwingt die USA dazu, die Wiedererrichtung eines deutschen, britischen, französischen und japanischen Kapitalismus nicht nur zu tolerieren, sondern sogar aktiv zu unterstützen.
Die Politik der Eindämmung richtet sich nicht so sehr gegen eine militärische Bedrohung der UdSSR. Die USA haben vor allem Angst vor den Bevölkerungsmassen in Europa und Japan, die einen Systemwechsel fordern: In Österreich, Deutschland, Italien und Japan sind tausende von Betrieben von den Belegschaften besetzt worden, in Großbritannien gewinnt Labour die Wahlen mit dem Slogan des Sozialismus. Auch die USA haben Angst vor ihrer eigenen Bevölkerung: In den ersten fünf Jahren nach dem Krieg befindet sich die amerikanische Gewerkschaftsbewegung im Vormarsch: Sie setzt Reallohnerhöhungen von historischem Ausmaß durch und droht die gefährliche Tradition der Betriebsbesetzungen der 30er Jahre wiederzuentdecken.
Die USA können die kapitalistische Ordnung nur verteidigen, indem sie ganz gegen die übliche imperialistische Praxis den Aufbau funktionierender kapitalistischer Konkurrenzstaaten zulassen. Zu Westeuropa und Japan werden später noch Südkorea und Taiwan kommen.
Die Aufrechterhaltung der kapitalistischen Ordnung hat nicht nur eine ökonomische, sondern eine politische Seite. Sie verlangt auch eine politische und wirtschaftliche Einbindung der Organisationen der ArbeiterInnenschaft von bisher nie da gewesenen Ausmaß, sowohl in Westeuropa und Japan, als auch in den USA selbst.
Das dritte Element der Errichtung einer stabilen Nachkriegsordnung ist der Staatsinterventionismus. Die USA sind gezwungen, um sowohl innenpolitisch, als auch in Japan und Westeuropa Stabilität zu generieren, auf ein System von massivem staatlichen Eingreifen zu setzten: Der Anteil des Staates in den USA selbst wird auf bisher nicht gesehene Höhen getrieben, in Westeuropa und Japan wird dieser Anteil noch übertroffen. Ob Lenin, als er in der Mitte des ersten Weltkrieg den Begriff des „Sozialimperialismus“ erdachte, ahnte, wie Recht er haben sollte, als er ihn als Zukunft des Kapitalismus der Industrieländer bezeichnete? Unter „Sozialimperialismus“ verstand er ein System, das seine politische und ökonomische Dominanz in der Welt zur Einbindung der Organisationen der ArbeiterInnenschaft in den Staat benutzt.
Der Grund für diesen Staatsinterventionismus liegt darin, dass sich zum einen die USA in den 1940er Jahren keine Wirtschaftskrise in Form von 1929 leisten können, und dass sie zum zweiten durch ihre militärischen Interventionen zuerst in Korea und dann in Vietnam gezwungen sind, die Kriegsproduktion anzuheizen. Außerdem bietet der Staatsinterventionismus die notwendige Bedingung für eine erfolgreiche dauerhafte Einbindung der Führung der ArbeiterInnenorganisationen in die politischen und wirtschaftlichen Entscheidungen.
Der Anteil des Staates an der Wirtschaftsaktivität geht in den 50er Jahren noch einmal drastisch über das Level des New Deals hinaus. Die Politik des Staatsinterventionismus ist dabei gar nichts Neues: Sie ist die Fortsetzung der Politik der Kriegswirtschaft, die die USA im Ersten und im besonders im Zweiten Weltkrieg betrieben. Während des Zweiten Weltkrieges befand sich die Hälfte der wirtschaftlichen Aktivität der USA unter der Leitung des Staates. Was Anfang der 50er Jahre passiert, ist einfach eine teilweise Übertragung der Kriegswirtschaft auf Friedenszeiten: Es ist durchaus wahrscheinlich, dass Lenin dieses System, dass nunmehr in den USA, und noch mehr in Japan und Deutschland entstand mit dem Begriff „Staatskapitalismus“ tituliert hätte – ein Begriff der ursprünglich die kapitalistische Kriegswirtschaft des ersten Weltkrieges bezeichnen sollte.
