Die diesjährigen KV-Verhandlungen werden zur Nagelprobe, bei der es längst nicht nur um Zehntel-Prozente geht. Können die Unternehmer im Gleichschritt mit Kurz und Strache die angestrebte Diktatur über die Arbeitsbeziehungen errichten? Emanuel Tomaselli erläutert die Ausgangslage und argumentiert dafür, den Kampf jetzt energisch vorzubereiten.
Am Mittwoch dem 19.9. übergaben die VerhandlerInnen der Gewerkschaften PROGE und GPA-djp in der Wiener Wirtschaftskammer ihren Forderungskatalog. Die deponierten Forderungen lesen sich so:
- Löhne und Zulagen plus 5%, aber mindestens 100 €, noch stärkere Erhöhungen für Schicht und Nachtzulagen
- Anhebung der Lehrlingsentschädigungen auf: 700/900/1.200 bzw. 1.600 Euro
- Mindestbezug für Rufbereitschaft
- Zulagen für überlange Arbeit: 75 % ab der 9. Arbeitsstunde, mind. 100 % plus 15. Min. bezahlte Pause ab der 10. Stunde; Verkürzung der Normalarbeitszeit bei besonders belastender Arbeit
- Das Recht, aufgebaute Zeitguthaben selbstbestimmt konsumieren zu dürfen, inklusive dem Recht auf die 4 Tage-Woche; 6 Urlaubswoche für alle ab dem 25. Arbeitsjahr
- Recht auf selbstfinanzierte Arbeitszeitverkürzung durch Umwandlung der Lohnerhöhung in Freizeit, Wahlrecht auf Abgeltung aller Zuschläge in Freizeit oder Geld
- Definition der „Freiwilligkeit“ bei Überstundenanordnung
- Aufrechterhaltung der Vertragsgemeinschaft Metall: Keine weitere Aufspaltung der Metaller-Solidarität.
Dieses Paket ist nicht radikal, aber Metaller-Chef Rainer Wimmer ist zuzustimmen, wenn er diesen Katalog als „ambitionierte Ansage“ bezeichnet. Immerhin würden mit der Durchsetzung dieser Forderungen drei wichtige Pfosten eingeschlagen, die die aktuelle Unternehmeroffensive zumindest einbremst:
- Bezüglich der Arbeitszeit würde mit der Durchsetzung der Forderungen sichergestellt, dass Überstunden in allen Betrieben teuer würden, einem exzessiven Überborden der Arbeitszeiten auf 60 Stunden zumindest ein finanzieller Riegel vorgeschoben ist. Auch dass die Arbeiter selbstbestimmt Art (Geld oder Zeit) und Zeitpunkt (wann es ihrem Bedürfnis entspricht) den Abbau der momentan anfallenden Überstunden entscheiden könnten, wäre eine Verbesserung für alle 192.000 Beschäftigten der Branche.
- Durch die kollektivvertragliche Absicherung dieser Rechte würde der Kollektivvertrag – der letzte betriebsübergreifende Schutz unserer Arbeitsbedingungen nach der Einführung der 60-Stunden-Woche/12-Stunden-Tag – gestärkt.
- Die Lohnforderung entspricht der Abgeltung der Inflation (2,1%) plus der Hälfte des durchschnittlichen Produktivitätsanstiegs der Arbeit der Metaller (6 % im letzten Jahr). Dies ist die höchste Lohnforderung seit 2011 (5,5%), was, wenn sie durchgesetzt werden kann, ein relativer Fortschritt gegenüber der Lohnzurückhaltung der vergangen Jahre wäre.
Was wollen die Unternehmer?
Die Unternehmervertreter haben sich in den vergangenen Wochen darauf verständigt, nicht provokant aufzutreten, sondern ruhig die Konterrevolution der Arbeitsverhältnisse voranzubringen. Sie kontrollieren die Ministerien und das Parlament und fühlen sich dadurch stark. Der Bürgerblock – die gemeinsame Front von Unternehmern, Bankiers, Kirche, Mietshausbesitzern und Medienunternehmern fährt auch in dieser Lohnrunde eine gemeinsame Strategie.
