Lenin schrieb einst einen Artikel mit dem Titel Brennbares Material in der Weltpolitik. Aber die Menge an brennbarem Material in der gegenwärtigen Weltsituation stellt alles in den Schatten, was der bolschewistische Führer im Sinn gehabt haben könnte. Überall sieht man Instabilität, Turbulenzen und Erschütterungen. Von Alan Woods
Der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine, der blutige Bürgerkrieg in Syrien, der Konflikt zwischen dem Iran, Israel und Saudi-Arabien, die ungelöste Frage von Palästina und der langwierige und ebenso ungelöste Krieg in Afghanistan.
In diese explosive Weltlage tritt Donald J. Trump. Sein Aufstieg zur Macht wurde von den etablierten Politikern sowohl in den USA als auch auf breiterer internationaler Ebene mit Bestürzung aufgenommen. Ihm wird weithin vorgeworfen, die Welt in eine immer tiefere politische und wirtschaftliche Krise zu stürzen. Natürlich sind solche Behauptungen übertrieben. Die Krise, durch die wir gehen, ist weder die Erfindung von Mr. Trump noch irgendeiner anderen Person. Es ist die Manifestation der organischen Krise eines Systems, das seine historischen Grenzen erreicht hat und sich in einer Sackgasse befindet.
Der Marxismus hat jedoch niemals die Rolle des Individuums in der Geschichte geleugnet. Obwohl Trump die Krise nicht geschaffen hat, hat er sie zweifellos durch sein Handeln vertieft und ihr einen noch krampfhafteren, instabileren und unvorhersehbaren Charakter verliehen. Er hat die globale Ordnung gestört und Vereinbarungen zerrissen, die von der internationalen Bourgeoisie mühsam zusammengefügt wurden, um einen Anschein von Normalität zu wahren.
Ian Bremmer, der Präsident der Eurasia Group, sagt: „Innenpolitisch hatte der Präsident keinen großen Einfluss auf die Politik. Alles stieß beim „Sumpf“ – bei der Bürokratie und dem Kongress – auf Widerstand. International bewegte sich die Welt bereits vor Trumps Amtsantritt weg von der US-geführten Ordnung. Aber er schiebt einen Stein vor sich her, der schon vorher viel schneller den Berg hinabrollte.“
Natürlich sieht Mr. Trump das nicht so. In jüngsten Reden prahlte er mit dem Erfolg seiner internationalen Politik: „Wir werden uns nicht für Amerika entschuldigen – wir werden uns für Amerika einsetzen. Keine Entschuldigungen mehr. Sie respektieren uns wieder. Ja, Amerika ist zurück.”
Wenn er von Amerika spricht, spricht Donald J Trump in Wirklichkeit von sich. Genauso wie er immer der Gewinner sein muss: der Größte, der Reichste, der Mächtigste und der Beste, so muss auch das Land sein, das er führt. Vor kurzem sagte er vor Kadetten im Stadion von Annapolis: „Gewinnen ist so ein tolles Gefühl, nicht wahr? Es geht nichts über das Gewinnen. Du musst gewinnen.“ Jeder und alles, was ihm im Weg steht, muss rücksichtslos zerschlagen werden, genauso wie er seine Konkurrenten in der Wirtschaft zermürbte.
Aber damit Amerika gewinnt, müssen andere verlieren. Er benutzte diese Worte nicht wirklich, aber sie sind die wesentliche Botschaft von allem, was er sagt und tut. Trump hat kein Interesse daran, mit Verbündeten zu arbeiten, die er als Einschränkungen seiner Handlungsfreiheit betrachtet. Durch seine zielstrebige Verfolgung der Politik von „Amerika zuerst“ hat Trump die Beziehungen zu langjährigen Verbündeten untergraben. International sind die USA jetzt isolierter als während der gesamten letzten fünfzig Jahre.
Die Bedeutung von Donald Trump
Trumps „America First“-Ideologie hat viele Ähnlichkeiten mit der der isolationistischen Präsidenten der Vergangenheit. Aber diese versuchten zumindest, die wahre Natur ihrer Politik zu verbergen, indem sie deren Blöße mit dem respektablen Schleier der Demokratie verhüllten. Donald J. Trump hat kein Interesse an Schleiern, Respektabilität oder Demokratie. Er versucht nicht, seine Bewunderung für Diktatoren wie Rodrigo Duterte, Abdel Fattah El-Sisi oder sogar Wladimir Putin zu verbergen. Insgeheim beneidet er deren Handlungsfreiheit und fragt sich, warum die Fesseln der bürgerlichen Demokratie ihm ständig die Hände binden.
Donald Trump zeigt offen die aggressive Natur des US-Imperialismus. Schamlos schikaniert und schüchtert er andere Länder ein, auch die traditionellen Verbündeten der USA. Er prahlt mit der unendlichen Macht des amerikanischen Imperialismus und zögert nicht, selbst seine besten Freunde zu demütigen. Er sagt offen, was andere zuvor in den dunklen Ecken des Oval Office, des State Department und des Pentagon geflüstert haben. Das ist seine Hauptsünde und etwas, was das Washingtoner Establishment ihm nicht vergeben kann.
Die Kritik Trumps an seinen bürgerlichen Gegnern ist jedoch mehr als ein bisschen scheinheilig. Ist die von Trump verfolgte Politik so anders als die von Truman, Eisenhower, Kennedy, Nixon, Reagan oder Bush in der Vergangenheit? Ist sie qualitativ anders als die Politik von Barack Obama? Erinnern wir uns an die kriminellen Aktivitäten des amerikanischen Imperialismus in Vietnam, Guatemala, Chile, Nicaragua, Indonesien, Kuba und im Irak und wir werden sofort sehen, dass Gewalt, Betrug und Brutalität immer das Kennzeichen der amerikanischen imperialistischen Politik waren.
Der Unterschied ist, dass Donald Trumps Politik offenkundiger ist (man könnte sogar sagen, ehrlicher) als die seiner heuchlerischen Vorgänger, die in ähnlicher Weise wie Gloucester in Shakespeares Drama Heinrich VI. vorgingen:
„Kann ich doch lächeln , und im Lächeln morden, Und rufen: schön! Zu dem, was tief mich kränkt, Die Wangen netzen mit erzwungnen Tränen Und mein Gesicht zu jedem Anlass passen.“ (Heinrich VI., 3. Teil, 3. Aufzug, 2. Szene)
Dies ist nicht der Ort für eine tiefgehende psychologische Analyse – ein Gebiet, auf dem der Autor kein Experte ist. Aber es ist schwierig, der Schlussfolgerung zu widerstehen, dass in seinem besessenen Streben nach Macht ein Element einer unausgeglichenen Psyche existiert. Die Ähnlichkeit zwischen Donald Trump, dem Politiker und Donald Trump, dem Immobilienspekulanten, war Gegenstand weit verbreiteter Spekulationen. Die Raubtierphilosophie des Politikers Trump ist eine direkte Konsequenz aus den Gesetzen der kapitalistischen Marktwirtschaft. Donald Trump spiegelt in seiner Persönlichkeit, Psychologie und seinen Instinkten perfekt die wahre Natur der Klasse wider, die er auf seine eigene unnachahmliche Weise verkörpert.