Als viertes Element der Stabilitätspolitik der USA muss noch die Politik des offenen Handels genannt werden. Sie ist eng mit den Bretton-Woods-Abkommen verbunden. Wenn auch am Beginn das Bretton-Woods-Abkommen den USA entgegenkam, beispielsweise, indem es den Dollar als Weltwährung verankerte, so widersprachen in der Praxis die fixen Wechselkurse immer mehr den Interessen der USA, wie wir in der Folge noch sehen werden. Dass die USA zu ihrem eigenen Schaden so lange an der Politik der fixen Wechselkurse festhielten, muss auch als Teil ihrer breiteren Eindämmungsstrategie gesehen werden, Stabilität in den Zentren der kapitalistischen Welt aufzubauen. Wir dürfen bei dieser Betrachtung nicht vergessen, dass diese Politik der Spendierhosen für die USA nur möglich war, weil sie durch ihren Sieg im Zweiten Weltkrieg auch tatsächlich viel zum Spendieren in den Hosen hatte.
Die Last der Weltherrschaft: Die USA fallen zurück – Die 50er Jahre
Bereits Mitte der 50er Jahre machen sich bereits die Früchte der Politik der USA nach dem Krieg bemerkbar: Die USA fallen in eine Periode der Stagnation. Wir müssen uns, wenn wir von der Stagnation der US-Wirtschaft in den 50er Jahren sprechen, im Klaren darüber sein, dass das Level dieser Stagnation außerordentlich hoch ist. Die USA sind der größte Gläubiger der Welt, mit über 50% der weltweiten Goldreserven in Fort Knox. Es herrscht Vollbeschäftigung und der Wohlstand der amerikanischen ArbeiterInnen erreicht ein nie da gewesenes Ausmaß. Trotzdem beginnen sich ernstzunehmende wirtschaftliche Schwierigkeiten abzuzeichnen.
Zum einen ist der intakte Kapitalstock, den die USA aus dem Krieg mitgenommen haben, veraltet und nicht auf dem neuesten Stand. Ganz im Gegensatz dazu wird der deutsche Kapitalstock mit den modernsten Maschinen erneuert. Die Löhne sind in den USA um ein vielfaches höher als in Westeuropa und Japan. In diesem Zusammenhang liegt die Profitrate in Deutschland und in Japan höher als in den USA.
Die massiven Rüstungsausgaben rund um den Koreakrieg können die US-Wirtschaft nur kurze Zeit ankurbeln. Sie führen eher zu einer Befruchtung der Konjunktur in Europa und in Japan als in den USA selbst, wo nach einem Jahr schnellen Wachstums eine Stagnationsperiode beginnt, die für die ganze Nachkriegszeit bis zu den 70er Jahren einzigartig ist.
Nach Kriegsende 1945, als der Staat auf Grund des Endes der Kriegswirtschaft begann, sich aus der Wirtschaft zurückzuziehen, droht überhaupt ein erneuter Absturz in die Depression. Der Anteil der Staatsausgaben an der Wirtschaft geht 1944-1947 von 47,9 % auf 14,9 % zurück. In der Zeit von 1945 bis 1947 schrumpfte in der Folge die US-Wirtschaft jedes Jahr um 4,33 %, im Jahr 1946 alleine sogar um –11 %.
Durch einen nachfrageseitigen, staatlichen Impuls und einer neuerlichen Erhöhung der Staatsausgaben auf 17,5 % im Jahr 1949 kann gerade noch verhindert werden, dass die US- Wirtschaft nach 1945 in eine neuerliche Depression abstürzen.
Gleichzeitig brachte man aber die periodischen Überproduktionskrisen nicht zum Verschwinden. Nach 1949 kam die nächste Rezession 1954, gefolgt von der Rezession von 1958. Der Zyklus 1954-58 war dabei um einiges schwächer als der Zyklus von 1949-54. Auch der Zyklus 1958-62 schien nach dem selben Muster zu verlaufen und sich weiter abzuschwächen. Erst 1962 begann sich das Muster des Zyklus zu verändern.
Zwischen 1950 und 1952 fand die größte Expansion des Staates in der US-amerikanischen Geschichte statt. Die staatlichen Ausgaben stiegen von einem Anteil von 15,9 % am BIP im Jahr 1950 auf 23,3 % im Jahr 1952. Trotzdem konnte nicht verhindert werden, dass die US-Wirtschaft zwischen 1952 und 1961 in einen Zustand der Stagnation verfiel: Das durchschnittliche jährliche Wirtschaftswachstum betrugt in diesen Jahren 2,96 %. Lediglich in den Jahren der staatlichen Expansion selbst, also 1950 und 1951 kam es zu hohen Wachstumsraten (8,7 bzw. 7,7 %).
