Die österreichischen Studierenden kennen schon längst nichts anderes mehr als Hiobsbotschaften. Die Coronakrise brachte alle angesammelten Probleme der letzten Jahre wieder an die Oberfläche. Christoph Pechtl über die angekündigte Novellierung des Universitätsgesetzes.
Unterfinanzierung, fehlendes Personal und keine adäquaten technischen Hilfsmittel führten schon im ersten Lockdown zu Chaos. Fehlendes Angebot von Lehrveranstaltungen, zu wenige Prüfungstermine und ein generelles Erschweren der Organisierung des Studiums für alle Studierende, und im Besonderen für Erst-Semestrige ist nun auch im 2. Lockdown die Lebensrealität der Studentenschaft.
In dieser Situation sickerten die ersten Teile einer geplanten Novellierung des Universitätsgesetzes an die Öffentlichkeit. Anstelle von Verbesserungen soll jedoch wie schon in den letzten Jahren die Wettbewerbs- und Profitlogik tiefer im Bildungssystem verankert werden. Wer nicht 16 ECTS pro Jahr (pro Studium!) abliefert, fliegt raus. Zusätzlich soll ein Nicht-Bestehen der Studieneingangsprüfung (StEOP) nicht wie bisher zu einer zeitlich begrenzten Sperre für das Studium führen (2 Semester), sondern eine lebenslange Sperre als Konsequenz haben. Als Sahnehäubchen sollen auch dem einzig demokratisch legitimierten Gremium, dem Senat, die meisten seiner Kompetenzen entzogen werden, was diesen zu einem stimmlosen Scherz-Gremium degradiert.
Die Stoßrichtung der ersten bekanntgewordenen „Effizienzmaßnahmen“ ist glasklar: die Ökonomisierung des Bildungsbereichs und soziale Spaltung. Anstatt eine umfassende Bildung für alle zu garantieren, wird versucht in Eiltempo Fachkräfte für den Arbeitsmarkt bereitzustellen. Elmar Pichl, Leiter der Hochschulsektion im Bildungsministerium, dazu: „In der Wissensgesellschaft, im Zeitalter der Digitalisierung und angesichts eines Arbeitsmarktes, der laut nach mehr qualifizierten Fachkräften ruft, hat die Effizienz der Hochschulbildung eine andere Relevanz.“ (Presse 2.11.) – Erhöhung des Leistungsdrucks und Aushungern von „unwirtschaftlichen“ Studiengängen also, zugunsten einer Erhöhung des Arbeitsmarkt-Outputs.
Zusätzlich werden vererbte Bildungschancen und soziale Selektion weiter vorangetrieben. 65% der Studierende arbeiteten vor der Coronakrise neben ihrem Studium, viele müssen neben den Studien Betreuungspflichten nachkommen oder sind in mehreren Studiengängen eingeschrieben. Die Erneuerungen im Universitätsgesetz schließen diese zunehmend und systematisch vom Studieren aus. Der Kellner-Job neben dem Studium, eine große nicht geschaffte Prüfung oder das Pflegen der Eltern führt somit direkt zum Studienabbruch. Die durch den wirtschaftlichen Einbruch besonders stark leidenden Branchen wie die Gastronomie und der Verkauf sind genau jene Bereiche, in denen die 2/3 der erwerbstätigen Studierenden arbeiten. Anstatt den StudentInnen mit Sozialleistungen Abhilfe zu schaffen, um damit ein erfolgreiches Studium zu ermöglichen, werden die StudentInnen wie einst Hiob mit ihren existentiellen Problemen alleine gelassen. Gott paktierte nicht mit Hiob, sondern mit dem Teufel; Kurz nicht mit den Studenten, sondern mit dem Kapital. Dabei wird die gesellschaftliche Spaltung in Eliten und deren „Zuarbeiter“ vorangetrieben. Die Bürgerlichen machen daraus nicht einmal einen Hehl.
„Wenn Begriffe wie Elite oder Erfolg wie jetzt vielfach mit dem Odium des Semikriminellen behaftet sind, fehlt die Basis [um im globalen Wettstreit] mitzuhalten,“ sinniert z.B. Urschitz in der Presse (6.l1). Und weiter: „Wenn Europa hier auf Augenhöhe mithalten will, wird es ein paar grundlegende Weichenstellungen vornehmen müssen: […] in der Forschungsfinanzierung, in der Ausrichtung des Bildungssystems, speziell der Universitäten.“
Die Studierendenvertretung hat auf die angekündigten Verschlechterungen noch keine Antwort gefunden. Die verschiedenen linken Fraktionen der Studentenvertretungen sind in Streitigkeiten verwickelt, nachdem die Koalition des letzten Jahres zwischen Flö, GRAS und VSSTÖ scheiterte. Somit kam zwar von SPÖ und mancher Studentenvertretungen (HTU Graz und Wien, GRAS, VSStÖ) Kritik gegenüber der Novellierung, jedoch folgten keinerlei Taten. Allein eine Petition namens: „NEIN zu noch mehr Leistungsdruck im Studium!“ ist gestartet worden, um „mit viel öffentlichem Druck den Bundesminister Faßmann und seine Regierung“ zu „überzeugen“. Dies ist zwar ein erster Schritt, jedoch sind die bürgerlichen Regierungen nicht unbedingt dafür bekannt, viel Wert auf Petitionen oder Volksbegehren zu legen. Man darf davon ausgehen, dass bspw. Sigi Maurer (Grüne und ehemalige Studi-Aktivistin) sehr wohl die Probleme der Studierenden kennt, studierte sie doch selbst 25 Semester bis zu ihrem B.A. Diplom. Der Pakt mit dem Teufel und dessen Profitlogik machen jedoch Taub für Argumente.
Statt Kritik von der Seitenlinie brauchen wir eine Mobilisierung der Studentenschaft, um diesen Angriff abzuwehren. Denn eins ist klar: Die StudentInnen sind in diesem Kampf nicht alleine. In der ganzen Gesellschaft sehen wir die gleichen Versuche die Corona- und Wirtschaftskrise auf die Arbeiterklasse abzuwälzen. Nur eine Bewegung, die sich durch programmatische Forderungen an alle Ausgebeuteten und Unterdrückten in unserer Gesellschaft richtet, hat eine Chance, gegen Sparpolitik und Profitzwang zu siegen – ob in der Uni oder der Fabrik.
(Funke, 10.11.2020)