Wir präsentieren anlässlich der Nationalratswahlen zwei Interviews mit linken Kandidatinnen. Auf der einen Seite haben wir Flora Petrik, ehemalige Vorsitzende der Jungen Grünen, die nach dem Konflikt mit der grünen Parteispitze, der zum Bruch der Organisation mit der Partei führte, auf Listenplatz 2 der KPÖ PLUS kandidiert. Auf der anderen Seite stellte sich Julia Herr, Vorsitzende der Sozialistischen Jugend Österreich und Bundesparteivorstandsmitglied der SPÖ, unseren Fragen. Sie kandidiert auf der Bundesliste der SPÖ auf Listenplatz 16.
Du kandidierst als Vorsitzende der Sozialistischen Jugend bei den Nationalratswahlen. Was sind dir besondere programmatische Anliegen? Und wie glaubst du, können diese umgesetzt werden?
Ein zentrales Anliegen ist mir die Einführung vermögensbezogener Steuern. Während sich im SPÖ-Programm bereits die Erbschaftssteuer findet, kann man von einer Vermögenssteuer nichts lesen. Wenn aber die neuesten Zahlen zeigen, dass das reichste Prozent in Österreich über 40% des Nettogesamtvermögens verfügt, die ärmeren 50% aber nur über 2,5%, dann ist klar, dass wir hier mehr Maßnahmen brauchen. Unser Modell ist da recht einfach: ein Freibetrag von 500.000 Euro garantiert, dass nur große Vermögen getroffen werden. Dann startet es mit 0,25% pro Jahr und steigt stufenweise auf 1,45% ab zwei Millionen Euro an. Vergleichbare Modelle gehen hier von sechs Milliarden Euro an Steuerleistung aus. Damit leisten endlich auch die Reichen einen höheren Beitrag. 3 Punkte zu unserer Umsetzung: Erstens, haben wir ganz klar mit dem Wort Millionärssteuer in unserer Kampagne gearbeitet. Damit wird sofort klar, wenn die Steuer trifft. Nur durch eigene Arbeit ist es fast unmöglich ein so großes Vermögen aufzubauen. Das geht nur durch Erbschaft oder kapitalistische Ausbeutung. Der zweite Punkt war die direkte Finanzierung eines weiteren zentralen Aspekts: leistbares Wohnen. Der private Wohnungsmarkt hat versagt, wir brauchen wieder mehr öffentlichen Wohnbau. Eine gut gelegene Wohnung mit hoher Qualität und ausreichender Größe darf kein Luxus für wenige sein, sondern muss für alle möglich werden. Mit dem Geld aus der Millionärssteuer können wir Gemeindebauten bauen, die Nachfrage am Wohnungsmarkt rasch abdecken und so die Preise Hand in Hand mit Regulierungen am Wohnungsmarkt senken. Der letzte Punkt ist Bündnisarbeit. Auch wenn die SPÖ-Spitze die Millionärssteuer nicht im Programm hat, weiß ich, dass ganz viele SPÖ-Mitglieder hinter dieser Forderung stehen. Das zeigen auch Bundesparteitagsbeschlüsse. Auch über die SPÖ hinaus ist vielen Menschen klar, dass die Schere zwischen Arm und Reich, die immer größer wird, ein echtes Problem ist und wir endlich etwas ändern müssen. Meiner Meinung nach gibt es da viele Möglichkeiten, um Druck innerhalb und außerhalb der SPÖ aufzubauen.
Nach 10 Jahren Großer Koalition im Zeichen von Konterreformen und Bankenrettungen trittst du auf der Liste der SPÖ an. Was würdest du Jugendlichen antworten, die sagen, sie können aufgrund von Rassismus und Sozialabbau in den letzten Jahren die SPÖ und damit dich nicht wählen? Würdest du im Parlament auch gegen den Klubzwang gegen solche Gesetze stimmen?