Was ist die Grundlage dieser Stagnation? Zum einen haben sich die USA durch ihre Eindämmungspolitik gegen den Kommunismus mächtige Konkurrenten in Form von Deutschland und Japan hochgezüchtet, die vor allem in den 50er Jahren beginnen den amerikanischen Markt zu bearbeiten.
Zum anderen generieren die hohen Staats- und Rüstungsausgaben zwar Nachfrage, sie verbessern aber die Profitsituation der USA nicht. Auf diese Weise liegen die Profite in Prozent des Kapitalstocks 1951 bei 4,2 % und 1958 bei 3 % – sie gehen also bei gleichzeitiger massiver Expansion der Staatsausgaben um über 25% zurück. Wenn man die Profitrate der Rezession 1954 mit der Rezession 1958 vergleicht, kommt man immer noch auf einen Fall der Profitrate von 3,4% auf 3% und daher von – 9,1 %.
Auf Grund der schlechten Profitsituation führen die erhöhten Staatsausgaben nicht zu einer Ankurbelung der Investitionen. Von der erhöhten Nachfrage profitieren hingegen jene Länder, in denen die Profitsituation besser ist – nämlich Deutschland und Japan.
Was wir in der Phase 1945 bis 1961/62 in den USA beobachten können ist das Gesetz des tendenziellen Falls der Profitrate und die Fortexistenz des Konjunkturzyklus. Die massive Erhöhung der Staatsausgaben kann nicht nur die Profitsituation nicht verbessern, sie verschlechtert sie sogar. Denn die erhöhten Steuern, die die Staatsausgaben finanzieren sollen, drücken weiter auf die Profitrate.
Bereits 1960 analysierte Ted Grant in seiner Broschüre „Will there be a slump?“, warum die gesteigerte Aktivität des Staates schlussendlich nicht verhindern könne, dass der Nachkriegsboom in einer Krise enden würde. Er greift dabei insbesondere die UnterkonsumptionstheoretikerInnen an, die zu dieser Zeit interessanterweise viele bürgerlichen Institutionen vor allem in den USA und auf der Eben der UNO dominieren. (Vgl. Grant, 1960)
Europa und Japan holen auf
Allgemein betrachtet ist die Weltwirtschaft zwischen 1950 und 1973 in sehr guter Verfassung. Die Dynamik, die in den 50er Jahren in den USA zu fehlen scheint, hat sich lediglich Richtung Westeuropa und Japan verschoben, wo ein ungeheurer Aufholprozess stattfindet.
Dieser Aufholprozess kann stattfinden, weil einerseits die Löhne in Deutschland und in Japan unglaublich niedrig sind und andererseits, weil vor allem Deutschland, zu einem gewissen Grad aber auch Japan, durch die Zerstörungen des zweiten Weltkrieges die neueste und effizienteste Maschinerie in Gang setzen können.
Auf diese Weise beginnt Deutschland in den 1950er seinen Aufschwung mit den welthöchsten Profitraten. Japans Profitrate steigt bis in die 60er Jahre dramatisch an, weil seine Exportprodukte in der internationalen Wertkette nach oben schnellen. Ein immer größerer Teil der Weltprofite wird von Japan und Deutschland erobert.
Um die Situation in Deutschland 1951 zu verstehen, muss man sich veranschaulichen, dass das Lohnniveau 80 % von 1938 betrug und die Produktivität bereits wieder 95% von 1938. Damit standen die Arbeitskosten in Deutschland bei 64 % des Niveaus der USA. Wenn zwischen 1948 und 1950 die Produktivität um 50 % stieg, erhöhten sich im gleichen Zeitraum die Löhne lediglich um 0,25 %. (Brenner, 2006, S.63ff)
Zu dieser Zeit war der Keynesianismus die unumstritten vorherrschenden Wirtschaftsdoktrin. Es ist hier klar ersichtlich, dass diese Art von Keynesianismus, entgegen den landläufigen Ansicht, auf einer Einschränkung des Massenkonsums beruhte. Der Staatsinterventionismus war massiv, aber gemäß den Empfehlungen von Keynes auf den Investitionssektor konzentriert. Über die Banken und die verstaatlichte Industrie wurde bewusst eine Exportindustrie hochgezüchtet, um Profite am Weltmarkt zu erringen. Auch Vollbeschäftigung war niemals primäres Ziel des deutschen oder japanischen Keynesianismus: Zwischen 1948 und 1950 stieg die Arbeitslosigkeit in Westdeutschland von 4,5 % auf 12 %.(Brenner, a.a.O.) Die Idee war die folgende: Löhne drücken, Investitionen ankurbeln, Profite steigern, Wettbewerbsvorteile am Weltmarkt erringen und dadurch Lohnerhöhungen und Vollbeschäftigung möglich machen. Nicht umgekehrt, wie es uns heute so manchEr nostalgischEr konsumentennachfrageorientierter KeynesianerIn weiß machen möchte.
