Im Oktober präsentierte der ausgehende Parlamentspräsident Wolfgang Sobotka die Studie „Antisemitismus 2024“ von IFES und Demox Research. Von Elias Marte.
Diese wird seit 2018 alle zwei Jahre erstellt, diesmal wurde allerdings vorneweg eine Zusatzstudie in der Altersgruppe 16-27 durchgeführt. Der Grund: Seit dem Anschlag der Hamas auf Israel und dem darauffolgenden ununterbrochenen Massenmord Israels an den Palästinensern gibt es eine widerständige Stimmung gegenüber dem westlichen Imperialismus. Diese wird mit allen Mitteln verunglimpft und eingedämmt.
Wirft man einen Blick auf die Studie, wird schnell klar wie. Gleich im ersten Befragungsblock wird die Zustimmung oder Ablehnung folgender „Verschwörungsmythen“ abgefragt: „Die Medien und die Politik stecken unter einer Decke“, „Putin wird vom Westen zum Sündenbock für alles gemacht, um von den wahren Problemen abzulenken“ und „Man kann westlichen Medien nicht mehr trauen, wenn sie über den Krieg in der Ukraine berichten“. Bei aller fehlender Differenzierung in diesen Aussagen: Das sind keine Verschwörungstheorien. Die Auslegung solcher Meinungen als Verschwörungsmythen ist nur dazu da, jegliche Kritik am westlichen Imperialismus zu diffamieren. Durch wirre Verknüpfungen von angeblichen Verschwörungsmythen, Antiamerikanismus und Antisemitismus kommt die Studie zum Fazit: Die Meinungen von Jugendlichen, sind radikal und gefährlich, und dagegen muss etwas unternommen werden.
Der Begriff des Antisemitismus wird in der Studie in fünf Ausprägungsformen dargestellt: Rassistischer, israelbezogener, holocaustbezogener, Schuldumkehr- und Verschwörungsantisemitismus. Hier erfolgt der nächste Kunstgriff: Tatsächlich antisemitische Einstellungen werden mit der Ablehnung Israels und seiner Politik gleichgestellt.
Zur Klarstellung: Antisemitismus ist eine rassistische Ideologie, die in unserer Gesellschaft existiert und die wir politisch bekämpfen. In dieser Studie wird tatsächlicher Antisemitismus allerdings mit folgender Behauptung vermischt: Kritik an Israel und am Zionismus sei für sich schon judenfeindlich. Die Studie fand so heraus, dass 48 % der Jugendlichen die militärische Reaktion Israels auf den Hamas-Angriff nicht gerechtfertigt findet (20 % „gar nicht“, 28 „eher nicht“) gegenüber 33 %, die den Krieg für „sehr“ (8%) oder „eher“ (25%) befürworten. 19 % verweigern hier eine Aussage.
Die Diffamierung antimilitaristischer Einstelllungen als antisemitisch weisen wir schärfstens zurück. Die Vermischung von tatsächlichem Antisemitismus mit Israelkritik, Kriegsgegnerschaft und Sympathie mit den unterdrückten Palästinensern ist eine Strategie, um jeglichen Protest an der vom Westen ermöglichten brutalen Politik Israels zu diffamieren.
Studien wie diese werden von Politikern bestellt und herangezogen, um repressive Maßnahmen durch „wissenschaftliche“ Erkenntnisse zu rechtfertigen. In diesem Fall ist zu erwarten, dass im Namen des Kampfes gegen den Antisemitismus in Zukunft an Schulen noch stärker „erklärt“ wird, welche Meinungen zulässig und erwünscht sind und welche Meinungen Verschwörungsmythen. Wir Kommunisten dürfen vor diesen Propagandaoffensiven der Kriegspartei keinen Millimeter zurückweichen. Einmal mehr: Der Hauptfeind steht im eigenen Land!
(Funke Nr. 228/09.11.2024)