In den letzten Wochen haben sich die Ereignisse rund um die Optierungsmöglichkeit der KrankenpflegerInnen (wir berichteten: hier & hier) überschlagen. Ein Diskussionsbeitrag von Martin Gutlederer.
Was als Facebook-Initiative zweier engagierter Kollegen begonnen hat, schlägt mittlerweile Wellen bis in den Wiener Gemeinderat und eine der größten österreichischen Tageszeitungen. Die rasante Entwicklung dieser Frage zeigt wie zugespitzt die allgemeinen Arbeitsbedingungen in der Pflege schon sind. Die Tatsache, dass man nun auch nicht von einem besseren Lohnschema profitieren soll, obwohl man immer kompliziertere Tätigkeiten des mitverantwortlichen Bereiches der ÄrztInnen übernehmen soll und immer mehr PatientInnen in immer kürzerer Zeit betreut, war der sogenannte Tropfen, der das Fass überlaufen ließ.
Auch diverse Versuche der Gewerkschaftsführung, die Sachlage der Lohnunterschiede zu vertuschen oder zu relativieren, müssen dabei ins Leere gehen und können nicht darüber hinwegtäuschen, dass es einfach reicht. Gerade ältere KollegInnen fühlen sich dadurch zurecht verraten, wenn sie dieselbe Arbeit um weniger Lohn machen, obwohl sie seit Jahrzehnten das „Werkl am Laufen“ halten. Da wirkt es wenig authentisch, wenn die Führungsmitglieder der Hauptgruppe 2 und der younion darauf pochen, sie seien welche von uns, wenn sie vermutlich schon in den lichten Höhen ganz anderer Lohnschemata sind.
Diese Wut hat der Bewegung einen anfänglich starken Antrieb verliehen, aber es zeigen sich auch die Grenzen einer unorganisierten Wut. Was wir brauchen ist ein organisierter Ausdruck unserer Initiative in den Stationen. So stagniert die Petition der Initiative „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ bei unter 5000 Unterschriften. Den nächsten Schritt machte der Personalvertreter Heinrich Schneider vom Wilhelminenspital, der eine neue Petition beim Wiener Landtag startete. Wenn sie genug Unterschriften findet, muss sie im Petitionsausschuss des Wiener Landtags am 1. April diskutiert werden. Die Ausgabe von Unterschriften-Listen von der Personalvertretung an die Stationen des Wilhelminenspitals und die Weiterverbreitung in andere Krankenhäuser wie dem Otto-Wagner Spital und die Rudolfstiftung hat der Bewegung neuen Schwung gegeben, Medieninteresse eingebracht und sie damit breiter bekannt gemacht.
Wir von „Der Funke“ werden unseren Teil tun und Infotische mit Unterschriftenlisten und unseren Ideen vor den verschiedenen Häusern Wiens organisieren (wenn du uns dabei helfen willst, kontaktiere uns auf redaktion@derfunke.at ). Doch das alleine wird die Bewegung auch nicht zum Sieg bringen, selbst wenn 10.000 unterschreiben, was das deklarierte Ziel vom Kollegen Schneider ist. Der Übertrag der Petition vom Internet in die Krankenhäuser ist ein Fortschritt, wenn es uns damit gelingt eine Aktivierung und Organisierung der KollegInnen an den Stationen zu erreichen. So können sich alle Bäche des Widerstands zu einem reißenden Strom vereinen.
Dazu eine Nebenbemerkung: Es ist völlig irrelevant für die Durchsetzung unserer Interessen wer was wann gemacht hat und die meiste Aufmerksamkeit generiert hat, sondern wir brauchen eine größtmögliche Einheit und aktive Solidarität aller PflegerInnen und Menschen, die gemeinsam mit uns für das Recht auf Optierung kämpfen möchten.
