Im Bauhauptgewerbe zeichnet sich wieder eine harte Auseinandersetzung zwischen den BauarbeiterInnen und dem Schweizerischen Baumeisterverband (SBV) ab. Wie erwartet versuchen die Baumeister mit ihrem Hardliner-Präsidenten, Werner Messmer, den Landesmantelvertrag des Bauhauptgewerbes (LMV), erneut massiv zu verschlechtern. Dagegen formiert sich Widerstand. Es analysiert Jonas Gerber.
Der LMV ist der wichtigste Kollektivvertrag der Schweiz. Rund 100‘000 Bauarbeiter arbeiten unter den Bedingungen dieses Vertrags. Dieser Vertrag ist einer der ausgebautesten Kollektivverträge der Schweiz und allfällige Verschlechterungen werden auf alle anderen Verträge auf dem Bau und darüber hinaus Auswirkungen haben. Der LMV ist so etwas wie der Gradmesser der Kollektivverträge.
Der Baumeisterverband versuchte im letzten Jahrzehnt mehrere Male, diesen Vertrag auszuhöhlen, sie gingen sogar soweit, 2007 den LMV einfach zu künden. Die damaligen Angriffe konnten nur dank und mittels teilweise massiven Streikaktionen der Bauarbeiter verhindert werden. Ende 2011 läuft der aktuelle Vertrag aus. Auch dieses Mal versuchen die Baumeister, den Vertrag zu unterhöhlen. Mindestlöhne sollen nicht mehr für alle gelten, Kündigungsschutz bei Krankheit und Unfall soll aufgeweicht und die Höchstarbeitszeit auf 48 Stunden erhöht werden. Weiter droht der Baumeisterverband, das Rentenalter 60 in Frage zu stellen, wenn die Bauarbeiter und ihre Gewerkschaften nicht nachgeben. Dies wird natürlich wie immer mit der schlechten Wirtschaftslage und den „nicht vorhandenen“ Gewinnen verargumentiert. Natürlich ist diese Argumentation völliger Unsinn. In den letzten 10 Jahren ist die Produktivität auf dem Bau um 7.7% gestiegen, während die Löhne im gleichen Zeitraum nur um 3.6% gestiegen sind. Das entspricht einer realen „Lohnkürzung“ von 4.1%. Gleichzeitig wird immer mehr gebaut, letztes Jahr für 57 Milliarden Franken. Die Umsätze der Baumeister stiegen seit 2005 um gut 30%. Während also die Baumeister teilweise fette Gewinne einstreichen, sollen die Arbeitsbedingungen der Bauarbeiter laufend verschlechtert werden. Das kann nicht ihr Ernst sein und das können wir auf keinen Fall hinnehmen!
Was wollen die Bauarbeiter?
Die Bauarbeiter ihrerseits haben an ihrer Landsgemeinde im Mai 2011, an welcher 800 Bauarbeiter teilgenommen haben, ganz klar beschlossen, dass die Verhandlungsdelegation über keine Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen verhandeln darf. Weiter wurden folgende Forderungen aufgestellt, welche wir voll und ganz unterstützen:
* 100% Lohn bei Unfall und Krankheit
* Einstellung der Bautätigkeiten bei Schlechtwetter
* Kündigungsschutz für ältere und gewerkschaftlich aktive Bauarbeiter
* Einschränkung der Temporärarbeit
Die Beschlüsse und Forderungen der Bauarbeiter sind klar und deutlich, die Verhandlungsdelegation ist an diese gebunden und darf einzig und allein über Verbesserungen des Vertrages verhandeln. Kein Sekretär darf sich darüber hinwegsetzen. Die Bauarbeiter zeigen hier nicht nur Mut, sondern zeugen auch von einem demokratischen Klasseninstinkt. Wer entscheidet? Die Arbeiter und Arbeiterinnen selbst!
Wie kämpfen?
Die Stärke der Arbeiterklasse ist ihre zahlenmässige Überlegenheit und ihre Position in der Produktion. Wer würde an ihrer Stelle an den über 70’000 Wohnungen arbeiten, welche momentan gebaut werden? Die Baumeister etwa? Genau diese Tatsache müssen wir uns zu Nutze machen, um diese Angriffe abzuwehren. Es gilt, die Kollegen auf dem Bau genau davon zu überzeugen. Ohne sie läuft nichts und wenn die Mehrheit am gleichen Strick zieht, ist es möglich, den Angriff zurückzudrängen und unsere Forderungen durchzusetzen.