Das ist nicht so einfach. Einerseits ist natürlich festzuhalten, dass die SPÖ 10 Jahre lang mit der ÖVP am Tisch gesessen ist, und die ÖVP viele sinnvolle Reformen blockiert hat. Aber die Schuld allein der ÖVP zuzuschieben wäre zu einfach. Als SJ haben wir ja bereits gegen das letzte Koalitionsprogramm zwischen SPÖ und ÖVP gestimmt. Für uns war schon damals klar, dass hier die sozialdemokratischen Grundsätze viel zu wenig durchkommen. Die SPÖ hätte sich nicht 10 Jahre lang an die Regierungsbank binden dürfen, sondern mehr Mut beweisen müssen und so ihre Glaubwürdigkeit bewahren. Wie der Wahlkampf wohl ausgesehen hätte, wenn Christian Kern im Jänner die Koalition aufgebrochen hätte, nachdem Sobotka das erneuerte Koalitionsabkommen nicht unterschreiben wollte?
Dann ist da natürlich auch noch der innerparteiliche Aspekt. Ich kann nicht leugnen, dass auch in der Partei leider viele Personen einen massiven Rechtsdrall vollziehen. Da wird auf einen restriktiven Asyl- und Sicherheitskurs gesetzt, mit dem wir erstens kein Leiberl reißen werden und zweitens unsere Grundsätze über Bord werfen. Meist werde ich solche Sachen ja nur von politisch sehr interessierten Menschen gefragt, die auch nach dieser längeren kritischen Selbstreflexion noch nicht weggegangen sind. Denn nach der Reflexion folgt der Ausblick. Die SPÖ hat nicht nur eine Geschichte, in der viel für ArbeiterInnen getan wurde, sondern sie ist im Parlament auch immer noch jene Partei, die am meisten für ArbeiterInnen macht. Nicht genug, ja, aber immer noch am meisten. Die Grünen sind da keine Alternative und auch außerhalb des Parlaments kann ich die neue bundesweite linke Bewegung, die auch viele Menschen erreicht, nicht erkennen. Die großen Gewerkschaften, zu denen natürlich auch viel zu sagen wäre, stehen immer noch Seite an Seite mit der SPÖ. Aber ohne den ArbeiterInnen geht es nicht. Eine linke Alternative kann nicht überwiegend von linken Intellektuellen oder Studierenden getragen werden, die aber auch nicht fehlen dürfen, sondern muss unter den ArbeiterInnen ebenfalls fest verankert sein. Meine Antwort ist daher: Nutzen wir die Plattform der Sozialdemokratie, um für linke Inhalte zu kämpfen! Da gibt es Hindernisse und Widerstand und Personen, die in eine ganz andere Richtung wollen als wir, aber auch viele Menschen, die auf unserer Seite stehen. Eine Vorzugsstimme für mich, hilft, genau diese Seite massiv zu stärken, aber das reicht noch nicht. In der Vergangenheit hatte ich das Gefühl, dass hie und da Linke ins Parlament gekommen sind, alle haben sich gefreut. Wenn diese Person dann aber Unterstützung gebraucht hätte, war sie oft nicht ausreichend da. Support ist notwendig – sowohl inhaltlich, damit man sich in den tagespolitischen Wirren nicht völlig verliert, als auch strategisch, taktisch und nach außen. Mit der SJ hinter mir, habe ich eine solche Unterstützung, was eine Vorzugsstimme für mich doppelt wirksam macht, weil nicht nur ich als Person, sondern auch die SJ gestärkt wird. Darüber hinaus ist uns Jeremy Corbyn betreffend Klubzwang ein gutes Beispiel, denn wir sehen, jahrelange Glaubwürdigkeit zahlt sich aus.
Der Bundesparteirat der SPÖ hat dich auf Listenplatz 16 der Bundesliste gesetzt. Nachdem dir von der Niessl-SPÖ als Burgenländerin auch ein Platz auf einer Landesliste verwehrt wurde, ist nach Einschätzung von WahlexpertInnen die einzige realistische Möglichkeit für einen Einzug in den Nationalrat eine Regierungsbeteiligung der SPÖ, über die Plätze von MinisterInnen im Parlament frei werden würden. Wie würdest du in so einer Situation reagieren? Wie stehst du zu Koalitionen der SPÖ mit bürgerlichen Parteien, spezieller der FPÖ und der ÖVP?