Ein Vorschlag der dem entspricht ist, dass sich die AktivistInnen an den Stationen zusammentun und die Aktivitäten konkret vor Ort anleiten. Diese „Stationskomitees“ helfen uns, uns an der Basis zusammenzuschließen und so können wir eine bemerkenswerte Zahl an Unterschriften gewinnen, die der Stadt Wien und der Hauptgruppe 2 zeigt, wie ernst es uns ist. Gleichzeitig brauchen wir diese Organisierung, damit uns in diesem Kampf um das Optierungsrecht nicht der Atem ausgeht: Hier geht es um viel Geld, das die Stadt Wien nicht leichthändig freigeben wird. Wir sind uns der budgetären Situation der Stadt bewusst, allerdings sagen wir klar und deutlich: Wir lassen nicht zu, dass das Budget auf Basis der Ausbeutung der Beschäftigten der Gemeinde saniert werden soll. Holt euch das Geld bei den Reichen, verpflichtet die Kapitalbesitzer ihren Beitrag zum Wohl der Gesellschaft zu leisten!
Auf Basis des Zusammenschlusses an den Stationen können wir den Kampf weiterführen und weitertreiben, bis die Stadt Wien einlenkt. Und wir sind uns bewusst: Unser Bemühen ist ein Marathon kein Sprint. Wir können mit Buttons auf unserer Arbeitskleidung darauf hinweisen, dass wir unzufrieden sind und nicht bereit sind diesen Zustand hinzunehmen. Einige Stationskomitees, die sich organisiert haben um Unterschriften zu sammeln, können gemeinsam beim Schichtwechsel beispielsweise Standkundgebungen vor den Toren der Häuser organisieren und damit auch die Öffentlichkeit miteinbeziehen und den Druck auf die Stadt erhöhen. Auch den Personalvertretungen, die uns noch nicht unterstützen, können wir so zeigen, dass sie aufhören sollen, die Strategie der younion und Hauptgruppe 2 zu unterstützen. Diese läuft darauf hinaus unsere Bewegung abzudrehen, indem behauptet wird, unsere Eigeninitiative würde das Anliegen und die Verhandlungen auf Optierung und bessere Grundgehälter in den Alt-Verträgen behindern.
Dem gilt es vehement zu widersprechen: Es darf bezweifelt werden, dass die Gewerkschaftsführung rund um Christian Meidlinger sich überhaupt adäquat darum gekümmert hätte uns über die Verhandlungen zu informieren und am liebsten intransparent in sozialpartnerschaftlichen Geheimgesprächen etwas ausgemauschelt hätte. Auch das neueste kolportierte Versprechen, im Juni würde es eine Erhöhung des Grundgehaltes geben, sollte uns nur noch mehr ermutigen weiterhin aktiv zu werden, damit es kein leeres Versprechen bleibt.
In Zukunft ist es auch notwendig „unsere Verhandler“ noch besser zu kontrollieren und Urabstimmungen über Abschlüsse und etwaige Kampfmaßnahmen durchzuführen. Nur so können wir sicherstellen, dass in unserem Sinne verhandelt wird. Nur eine Belegschaft, die aktiv entscheiden kann und mit einbezogen wird, kann Erfolge garantieren. Das würde auch die Gewerkschaft stärken. Anstatt über stagnierende oder nicht stark genug steigende Mitgliedszahlen zu jammern, sollte die Führung der Gewerkschaft lieber unsere Eigeninitiative nützen, um Verhandlungserfolge zu präsentieren.
Schlussendlich lernen wir im Vorwärtsgehen unsere eigene Grenzen und Fähigkeiten kennen, vernetzen uns mit anderen KollegInnen, Stationen, Abteilungen und Häusern und legen damit auch die Grundlage für eine wienweite Großdemonstration der PflegerInnen des KAV, die den Versuch der Stadt Wien und der Gewerkschaftsführung, uns um unser Geld zu bringen, in die Schranken weisen kann. Es kann der Startpunkt einer neuen Solidarität und Kampfbereitschaft der PflegerInnen sein, die wir bisher vielfach dringend vermissen.