Der Fall des Assad-Regimes in Syrien Anfang Dezember hat eine grundlegende Kräfteverschiebung in der Region ausgelöst. Die Leidtragenden sind wie immer die Massen an Arbeitern und Armen sowie die unterdrückten Völker – aber es gibt eine Alternative. Von Florian Keller.
Der Nahe Osten war immer Spielball der Großmächte. Der westliche und dort speziell der amerikanische Imperialismus trägt mit den endlosen, blutigen Interventionen und Kriegen über Jahrzehnte hinweg die Hauptverantwortung für die enorme Destabilisierung der Region. In den letzten Jahren hat die relative Schwächung der USA aber auch dafür gesorgt, dass kleinere und regionale Mächte, wie die Türkei, der Iran, Russland und Israel Einfluss gewonnen und zurückgewonnen haben. Das hat das Leiden aber nicht verringert – im Gegenteil.
Der syrische Bürgerkrieg ist ein trauriges Beispiel dafür. Was 2011 als Revolution gegen das Assad-Regime begonnen hat, wurde wegen einer fehlenden Beteiligung der Arbeiterklasse und mit der imperialistischen Einmischung schnell zu einem blutigen Bürgerkrieg mit Reaktionären auf beiden Seiten, der hunderttausende Tote und Millionen Vertriebene verursachte. Auf Seite der Anti-Assad-kräfte dominierten immer extremere islamistische Milizen, die massiv von der Türkei und dem Westen unterstützt wurden. Für eine gewisse Zeit konnte sich das Assad-Regime stabilisieren, weil viele Syrer, gerade aus den nationalen und religiösen Minderheiten seine Herrschaft als „kleineres Übel“ gegenüber dschihadistischer Terrorherrschaft ansahen. Doch nach Jahren der sozialen Verelendung, der Korruption und der Gewaltherrschaft zog dieses Argument nicht mehr. Zum Ende hin war das Assad-Regime völlig ausgehöhlt und konnte sich nur noch durch russische und iranische Unterstützung halten. Jetzt ist es innerhalb von 10 Tagen zusammengebrochen.
Wer übernimmt die Macht in Syrien?
Auch wenn der Jubel darüber unter einem großen Teil der syrischen Massen verständlich ist – es wird keine Lösung für das Leid bringen. Syrien bleibt weiterhin Spielball der Imperialisten, die jetzt in einem makabren „Goldrausch“ um Einfluss die verschiedensten Milizen unterstützen, intervenieren und dabei alle Masken fallen lassen.
Die stärkste Gruppe ist Hayat Tahrir al-Sham (HTS), ein Bündnis, das aus dem syrischen Zweig der Al-Qaida hervorgegangen ist. HTS hat in den letzten Jahren nur durch die aktive Unterstützung der türkischen Regierung und durch die Duldung der USA militärisch existieren und die Offensive vorbereiten können. Sie dominieren jetzt den offiziellen Prozess der Machtübergabe von der alten syrischen Regierung. Die ideologischen Verrenkungen der westlichen Medien sind dabei absurd: Weil dem „Hauptfeind“ Iran ein Schlag zugefügt wurde, läuft die Propagandamaschine jetzt auf Hochtouren. Der HTS-Anführer Mohammed al-Dscholani hat so ein Interview mit CNN gegeben, während offiziell von den USA ein Kopfgeld von 10 mio. US-$ auf ihn ausgesetzt ist. Wir können davon ausgehen, dass das Kopfgeld dann aufgehoben wird, wenn die amerikanischen Interessen in der Neuordnung gewahrt werden. Von diesen Kräften haben sich die syrischen Massen keine Verbesserungen zu erwarten, sie tauschen nur die Sponsoren und die Form der reaktionären Diktatur.
Bezeichnende Allianzen
Insbesondere die Türkei hat großen Einfluss gewonnen. Sie hat wie schon beschreiben HTS unterstützt und hält sich darüber hinaus noch eine „eigene“ Miliz, die „Syrische Nationale Armee“ (SNA) im Norden des Landes. Erdogan wird versuchen, den Einfluss zu konsolidieren, nur um dann den Blick auf eine Liquidierung der von den Kurden in Syrien kontrollierten und bewohnten Gebiete zu lenken. Die nächste Offensive gegen eine der unterdrücktesten Nationen der Region zeichnet sich am Horizont ab. Währenddessen hat sich mit diesen Ereignissen aber auch gezeigt, dass Erdogan eine andere unterdrückte Nation (die Palästinenser) völlig egal sind – war doch Israel sein wichtigster Verbündeter im Sturz des Assad-Regimes.
Um den Vormarsch der dschihadistischen HTS auf die Städte Hama und Homs zu unterstützen, führte die israelische Luftwaffe so Luftangriffe auf Hisbollah-Verstärkungen aus dem Libanon durch. Die israelische Presse bejubelte den HTS-Vormarsch offen als „strategische Offensive gegen den Iran“. Mittlerweile hat die israelische Armee massive Luftangriffe auf Militärdepots im Land gestartet und unter anderem die gesamte syrische Flotte versenkt. Im Süden des Landes hat Israel auch eine direkte Invasion gestartet, um eine „Pufferzone“ zu errichten – um die vorherige „Pufferzone“, die seit 1967 besetzten Golanhöhen, zu „schützen“. Die israelische Armee steht in Artillerie-Schussweite der syrischen Hauptstadt und sichert sich so Einfluss auf die Neuordnung des Landes.
Ob das gegen Völkerrecht oder ähnliche Kleinigkeiten verstößt, ist Netanjahu genauso egal wie dem „demokratischen“ Westen – die selbst aufgestellten „Regeln“ gelten nur so lange, wie die imperialistischen Gegner dagegen verstoßen. So rechtfertigt der deutsche „Spiegel“ die israelische Invasion als „aggressive Vorwärtsverteidigung“. Wenn man noch einen letzten Beweis gebraucht hat um zu sehen, dass die Kapitalisten und Reaktionären aller Länder immer ein Zweckbündnis eingehen werden, wenn es ihnen nützt, dann ist er damit vollbracht!
Der einzige Weg vorwärts: Sozialistische Revolution
Die syrischen, kurdischen und palästinensischen Massen werden so weiterhin Spielball der Imperialisten bleiben. Statt Stabilität erwartet die Region noch mehr Instabilität, Leid, ethnische Säuberungen und reaktionäre Regimes – nur die handelnden Akteure ändern sich je nach dem Kriegsglück auf dem Schlachtfeld vielleicht ein wenig.
Es gibt nur eine Kraft, die die Macht hat, um diesen Teufelskreis zu durchbrechen: Die Arbeiterklasse zusammen mit den Armen und allen Unterdrückten. Denn es ist der Kapitalismus, der imperialistische Kriege, Leid und Unterdrückung letztendlich hervorbringt – und nur der Sturz der Kapitalisten kann das beenden. Die Massen der Region haben immer wieder gezeigt, dass sie in revolutionären Situationen alle Spaltungen überwinden können. Mit einer Sozialistischen Föderation des Nahen Ostens gibt es auch das Potential, allen Völkern und Religionen ein eigenes Heimatland und ein gutes Leben zu garantieren. Es ist unsere Aufgabe in Österreich, durch den Kampf gegen unsere, westlichen Imperialisten und den Kampf für den Sozialismus hierzulande den Weg dafür freizumachen!