Über ein Jahr geht das Massaker in Gaza nun schon. Israel findet dabei immer neue Wege, den Palästinensern das Leben zur Hölle zu machen, und entvölkert jetzt den gesamten Norden des Gazastreifens. Wenn es nach der Armee geht, sollen die verbliebenen 400.000 Palästinenser in Gaza-Stadt und im Flüchtlingslager Dschabaliya schnellstmöglich verschwinden. Von Willy Hämmerle.
Die israelische Armee orientiert sich am „Plan der Generäle“. Dieser Plan wurde Ende September vom ehemaligen General Giora Eiland ausgearbeitet und sieht vor, mit einer heftigen Offensive alle Palästinenser aus dem nördlichen Gazastreifen zu vertreiben. Eiland präsentierte seinen Plan vor der Knesset:
„Wir müssen den Bewohnern sagen, dass sie eine Woche Zeit haben, das Gebiet zu verlassen. Danach wird es zum Kriegsgebiet, in dem jeder zum Angriffsziel wird und – was am wichtigsten ist –, wohin keine Versorgungsgüter mehr gelangen.“
Besonders unter den rechtsextremen Siedlern ist dieser Plan sehr populär, bereitet er doch den Boden für die weitere Besiedelung palästinensischer Gebiete. Schon Mitte Oktober veranstaltete Netanjahus Likud-Partei nur vier Kilometer vor Gaza eine Konferenz zur „Vorbereitung auf die Wiederbesiedelung Gazas“, die auch von mehreren Regierungs- und Parlamentsmitgliedern besucht wurde. Im Jänner gab es bereits eine ähnliche Konferenz.
Es handelt sich dabei also um einen langen Wunsch der rechtsextremen Siedler, auf die sich Netanjahu und seine Regierung immer direkter stützen. Er bezieht sich in der Öffentlichkeit zwar nicht direkt auf Eilands Plan, es deuten allerdings alle Anzeichen darauf hin, dass er ihn umsetzen wird.
Der Gazastreifen ist durch eine neugebaute und vom israelischen Militär kontrollierte Straße zweigeteilt. Der Norden ist völlig abgeriegelt: Seit September wurden die Hilfslieferungen auf ein Minimum reduziert und seit Anfang Oktober werden weder Nahrungsmittel, Wasser, Treibstoffe noch andere Hilfsgüter in das Gebiet gelassen. Zudem wurde erst kürzlich das UN-Hilfswerk für Flüchtlinge – die wichtigste Institution für medizinische Versorgung in Gaza – von Israel verboten.
Ergänzt wird die Politik der Aushungerung durch eine Kampagne des Terrors: Ärzte berichten, dass insbesondere Kinder jeden Tag von der Armee erschossen werden; im Flüchtlingslager Dschabaliya werden Familien aus ihrer Unterkunft gezerrt, welche daraufhin dem Erdboden gleichgemacht werden, usw. Die Botschaft des israelischen Staates ist klar: „Flieht oder sterbt!“
Doch egal wohin sie fliehen, ganz Gaza gleicht der Hölle auf Erden, in der die gesamte Infrastruktur zusammengebrochen ist, in der 80% des Wohnraums zerstört wurden und in der Hunger, Seuchen und der Terror des Militärs allgegenwärtig sind.
Die Barbarei, die wir tagtäglich erleben, ist schier grenzenlos. Doch moralischer und politischer Druck sind nicht ausreichend. Diese Verbrechen liegen in der Natur des Imperialismus selbst. Ohne die bedingungslose Unterstützung der Herrschenden in Europa und den USA könnte Israel seinen blutigen Krieg nicht weiterführen. Erst wenn wir die Kriegsverbrecher und die Milliardäre, die sie finanzieren, stürzen, können wir Krieg und Unterdrückung tatsächlich beenden.
(Funke Nr. 228/09.11.2024)