Fast 40.000 Menschen sind in den neun Monaten Krieg im Gazastreifen durch Angriffe der israelischen Armee umgebracht worden. Das Leiden kann nur durch die Massen durchbrochen werden. Von Florian Keller.
Dienstag, 2. Juli. Ein ganz normaler Sommertag im Gazastreifen: Nach nächtlichen Bombenangriffen werden hunderttausende Palästinenser auf Anordnung der israelischen Armee vertrieben – oft zum 2. oder 3. Mal in diesem Krieg und mit nicht mehr Hab und Gut, als sie tragen können. Diesmal trifft es 250.000 Menschen in den Städten Rafah und Khan Yunis, die oft hungernd und krank wie sie sind vertrieben werden. Währenddessen beschreibt der pensionierte israelische Brigadegeneral Amir Avivi im Fernsehen, dass das Leiden noch Jahre weitergehen könnte, wenn es nach ihm geht:
„Jedes Mal, wenn die Terroristen sich formieren, wird es einen Angriff geben, um mit ihnen fertig zu werden. Diese Angriffe können ein paar Tage oder eine Woche dauern – normalerweise nicht mehr als ein paar Tage – und dann zieht man sich zurück.“
Für den israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu ist die Fortsetzung des Krieges bis zur Vernichtung der Hamas eine Frage des politischen Überlebens. Denn er sitzt auf einem Pulverfass: Demonstrationen gegen ihn mit zehntausenden Teilnehmern fordern ein Ende des Krieges in Gaza, um so einen Deal zur Freilassung der verbliebenen Geiseln zu ermöglichen.
Tatsächlich machen auch einige Generäle Druck auf einen (zumindest faktischen) Waffenstillstand. Aber nicht etwa aus menschlichen Überlegungen – dass die Palästinenser weiterhin rechtlos unterdrückt werden sollen, darin sind sich Netanjahu und die Generäle einig. Sie wollen viel mehr den Rücken des überdehnten Militärapparates für eine Bodenoffensive auf die Hisbollah im Libanon freibekommen.
Das israelische Militär bereitet sich systematisch auf so eine Offensive vor, die schon „genehmigt und bestätigt“ sei. Verteidigungsminister Gallant droht: Die israelische Armee sei in der Lage, den Libanon „in die Steinzeit zurückzuversetzen“. Im Gegenzug hat der Iran angekündigt, dass er so eine Offensive nicht unbeantwortet lassen würde. Das Leiden im Nahen Osten und die blutige Unterdrückung der Palästinenser wird also weitergehen – und droht sogar, in einen größeren imperialistischen Krieg mit direkter oder tieferer indirekter Beteiligung des Iran, Russlands und v.a. den USA auszuarten.
Es wird immer deutlicher: Es gibt keine Lösung im Kapitalismus. Das System selbst produziert Krieg und Unterdrückung, die sich wegen der tiefen Krise immer mehr zuspitzen. Keiner der imperialistischen Akteure hat Spielraum, um einen Schritt zurückzumachen, und dafür bezahlen die Palästinenser mit Elend und Leid, das immer weiter zunimmt.
Der einzige Weg vorwärts ist die Revolution. Und das Potential dafür brodelt insbesondere in den arabischen Ländern der Umgebung: Die Regimes etwa in Ägypten und Jordanien stehen dem westlichen Imperialismus unterwürfig zu Diensten und spielen für die unterdrückten Massen in ihren Ländern die Gefängniswärter. Mit dem Sturz dieser Marionettenregimes und der Enteignung der Kapitalisten und großen Landbesitzer hätten die Arbeiter und Jugendlichen das Potential in der Hand, den Startpunkt für eine sozialistische Föderation des Nahen Ostens zu schaffen, die der einzige Weg zur Befreiung der Palästinenser ist. Sie allein bietet die Möglichkeit, dass alle Völker und Religionen gemeinsam, seien es Araber und Juden, Sunniten und Schiiten, Türken und Kurden, frei von Ausbeutung und Unterdrückung ein Paradies auf Erden aufbauen können.
(Funke Nr. 225/8.07.2024)