Die zentrale Rolle dieses Arbeitskampfes nehmen die bewusstesten und organisierten Bauarbeiter selbst ein. Es ist nötig, um einen schlagkräftigen Kampf zu führen, dass diese Bauarbeiter Komitees auf den Baustellen organisieren und diese untereinander sowie mit bestehenden Baugruppen der Gewerkschaften vernetzen. Sie müssen, zusammen mit den Sekretären, alle Kollegen überzeugen, am Arbeitskampf teilzunehmen und die zu erwartenden Manöver und Druckversuche der Baumeister gemeinsam zurückzuschlagen und die eigenen Forderungen durchzusetzen.
Daneben müssen alle GewerkschafterInnen, zusammen mit den Juso und der SP, Unterstützungskomitees in den Städten und Dörfern, in allen Ortsgruppen der Parteien und Gewerkschaften bilden, um den Arbeitskampf und Aktionen, wie Demonstrationen und Streiks, zu unterstützen. Weiter können Solitransparente produziert, Fahnen rausgehängt und Leserbriefe geschrieben werden. Die Rolle der SozialistInnen muss eine Aktive sein. Wie wir in anderen Artikeln dieser Zeitung (die Zeitung erscheint am 17. September) fordern, müssen die SP und die Juso einzig und alleine die Interessen der arbeitenden Menschen Vertreten. In diesem Sinne: volle Unterstützung für die Bauarbeiter!
Auf keinen Fall darf es wieder passieren, dass Regionen regionale Verträge und Vereinbarungen mit den Baumeistern treffen, wie dies 2007 in Genf geschehen ist. Stattdessen sollten die sehr gut organisierten und kämpferischen Genfer Bauarbeiter ins Auge fassen, einige Tage in der Deutschschweiz einzufallen und alle Baustellen lahmzulegen. Keine Spaltungen mehr, keine Mediationen mehr, die Bauarbeiter setzen ihre Forderungen durch, erst dann wird wieder gearbeitet.
Jetzt in die Offensive!
Dieser Arbeitskampf kommt just am Beginn einer neuerlichen Wirtschaftskrise. Wir sollten diesen Arbeitskampf auf keinen Fall isoliert betrachten, sondern ihn dazu nutzen, unsererseits wieder in die Offensive zu gehen. Die Demo am 24. September darf nicht ausschliesslich unter dem Stern des LMV stehen, sondern muss einen allgemeineren Charakter erhalten. Denn die Wut über Arbeitszeitverlängerungen, tiefe Löhne und Entlassungen nimmt zu. Die Lohnabhängigen sind einem stärkeren Druck seitens der Unternehmer ausgeliefert. Diese Wut gilt es zu kanalisieren und gegen die Unternehmer im Speziellen, aber gegen den Kapitalismus im Allgemeinen zu richten. Der Arbeitskampf könnte den Startschuss zu weiteren Kampagnen in der Industrie und im Dienstleistungssektor darstellen. Die Bewegung der Bauarbeiter soll in die Fabriken und Läden getragen werden und den KollegInnen in der ganzen Schweiz aufzeigen: Zusammen kämpfen lohnt sich – Wir bezahlen diese Krise nicht.
Der Kampf der Bauarbeiter ist auch unser Kampf – Helft mit, in der Krise den LMV zu verteidigen und auszubauen – Denn, wenn unser starker Arm das will, steht die gesamte Produktion still!
Für einen aktiven Streik des gesamten Bauhauptgewerbes, bis die Unternehmer nachgeben, darunter verstehen wir:
* Mobilisierungs- und Streikkomitees der Bauarbeiter auf den Baustellen führen den Streik mit Unterstützung der Gewerkschaften
* Gegen Erpressung und Drohung: Solidaritätskomitees jetzt – an alle ArbeiterInnen überall: Solidarisiert euch!
* Über Verhandlungsergebnisse wird demokratisch abgestimmt. Die Ergebnisse sind verbindlich, kein Abschluss mit den Unternehmern ohne die Zustimmung der Bauarbeiter – die Baumeister müssen wissen, dass sie mit uns allen rechnen müssen!
* Wenn die Unternehmer hart bleiben, weiten wir unseren Streik aus, wir blockieren Strassen und Grenzübergänge, wir versuchen den Streik auf andere Branchen auszuweiten!
* Die Gewerkschaften in den Nachbarländern sollen aufgefordert werden, ihre Mitglieder zu informieren und so Streikbruch verhindern.
Jonas Gerber, Regiovorstand Unia SH/ZH
Kommt Alle zur Demo!
Alle gemeinsam gegen die Krise und für den LMV!
Das Flugblatt für die Mobilisierung zur Großdemo am 24. September von der Unia Jugend und den Juso in Winterthur und Zürich-Schaffhausen findest du HIER
Extrazüge unter: www.unia.ch