Pakistan. Auf dem heurigen Weltkongress der International Marxist Tendency (IMT) hielt Genossin Anam einen Bericht über die Lage der Frauen in Pakistan und unsere Arbeit vor Ort. Judith König berichtet.
Frauen in Pakistan befinden sich in einer unerträglichen Situation, in welcher sie täglich mit Hass, Verachtung, Erniedrigung und daraus folgend auch mit Gewalt und Missbrauch konfrontiert sind. Die Grundlage dafür liegt in der Schwäche einer rückständigen Wirtschaft, die vor allem imperialistischen Nationen zur Ausplünderung dient. Das niedrige kulturelle Niveau der Gesellschaft ergibt sich nicht aus den Traditionen der islamischen Religion, sondern aus einer Ökonomie die unfähig ist selbst grundlegende menschliche Bedürfnisse für die Gesellschaft zu garantieren. In den Kriegen in der Region, insbesondere in Afghanistan seit den 1980er Jahren, wurden zudem religiöse Sekten wie die Taliban vom Westen bewusst unterstützt. Heute bilden diese einen Staat im Staat, welcher große Teile der Wirtschaft beherrscht.
Das Lebensziel, dass einer pakistanischen Frau vorgegeben wird, ist die Heirat. Oft geschieht dies schon im Alter von 5-6 Jahren (48% aller Ehen sind Ehen mit Minderjährigen), während der Ehemann oft 40 oder noch älter ist. Der Grund dafür ist, dass für Frauen eine Mitgift zu entrichten ist, wodurch die Frau eine finanzielle Last darstellt und nicht als Teil der Familie gesehen wird, da sie aufgrund der Heirat diese bald wieder verlässt. Hochzeiten werden auch mit roher Gewalt durchgesetzt: Sollte sich eine Frau der Heirat entgegenstellen, droht ihr Entstellung durch Sprühen von Säure ins Gesicht, wenn ein fremder Mann mit ihr spricht der Ehrenmord, da sie die Familienehre beschmutzt habe. So wird an über 1000 Frauen jährlich ein grausames, unmenschliches, sexistisches Exempel statuiert. Mit der Angst dieses Drohpotentials leben aber alle Frauen. Männer und Frauen können, der herrschenden Moral gemäß, nicht befreundet sein, nicht einmal wenn sie Geschwister sind.
Das Besitzdenken gegenüber der Frau zieht sich so weit, dass in Pakistan stündlich eine Frau – oft in Form von Gruppenmissbrauch – vergewaltigt wird und die Mehrzahl dieser Fälle nie gemeldet werden, da eine derartige Meldung als Beschmutzung der Familienehre gesehen und geahndet werden würde. Von Zeit zu Zeit verkaufen NGOs solche Geschichten und stecken einen riesen Haufen an Spenden ein, wohingegen die Frau ihr ganzes Leben mit diesen Verletzungen leben muss, ohne dass ihr geholfen wird.
In der herrschenden Klasse passieren sexuelle Übergriffe seltener. Generell wird Frauen aus der Oberklasse mehr Freiraum eingeräumt: sie dürfen sich bilden, sie werden während der Schwangerschaft gut behandelt und haben mehr Freiheiten. Für diese relative Freiheit bezahlen aber Frauen aus den armen Schichten. Prostitution für Reiche ist hier eine weitverbreitete Nebentätigkeit, ungewollte Schwangerschaften durch Vergewaltigungen, Krankheit und Hunger häufig. Doch selbst für bessergestellte Frauen ist die Möglichkeit durch Bildung einen Ausweg zu schaffen meist nur scheinbar. Die Erwartungshaltung an sie lautet an den Universitäten einen Mann zu finden, anstatt einen Abschluss zu machen.
Für arme Frauen ist der Zugang zu Bildung auch formal verschlossen. In Baluchistan etwa können nur 3% aller Frauen schreiben, wobei schreiben nur heißt den eigenen Namen hin kritzeln zu können.
Während der Schwangerschaft sind sie vielfach unterernährt und bekommen weniger und schlechteres Essen als Männer. So sterben von 100 000 Frauen 178 währen der Geburt oder schon davor während der Schwangerschaft (zum Vergleich: in Österreich sind es vier).
Proletarisierung der Frau – Nur vorteilhaft?
Dennoch ist die Zeit vorbei, in der die Frau nur im Haushalt tätig war. Ihre Integration in den Arbeitsmarkt wird durch die allgemein schlechte Lebenssituation und die hohen Preise erzwungen. Aus Frauen werden so auch Arbeiterinnen, die in neue Zusammenhänge eingebunden werden. Dies führt auch vermehrt zu Kontakt mit ihren männlichen Kollegen, was eine Einigung und Annäherung der Geschlechter und damit den Klassenkampf vorantreiben wird. Doch auch hier sind Frauen besonderer Unterdrückung ausgesetzt. Sie sind der Willkür ihrer männlichen Chefs ausgeliefert, sie werden ungleich bezahlt (sie bekommen weniger als die Hälfte des Lohnes der Männer, die in der gleichen Kategorie tätig sind), viele müssen sich auch nebenbei prostituieren. Nach der Arbeit sind sie der Gewalt des Ehemanns, der Familie und der Belastung durch Hausarbeit ausgesetzt.
Unsere Frauenarbeit in Pakistan
Es ist schwer mit Frauen politisch zu arbeiten, da sie als Teil des Haushalts gesehen werden, und ihnen dementsprechend auch keine eigene politische Meinung oder selbstgewählte Aktivität zugestanden wird. Der Hauptfokus der Frauenarbeit der pakistanischen Sektion der IMT ist daher die Arbeit an den Universitäten, wo wir über Lerngruppen mit Frauen in Kontakt kommen und diskutieren können. Zu Beginn wird versucht mit ihnen über ihre Anliegen zu reden, welche vor allem mit ihrer sozialen Situation und Fragen wie Armut, Bildung, Wohnen und Diskriminierung zu tun haben. An ihrer konkreten Situation knüpfen wir dann mit unseren Standpunkten und Perspektiven an. Darüber hinaus übersetzen wir viele frauenpolitische Texte in die wichtigste Landessprache Urdu. Wo es möglich ist, finden geschlechter-gemischte Treffen der Organisation statt. Dies verbessert auch den Umgang mit Frauen selbst, denn „je besser das Verhalten gegenüber Frauen, desto besser die Organisation“.
Dabei verlieren wir nicht aus den Augen, dass sich der Kapitalismus deshalb des Sexismus und anderer Spaltungsmechanismen bedient um seine Herrschaft, das Privateigentum an Produktionsmittel und das Wohl einiger weniger aufrecht zu erhalten und die Arbeiterklasse zu spalten. Es ist wichtig, diese Spaltungen zu überwinden und gemeinsam für unsere Klasseninteressen zu kämpfen. Solange der Kapitalismus besteht, werden Frauen und andere Minderheiten – religiös, sexuell, ethnisch – unterdrückt werden. Weshalb wir den Kampf mit Gleichberechtigung immer mit dem Kampf für den Sozialismus verknüpfen müssen, denn es gilt weiterhin: „Ohne Sozialismus keine Befreiung der Frau – ohne Befreiung der Frau kein Sozialismus!“