Die Marktwirtschaft ist ein Dschungel, in dem sich Raubtiere gegenseitig ausbeuten. Es ist eine Frage des Stärkeren. Es gibt keinen Platz für Moral oder Sentimentalität. Es ist nur eine Frage von töten oder getötet werden. Den Mitbewerbern Gnade zu zeigen ist Schwäche. Und die Schwäche im Dschungel ist ein sicherer Weg, um am Ende sein Leben zu verlieren.
Wenn das Wahnsinn ist, so ist es ein Wahnsinn, der direkt von einem wahnsinnigen sozioökonomischen System kommt. Die lächelnde Maske der Demokratie ist verschwunden, um das wahre, hässliche Gesicht des amerikanischen Kapitalismus und seines erstgeborenen Nachkommens, dem Imperialismus, zu enthüllen. Dies ist die Schule, in der Donald Trump von frühester Kindheit an aufgewachsen ist und die seine Einstellung zum Leben, zur Politik und zur Welt im Allgemeinen tief geprägt hat. Der unstillbare Erfolgsdurst, der ihn auf dem Markt vorantrieb, wurde zu einem ultimativen Streben nach politischer Macht.
Die Grundprinzipien des Marktes sind tief in seinem Unterbewusstsein verborgen und sie prägen jeden seiner Gedanken und Handlungen. Grob, unwissend, engstirnig, gierig, selbstsüchtig und völlig gleichgültig gegenüber den Folgen seiner Handlungen für das Leben anderer: Er ist die absolute Verkörperung des Kapitalismus. Donald Trump ist die Zusammenfassung des Systems, seiner innewohnenden Amoralität, Brutalität und Gewalt. Er ist sein absoluter und reinster Ausdruck.
Als ein Mann ohne besondere Prinzipien oder Ideologie besitzt Trump einen begrenzten Sinn für Geschichte und ein schlechtes Verständnis für das Weltgeschehen. Seine Herangehensweise an die Welt basiert auf einer exklusiven präsidialen Kontrolle. Dieser extreme Monomane misstraut dem Establishment im Außenministerium, dem Nationalen Sicherheitsrat und in den Geheimdiensten. Das ist etwas, was er mit Richard Nixon, einem ähnlich gearteten Individuum, gemein hat. Er hat sie zurückgewiesen, weil sie ihn „als einen Nobody behandelt“ haben, bevor er gewählt wurde, und ihn seither verfolgen und eine Hexenjagd gegen ihn betreiben.
Das ist etwas, was sein übergroßes Ego niemals ertragen könnte. Daher glaubt er, die „Experten“ ignorieren und die Welt von den Höhen des Trump Tower aus kontrollieren zu können Bei einer Rede vor einem ihn bewundernden Publikum äußerte der Präsident kürzlich seine Gefühle der Frustration über diese ungerechte und unfaire Ablehnung. Bei einer Wahlkampfveranstaltung in Minnesota prahlte er mit seinem Geld und seiner Intelligenz und fragte, warum er trotz seines Immobilienportfolios nicht als Bestandteil der „Elite“ betrachtet werde.:
„Sie nennen die andere Seite immer ‚die Elite‘. Warum sind sie die Elite? Ich habe eine viel bessere Wohnung als sie „, sagte der US-Präsident. „Ich bin schlauer als sie es sind. Ich bin reicher als sie. Ich wurde Präsident und sie nicht. Und ich repräsentiere das größte, klügste, loyalste, beste Volk Leute auf der Erde – die Bedauerlichen, erinnert ihr euch daran?“
Dies ist die Stimme eines verbitterten Emporkömmlings, der vor der Tür eines exklusiven Clubs, in den er eintreten wollte, abgewiesen wurde. Sein Hass auf das „Washingtoner Establishment“ wird weitgehend von Neid und Ressentiments bestimmt. Er vertritt genau die gleichen Klasseninteressen, nur vertritt er sie seiner Meinung nach viel wirksamer als die verweichlichten, schwachen Liberalen in der Demokratischen Partei oder die etablierten Republikaner. Doch sein einzigartiges Genie findet nicht die Anerkennung, die es verdient. Nachdem er zum Präsidenten des mächtigsten Landes der Erde gewählt wurde, kann er nicht verstehen, warum er immer noch vor der Tür des Clubs abgewiesen wird.
Das Iran-Abkommen
Kein Thema veranschaulicht besser die Natur von Trumps Weltanschauung als seine Zertrümmerung des Iran-Abkommens von 2015. Zwei Jahre intensiver diplomatischer Aktivitäten haben Europa und die Vereinigten Staaten gemeinsam mit China und Russland investiert und es schließlich geschafft, erhebliche Zugeständnisse von Teheran zu bekommen, das anschließend die Bedingungen des Abkommens gewissenhaft durchführte. Wenn man sagen könnte, dass jemand gegen das Abkommen verstoßen hat, dann waren das nicht die Iraner, sondern die Amerikaner – und das war sogar unter Obama der Fall. Es wurde seit mehr als einem Vierteljahrhundert als der bedeutendste Atomwaffensperrvertrag gefeiert. Für Präsident Obama war das Abkommen, das die Aufhebung von Sanktionen gegen den Iran vorsah, im Gegenzug für Garantien, dass es sein Atomwaffenprogramm nicht weiterverfolgen würde, eine „historische Übereinkunft“. Aber für Donald Trump war es „der schlimmste Deal, den ich je ausgehandelt habe“. Er sagte, dass es seine „oberste Priorität“ sein würde diesen Vertrag aufzulösen, aber er hatte nicht spezifiziert, was er tun wollte.
Im Film Der Pate sprach Marlon Brando die gefeierten Worte aus: „Ich mache ihm ein Angebot, das er nicht ablehnen kann“. Präsident Trump machte dem Iran ein Angebot, das dieser nicht akzeptieren konnte. Er bezichtigte Teheran nicht nur fälschlicherweise der Nichteinhaltung des Atomabkommens, sondern verlangte auch, dass der Iran seine Aktionen im Nahen Osten, insbesondere im Syrien-Konflikt, bremsen solle. Diese Fragen waren absichtlich vom ursprünglichen Vertrag ausgeschlossen worden, weil sie diesen damit unmöglich gemacht hätten.
Donald Trump steht in seinem Konflikt mit dem Iran fest zu Saudi-Arabien und Israel – den beiden reaktionärsten Regimes im Nahen Osten. Damit gießt er Öl in das Feuer der gesamten Region. Die europäischen Politiker, die den Deal mit dem Iran schmerzlich ausgehandelt haben, sehen entsetzt zu.
