Seit mehr als einem halben Jahr ist der Krieg im Gazastreifen ein Schrecken ohne Ende für die Palästinenser, die tagtäglich unter den Angriffen der israelischen Armee leiden. Über 33.000 Menschen sind tot, während unter den Überlebenden Hunger und Krankheiten wüten. Doch ein Ende ist nicht in Sicht. Im Gegenteil: Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu braucht den Krieg, um sich an der Macht zu halten. Und so drehen er und die israelische Regierung weiter an der Eskalationsspirale. Von Florian Keller.
Das Ziel Netanjahus ist es, den Westen (und insbesondere die USA) wenn möglich direkt in einen Krieg mit dem Iran zu verwickeln – und wenn das nicht gelingt, zumindest weiterhin Unterstützung für den Krieg gegen die Palästinenser zu erhalten. Die Kalkulation ist: Der Nahe Osten ist gerade in Zeiten der wachsenden Auseinandersetzungen zwischen China und den USA strategisch enorm wichtig. Israel ist als „unsinkbarer Flugzeugträger“ der USA in der Region der entscheidende Bündnispartner und kann nicht fallengelassen werden. Je mehr daher der Krieg gegen die Palästinenser zu einem Teil einer größeren Auseinandersetzung um Einfluss in der Region gemacht wird, desto eindeutiger müssen die USA und der Westen auf Seiten Israels eingreifen.
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Der Ausverkauf der Palästinenser
Der Angriff der israelischen Luftwaffe auf das iranische Konsulat in Damaskus/Syrien und der darauffolgende Gegenschlag des Iran auf Israel waren dafür der praktische Test. Und tatsächlich: Nichts bleibt mehr übrig von den hohlen Phrasen der letzten Monate, als in den USA und Europa immer mehr Stimmen laut wurden, die Israel – in Worten! – zur Zurückhaltung aufforderten.
Die USA wollen sich nicht direkt in einen weiteren, teuren und unpopulären Krieg im Nahen Osten hineinziehen lassen. Im Gegenzug dafür, auf eine weitere Eskalation mit dem Iran zu „verzichten“, hat Netanjahu daher von Joe Biden offenbar grünes Licht für seine Pläne bekommen, eine Invasion von Rafah zu starten.
In der Stadt mit vor dem Krieg 300.000 Einwohnern drängen sich mittlerweile 1,5 Mio. Menschen. Ein Angriff auf die Stadt würde abertausende Tote bedeuten. Aber was sind schon solche Kleinigkeiten, wenn es um die Verteidigung von „unseren“, „demokratischen“ Interessen geht!
Die meisten der arabischen Staaten der Region stehen auf der Seite der USA und Israels (auch wenn sie das so weit wie möglich versuchen zu verbergen) und auch das reaktionäre Mullahregime im Iran hat offensichtlich kein Problem mit dem Status quo, solange das eigene Gesicht gewahrt wird. So hat Netanjahu nun freie Hand dabei, die nächste Runde des blutigen Krieges gegen die Palästinenser vorzubereiten. Es ist wie immer in der internationalen Politik: Die Rechte von kleinen Nationen, selbst das elementarste Recht auf Existenz, sind nur Kleingeld für das grausame Spiel der Großmächte.
Problem: Kapitalismus, Imperialismus
Das zeigt in aller Deutlichkeit auf, dass nicht diese oder jene „falsche Politik“, sondern die grundlegenden Interessen der Kapitalisten an sich der tieferliegende Grund für die Unterdrückung der Palästinenser sind. Die USA sind weiterhin die stärkste imperialistische Macht auf dem Planeten. Wenn es um die ureigensten Interessen, um das „Recht“ auf die Ausplünderung der Welt geht, wird kein Kapitalist und keine imperialistische Nation wegen noch so hohem „Druck“ seine Position ändern.
So ist auch jeder Versuch gescheitert, den Krieg auf Basis des „Völkerrechts“ oder der „internationalen Institutionen“ zu beenden. Was ist das Völkerrecht? Es ist nichts anderes als das Recht des Stärkeren, dem Schwächeren seinen Willen aufzuzwingen. Was ist die praktische Folge der Anklage Israels vor dem Internationalen Gerichtshof für Menschenrechte? Was wurde aus dutzenden Resolutionen vor der UN in den letzten 75 Jahren? Nichts.
Das zeigt, dass es keine „leichte“ Lösung für die Unterdrückung der Palästinenser auf der Grundlage des Kapitalismus gibt. Im Gegenteil: Unter den derzeitigen Bedingungen droht der Ausbruch eines verallgemeinerten Krieges in der Region, der nur reaktionäre Auswirkungen haben kann.
Der einzige Weg: Sozialistische Revolution der Arbeiterklasse
Nur der revolutionäre Kampf der Arbeiterklasse und der unterdrückten Massen bietet einen Weg vorwärts. In allen Ländern der Region brodelt es – kein einziges Regime ist stabil. Insbesondere in den arabischen Ländern kann die Unterdrückung der Palästinenser und die Unterstützung der Regierungen für Israel und die USA in einer immer tieferen Krise der Zündfunke für eine neue Revolution sein.
Das ist der Weg vorwärts: Als in der arabischen Revolution 2011 Diktatoren in der ganzen Region gestürzt wurden, sind inspiriert davon auch in Israel hunderttausende Menschen mit sozialen Forderungen auf die Straße gegangen. Das ist ein Hinweis darauf, was der israelischen Kriegsmaschinerie und der politischen Ideologie des Zionismus den Boden entziehen kann. Nur ein internationalistisches und revolutionäres Programm kann den Klassenkampf bestärken, um ALLE reaktionären Regimes der Region in einer sozialistischen Revolution zu stürzen.
Nur das schafft die materielle Grundlage für eine wirkliche, demokratische Lösung für die Unterdrückung der Palästinenser: Eine Enteignung des Bodens und der Besitztümer der Kapitalisten in Israel sowie die planmäßige Nutzung dieses Reichtums für ein großangelegtes Programm des Wohnungsbaus und der wirtschaftlichen Entwicklung kann den Palästinensern ein Recht auf Rückkehr gewährleisten und dafür sorgen, dass es Brot und Arbeit für alle geben kann, ohne die jüdischen Arbeiter zu den nächsten Opfern zu machen und die Spirale der Gewalt weiter zu drehen. Nur eine freiwillige sozialistischen Föderation in der Region (und darüber hinaus!) kann allen Völkern und Religionen, seien es Araber oder Israelis, Türken oder Kurden, seien es Moslems, Christen, Drusen oder Juden eine Heimstatt bieten.
Das ist das kommunistische Programm. Es gibt nur eine Kraft auf der Welt, die den Kapitalismus und damit die Unterdrückung der Palästinenser beenden kann, nämlich die internationale Arbeiterklasse. Der beste Beitrag zur Befreiung ist daher der Kampf gegen den Kapitalismus überall!