Der Exportindustrie, allen voran der Autoindustrie, wurden Rohstoffe und Arbeitskräfte billig zur Verfügung gestellt. Die Banken kombinierten eine allgemeine Hochzinspolitik mit einer Niedrigzinspolitik für die exportorientierten großen Monopole. Die Kapitalströme wurden vom Staat in strategisch wichtige Sektoren gelenkt. Auch der japanische und deutsche Staatsinterventionismus ist ein Resultat der Kriegswirtschaft. Die selben Konzerne, die vorher staatlich unterstützt wurden, um im Blitzkrieg die Steppen Russlands und die Urwälder Südostasiens zu erobern, sollten jetzt im Exportkrieg den USA Marktanteile abluchsen.
In den 1950er Jahren stieg der Anteil Deutschlands an den verarbeiteten Exporten der Industrieländer von 7,3 % auf 19 % (Brenner, a.a.O.). In Japan wuchsen die Exporte zwischen 1951 und 1965 auf einer jährlichen Rate von 15%. (Brenner, 2006, S.89)
Japan, Deutschland und die USA kämpfen um den Profitkuchen
In den 1960er Jahren können die USA wieder an Wettbewerbsfähigkeit gegenüber Japan und Deutschland gewinnen. Durch die Rezession von 1958 kann das Wachstum der Reallöhne eingedämmt werden. Robert Brenner sieht zwischen 1958 und 1961 in einer Reihe von Streikniederlagen einen fundamentalen Wandel im Kräfteverhältnis zwischen Arbeit und Kapital (Brenner, 2006, S.58ff). Die Offensive der US-Arbeiterklasse der 1950er Jahre wurde gestoppt. Gleichzeitig begann während dieses Jahrzehnts bereits die deutsche Profitrate zu sinken. Durch die massiven Investitionsraten verschlechterte sich die Effizienz des Kapitalstocks, der tendenzielle Fall der Profitrate machte sich sichtbar. Hinzu kam, dass Deutschland gezwungen war, die Mark aufzuwerten, da der US-Dollar durch ein steigendes Außenhandelsdefizit der USA und durch eine Zinssenkung in den USA 1960 unter Druck kam. Die USA begannen das System der fixen Wechselkurse in Frage zu stellen, weil es ihre wirtschaftliche Überlegenheit unterminieren musste.
Wenn zwischen 1960 und 1965 die USA besser dastanden, so holten Japan und Deutschland zwischen 1965 und Anfang der 1970er Jahre wieder auf. Am Ende dieses Kampfes um die Wettbewerbsfähigkeit stand aber die simultane Krise aller Industrieländer im Jahr 1974.
Die Krise von 1974 ist als der erste Ölpreis-Schock in die Geschichte eingegangen. Es ist jedoch wichtig zu verstehen, dass der Preis des Erdöls nicht die Ursache der allgemeinen Profitkrise war, sondern nur der Transmissionsriemen, der die allgemeine Profitkrise in eine allgemeine Weltwirtschaftskrise verwandelte.
In den USA ist bereits 1970 ein erster Tiefstand der Profitrate erreicht, die seit 1965 von 4,55 % auf 2,93 % um 35, 6% gefallen ist. Vor 1970 bestimmt scheinbar hauptsächlich die aktuelle Wettbewerbssituation den Zustand der nationalen Profitrate. 1974 wird offenbar, dass die Profitsituation insgesamt schlechter geworden ist, dass der Kuchen, um den gerangelt wird, in seiner Gesamtheit gehörig geschrumpft ist. Das Problem, das bisher zwischen der Akteuren der Weltwirtschaft hin und hergeschoben wurde, entwickelt sich jetzt zu einem allgemeinen Krisenzustand der Weltwirtschaft. Zwischen 1960 und 1965 steigt beispielsweise die US-Profitrate ganz ansehnlich – nur um dann bis 1970 umso dramatischer zu sinken. Der kurze Boom der US-Wirtschaft zwischen 1960 und 1965 ist nur auf einen kurzfristigen Wettbewerbsvorteil gegen Deutschland zurückzuführen und verschleiert auf diese Weise einen Prozess, der die ganze Zeit unter der Oberfläche seine Wirkung entfaltet hat: den tendenziellen Fall der Profitrate. Die steigende organische Zusammensetzung des Kapitals hat nicht nur in den USA, sondern auch in Japan und Deutschland zu einem dramatischen Fall der Profitrate geführt. Japan und Deutschland, die Wirtschaftwunderländer der 1950er und 1960er Jahre werden sogar noch größere Schwierigkeiten als die USA haben, diese strukturelle Krise ab 1974 zu überwinden.