Kurz bevor er den Vertrag ablehnte, gab der Präsident eine unverblümte Warnung ab. Der Iran wird „einen Preis zahlen, wie ihn nur wenige Länder jemals bezahlt haben“. Der oberste iranische Führer, Ayatollah Ali Khamenei, antwortete unverblümt: „Wenn sie den Vertrag zerreißen, werden wir ihn verbrennen.“ Die beiden Länder befinden sich jetzt in einem offenen Konflikt, dessen Folgen schwer vorhersehbar sind. Aber was auch immer das Ergebnis sein wird, es wird sicherlich kein friedliches sein.
Der Nahe und Mittlere Osten
Trump hat auch einige sehr klare Vorstellungen darüber, wie man den Frieden im Nahen Osten etablieren kann. Er hat die US-Botschaft nach Jerusalem verlegt – was so viel bedeutet, wie einem Bullen ein rotes Tuch vor zu halten, soweit es die Palästinenser betrifft. Internationale Diplomaten sahen einen solchen Schritt als den letzten und nicht den ersten Schritt für einen Frieden in Nahost.
Vom Standpunkt der normalen Diplomatie hätte ein solcher Schritt ein nützlicher Verhandlungsgegenstand sein können, um von den Israelis Zugeständnisse zu erhalten. Zumindest hätte man ihnen sagen sollen, sie sollten ihre provokative Politik der Ausdehnung jüdischer Siedlungen auf palästinensischem Boden einstellen. Aber Donald J Trump, der sachkundige Verhandlungsstratege, hat von Benjamin Netanjahu keine Zugeständnisse verlangt, und wer nicht fragt, bekommt nichts. Folglich fühlen sich die Israelis zuversichtlicher denn je, ihre Provokationen fortzusetzen, was den palästinensischen Groll noch weiter anheizt und die idealen Bedingungen für einen Flächenbrand in der Region schafft.
Präsident Obama wurde gewählt, um Amerikas Kriege im Irak und in Afghanistan zu beenden und er zögerte sehr, sich in einen weiteren Konflikt im Nahen Osten einzumischen. Aus diesem Grund hat er militärische Aktionen in Syrien zumindest offen und direkt abgelehnt. Die Obama-Regierung beschränkte sich auf die Finanzierung und Bewaffnung der „moderaten syrischen Rebellen“ und diplomatische Manöver, die darauf abzielten, Präsident Assads Abgang zu sichern.
Donald Trump war auch zuvor gegen die US-Militäraktion in Syrien und forderte eine stärkere Konzentration auf die Innenpolitik. Im Jahr 2013 twitterte er: „Vergesst Syrien und macht Amerika wieder groß!“ Trotzdem befahl er im April dieses Jahres US-Raketenangriffe auf einen syrischen Luftwaffenstützpunkt, wobei er eine angebliche chemische Attacke der syrischen Regierung als Vorwand benutzte. „Dieser Angriff auf Kinder hatte große Auswirkungen auf mich“, sagte er.
Mit diesem Raketenangriff nahmen die USA das syrische Regime seit Beginn des Konflikts zum ersten Mal direkt ins Visier. Es war eine atemberaubende Politikverschiebung für einen ehemals isolationistischen Führer. Einige Tage später ließ die Trump-Regierung erneut ihre militärischen Muskeln spielen. Dieses Mal griff sie den Islamischen Staat in Afghanistan mit einer Waffe an, die als „Mutter aller Bomben“ bekannt ist, oder MOAB, die zuvor noch nie von den USA im Kampf eingesetzt worden war.
Angesichts der höheren US-Verteidigungsausgaben scheinen die USA – zumindest für den Moment – eine aggressivere Rolle in ausländischen Konflikten einzunehmen. Trump hat bislang weitere 6.162 Soldaten nach Afghanistan, Irak und Syrien entsandt. Wie passt das zu seiner bekannten isolationistischen Agenda? Die Antwort ist sehr einfach. Gar nicht. Und Trump sucht eindeutig nach einem Weg, diesen unglücklichen Widerspruch zu lösen. Der Schlüssel dazu liegt in seiner seltsam widersprüchlichen Haltung gegenüber Russland, das unsere nächste Anlaufstation ist.
Trump, NATO und Russland
Die aggressive imperialistische Allianz, die sich irreführend als Nordatlantikpakt-Organisation (NATO) bezeichnet, ist seit mehr als 60 Jahren ein Eckpfeiler der amerikanischen Außenpolitik. Ihre Hauptaufgabe bestand darin, der angeblichen Bedrohung durch die Sowjetunion zu begegnen. Kurz vor dem Zusammenbruch der UdSSR traf US-Präsident Ronald Reagan mit Michail Gorbatschow eine Übereinkunft, dass Moskau den Warschauer Pakt abwickeln sollte, woraufhin der Westen die NATO abschaffen würde.
Der Warschauer Pakt wurde abgeschafft. Die NATO wurde es nicht. Doch der Westen versicherte den Russen wiederholt, die NATO werde nicht versuchen, sich in Richtung Osten auszubreiten, indem sie ehemalige Mitglieder des Warschauer Paktes wie Polen und die baltischen Staaten aufnehmen würde. Die NATO hat aber genau das getan. Dann versuchte sie, Russland mit einem Kreis früherer Sowjetrepubliken zu umzingeln, die näher an die USA und die NATO heranrückten. Dies führte zu einem militärischen Konflikt zwischen Russland und Georgien und anschließend zu dem Konflikt um die Ukraine.
In all diesen Fällen war das Verhalten Russlands im Wesentlichen defensiv und der Aggressor war der amerikanische Imperialismus. Dennoch haben die westlichen Medien die Wahrheit auf den Kopf gestellt und eine lautstarke Kampagne gegen die „russische Aggression“ gestartet.
Als überzeugter Isolationist, der von einem tiefen psychologischen Misstrauen gegenüber allen supranationalen Organisationen motiviert ist, ist Trump äußerst skeptisch gegenüber der NATO, die er im Wahlkampf als „veraltet“ beschimpft und ihre Mitglieder als undankbare Verbündete beschuldigt hatte, die von der Großzügigkeit der USA profitierten. Verteidigungsminister James Mattis warnte davor, dass Washington „sein Engagement zurückfahren“ würde, wenn die Forderungen seines Chefs nicht erfüllt würden, dass sie ihre Verteidigungsausgaben auf zwei Prozent ihres BIP erhöhten.
Mr. Trump behauptete, dass sein hartes Gespräch das „Geld zum Fließen bringen“ würde, obwohl Analysten darauf hinweisen, dass die Länder ihre Beiträge bereits im Rahmen eines Abkommens von 2014 erhöht hätten. Aber von seinen europäischen Verbündeten weitere wirtschaftliche Opfer zu einer Zeit zu fordern, in der sie mit den riesigen Defiziten der Bankenkrise von 2008 zu kämpfen haben, war wie Salz in eine offenen Wunde zu streuen.
