Nach dem schon fast ein Jahr anhaltenden Massaker an den Palästinensern im Gazastreifen hat das Säbelrasseln jetzt einen neuen Höhepunkt erreicht. Ein verallgemeinerter Krieg im Nahen Osten droht. Von Florian Keller.
Wenn man die österreichischen Medien rund um die jüngsten Ereignisse verfolgt, könnte man meinen, dass es völlig unverständlich ist, warum sich die Situation im Nahen Osten immer mehr zuspitzt. So schrieb Gudrun Harrer vom „Standard“ nach dem israelischen Mordanschlag auf den Hamas- Chef Haniyeh in der iranischen Hauptstadt Teheran am 2. August:
„Warum Haniyeh – er war der Chefverhandler der Hamas für einen Deal, der die israelischen Geiseln nach Hause hätte bringen sollen –, warum im Iran, warum gerade jetzt, nach der Angelobung eines neuen iranischen Präsidenten, der in seinem Wahlkampf für diplomatischen Dialog warb? Auf diese Fragen gibt es keine gesicherten Antworten.“
Eigentlich sprechen alleine diese Fragen für sich. Doch die bürgerliche Propaganda stellt sich hierzulande weiterhin schützend vor die israelische Politik. So liegt es an uns, die Antworten auf Harrers Fragen zu liefern.
Israel provoziert, USA stützt
Die israelische Regierung rund um den Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu dreht seit Monaten systematisch an der Eskalationsspirale. Das Ziel ist klar: Mit ständigen Provokationen gegen den Iran soll eine Reaktion erzwungen werden, die einerseits einen Waffenstillstand im Gazastreifen verhindert und im „besten“ Falle sogar die USA (und eventuell die europäischen Staaten, die in dieser Frage im Grunde keine andere Position vertreten als ein Anhängsel der US-amerikanischen Außenpolitik zu sein) direkt in einen Krieg hineinzieht.
Das liegt einerseits an der wackeligen Netanjahu-Regierung selbst. Sobald der Krieg endet, sind die Tage von „Bibi“ als Ministerpräsident wohl gezählt – mit der durchaus realistischen Option, dass er wegen zahlreicher Korruptionsskandale hinter Gittern landet. Immer wieder finden im von Widersprüchen durchzogenen Israel große Demonstrationen gegen Netanjahu statt, die auch für den Abschluss eines Waffenstillstandes stehen. Doch in der israelischen herrschenden Klasse ist auch über Netanjahu und seine Clique hinaus die Kriegspartei in den letzten Monaten stärker geworden. Das hat handfeste materielle Gründe: Ohne eine entscheidende Schwächung insbesondere der libanesischen Hisbollah ändert auch ein brüchiger Waffenstillstand nichts daran, dass der Wirtschaftsstandort Israel weiter an Attraktivität und Investitionen verliert, so die kalte Kalkulation.
Die USA selbst haben kein Interesse an einer weiteren Eskalation. Die wackelige Weltwirtschaft würde durch so einen Konflikt in eine tiefe Krise gestürzt werden, der für die USA selbst nicht nur keinen weiteren Sinn hätte, sondern auch extrem kostspielig und unpopulär wäre – nicht zuletzt unter den Massen der arabischen Staaten der Umgebung, deren Herrschende zumeist mit den USA verbündet sind und auf einem Vulkan sitzen. Ginge es um die Strategen in Washington, würde man sich auch mehr auf den Hauptgegner China konzentrieren. Aber Israel ist als wichtigster Verbündeter in der Region unverzichtbar. Ehemals wichtige Stützen der US-Macht wie Saudi Arabien und die Türkei haben sich im Zuge des relativen Abstiegs der Macht der USA selbständiger gemacht und sich in verschiedenen Fragen (etwa im syrischen Bürgerkrieg und in der Frage der Beziehungen mit Russland) auch direkt gegen die US-Interessen gestellt. So liefert die Biden-Regierung trotz aller Krokodilstränen nicht nur weiterhin zuverlässig die Bomben und Granaten an Israel, die zehntausende Palästinenser in Gaza töten und verstümmeln, sondern wird auch gezwungen sein, jeden ernsthaften Angriff auf Israel zu beantworten.
Iran muss antworten
Auf der anderen Seite hat auch der Iran wenig Spielraum – die Mullahs in Teheran müssen die ständigen israelischen Provokationen beantworten. Dass die Medien hierzulande versuchen, jede weitere Eskalation auf den Iran zu schieben, ist an Heuchelei nicht zu überbieten. Man stelle sich nur vor, was die Situation wäre, wenn etwa der ukrainische Staatschef Selenskyi am Rande eines Treffens mit der amerikanischen Regierung in Washington durch eine russische Militäraktion getötet würde!
Teheran kann sich weder innen- noch außenpolitisch leisten, als schwach dazustehen. Auch das iranische Regime sitzt auf einem Vulkan, der in den letzten Jahren immer wieder mit revolutionären Massenbewegungen und Wellen von Klassenkämpfen ausgebrochen ist. Auch der iranische Einfluss in der Region würde stark leiden, wenn solche offensichtlichen Provokationen unbeantwortet bleiben.
Andererseits hat Teheran keinerlei Interesse an einer Eskalation. Militärisch hätte der Iran zwar viele Möglichkeiten, um Israel und den USA dauernde und schmerzhafte Verluste zuzufügen, aber im Endeffekt wäre das Ergebnis eines Krieges mit den USA die weitgehende Zerstörung der iranischen Wirtschaft und Infrastruktur und ein weiteres Abschneiden von den westlichen Märkten. Auch die iranischen Verbündeten Russland und China wollen nicht in einen Krieg hineingezogen werden, in dem sie nichts zu gewinnen haben, und drängen auf Deeskalation.
Die einzige gesichtswahrende Option wäre die Unterzeichnung eines Waffenstillstandsabkommens im Gazastreifen, das jedoch von Israel seit Monaten torpediert wird. Die USA hatten schon im Mai ein Angebot veröffentlicht, das eine Waffenruhe, einen Geiseldeal und einen Abzug der israelischen Truppen vorsah. Während die Hamas-Verhandler den Vorschlag „positiv“ bewerteten, musste selbst Joe Biden in einem außergewöhnlichen Moment des klaren Denkens eingestehen, dass „manche Israelis, inklusive Mitglieder der Regierung“ gegen diesen Deal sein würden. Er hat bisher recht behalten – was aber natürlich nichts daran ändert, dass er weiterhin fest hinter Netanjahu und Co. steht.
So stolpert der Nahe Osten weiterhin auf einen neuen, imperialistischen Krieg zu, der ungeahntes menschliches Leid verursachen würde und in den uns „unsere“ Herrschenden im Westen sehenden Auges hineinführen. Der Kapitalismus zeigt so sein wahres Gesicht. Wir revolutionären Kommunisten verweigern uns seiner Logik strikt und sagen daher:
- Hände Weg vom Nahen Osten, nieder mit dem westlichen Imperialismus!
- Nieder mit den Kriegstreibern und Kriegsprofiteuren!
- Keinen Cent und keine Kugel der israelischen Kriegsmaschinerie!
- Der Hauptfeind steht im eigenen Land! Arbeiter aller Länder, vereinigt euch!
(Funke Nr. 226/30.08.2024)