Kritisch bis kategorisch ablehnend. In der Politik geht es nicht nur um Inhalte, sondern diese auch glaubwürdig vertreten zu können. Ein Manko der SPÖ. In diese Falle will ich nicht tappen. Ich sage jetzt vor der Wahl und werde auch nach der Wahl sagen: Nein zu Rot-Blau. Wenn ich deshalb auf Platz 16 sitze und nicht in den Nationalrat komme, okay. Sollte sich der Einzug doch ergeben, werde ich gegen einen rot-blauen Koalitionspakt stimmen. Das wird nicht einfach, da wird es viel Druck geben, aber wie gesagt, ich weiß, ich kann mich da auf die tausenden SJ-Mitglieder verlassen.
Darüber hinaus, wie gesagt, ich habe als SJ Vorsitzende bereits während der bisherigen Koalition ihr Aus gefordert. Nach den aktuellen Entwicklungen innerhalb der „Liste Kurz“ sehe ich keine Verbesserungen. Mit offenem Auge können wir zusehen, wie reiche Investoren – Stichwort KTM – sich ihre Politik bei der ÖVP kaufen. Von dem her kann ich mir derzeit keine Koalition mit der Kurz-ÖVP vorstellen.
Ein Blick über die Wahlen hinaus: Wo siehst du dich und die Sozialistische Jugend in einem Jahr? Welche Rolle sollte die Organisation spielen? Und wie wird die sozialistische Umwälzung in Österreich letztendlich aussehen?
Laut und kritisch sein, so wie jetzt. Stärker werden und egal welche Koalition nach dem 15. Oktober raus kommt, glaubwürdig bleiben. Kommt Schwarz- Blau ist die Sache klar: Die SJ wird auf der Straße, medial und auf allen anderen Kanälen, die es heute gibt, gegen die reaktionäre Politik einer ÖVP-FPÖ-Koalition auftreten. Aber auch bei allen anderen Koalitionsvarianten, wo zum Beispiel die FPÖ dabei ist, werde ich und die SJ zu unseren Beschlüssen stehen und die sind in der Sache sehr klar. Wir werden sicherlich viele Jugendliche erreichen, die die Politik eines Kurz’ oder eines Straches anwidert und politisch aktiv werden wollen. Wir werden Demos auf die Beine stellen, gegen menschenfeindliche Regierungsvorhaben inhaltlich Kritik üben und in vorderster Reihe an der Stärkung der Linken in Österreich mitarbeiten. Wenn, wie ich hoffe, die SPÖ aus der Wahl gestärkt hervorgeht und eine Koalition abseits von Schwarz oder Blau möglich ist, sollte diese Chance genutzt werden. Für die SJ bedeutet das, weiterhin die linke Stimme zu sein, die daran arbeitet, politische Debatten nach links zu ziehen und in der SPÖ zu stärken. Ich werde, ob mit oder ohne Mandat, in diesem Prozess mitten drin sein. Weder der SJ noch mir wird nach der Wahl langweilig werden (lacht).
Die sozialistische Umwälzung, so ehrlich muss man sein, wird in Österreich nicht morgen stattfinden und übermorgen wahrscheinlich auch nicht. Sollte sich ein historisches Fenster öffnen, brauchen wir eine inhaltlich geschulte Organisation. Das heißt: Ideologische Arbeit innerhalb der SJ forcieren, aber auch mehr und mehr Jugendliche organisieren! Gesellschaftlicher Wandel passiert nicht von alleine, da müssen wir schon noch kräftig dafür kämpfen und vor allem wieder verstärkt eine linke Alternative aufzeigen! Jeremy Corbyn hat zwar auch nicht die Revolution gestartet, die die herrschende Ordnung hinwegfegt, aber er hat mit inhaltlichen Alternativen, die er vor allem auch glaubwürdig vertreten kann, Menschen begeistert. Das können wir als SJ auch, und die SPÖ muss es wieder lernen.