Im April kauerte NATO-Chef Jens Stoltenberg, während einer gemeinsamen Pressekonferenz, vor dem US-Präsidenten und dankte ihm für seine Aufmerksamkeit auf das Thema. „Wir alle sehen die Auswirkungen Ihrer starken Fokussierung auf die Lastenteilung innerhalb der Allianz“, sagte er. Er ähnelte dabei einem Mann, der, nachdem man ihn gerade ins Gesicht gespuckt hatte, die Spucke abwischte und sich für die Aktion bedankte.
Stoltenberg ist bekannt für seine unverblümte Rhetorik gegen Wladimir Putin und den Kreml, obwohl seine harten Worte bisher nie durch harte Militäraktionen unterstützt wurden. Und seine peinlich unterwürfige Ansprache an seinen Big Boss von jenseits des Atlantiks lässt vermuten, dass sein Verhalten auf dem Schlachtfeld nicht ganz so tapfer sein wird, wie uns seine Reden glauben machen wollen.
Inzwischen hat Trump einen Sinneswandel vollzogen. Er sagt jetzt, dass die NATO „nicht mehr überflüssig“ sei Warum? Es ist bekannt, dass Trump unberechenbar ist, aber diese Kehrtwende ist auf dem ersten Blick schwer nachzuvollziehen. Er sagte, die Bedrohung durch den Terrorismus habe die Bedeutung der Allianz unterstrichen. Aber die gleiche Bedrohung existiert seit langer Zeit und kann daher nicht der Grund für diese erstaunliche Kehrtwende zu sein.
Weitaus wichtiger war es, als der Präsident die NATO-Mitglieder aufrief, mehr zu tun, um irakischen und afghanischen „Partnern“ zu helfen. An diesem Punkt beginnt sich der Nebel etwas zu lüften. Es ist kein Geheimnis, dass Trump amerikanische Truppen aus dem Irak, Afghanistan und auch Syrien abziehen will. Aber die teuren und blutigen Konflikte in diesen Ländern erweisen sich ärgerlicherweise als hartnäckig.
Wie löst man das Problem? Sehr leicht. So wie die NATO – Mitglieder gezwungen sein müssen, mehr Geld zu bezahlen, müssen sie irgendwie dazu gebracht werden, ihre jungen Männer und Frauen in die Wüsten des Nahen Ostens und Zentralasiens zu schicken, um so die jungen Männer und Frauen der Vereinigten Staaten von einer ähnlichen schmerzhaften Verpflichtung abzulösen. Schon aus diesem Grund ist selbst dem etwas verwirrten Gehirn von Donald Trump klar geworden, dass die NATO vielleicht gar nicht so schlecht ist.
Während er aber gleichzeitig in Richtung NATO zwinkert, hat Trump die Welt erneut überrascht, als er seine Absicht verkündete, einen Gipfel mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin abzuhalten. Während des US-Wahlkampfes lobte Trump Putin als eine starke Führungspersönlichkeit, mit der er gerne gute Beziehungen unterhalten würde. Das war, bevor US-Geheimdienste ihre Hexenjagd gegen Trump begannen und Russland vorwarfen, sich in den US-Wahlkampf einzumischen.
Der Vorwurf der Beteiligung Russlands am Wahlkampf mag wahr sein oder auch nicht. Aber viele Länder, und nicht zuletzt die USA, dringen in Computersysteme ein, überwachen Telefone und greifen ständig in die inneren Angelegenheiten anderer Nationen ein – einschließlich in die ihrer „Verbündeten“, wie Angela Merkel zu ihrem extremen Ärger herausfand. Aber zu argumentieren, dass der Kreml die Stimmen von Millionen von US-Bürgern manipuliert habe, ist extrem kindisch.
Beispiellos ist, dass sich ein amerikanischer Präsident in einer öffentlichen Konfrontation mit dem CIA und den gesamten amerikanischen Geheimdiensten befindet. Die Geheimdienste sollen geheim sein, sie sind das Herzstück des bürgerlichen Staates. Dass diese Agenturen öffentlich mit dem Präsidenten kollidieren, offen versuchen, ihn zu unterminieren und ihn aus dem Amt zu drängen – so etwas ist absolut unbekannt.
Um den wiederholten Anschuldigungen über die angeblichen Verbindungen seiner Regierung zu Russland zu begegnen, musste Trump den Kurs ändern. Er sagte nun, er wolle zunächst Präsident Putin vertrauen, warnte aber, dass „dies vielleicht gar nicht von langer Dauer sein würde“. Und es scheint, dass dies schon jetzt der Fall ist. Trump fuhr fort zu sagen, dass die USA „in Bezug auf unsere Beziehung zu Russland“ einen Tiefpunkt erreicht haben könnten. Er sagte, es wäre eine „fantastische Sache“, wenn die Nationen die Beziehungen verbessern würden, aber warnte, „es könnte genau das Gegenteil sein“.
Es ist ziemlich typisch für diesen Mann, genau das Gegenteil von dem zu tun, was alle erwartet haben. Auf dem Höhepunkt des Tumultes über die angebliche Vergiftung eines ehemaligen russischen Agenten in Salisbury war Trump (mit offensichtlichem Widerwillen) gezwungen, in den lärmenden antirussischen Chor, der von der CIA zusammen mit ihren Kumpanen im britischen MI5 orchestriert wurde, einzustimmen. Allem Anschein nach war sein Plan für einen Deal mit Putin endgültig zum Scheitern verurteilt. Aber der Schein trügt oft, im Falle von Donald J. Trump meistens.
Genau zu diesem Zeitpunkt habe ich ein Video gemacht, in dem ich ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit der Anschuldigungen der russischen Beteiligung an der Salisbury-Affäre geäußert habe. Am Ende des Videos drückte ich meine feste Überzeugung aus, dass Donald Trump in naher Zukunft eine Kehrtwendung machen und Putin treffen würde. Es scheint, dass ich bei den folgenden Ereignissen Recht hatte. Ich sagte, Boris Johnson und die anderen antirussischen Kräfte würden ihre Worte essen müssen, und ich wünschte ihnen einen guten Appetit. Ich sage das Gleiche heute.
Die Idee einer Abmachung mit Russland macht im Hinblick auf die Interessen des amerikanischen Imperialismus durchaus Sinn. In diesem Fall entsprechen Donald Trumps Instinkte diesen Interessen weit mehr als dem hysterischen Chor anti-russischer Propaganda, der von der CIA und dem MI5 ausgeht. Trumps grundlegende Instinkte sind isolationistisch. Deshalb will er amerikanische Truppen aus Syrien abziehen. Um dies zu tun braucht er jedoch ein Einvernehmen mit den Russen. Dies ist ein wichtiger Faktor in seiner Entscheidung, Putin zu treffen.
Es versteht sich von selbst, dass die Außenpolitik von Donald Trump und Wladimir Putin die Interessen der herrschenden Klasse in Russland und Amerika widerspiegelt. Von beiden ist nichts Progressives zu erwarten. Die lautstarke antirussische Kampagne, die von den reaktionärsten kalten Kriegern in den USA und Großbritannien organisiert wurde, hat jedoch ebenfalls keinen progressiven Inhalt.