Die Unternehmer betonen, dass das Arbeitszeitgesetz nur „ein erster Schritt“ sei, nun sollen neue Schritte „durch die Fortentwicklung der KVs“ folgen. Wichtigster inhaltlicher Punkt ist dabei die Forderung nach einem Mehrjahresabschluss. Weiter betonen sie, „bestehende Gesetze dürfe man nicht Frage stellen“, und auf dieser Basis bekennen sich die Industriellen zur „betrieblichen und kollektivvertraglichen Sozialpartnerschaft“. Wobei die Betonung auf der „betrieblichen Ebene“ liegt. Neben der zeitlichen Streckung des Vertrags wollen sie nämlich auch einen „flexibleren und einfacheren Kollektivvertrag mit weniger Regeln“ (alle Zitate stammen vom Fachverband der Metalltechnischen Industrie). Ihnen schwebt auch ein „neuer faktenbasierter Kollektivvertag vor“, worunter sie verstehen, unternehmerisches Risiko den Arbeitern zum Abzug zu bringen. Klarerweise wehren sie sich gegen jede „Politisierung“. In ihren Augen ergibt das alles einen „KV 4.0“, bei dem „der Mensch im Mittelpunkt“ stünde. Über den Lohn wollen sie erst ganz zuletzt reden.
Erinnern wir uns zurück: der letzte Kollektivvertrag, den die Drucker 2012 abgeschlossen hatten, hatte eine Laufzeit von 4 Jahren, seither gibt es hier, außer rollenden Angriffen auf Betriebsebene, nichts mehr – auch keinen KV.
Was die Unternehmer den Forderungen der Gewerkschaften gegenüberstellen, ist also ein neuer Anlauf zur Zerschlagung des Kollektivvertragswesens. Es wundert nicht, dass das mit dem honigsüßen Versprechen der „Sozialpartnerschaft“ daherkommt. Die Unternehmer legen an Betriebsräte und regionale Gewerkschaftsstrukturen de Facto das Anbot vor, den bundesweiten Kollektivvertrag zu spalten. Denn „auf Betriebsebene können wir mehr erreichen“, so Unternehmer-Chef Knill gegenüber dem ORF.
Am heutigen Samstag (22.9.) meldete sich auch die Spitze der Bundesregierung zu Wort, was äußerst ungewöhnlich ist. Kurz und Strache wenden sich an die Sozialpartner mit der Bitte, einen hohen Lohnabschluss zu vereinbaren. Die Tendenz der fallendenden Realeinkommen müsse durchbrochen werden, alle sollten vom Erfolg und guter Stimmung profitieren, so Kurz und Strache, der nicht darauf verzichtet, die „Sozialisten“ für die sich verschlechternde soziale Situation der LohnbezieherInnen in den letzten Jahren verantwortlich zu machen.
Diese Demagogie unterstreicht nur die strategische Orientierung der Bürgerlichen. Es geht ihnen um die Zurückdrängung der organisierten Arbeiterbewegung, und das könnten sie sich sogar stellenweise etwas kosten lassen. Mit Zuckerbrot und Peitsche werden sie versuchen, einen Keil in die Gewerkschaften hineintreiben, um in Zukunft die ungeschminkte Diktatur in den Betrieben zu erreichen, oder wie es Unternehmer-Verhandler Collini einmal ausdrückte: „dankbereite Mitarbeiter“ zu haben. Gerade daher gilt es zu betonen, was zentral in der jetzigen Auseinandersetzung sein wird: die Forderungen, insbesondere die Lohnforderung dürfen kein Verhandlungspapier, sondern müssen vielmehr ein Kampf-Manifest sein, das jetzt durch Aktivität stark gemacht wird. Alles muss getan werden, um das veröffentlichte Forderungspaket eins zu eins zu erkämpfen.
Wirtschaftliche Situation
Die Metallindustrie boomt. Die Maschinen sind über Monate im Voraus ausgelastet, und die Jammerparade der Unternehmer stützt sich auf Prognosen, die ein Abflachen des Wachstums voraussagen. Die Prognose des niedrigeren Wachstums beruht dabei beinahe ausschließlich auf subjektiven Geschäftserwartungen der Manager. Konkret nach der Auftragslage gefragt, antworten 97 % der Metall-Manager in der aktuellen WIFO-Konjunkturprognose, dass die Produktion in ihrem Betrieb konstant ist oder steigt, nur 3 Prozent berichten von einer fallenden Produktion.