Das Bretton-Woods-Abkommen zerfällt
Der Aufholprozess von Japan und Deutschland gegenüber der USA macht es immer unvorteilhafter für die USA, das System der fixen Wechselkurse aufrechtzuerhalten. Unter normalen Bedingungen erzeugt ein steigendes Außenhandelsdefizit der USA und ein Außenhandelsüberschuss von Deutschland und Japan eine Abwertung der US-Währung und eine Aufwertung der deutschen Mark und des japanischen Yens. Eine Abwertung des Dollars würde die Wettbewerbsfähigkeit der USA gegenüber Japan und Deutschland verbessern und deren Exportoffensive zumindest teilweise zum Erliegen bringen.
Unter den Bedingung des fixen Wechselkurses kann eine erhöhte Nachfrage nach D-Mark dessen Wert nicht steigern. Die Notenbank muss in diesem Fall die Geldmenge erhöhen um den Wert der D-Mark konstant zu halten. Dies bringt Vorteile für die Exportnation, die ungehindert durch Aufwertungsprozesse in den feindlichen Markt eindringen kann.
Ist die Währung einer Exportnation durch einen fixen Wechselkurs an die Währung eines Importlandes gebunden, ist die Währung des Importlandes auf Grund eines steigenden Außenhandelsdefizit überbewertet (und vielleicht auf Grund einer Niedrigzinspolitik zusätzlich mit Inflation behaftet), dann kann dies aber auch zu einem Problem für das Exportland werden. Es kommt in diesem Fall zum Problem der „importierten Inflation“. Mehr und mehr Dollars fließen in Yen und D-Mark. Die Notenbanken müssen statt den Preis von D-Mark und Yen die Geldmenge erhöhen, um die Wechselkurse fix zu halten. Es kommt nun auch im Inland zu Inflation. Bereits 1960 und 1969 musste Deutschland aufwerten, Japan entschied sich dafür, Inflation zu importieren.
Nun war es durchaus nicht der Fall, dass die USA bewusst Inflation exportieren wollten. Immer wieder, so auch 1968/69, versuchten sie durch hohe Zinsen und Nachfrageeindämmung die Flucht aus dem Dollar und das Außenhandelsdefizit einzuschränken. Aber die sich verschlechternde wirtschaftliche Situation – und schlussendlich die Rezession von 1970 – zwangen sie zu einer keynesianischen Wirtschaftspolitik. Die expansive Fiskal- und Geldpolitik musste das Außenhandelsdefizit weiter erhöhen und die Inflation anheizen, was eine direkte Herausforderung des Systems der fixen Wechselkurse bedeutete.
Mit dem Schlachtruf „We are all Keynesians now“ signalisierte US-Präsident Nixon, dass er keine Verantwortung für exportierte Inflation mehr übernehmen würde. Deutschland und Japan sollten zur Aufwertung gezwungen werden, und auf diese Weise würde die USA seine Wettbewerbsfähigkeit auf Kosten seiner Handelspartner zumindest teilweise wieder herstellen können. 1971 nachdem Nixon die Goldbindung des Dollar aufgab und neue fiskalische Konjunkturankurbelungspakete schnürte, wurden Japan und Deutschland zur Aufwertung gezwungen.
Trotz dieser Aufwertung führten die USA ihre Politik der exportierten Inflation und der keynesianischen Konjunkturpakete fort. Zwischen 1969 und 1972 verdoppelten sich die Geldreserven der Welt und stiegen damit in drei Jahren – soviel wie noch nie in der gesamten bekannten Wirtschaftsgeschichte. 1973 beschloss man eine weitere Abwertung des Dollars, aber dieses Mal gaben die USA von vorne herein bekannt, dass sie sich zu nichts verpflichtet fühlen würden, um den fixen Wechselkurs zu halten. Damit zwangen sie Deutschland und Japan, entgültig vom fixen Wechselkurs abzuweichen.