Die ArbeiterInnenklasse muss sich Donald Trump widersetzen, muss dies aber von ihrem eigenen unabhängigen Klassenstandpunkt aus tun. Unter keinen Umständen sollte die amerikanische Linke dazu verleitet werden, sich mit den Demokraten zu verbünden, hinter deren Widerstand gegen Trump ein zynisches Eigeninteresse und letztlich eine Verteidigung des Kapitalismus und Imperialismus steht.
Letzten Endes verteidigen sie genau dieselben Klasseninteressen. Ihr Haupteinwand gegen Donald Trump ist, dass er und nicht sie diese reaktionäre Politik durchführen. Ihr wirkliches Ziel ist es, den Kapitalisten und Imperialisten effizienter zu dienen als der gegenwärtige Bewohner des Weißen Hauses. Das ist kein Ziel, mit dem die ArbeiterInnenklasse sympathisieren kann.
Konflikt mit Europa
Bruno Maçães schrieb in seinem Buch The American Interest über die Trump-Doktrin:
„Das Geheimnis von Trumps Herangehensweise an Europa ist folgendes: Er wird nicht zulassen, dass die Vereinigten Staaten mit Europa in den Abgrund gerissen werden, selbst wenn dies zu einer neuen Spaltung in der transatlantischen Allianz führen würde.“
Seit den 1950er Jahren ist die Integration Europas ein zentrales Element der US-Außenpolitik. Aber Donald Trump glaubt nicht an ein vereintes Europa, genauso wie er nicht an die NAFTA und die WTO glaubt. Er hat alles in seiner Macht Stehende getan, um die Differenzen zwischen den europäischen Mächten zu verschärfen, indem er versucht, diese gegeneinander auszuspielen. Er hat zuvorkommend vorgeschlagen, dass andere Nationen Großbritanniens Entscheidung, die Europäische Union zu verlassen, folgen mögen.
Seine Lieblingshassobjekte sind Deutschland und Angela Merkel, teilweise motiviert durch den deutschen Handelsüberschuss mit den USA, wohl aber hauptsächlich, weil er die Führungsrolle der deutschen Kanzlerin in Europa hasst.
In seiner Entscheidung, den Vertrag mit dem Iran zu annullieren, ignorierte er die dringenden Appelle seiner engsten Verbündeten in Europa. Umsonst standen führende Politiker von jenseits des Atlantiks Schlange, um ihn zu bitten, diesen Schritt nicht zu tun. Präsident Macron tat sein Bestes, um den Eindruck eines geschätzten Freundes und Beraters des Weißen Hauses zu erwecken. Der Brite Boris Johnson verhielt sich wie ein Pudel, der vor seinem Meister mit dem Schwanz wedelte und sogar den Nobelpreis in Aussicht stellte, wenn nur Mr. Trump diese Konzession machen würde. Es war alles vergebens. In diplomatischer Hinsicht pinkelte der Präsident der Vereinigten Staaten aus großer Höhe auf sie ein.
Trump ist kein Stratege, nicht einmal ein guter Taktiker. Er verlässt sich auf eine Kombination aus Getöse, Drohungen und Mobbing, um seinen Weg zu finden. Er beginnt mit exorbitanten Forderungen und hofft, sie durchsetzen zu können, indem er auf Amerikas kolossale wirtschaftliche und militärische Macht verweist. Manchmal gelingt es ihm. Dies ist jedoch eine Politik der abnehmenden Erträge. Je mehr er sie anwendet, desto weniger Wirkung hat sie. Anstatt sich einschüchtern zu lassen, werden andere Länder zunehmend verärgert und sie werden sich rächen.
Eine fatale Schwäche seiner Taktik ist, dass er systematisch die Fähigkeit der USA übertreibt, ihren Willen unabhängig von den Umständen durchzusetzen, während er gleichzeitig die Fähigkeit anderer, Widerstand zu leisten, systematisch unterschätzt. Die „Alles-oder-Nichts“ -Außenpolitik der Trump-Regierung ist letztlich zum Scheitern verurteilt, weil sie das reale Gleichgewicht der Kräfte auf der Welt nicht berücksichtigt.
Früher oder später wird es zu einer Reihe von Niederlagen und Rückschlägen für die USA kommen. Weit davon entfernt, seine internationale Macht, sein Prestige und seinen Einfluss zu erhöhen, wird Trumps Politik dazu dienen, die Grenzen der Macht des US-Imperialismus aufzudecken. Andere Mächte, besonders Russland und China, werden auf ihre Kosten kommen.
Trump und Asien
Bereits während seines Wahlkampfes schockierte Donald Trump China mit Kommentaren zu Taiwan vor seiner Amtseinführung. Sein erster Außenminister Rex Tillerson sprach davon, China den Zugang zu den künstlichen Inseln, die es im Südchinesischen Meer gebaut hat, zu blockieren und warnte in einer staatlichen Zeitung vor einem „militärischen Zusammenstoß“.
Präsident Obama sollte Sanktionen gegen Nordkorea durchsetzen, andere, insbesondere China, dazu bringen, dasselbe zu tun und auf Ergebnisse zu warten. Dies wurde „strategische Geduld“ genannt. Aber Donald Trump hat keine Strategie und wenig Geduld.
Die Regierung sagte, „alle Optionen liegen auf dem Tisch“, und die Ankündigung von Herrn Trump, dass er eine „Armada“ von US-Kriegsschiffen auf die koreanische Halbinsel schicken würde, ließ das Gespenst der Militäraktion aufkommen. Dieser Schritt stieß auf Widerstand des nordkoreanischen Regimes, das vor einem „totalen Krieg“ warnte.
Statt eines totalen Krieges gab es eine totale Verwirrung, als sich 10 Tage später herausstellte, dass die US-Marineeinsatztruppe, von der Mr. Trump sagte, dass sie auf die koreanische Halbinsel entsandt worden war, sich stattdessen in die entgegengesetzte Richtung bewegte. Während das Weiße Haus den Aufenthaltsort der Schiffe erklärte und darauf bestand, dass sie unterwegs waren, war Mr. Trump bereits mental auf dem Weg, Kim Jong-Un zu treffen.
“Ein wirklich fantastisches Treffen”
„Wir hatten ein wirklich fantastisches Treffen. Viele Fortschritt. Wirklich, sehr positiv, ich denke besser, als irgendjemand hätte erwarten können, einfach spitze, wirklich gut.“
Mit diesen triumphierenden Worten feierte Donald Trump am 12. Juni sein erstes Treffen mit Kim Jong Un in Singapur. Wie bei Mr. Trump üblich, haben Worte selten eine sehr enge Beziehung zur Realität.