Der einzig richtige in der Unternehmerargumentation ist der Hinweis auf die schwierige geopolitische Lage des Kapitalismus an sich: Protektionismus, Brexit, EU-Konflikte etc. Aber, meine Herren! Wenn diese Szenarien schlagend werden, werdet ihr die ersten sein, die die Kosten, die euch hier entstehen, auf uns abwälzen werdet: durch Entlassungen, noch höhere Auspressung unserer Arbeitskraft und Schließung von Standorten. Gleichzeitig werdet ihr dann um staatliche Kredite und Subventionen schreien und sie wohl auch erhalten.
In der aktuell gegebenen Konjunktur diskutieren wir daher nur auf Basis des hohen Profits, den ihr aus unserer Arbeit herausschindet. Und natürlich müssen wir uns vor unserer völligen Entrechtung schützen: die Gesetze, die Kurz und Strache in euren Namen und mit eurem Inhalt durchpeitschen.
„Druck aufbauen und Menschen überzeugen mitzukämpfen“
Mit diesem Worten rief Metaller-Chef Wimmer nach der Übergabe der Forderungen auf, in das Ringen um den Kollektivvertrag aktiv mit einzusteigen. Wir halten diesen Aufruf für richtig und wichtig, und schließen uns diesem an. Wir tun dies mit dem klaren Verständnis, dass die ausgegeben Kampfziele ein Kompromiss sind, der allzu viel Rücksicht auf die Interessen der privilegierten Betriebsrats-Kaiser, und auch zu viel Rücksicht auf die im Profit schwimmenden Unternehmen nimmt. Diese Schwäche nützen Kurz und Strache als Ansatzpunkt für ihre spalterische Lügenpropaganda.
Wir müssen hellwach sein und gut darauf schauen, dass kein Betriebsrat, kein Gewerkschafts-Oberer sich von den Schalmeientönen einlullen lässt, und auf schwache Abschlüsse oder Sondervereinbarungen drängt. Gewerkschaftsdemokratie und sich dicht hinter die kampfbereiten Betriebsräte stellen, sodass diese nicht umfallen können, ist ein Gebot der Stunde.
Wir müssen der aggressiven Haltung des Bürgerblocks durch eine neue, dem Ernst der Lage entsprechende Vorgangsweise Rechnung tragen. Jede und Jeder, egal ob Arbeiter und Arbeiterin, Funktionär oder Hauptamtlicher.
Daher:
- Stärken wir den Gewerkschaften den Rücken durch unseren aktiven Beitrag: Politisieren wir die Pausengespräche in den Betrieben, Schulen und Universitäten.
- Bilden wir Aktivgruppen, die so dicht hinter dem Betriebsrat stehen, dass sie gegenüber den Geschäftsführungen nicht umfallen können. Wo Betriebsräte ausscheren, muss das durch Aktivität von unten ausgeglichen werden.
- Für die Ankündigung von Urabstimmungen über alle Verhandlungsergebnisse der kommenden Kollektivvertrags-Runde.
- Die „Schneepflugfunktion“ der Metaller- und Eisenbahnerverhandlungen nutzen und in der eigenen Branche möglichst schnell die eigenen Verhandlungen eröffnen. Für Solidaritätsaktionen und -streiks mit allen Branchen und Sparten.
- Für eine aktive Streikbewegung. Alle Maschinen runterfahren und den Arbeitskampf nach außen tragen, Zufahrten, Straßen und Schienen blockieren. Symbolaktionen sind zu wenig, wir müssen zeigen, dass sich ohne unsere Erlaubnis kein Rad dreht und keine Lampe leuchtet – nur so kann der Hochmut des Bürgerblocks gebrochen werden.
- Die Gewerkschaften sollen sich an all jene richten, die keinen starken ökonomischen Arm haben, und sie einladen, gemeinsam zu kämpfen. SchülerInnen, Studierende, MigrantInnen, Beschäftigte schwach organisierter Branchen: Nieder mit der Spaltung – für einen gemeinsamen Kampf gegen Regierung und Bosse.
- Rüsten wir offen für den Generalstreik zum Sturz der Regierung!
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