Die Deutschlehrenden in privaten Bildungseinrichtungen organisieren sich um die Streikfähigkeit in dieser Branche herzustellen. Es gilt höhere Löhne und stabile Arbeitsverhältnisse zu erkämpfen, erklärt ein Aktivist.
Mit dem Beschluss des Integrationsjahrs ist eine für die Branche historische Situation geschaffen worden: An allen Ecken und Enden fehlen Lehrende. Laufende Aufträge an den Instituten werden massiv erweitert, deshalb wird massiv Lehrpersonal angeheuert. Der erhöhte Bedarf der privaten Bildungseinrichtungen an Lehrpersonal führt dazu, dass trotz schlechter Ausgangsbedingungen Forderungen gestellt und prekäre Arbeitsbedingungen nicht nur benannt, sondern verändert werden können.
Repression verhindert uns nicht
Als Reaktion auf schlechte Arbeitsbedingungen und repressive Atmosphäre in vielen Betrieben organisieren wir uns. In einem Prozess, der von „normalen“ Beschäftigten, einem Betriebsratsangehörigen und klassenkämpferischen externen Gewerkschaftern moderiert wird, entwickeln die Deutschlehrenden gemeinsame Forderungen. Ziel ist es, dass diese Bemühungen in einem Branchentreffen für AktivistInnen Ende April münden.
Was bisher geschah…
Dabei können wir auf mehrere bisher zersplitterte Basisinitiativen zurückgreifen. An den Volkshochschulen (VHS) werden die KollegInnen als freie Dienstnehmer (also sozialrechtlich Selbstständige) beschäftigt. In der Mehrheit der anderen Firmen als Angestellte, allerdings mit unterschiedlichen Lohnschemata und Unterrichtsansätzen.
Die Gemeinsamkeit ist, dass unser Deutschunterricht für Neu-ÖsterreicherInnen zu Dumpingpreisen funktionieren soll. Mehrere private Anbieter konkurrieren um die öffentlichen Aufträge und unterbieten sich dabei, die Arbeitsbedingungen zu untergraben. Es gilt billig Anzubieten und privaten Profit einzustreichen.
Darunter leidet selbstverständlich auch die Unterrichtsqualität. Das wird in Kauf genommen. Die Lehrenden leiden unter Arbeitszeitverdichtung und der Leistungsdruck führt meist zur Selbstausbeutung, schließlich will man benachteiligte Menschen, d.h. Flüchtlingen (auf Dauer und auf Zeit) und MigrantInnen möglichst gut behilflich sein. Engagierte Lehrende sind am Limit, d.h. die Rahmenbedingungen lassen das Unterrichtspersonal an seine Grenzen stoßen – Stichwort: Unterricht wie am Fließband – bei gleichzeitigen, öffentlichen Beschwerden von Lernenden über schlechte Qualität der Kurse. Natürlich stellen viele Betriebe auch schlechter qualifizierte Menschen und viele Alleinerzieherinnen und hochqualifizierte MigrantInnen aus den Nachbarländern an. Diese KollegInnen haben besondere Angst um ihren Arbeitsplatz und haben eine höhere Toleranzschwelle, was ihre eigene Ausbeutung betrifft.
Bei den Preis-Dumpern der Branche wird mit eiserner Hand und repressiv regiert, gute Lehrkräfte gehen oder werden gegangen, wobei systematisch Mobbing und Kündigungsandrohungen eingesetzt werden.
In den VHS werden gesetzliche Mindesthonorare an freie Dienstnehmer nicht ausgezahlt: Wer klagt, bekommt keine Kurse mehr, es gibt erst gar kein Anstellungsverhältnis, das vom Arbeitgeber aufgelöst werden muss.
Die öffentliche Hand als Geldgeber in Form von u.a. AMS oder ÖIF (Österreichsicher Integrationsfonds) putzen sich ab und argumentieren, dass die Gewerkschaften einen schlechten Kollektivvertrag verhandelt haben. Doch weder in Politik noch in den Gewerkschaften fühlt sich jemand für unsere Bedingungen zuständig. Das Low-Budget-System auf den Schultern von motivierten Lehrkräften funktioniert zufriedenstellend.
Als die größeren Medien wie der ORF oder Die Presse über die Missstände zu berichten begannen, wurde als Reaktion ein kritischer Betriebsrat bei Mentor zeitweise freigestellt, um ihn von der Basis zu trennen. Eine öffentliche Diskussion war weder innerhalb der Branche möglich, noch vom AMS erwünscht. Die erste Basisinitiative der Lehrenden in der Firma „BIT“ wurde durch gezielte Kündigungen zerschlagen (der Funke berichtete), kürzlich wurde die nächste Generation von zwei KämpferInnen bei „BIT“ fristlos entlassen.
Veränderung braucht Initiative, Mut und Kontinuität
Die laufenden Organisierungsprozesse brachten eine breite Mobilisierung in sämtlichen Betrieben der Lehrenden für Deutsch als Fremdsprache in Wien. Das ist im Vorfeld durch viele Gespräche mit Gleichgesinnten, Überzeugungsarbeit und Treffen der entschlossensten und verlässlichsten Teile der Bewegung erreicht worden.
Die Gewerkschaftsapparate agieren momentan noch als Mitverwalterinnen der Misere und haben kein Interesse daran, die Belegschaft in den Betrieben streikfähig zu machen. Aber nur dadurch ist es für Lehrende möglich, materielle Zugeständnisse gegen die Verwalter und Nutznießer des Systems durchzusetzen. Es ist unsere Aufgabe, in Gesprächen und in mühsamer Kleinstarbeit diesen Ansatz in den Betrieben mehrheitsfähig zu machen. Die Streikfähigkeit, das heißt das Formulieren gemeinsamer Ziele, in einer sehr zersplitterten Branche, und die Schaffung und Verknüpfung von Kollektiven von AktivistInnen in allen Betrieben. Diese Aufgabe können nur wir Lehrenden gemeinsam erzielen. Und dieser Prozess geht unaufhörlich voran.
Die Forderungen, für die wir als Funke eintreten, haben sich seit Beginn der Arbeitskämpfe nicht verändert.
Um unsere Ziel zu erreichen ist es weiterhin „nötig, an die Öffentlichkeit zu gehen und uns branchenübergreifend zu vernetzen, um
• für 30 Stunden in der Klasse, 8 Stunden Vor- und Nachbereitung, keine Übernahme von fachfremden Tätigkeiten
• bessere Finanzierung für SozialarbeiterInnen im Haus,
• eine systematische, psychologische Betreuung der Lernenden,
• bezahlte Weiterbildungen während der Arbeitszeit entsprechend unserer beruflichen Herausforderungen in der Klasse sowie
• die Eingliederung unserer Tätigkeit in den staatlichen Sektor unter demokratischer Mitbestimmung der SchülerInnen, LehrerInnen und der Gesellschaft zu kämpfen.“