Das Wort fantastisch ist nur angebracht, wenn es im wörtlichen Sinn genommen wird. Es bedarf einer Vorstellungskraft, um sich daran zu erinnern, dass der amerikanische Präsident im vergangenen Jahr sein nordkoreanisches Pendant als „Kleiner Raketenmann“ anprangerte und drohte, sein Land von der Landkarte zu streichen. Gleichzeitig beschrieb Kim Jong Un Donald Trump als einen „geistesgestörten, senilen Amerikaner“, den er „mit Feuer zu zähmen“ versprach.
Vom Roosevelt-Raum im Weißen Haus aus warnte der Präsident vor schlimmen Folgen:
„Ich habe mit General Mattis und den Generalstabschefs gesprochen und unser Militär – das bei weitem das mächtigste der Welt ist und in letzter Zeit stark verbessert wurde, wie Sie alle wissen – ist bereit, falls nötig.“
Er gab die Warnung zwei Stunden nach der Absage seines Treffens mit Kim Jong Un heraus.
Dann war, wie durch Magie, alles wieder eitel Sonnenschein. Am Ende ihres Treffens, das in einer Atmosphäre der Freundschaft und Geselligkeit stattfand, unterzeichneten der geistesgestörte Senile und der kleine Raketenmann eine Erklärung, in der es hieß: „Präsident Trump und der Vorsitzende Kim Jong Un führten einen umfassenden, eingehenden und aufrichtigen Meinungsaustausch über die Fragen im Zusammenhang mit der Einrichtung neuer Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und der Demokratischen Volksrepublik Korea sowie dem Aufbau eines dauerhaften und robusten Friedensregimes auf der koreanischen Halbinsel. Mr. Trump erklärte, dass er Nordkorea Sicherheitsgarantien geben würde im Gegenzug gab Herr Kim seine feste und unerschütterliche Verpflichtung, die Denuklearisierung der koreanischen Halbinsel abzuschließen – nicht mehr und nicht weniger.
Dieses Treffen war jedoch nicht der historische Durchbruch, den der amerikanische Präsident beanspruchte. Bei näherer Betrachtung wird peinlich klar, dass wenig oder gar nichts Substantielles entschieden wurde. Möglicherweise deshalb, sagten die beiden Führer, dass sie weitere Treffen auf verschiedenen Ebenen „zum frühestmöglichen Zeitpunkt“ abhalten würden, um die Deklaration mit Leben zu füllen.
War der Gipfel nicht gerade ein diplomatischer Erfolg, so kann er mit Sicherheit als herausragender PR-Sieg bezeichnet werden. Die einzige Frage ist: Ein Sieg für wen? Mr. Kim wird mit einem berechtigten Gefühl der Zufriedenheit nach Pjöngjang zurückgekehrt sein. Er hat etwas erreicht, was sein Vater und Großvater wollten, aber nie erreicht haben: ein persönliches Treffen mit einem amerikanischen Präsidenten.
Wir sollten uns daran erinnern, dass Nordkorea weder China noch Russland ist. Es ist ein kleines, verarmtes asiatisches Land. Dennoch wird es jetzt implizit vom mächtigsten Land der Erde als gleichwertig anerkannt. Innerhalb weniger Monate hat Kim es geschafft, sich vom am meist gefürchteten und verabscheuten Paria der Welt in einen großen Staatsmann und einen Mann des Friedens zu verwandeln.
Und diese wundersame Transformation wurde dank eines Mannes erreicht: Donald J. Trump. Nachdem er Kim Jong Un, den Mann, den er zuvor mit seiner ganzen Nation in die Luft jagen wollte, die Hände geschüttelt hatte, sagte er, es sei eine „Ehre“, mit dem nordkoreanischen Führer zusammen zu sitzen. Das war ein Propagandacoup von besonderer Bedeutung.
Bei einer Pressekonferenz nach der Unterzeichnungszeremonie ging Trump noch weiter. Die USA, so kündigte er an, werden alle gemeinsamen Militärübungen mit Südkorea stoppen, während die Gespräche fortgesetzt werden. Er sagte, es könnte Amerika Geld einsparen, da das Fliegen von Bombern vom amerikanischen Luftwaffenstützpunkt Guam nach Südkorea „sehr teuer“ sei. Er sinnierte sogar darüber, eines Tages amerikanische Truppen von der Halbinsel nach Hause zu holen.
Japan und Südkorea wurden von Mr. Trump beschuldigt, sich zu sehr auf die USA zu verlassen. Er sagte sogar, sie würden von eigenen Atomwaffenarsenalen profitieren, die die Aussicht auf ein ruinöses und potenziell gefährliches Wettrüsten in Asien eröffnen würden.
Im zynischen Spiel der Großmachtdiplomatie ist es eine goldene Regel, dass man niemals etwas umsonst gibt. Hier scheint jedoch klar zu sein, dass alle Zugeständnisse von einer Seite gemacht wurden, nämlich von Donald Trump. Das waren riesige, fast unglaubliche Zugeständnisse an Nordkorea. Was hat Mr. Trump dafür bekommen? Die andere Seite gab nichts außer schöne Worten, die, wie wir wissen, den Kohl nicht fett machen.
Trump und der Welthandel
Trump hat eine lange Kampagne geführt, um das Handelsdefizit der USA zu reduzieren und China zu einem offensichtlichen Ziel zu machen. Im Jahr 2017 hatten die USA ein Handelsdefizit von mehr als 811 Milliarden Dollar – eine Zunahme von 59 Milliarden Dollar gegenüber 2016. China macht davon 376 Milliarden Dollar aus. Die Spannungen zwischen den USA und China haben sich rasch verschärft. Nur elf Stunden, nachdem die USA 1333 chinesische Produkte mit Strafzöllen belegt hatten, sagte Peking, dass es 106 amerikanische Produkte mit ähnlichen Strafen in Höhe von 25% belegen würde. Jenseits der Zölle auf Stahl und Aluminium will Mr. Trump im Handel mit China Einfuhrsteuern in Höhe von 34 Milliarden Dollar erheben.
China reagierte, indem es auf 106 amerikanische Produkte, darunter Sojabohnen und andere landwirtschaftliche Produkte, Chemikalien und ausgewählte Flugzeuge, 25prozentige Zölle erhob. Letztere hatten im Jahr 2017 einen Wert von etwa 50 Mrd. USD, strategisch gesehen ist der Wert der chinesischen Importe, die von den US-Zöllen betroffen sind, von gleichem Wert. Die Zölle auf Sojabohnen werden den US-Herstellern große Sorgen bereiten.
China ist mit Abstand der größte Exportmarkt für amerikanische Sojabohnenbauern, achtmal größer als Mexiko, der zweitgrößte Käufer. Von den insgesamt 22 Milliarden US-Dollar aus den Sojabohnenexporten der USA gingen im vergangenen Jahr rund 56 Prozent nach China. Die Exporte von US-Sojabohnen nach China sind genauso hoch wie die der nächsten 10 Exportprodukte auf der gesamten Strafzolltarifliste.
