Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BVT) fiel im Zusammenhang mit dem Terroranschlag vom 2. November in Wien nur durch massives Behördenversagen auf. Als Agentur im Dienst der ÖVP entfaltet es hingegen eine beeindruckende Aktivität, argumentiert Mario Wassilikos.
Der parlamentarische BVT-Untersuchungsausschuss und andere Verfahren brachten Unglaubliches zutage. So soll die Sicherheitsbehörde Datensätze zum Fall des SPÖ-nahen Wiener Anwalts Gabriel Lansky, der im Verdacht stand, für den kasachischen Geheimdienst gearbeitet zu haben, dem ÖVP-Parlamentsklub gegeben haben, um sie 2017 im Wahlkampf gegen die Sozialdemokratie zu verwenden. Zudem soll im selben Jahr der damalige Innenminister und jetzige Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka BVT-Beamte angewiesen haben, Texte für das ÖVP-Wahlprogramm zu verfassen. Die Krönung: Mobbing, mutmaßliche Bestechungsfälle, sexuelle Belästigung und per WhatsApp verschickte Hakenkreuzbildchen, wie eine Zeugin dem BVT-Untersuchungsausschuss berichtete.
Diese und einige weitere Anschuldigungen konnten nicht eindeutig bewiesen werden. Übrig bleiben Dementis, Ausreden, Verschleierungen der Verantwortlichen sowie der im September 2019 abgeschlossene BVT-Untersuchungsausschuss, der seine Tätigkeit als „hürdenreich“ bezeichnete (schleppende Lieferung von Akten, Schwärzungen, Klassifizierung in Geheimhaltungsstufen usw.). Jedoch zeigten die Untersuchungen rund um die BVT-Affäre eines deutlich: Die Behörde, die seit ihrer Gründung 2002 fast durchgehend einem ÖVP-Innenminister untersteht, ist fest in der Hand türkiser Netzwerke und hat laut Untersuchungsausschuss-Endbericht „Reformbedarf“ (Beamtendeutsch für das Herrschen von Missständen).
Die auffälligste Aktivität der Behörde war in letzter Zeit aber wohl die Operation Luxor – letztendlich eine reine Inszenierung im Namen des nationalen Schulterschlusses kurz nach dem Anschlag in Wien, mitgetragen von Polizei und Staatsanwaltschaft. Dabei ging es um (angebliche) Netzwerke der Muslimbruderschaft in Österreich – eine reaktionäre sunnitisch-islamistische Bewegung, die aber hierzulande dezidiert nicht als Terrororganisation eingestuft und tätig ist. Verknüpft ist das Ganze mit dem von der Bundesregierung verlautbarten Kampf gegen den „politischen Islam“ – ein unklarer Begriff, der bewusst verwendet wird, um MuslimInnen unter Generalverdacht zu stellen. Die bisher prominentesten Opfer: Ex-IGGÖ-Chef Anas Schakfeh und Politologe Farid Hafez – beide distanzieren sich von Dschihadismus und Muslimbruderschaft.
Laut einem internen Papier der Wiener Zweigstelle des BVT sei sogar die höhere Gefährdungseinstufung des späteren Attentäters von Wien zugunsten der Operation Luxor von den zuständigen Stellen dieser Behörde abgelehnt worden – und das trotz deutlicher Empfehlung eines Sachbearbeiters. Wenn das stimmt, hätte der Täter inhaftiert und der Anschlag verhindert werden können.
Zwar soll die zur Aufklärung möglicher Behördenfehler eingesetzte Untersuchungskommission die Sachlage umfassend prüfen. Doch wir wissen, was bei der „Kooperationsbereitschaft“ von Innenministerium, BVT und Co. hier herauskommen wird: Nichts! Die Priorität des BVT war in den letzten Monaten offensichtlich eine Inszenierung zur rassistischen Spaltung der Gesellschaft, ein Terroranschlag konnte deswegen stattfinden.
Daher: Kein Vertrauen in das BVT und den Sicherheitsapparat! Weg mit Karl Nehammer und der Regierung! Sie dienen nicht unserem Schutz, sondern der Erfüllung der Interessen ihrer Klientel.
(Funke Nr. 189/10.12.2020)