„Die Ausbeutung des Menschen erreicht eine neue Qualität, (Tocotronic)
Jetzt ist es soweit, das Urteil ist da. Hurra! Jetzt wird alles gut. Für die Handelsunternehmen ist dies ein bedeutender Tag, ein Triumph gegen die Arbeiterkammer und die Errungenschaften der ArbeitnehmerInnen. Das Arbeitsgericht hat in erster Instanz die Arbeitsverträge bei Peek & Cloppenburg (P&C) für „nicht sittenwidrig“, sprich legal, erklärt. P&C hat also in erster Instanz Recht bekommen. Das Recht bekommen, Gesetze zu brechen, ArbeitnehmerInnen ausbluten zu lassen und das gesamte Umfeld im Sektor Handel und Dienstleistung auf den Kopf zu stellen.
Arbeit auf Abruf – oder doch nicht?
Begonnen hat der Streit um die sogenannten „Rahmendienstverträge, vor über einem Jahr. Am heftigsten kritisiert wurde das sogenannte „Konsensprinzip, über Lage und Ausmaß der Arbeit. Darunter ist zu verstehen, dass in diesem Vertrag keine Arbeitszeit festgeschrieben ist und diese mit dem Vorgesetzten ausgeschnapst wird. In der Praxis sieht diese „Verhandlung, so aus, dass der Vorgesetzte Arbeitsangebote gibt, die von den Beschäftigten angenommen werden können oder nicht. Wer zuerst gefragt wird und annimmt, hat dann für diese Woche genügend Dienste, wer übrig bleibt, schaut durch die Finger. Es lohnt sich also in barer Münze doppelt und dreifach zum Liebling des Chefs zu werden, da nur jede geleistete Arbeitsstunde bezahlt wird. Konkret: Wer keine Arbeitsangebote erhält, kann auch nicht ablehnen, ist also arbeitslos und ohne Möglichkeiten zu arbeiten, außer bei einem weiteren Dienstgeber unter ähnlichen Bedingungen mit freien Dienst- oder Werkverträgen, und in Ausnahmefällen sogar auf Gewerbeschein in einer Scheinselbständigkeit.
Wer unter solchen Umständen in den Genuss einer Pflichtversicherung fällt, kann sich glücklich schätzen. Auch wenn nur bei P&C ein Dienstverhältnis besteht, ist eine kontinuierliche Sozialversicherung aufgrund der Geringfügigkeitsgrenze nicht gegeben. Verdient eine Arbeitskraft in 2 Monaten unter dieser magischen Grenze von 3890,-, so wird diese Person für diese zwei Monate rückwirkend von der SV abgemeldet.
Und wer protestiert?
Die AK will in die nächste Instanz gehen und weiter gegen diese Aushöhlung des Arbeitsrechts kämpfen. Und was macht die Gewerkschaft der Privatangestellten? Sie schweigt zu diesem Thema und wird wohl auch weiterhin über die sensationellen Rahmenbedingungen im Handel sprechen. In welcher anderen Branche außer im Handel gibt es auch Zuschläge in der Normalarbeitszeit? Während der Kollektivvertragsabschluß gefeiert wird, arbeiten die Handelsbeschäftgten aber mehr denn je und das zu, verglichen mit anderen Branchen, lächerlichen Gehältern oder Löhnen, Zuschläge hin oder her. Es ist lächerlich und beschämend zugleich für die Gewerkschaftsbewegung, wie diese Herren agieren.
Faktum ist, dass der Handel nur einen Organisationsgrad von 5% hat. Darüber wird groß gejammert und gleichzeitig über die guten KV-Abschlüsse angesichts dieser Dichte gejubelt und fleißig sich gegenseitig auf die Schultern geklopft. Niemals würden sie auf die Idee kommen zu hinterfragen, warum die Mitgliederzahlen in diesem Bereich so miserabel sind, denn die Antworten würden ihnen weh tun, so sie nicht in eine totale Realitätsverweigerung abgedriftet sind. Und in der Causa P&C ist ja überhaupt Ruhe und Stille. Es gibt kein Aufmucken oder einen Widerstand gegen dieses Urteil! Sogar die extra durch eine Statutenänderung neu gegründete Abteilung für atypische Arbeitsverhältnisse hat zu diesem Thema nichts zu sagen.
P&C macht Mode!
Es scheinen sehr viele noch nicht kapiert zu haben, was eine Ausbreitung dieser Verträge à la P&C bedeutet! Jeder Saisonbetrieb kann auf dieses System der Beschäftigung aufspringen und so der modernen Sklaverei frönen. Die Türe zur „Arbeit auf Abruf, wurde nun weit geöffnet, und es wäre naiv zu glauben, dass hier von Seiten der Wirtschaft lange zugewartet wird. Gerade Libro oder Amadeus kann man zutrauen, sich als erste der KAPOVAZ zu bedienen. Sie gehören schon mit ihrem Standort Wien-Landstraße zu den Vorreitern bei der Sonntagsöffnung. Die Herren Rettberg und Veit-Schalle (von BILLA) haben sicher schon die eine oder andere Flasche Kapitalistensprudel geköpft, und werden imaginär mit dem ehrenwerten Richter anstoßen und auf P&C trinken.
Reine Samstagsarbeitskräfte unter der Geringfügigkeitsgrenze gibt es ja bereits im Handel, dank der GPA sogar kollektivvertraglich abgesichert (herzlichen Dank dafür an dieser Stelle). Jetzt ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis es reine Sonntagsarbeitskräfte gibt, und diese dann auf Abruf.
Zeit, Farbe zu bekennen!
Es wäre gemein, nur der GPA den „schwarzen Peter, zuzuschieben, handelt doch der gesamte ÖGB nach wie vor, wie die SPÖ, paralysiert und dilettantisch. Egal um welches Thema es geht, kurz dagegen protestieren und dann stillschweigend zustimmen, oder einen Kompromiss ausverhandeln „damit ein paar Scheingefechte ausgetragen werden, damit nach wie vor an das System der Sozialpartnerschaft geglaubt werden darf. Gäbe es diese Pseudoverhandlungen nicht, so hätte die gesamte Gewerkschaft ihre Lebensdauer schon längst für alle erkennbar überschritten, was ja eigentlich schon seit den Sparpaketen der Fall ist. Es ist nur zu verständlich und ein deutliches Zeichen, wenn die größten Proteste angezettelt werden, wenn es um die Ablöse eines Hans Sallmutter geht.
Beschämend ist auch, dass dem ÖGB außer ein paar Klagen anscheinend nichts mehr einfällt, um die Interessen der ArbeitnehmerInnen zu verteidigen. Egal was hinter den Kulissen abgeht, aber ohne Aktionen, Basisarbeit, vernünftigen Forderungen (die demokratisch von den Betroffenen selbst erarbeitet werden sollten) und auch fähigen GewerkschaftsfunktionärInnen und -mitarbeiterInnen wird die Organisationsdichte weiter abnehmen und der GPA weiterhin nichts anderes übrigbleiben, als zu allem „Ja, aber bitte mit gewissen Rahmenbedingungen, zu sagen und stolz den Vollstrecker der Wirtschaftskammer zu spielen.
Rosa G., GPA-Mitglied