Donald Trump hat damit gedroht, eine Reihe bestehender Freihandelsabkommen abzuschaffen, darunter das Nordamerikanische Freihandelsabkommen (NAFTA) zwischen den USA, Kanada und Mexiko, das er für den Verlust von Arbeitsplätzen verantwortlich macht. Er hat sogar vorgeschlagen, die USA aus der Welthandelsorganisation (WTO) zurückzuziehen. Die Stoßrichtung hinter seiner Handelspolitik besteht darin, Arbeitsplätze in den USA zu schaffen, das Handelsdefizit zu schließen und „gute Geschäfte“ für die Amerikaner zu machen. Diese Schritte könnten einen Handelskrieg auslösen.
Trump hat die Neuverhandlung des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens gefordert, das vor drei Jahrzehnten mit Kanada und Mexiko abgeschlossen wurde. Die Zukunft der NAFTA steht jetzt in Frage. Er hat die junge Transpazifische Partnerschaft (TPP) aufgegeben, die rund 40 Prozent des Welthandels ausmachte. Vom Standpunkt des Weltkapitalismus ist noch schwerwiegender, dass er neue globale Zölle eingeführt hat, die das empfindliche Geflecht der Globalisierung aufzulösen drohen.
Der G7-Gipfel in Quebec, der in einer Atmosphäre des angespannten Misstrauens und der Vorwürfe stattfand, verständigte sich mit großer Schwierigkeit auf ein Abschlusskommuniqué. Mr. Trump sagte, er sei zufrieden, nannte den Gipfel sogar wunderbar und bewertete seine Beziehungen zu den anderen Führern mit 10 von 10 Punkten. Doch kaum zehn Minuten nach der Veröffentlichung des offiziellen Kommuniqués änderte er seine Meinung.
In einem Tweet von irgendwo über dem Atlantik, auf dem Weg zu seiner „Mission des Friedens“ mit Kim Jong Un sagte er, dass er seine Beamten angewiesen habe, das Kommuniqué nicht zu unterstützen und er beschuldigte Kanadas Premierminister Justin Trudeau, in seiner Abschlusspressekonferenz „falsche Aussagen“ gemacht zu haben ( d.h. zu lügen) und erneuerte seine Drohung, Zölle auf Autos zu verhängen, die „den US-Markt überschwemmten!“ Trump hat einen unerschütterlichen Glauben, dass der Rest der Welt gegenüber Amerika unfair ist. „Das Spiel ist aus“, sagte er.
Im Namen der amerikanischen Sicherheit hat Trump Strafzölle für Stahl und Aluminium aus Kanada, Mexiko und der EU angekündigt. Kanada hat zurückgeschlagen und Vergeltungsabgaben auf amerikanische Waren im Wert von bis zu 16,6 Milliarden CAD-Dollar (12,8 Milliarden US-Dollar) angekündigt. Der kanadische Premierminister Justin Trudeau sagte, die US-Zölle seien „völlig inakzeptabel“.
„Diese Zölle sind ein Affront gegen die langjährige Sicherheitspartnerschaft zwischen Kanada und den Vereinigten Staaten und insbesondere ein Affront gegenüber den Tausenden von Kanadiern, die neben ihren amerikanischen Waffenbrüdern gekämpft haben und gestorben sind“, sagte er und wies auf die nationale Sicherheitsbegründung der USA für diese Maßnahmen hin.
Gespräche über ein neues NAFTA-Abkommen hängen in der Luft. Wenn sich Kanada und Mexiko durch Schutzmaßnahmen den Zöllen widersetzen, kann sich Mr. Trump aus dem Handelsblock zurückziehen. Mexiko sagte, es würde mit Abgaben auf US-Importe wie Schweinebäuche, Äpfel, Trauben, Käse und Flachstahl zurückschlagen. Kanadas Außenministerin Chrystia Freeland sagte vor der US-Ankündigung:
„Die Regierung ist absolut bereit und wird kanadische Industrien und kanadische Arbeitsplätze verteidigen. Wir werden angemessen reagieren.“
Trump tobt öffentlich und privat gegen Handelsungleichgewichte, insbesondere mit Deutschland, mit seinen großen Pkw-Verkäufen in den USA: „Sie schauen auf die Europäische Union – sie bauen Barrieren auf, damit wir unsere Ford-Produkte nicht verkaufen können und sie verkaufen Mercedes und BMW und die Autos kommen millionenfach, und wir besteuern sie kaum. Sie nehmen unsere Autos nicht. Und wenn, dann ist die Steuer massiv“, sagte er während einer Wahlkampagne in Duluth.
„Also sie sagen im Grunde: ‚Wir werden euch Millionen von Autos verkaufen. Aber Ihr werdet uns keine verkaufen‘. So werde ich nicht mehr arbeiten, Leute. Ich werde nicht so arbeiten.“
Um eine gesetzliche Grundlage für neue Zölle auf Autos zu schaffen, wies Trump sein Handelsministerium an, eine „Untersuchung der nationalen Sicherheit“ einzuleiten. Das Argument, dass BMW-Autos eine Gefahr für die nationale Sicherheit der USA darstellen, klingt in Berlin oder Brüssel irgendwie nicht überzeugend. Die protektionistischen Strafzölle des Präsidenten sind jedoch zweifellos eine Bedrohung für die deutsche Volkswirtschaft. Und ebenso wie militärische Drohungen durch militärische Maßnahmen begegnet werden, werden protektionistische Maßnahmen eines Landes zwangsläufig durch protektionistische Maßnahmen von anderen erwidert.
Gareth Stace von UK Steel sagte, Donald Trumps Schachzug habe „einen zerstörerischen Handelskrieg ausgelöst“. Er fügte hinzu:
„Es ist schwer einzusehen, was das Ergebnis dieser Zölle sein wird. Die Stahlverbraucher in den USA melden bereits Preiserhöhungen und Störungen der Lieferkette. Im vergangenen Jahr wurden Stahlprodukte aus Großbritannien in Höhe von einer halben Milliarde US-Dollar in die USA exportiert, Die britischen Stahlproduzenten werden hart getroffen. Wie immer wieder betont, sind multilaterale Gespräche und Maßnahmen durch etablierte internationale Kanäle die einzige nachhaltige Lösung zur Beseitigung der Ursachen der globalen Überkapazitäten in der Stahlproduktion.“
Die Stahl- und Aluminiumzölle haben die Spannungen mit der Europäischen Union verschärft, die bereits durch den einseitigen Rückzug der USA aus der Pariser Vereinbarung über den Klimawandel und das Zerreißen des Iran-Abkommens bestanden. Die EU hat bereits Vergeltungstarife für amerikanische Exporte („Rebalancing“ genannt) im Wert von mehr als drei Milliarden US-Dollar verhängt, die auf amerikanische Kultprodukte wie Motorräder, Orangensaft, Bourbon, Erdnussbutter und Jeans abzielen.
