Vor ein paar Monaten wurde es still in unserem Metaller-Betrieb. Keinerlei Diskussionen abseits der Arbeit selbst. Doch unaufhörlich verdichtet sich das Verständnis, dass wir in einer neuen Realität leben.
Rund um die Präsidentschaftswahl hörte man noch Aussagen wie: „Naja, der VdB war wenigstens mal bei den Grünen“. Oder: „Wartet nur bis die FPÖ an der Macht ist!“ Seit die Große Koalition das Programm der FPÖ umsetzt, ist jede politische Debatte in den Hallen vollkommen verschwunden. Durch die permanenten Angriffe auf Kosten von MigrantInnen und Flüchtlingen hat die große Politik Vertrauen in die Machbarkeit von Politik zurückgewonnen. Die Kollegen und Kolleginnen nehmen die permanente Inszenierung kommentarlos wahr. Die politische Debatte ist versiegt, die Verhältnisse stabilisieren sich merkbar. Politisch bewusste Arbeiterinnen und Arbeiter bewegen sich in einer Atmosphäre beklemmender Friedhofsruhe. Dieser Tage ist es schwierig eine politische oder gewerkschaftliche Position zu beziehen, es fehlt jeder Ansatzpunkt dafür.
Doch diese Karte lässt sich nicht einfach ein zweites Mal ausspielen. Denn gleichzeitig werden die konkreten Bedingungen ständig verschlechtert. Dies bildet sich im neuen Regierungsprogramm ab, und im Betrieb werden Schritt für Schritt die Räume enger gemacht, ohne organisierte Gegenwehr von Seiten des Betriebsrats. LeiharbeiterInnen aller Herren Länder, aus dem Katalog mit Umtauschgarantie, strömen in die Hallen. Die Geschäftsführung verlangt die Abschaffung der Überstundenzuschläge mit der Begründung, dass „es sowas auch sonst nirgendwo gäbe“ und überhaupt sei bald allgemein Schluss damit. Dem Vernehmen nach ist der Betriebsrat bereit das zu unterschreiben, bevor wir überhaupt informiert werden.
Gleichzeitig kämpfen vereinzelte KollegInnen seit Jahren für die korrekte Zeiterfassung der Überstunden. Selbst solche, die ihre Hoffnung auf die FPÖ setzen, kümmern sich um die korrekte Stundenerfassung der migrantischen KollegInnen, die meist jene sind bei denen am meisten probiert und gedrückt wird. In der täglichen Praxis ist hier kein Platz für die rassistischen Erklärungsmuster der großen Politik, die Erfahrung lehrt, dass Kollegialität allen hilft.
Die arbeitende Jugend der 08er Jahre hat einen ganz anderen Bezug zur Arbeit als die älteren KollegInnen. Schon Lehrlinge, denen man den Himmel auf Erden reinprügeln will, treffen Aussagen wie: „Nein, also das halt ich nicht lange so aus… das soll also das Leben sein?“ Der aktuell abgehende Jahrgang der Lehrlinge bekommt erstmals einen neuen Arbeitsvertrag vorgesetzt. Der Berufsschutz ist aufgeweicht, man soll in Zukunft für jede anfallende Arbeit in den Hallen einsetzbar sein. Die Erfahrung zeigt, dass dies nicht gut gehen wird. Eine widerständige Stimmung macht sich breit. Wird sich diese nicht gemeinsam äußern, werden viele den Arbeitsvertrag liegen lassen und sich eine neue Firma suchen.
Nur das Bewahren der politischen Stabilität, das Verhaften in den Ritualen der Sozialpartnerschaft und die Angst der Führung der Arbeiterklasse, der Gewerkschaftsoberen, die keinerlei Vertrauen in ihre eigenen Basis haben, hält uns zurück. Der Wille die eigenen Arbeitsverhältnisse stabil zu halten, richtig auf den Tisch zu hauen und mal wirklich was für uns rauszuholen, ist vorhanden.
Es leben knapp 2 Millionen Menschen mit direktem Migrationshintergrund in Österreich. Mit denen täglich bei der Arbeit zusammen Kaffee getrunken wird. Der Unmut aller Arbeiter und Arbeiterinnen hat einen gemeinsamen Ursprung und bereitet einen Sturm vor, der sich nicht so einfach von ein paar Demagogen oder Opportunisten einfangen lassen wird.