Der Mythos Bretton Woods
Rund um das fixe Wechselkursabkommen von Bretton Woods ranken sich vor allem in der „globalisierungskritischen“ Linken viele Mythen. Erst durch das Abweichen vom fixen Wechselkursregime sei der Neoliberalismus entfesselt worden. Die Kapitalströme seien von da an auf den Finanzmarkt gelenkt worden und die Spekulation hätte seither freie Bahn. Diese Sicht wurde vor allem dadurch genährt, dass immer wieder Krisen in Volkswirtschaften durch Währungsspekulationen ausgelöst wurden, wie in Mexiko 1993 und während der Asienkrise 1997. Die selben ÖkonomInnen, die das Zeialter der fixen Wechselkurse als „goldenes Zeitalter“ verehren, sind meist auch AnhängerInnen des Keynesianismus.
An dieser Stelle müssen wir darauf hinweisen, dass diese Sichtweise von Widersprüchen nur so strotzt. In Wirklichkeit sind die fixen Wechselkurse immer dann gefährdet worden, wenn die USA eine Politik der fiskalischen und monetären Staatsintervention einschlugen: nach der Rezession von 1958 und 1970 und nach der Konjunkturflaute von 1967. Den fixen Wechselkurs zu stabilisieren, bedeutete für die USA jedes Mal, eine Sparpolitik und eine Hochzinspolitik einzuschlagen. Dies war nach der Rezession von 1970 schlichtweg nicht mehr möglich. Das System der fixen Wechselkurse hätte sich nur retten lassen, wenn die USA 1973 auf eine Hochzinspolitik gesetzt, eine tiefe Rezession in Kauf genommen und die Nachfrage (und damit die Importe und das Außenhandelsdefizit) gedrosselt hätten. In Wirklichkeit war gerade der Keynesianismus, den die USA besonders zwischen 1970 und 1981/82 einschlugen, der Grund für das Scheitern des fixen Wechselkurssystems. Das Deregulieren der Finanzmärkte und die Abkehr von der investitionssteigernden Orientierung in der Wirtschaftspolitik hin zu einer Profitratenorientierung passierte erst nahezu zehn Jahre nach dem Zusammenbruch von Bretton Woods und hatte damit wenig zu tun.
Es ist auch sicherlich nicht wahr, dass SpekulantInnen auf den Währungsmärkten schuld am Zusammenbruch ganzer Volkswirtschaften sind. Hinter den Krisen dieser Volkswirtschaften, beispielsweise der Krise der asiatischen „Tigerstaaten“, lag immer eine Krise der realen Ökonomie. Selbst die intelligentesten bürgerlichen ÖkonomInnen wie Paul Krugmann haben erkannt, dass im Fall der Tiegerstaaten die hohen Investitionen bei gleichzeitig schlechter Kapitalproduktivität Schuld an der Krise hatten – was nur ein anderer Ausdruck für den tendenziellen Fall der Profitrate ist.
Der Einbruch der Profitrate brachte die Dollarflüsse nach Asien zum Versiegen, die Währungen mussten abwerten, Kredite wurden durch die Kreditkrise untilgbar und die Dollarschulden konnten nicht mehr zurückbezahlt werden.
Spekulation kann immer nur Auslöser einer Krise sein. Ohne eine Krise der realen Ökonomie und eine bereits angeschlagene Währung kann eine einzelne Spekulationsattacke nicht zum Ziel führen. Nichtsdestotrotz war der Zusammenbruch des fixen Wechselkurssystems ein Symptom für eine tieferliegende allgemeine Krise der Volkswirtschaft. Er drückte vor allem darin aus, dass die USA nicht mehr wie bisher in der Lage waren, den Aufbau der westlichen Welt mitzufinanzieren. Sie mussten ihre eigenen Interessen wieder in den Vordergrund rücken. Damit wurde aber zum einen die Krise der US-Volkswirtschaft nur hinausgeschoben, Japan und Deutschland, und damit ganz Westeuropa wurden in eine tiefen Krise geworfen, aus der sie sich lange nicht erholen sollten. Den Zusammenbruch von Bretton Woods für die Krise verantwortlich machen, bedeutet einen Ausdruck der Krise mit ihrer Ursache zu verwechseln.