Als Antwort darauf verschärfte Trump seine Drohung, neue Tarife für europäische Autos einzuführen. „Basierend auf den Zoll- und Handelshemmnissen, die die Vereinigten Staaten und ihre großen Unternehmen und Arbeitnehmer in der Europäischen Union lange ausgesetzt sind, werden wir, wenn diese Zolltarife und Barrieren nicht bald abgebaut und beseitigt werden, 20% auf alle ihre Autos erheben, die in die USA kommen „schrieb er auf Twitter. Der Tweet hatte einen Einbruch bei den Aktienkursen europäischer Autohersteller einschließlich BMW und Volkswagen zur Folge.
Es muss daran erinnert werden, dass es Protektionismus war, der den Absturz von 1929 in die große Depression der 1930er Jahre verwandelte. Wenn sich Protektionismus durchsetzt, kann dies dazu führen, dass die gesamte fragile Struktur des Welthandels, mit den schlimmsten Folgen, zusammenbricht.
„Eine andere und gefährlichere Welt”
Aus all diesen Gründen fügt Trumps Außenpolitik der allgemeinen Krise des Weltkapitalismus ein neues und destabilisierendes Element hinzu. Die ernsthaften Strategen des Kapitals beobachten dieses unheilvolle Schauspiel mit wachsender Besorgnis. In seiner Ausgabe vom 7. Juni veröffentlichte The Economist einen Artikel mit einem erstaunlichen Titel: „Wir wohnen der Zerstörung bei: Donald Trump untergräbt die auf Regeln basierende internationale Ordnung“. Er beginnt mit den bedeutungsschweren Worten: „Es mag kurzfristige Erfolge für Amerika geben, aber die Welt wird langfristig Schaden davontragen.“
Robert Kagan, ein konservativer Washingtoner Kommentator schreibt:
„Die 1930er Jahre werden nicht wieder auf die gleiche Weise passieren – wir sind noch nicht an diesem Punkt. Aber die Leute vergessen, dass die Ordnung nach dem Zweiten Weltkrieg eine Ausnahmeentwicklung war. Man verließ sich auf Amerika, um sie zusammenzuhalten. Unter Trump kehren wir in eine Welt multipolaren Wettbewerbs zurück. Das ist eine ganz andere und gefährlichere Welt als die, in der wir aufgewachsen sind. „
Am 25. Mai erschien im New Yorker ein Artikel mit dem Titel: „Trumps einstürzende Weltordnung“. Er sprach von Trumps „Alles-oder-Nichts-Diplomatie, die intrinsisch die Gefahren von Konflikten erhöht“. Und er endet düster:
„In den 15 Monaten von Trumps Präsidentschaft hat die USA eine erstaunliche Annullierung der seit langem bestehenden Normen erlebt – die von den USA angeführte Weltordnung, den wichtigsten Bündnissen, den Handelsabkommen, den Prinzipien der Nichtverbreitung, der Globalisierungsmuster, der Weltinstitutionen, und vor allem des US-Einflusses.“
Der New Yorker Artikel weist darauf hin:
„Wenn es um Verbündete auf irgendeinem Kontinent geht, möchte Trump mehr sein als der Erste unter Gleichen, was die traditionelle Rolle der USA ist. Er bedient sich einer Überheblichkeit und Demütigung, um Position zu beanspruchen. Bei seinem Treffen mit Präsident Emmanuel Macron unterlief Trump ein peinlicher Fauxpas, als er Schuppen vom Anzug des französischen Führers abputzte, während die Fernsehkameras liefen. ‚Und dabei handelt es sich um den Politiker, der am ehesten versucht hat, ihn zu verstehen‘, sagte Brinkley. Die anderen politischen Führer fürchten jetzt seinen persönlichen und politischen Narzissmus, fügte er hinzu.“
Ein Jahr nach Trumps Amtsantritt ergab eine Gallup-Umfrage in 134 Ländern, dass die Zustimmung gegenüber der amerikanischen Führung von 48 Prozent auf 30 Prozent gesunken ist. „Mit diesem historischen Tief ist die Zustimmungsrate zur US-Führung auf demselben Niveau wie die zu China und setzt neue Maßstäbe des Missfallens,“ folgerte Gallup.
In Wirklichkeit begann dies bereits mit der Ankündigung der berüchtigten „Neuen Weltordnung“ nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion. Ein entscheidender Wendepunkt kam 2003 mit der US-Invasion im Irak. Aber diese aggressive Außenpolitik hat sich seit Trumps Amtsantritt mit der erstaunlichsten Geschwindigkeit beschleunigt. Und das hat sehr weitreichende Folgen für die ganze Welt.
In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg erlebte der Weltkapitalismus eine starke Wachstumsphase. Dies war die objektive Grundlage für die relative Stabilität der Beziehungen zwischen den Klassen und auch zwischen den Nationalstaaten in der Nachkriegszeit. Es war diese lange Phase des wirtschaftlichen Aufschwungs – zusammen mit der Teilung der Welt zwischen dem US-Imperialismus und der UdSSR – die zu dieser relativen Stabilität in den Weltbeziehungen führte.
Dieser so genannte Frieden und diese Stabilität beruhten 50 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg auf dem Gleichgewicht des Schreckens zwischen dem mächtigen stalinistischen Russland einerseits und dem amerikanischen Imperialismus andererseits. Der Kampf zwischen zwei sich gegensätzlichen sozialen Systemen im so genannten „Kalten Krieg“ spaltete die ganze Welt in scheinbar unveränderliche Blöcke und Einflusssphären.
Aber jetzt hat sich alles verändert. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion gab es nur eine Supermacht in der Welt – die Vereinigten Staaten von Amerika. Mit kolossaler Macht kam kolossale Arroganz. Die Bush-Doktrin drückte sich in der Invasion des Irak aus. Schon zuvor hat der amerikanische Imperialismus durch seine Intervention im ehemaligen Jugoslawien seinen aggressiven Charakter gezeigt. Diese Aktionen zerstörten die vorherige internationale Ordnung und leiteten eine neue Periode ein, die durch extreme Instabilität, Turbulenzen und Unordnung gekennzeichnet ist.
Das Problem ist, dass es auf einer kapitalistischen Basis keine Alternative gibt, die Institutionen, Ideen, Vereinbarungen und Beziehungen zu ersetzen, an denen Trump beteiligt ist. „Die Welt, in die Sie eintreten, ist voller Unsicherheiten und Bedrohungen“, sagte Richard Haass, der Präsident des Council on Foreign Relations, kürzlich an der Colgate University.
„Die Qualität und Quantität der Herausforderungen, mit denen die Vereinigten Staaten und die Welt konfrontiert sind, sind meiner Erfahrung nach beispiellos“, fügte er hinzu.
„Die alten Gewissheiten verschwinden schnell und werden durch eine allgemeine Instabilität auf allen Ebenen ersetzt: wirtschaftlich, finanziell, monetär, politisch, sozial, militärisch und diplomatisch. Wie ein amerikanischer Kommentator es ausdrückte, haben die Vereinigten Staaten nur den ersten Akt von Trump gesehen. Wir wissen nicht, was dem noch folgen wird.“