Statt Liebe und Geborgenheit erleben viele Frauen Gewalt in ihren Familien als alltäglich. Neben der strukturellen Unterdrückung, die Frauen in allen Bereichen unserer Klassengesellschaft erfahren, bedeutet die Familie – ob mit oder ohne Trauschein – für viele ein Gefängnis, in der die Unterdrückung von Beschimpfungen, Drohungen bis zu körperlicher und sexueller Misshandlung reicht.
Die Familie, ideologisch und rechtlich immer noch „Keimzelle des Staates“, sieht für Frauen eine bestimmte Funktion vor: Zusätzlich zur eigenen Lohnarbeit noch den Haushalt zu erledigen, um für Mann und Kinder zu sorgen. Das bürgerliche Familienbild bringt die Vorstellung mit sich, Frauen wären das Eigentum ihres Mannes, über das er nach Belieben verfügen kann.
Abhängigkeit
Hier wirkt sich insbesondere ökonomische Abhängigkeit fatal aus. Für die meisten reicht das eigene Einkommen nicht aus, um allein davon leben zu können – viele sind prekär oder atypisch beschäftigt, ein Drittel der österreichischen Frauen, die erwerbstätig sind, arbeiten Teilzeit. Zum Überleben braucht es den „Familienernährer“. Vor allem aus diesem Grund wagen viele Frauen, die in ihren Beziehungen Gewalt erfahren, den Schritt nicht, ihren Mann zu verlassen.
Die Frauenbewegung der 70er Jahre hat erreicht, dass das, was in der Familie passiert, nicht mehr als Privatsache angesehen wird und dass misshandelte Frauen in neu gegründeten Frauenhäusern für eine gewisse Zeit Zuflucht finden können. Die rechtliche Situation hat sich in Österreich erst in den letzten Jahren verändert: Seit 1989 ist Vergewaltigung in der Ehe strafbar, seit 1997 gibt es das Wegweiserecht von gewalttätigen Männern aus der gemeinsamen Wohnung.
Bis zu einem gewissen Grad wurden Verbesserungen erreicht – die grundlegenden Probleme sind jedoch die gleichen geblieben.
Spanien
Besonders in Spanien, das eine erschreckende Statistik anführt: Im letzten Jahr wurden dort 97 Frauen von ihren Ehemännern, Partnern, Söhnen oder Vätern umgebracht. 17 Frauen, die später ermordet wurden, hatten im Jahr 2002 vergeblich um Polizeischutz ersucht und wurden nicht ernst genug genommen.
Die neue spanische Regierung versucht nun, dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten. Vor dem Sommer wurden gesetzliche Maßnahmen getroffen, die der Polizei mehr Befugnisse zum Einschreiten geben; neue Spezialgerichte gegen Gewalt in der Familie sollen geschaffen werden, und mit Medienkampagnen soll Bewusstseinsarbeit gegen den Machismo geleistet werden.
Die AktivistInnen des spanischen „Militante, fordern konkrete Schritte, um gegen häusliche Gewalt vorzugehen – ein Aktionsprogramm, das auch für Österreich relevant wäre.
Denn Bewusstsein zu schaffen, wird nicht reichen.
Die schlechte wirtschaftliche Lage Spaniens betrifft insbesondere die lohnabhängigen Frauen: Die Frauenarbeitslosigkeit ist in Spanien doppelt so hoch wie im EU-Durchschnitt, die Frauen befinden sich daher in umso größerer Abhängigkeit.
Arbeitslosen Frauen oder solchen mit geringem Einkommen müssen zunächst genügend materielle Mittel zur Verfügung gestellt werden, um die Möglichkeit zu haben, sich trennen zu können. Und wenn die Polizei nicht hilft, sollten sich die Nachbarn organisieren, um Schutz gegen gewalttätige Ehemänner zu bieten.
Gleichzeitig ist es die Aufgabe der ArbeiterInnenbewegung aufzuzeigen, wo die Ursachen des Problems liegen: Um gegen bürgerliche Doppelmoral und die Machtverhältnisse zwischen den Geschlechtern anzugehen, müssen die gesellschaftlichen Verhältnisse grundlegend verändert werden. Geschlechterrollen können erst dann aufgebrochen werden, wenn die herrschende Arbeitsteilung radikal verändert wird, wenn etwa Haushaltspflichten nicht als Aufgaben der Frauen, sondern als Aufgaben der ganzen Gesellschaft angesehen und wahrgenommen werden.
Erst wenn ausreichende Lebens- und Arbeitsmöglichkeiten für alle geschaffen werden, wenn die materiellen Voraussetzungen als Grundbedingung da sind, um aus gewalttätigen Beziehungen auszusteigen, können Frauen selbstbestimmt über ihr eigenes Leben entscheiden.