Der 1. Mai wurde als internationaler Kampftag der Arbeiterklasse begründet; seine Perspektive war internationalistisch und für die Revolution. Genau das ist heute wieder brandaktuell. Die Zensur- und Ausladepolitik des Mayday-Organisationsteams schwächt jedoch die Bewegung, statt sie zu stärken.
Der Kapitalismus ist in seiner tiefsten Krise. Eine neue Generation von Klassenkämpfern wird weltweit unter den Hammerschlägen des Kapitals geschmiedet. Immer mehr, vor allem junge Menschen, erkennen an, dass es eine grundlegende, revolutionäre Veränderung braucht.
Leider findet diese Stimmung, dass es einen gemeinsamen Kampf der Jugend und Arbeiterklasse gegen den Kapitalismus braucht, keine Resonanz beim Organisationsteam der antikapitalistischen MayDay-Demonstration.
In einer Stellungname auf dem MayDay-Blog schreiben sie, dass sie die Teilnahme an der MayDay-Demo, die dieses Jahr lustigerweise das Motto „Stadt für alle“ trägt, gerne beschränken würden.
Anstatt die volle Kraft gegen das Kapital und den bürgerlichen Staat zu richten, richten die Organisatoren ihre Angriffe gegen kommunistische Gruppen und gegen jene, die sich gegen den Völkermord des israelischen Staates in Gaza aussprechen.
Strukturen, die sie als „Kader-Strukturen“ bezeichnen, weil sie gewählte Führungen haben („Anführer_innen“), wollen sie „keinen Raum auf der Demonstration geben“. Nationalflaggen – d.h. also auch jene unterdrückter Völker wie Palästinas und Kurdistans – sollen nicht getragen werden. Es werden „aktiv mehrere Gruppen namentlich“ von einer öffentlichen Demonstration „ausgeladen“: (neue) Linkswende, SLP/ROSA/ISA, YoungStruggle und der Funke.
Damit stellt sich das selbsternannte Organisationsteam von MayDay auf dieselbe Stufe wie die Führung der SPÖ-Wien, die ihrerseits immer stärker bemüht ist, den Rathausplatz frei von jeder Meinungsäußerung außer der eigenen zu halten.
Für wen spricht dieser Blogpost?
Gleichzeitig verlautbart das MayDay-Organisationsteam: „Wir laden dazu ein, sich zu beteiligen, sich gemeinschaftlich zu organisieren und gemeinsam den 1. Mai als politischen Tag zu begehen.“
Genau in diesem Sinne schrieb der Funke am 31. März, rechtzeitig vor dem Vorbereitungstreffen am 3. April, dass wir gerne zum Erfolg der Demo beitragen möchten:
„Hi,
Wir sehen auch die Notwendigkeit für eine kraftvolle, antikapitalistische und revolutionäre 1. Mai Demo.
Der 1. Mai ist der wichtigste Kampftag der Arbeiterbewegung. Wir sehen die Notwendigkeit als antikapitalistische Linke gemeinsam auf die Straße zu gehen gegen die kapitalistische Ausbeutung, die tagtägliche rassistische, sexistische und transfeindliche Spaltung und gegen die zunehmende Repression des bürgerlichen Staates gegen alle revolutionären Kräfte.
Wir würden uns deshalb gerne am kommenden Vorbereitungstreffen vom 3. April beteiligen. Könnte ihr uns bitte den genauen Ort zukommen lassen?“
Diese Bitte wurde schlicht ignoriert. Das Treffen fand statt, aber an einem unbekannten Ort und nur für geladene Gäste.
Diese anonymen Menschen schrieben uns dann am 21.4. folgende E-Mail:
„Hallo zusammen;
wir möchten euch darauf hinweisen, dass eure Teilnahme an der MAYDAY nicht erwünscht ist. Ihr seid als Gruppe aus verschiedenen Gründen (Organisationsform, Nichteinhaltung des Demokonsens in der Vergangenheit) weder als Block noch mit Infotischen oder anderen Formen der Beteiligung willkommen.
Bis zum 1. Mai ist noch Zeit, ihr könnt also leicht selbst andere Dinge organisieren.
Viele Grüße!
MAYDAY 2024 Organisations Team“
Dies ist eine aktive Spaltung der antikapitalistischen Kräfte; die Aufforderung, „andere Dinge zu organisieren“, statt gemeinsam auf die Straße zu gehen, könnte das nicht offensichtlicher machen. Was wir brauchen, ist eine offene Bewegung, in der alle ihre Ideen präsentieren können, bei größtmöglicher Einheit in der Aktion.
Der Demo„konsens“ wurde tatsächlich nur von einer handerlesenen Auswahl an Personen gefällt. Wenn wir lesen „Gemeinsam überlegen wir im Konsens Dinge wie das Thema, die Inhalte sowie den Ausdruck der Demonstration“ kann das als nichts anderes als eine Falschaussage bewertet werden.
Der 1. Mai gehört der Bewegung!
Tatsache ist, dass der 1. Mai die revolutionäre Tradition der gesamten internationalen Arbeiterbewegung ist. Wir stehen für die volle Freiheit der politischen Agitation auf Demonstrationen und denken nicht, dass es hier Verbote braucht, die von einer Clique ausgesprochen werden, die in keiner Weise von sich behaupten kann, für die gesamte Bewegung zu sprechen.
Solche Hürden sind beim Meinungsaustausch und dem Prozess der Klarifizierung der verschiedenen Ideen der Linken hinderlich. Es sind antidemokratische Methoden, die wir aus der Bürokratie in der Arbeiterbewegung kennen.
Die einzigen, die durch Spaltung und Unsichtbarmachen von revolutionären Linken profitieren, sind die Herrschenden.
„We are not outnumbered – We are out-organized”
Den „Vorwurf“ wir würden Demonstrationen nutzen, um neue Mitglieder zu werben und unsere Inhalte zu verbreiten, können wir getrost zurückgeben: Wozu nutzt ihr Demonstrationen, zum Feiern und kühle Bierchen trinken?!
Die Krise des Kapitalismus ist tief, die Angriffe der Herrschenden auf unsere Löhne, Sozialeinrichtungen und demokratische Rechte sind hart. Wir müssen endlich fähig werden zurückzukämpfen! Und um den Kampf gegen die Herrschenden gewinnen zu können, müssen wir uns organisieren. Es ist völlig legitim, diese Idee auch am MayDay zu vertreten. Wir selbst sind keine Hilfspolizei und werden unseren Mitgliedern daher auch nicht empfehlen, dem Mayday fernzubleiben.
Freiheit für Palästina – Gegen Krieg und Genozid!
Der 1. Mai wurde als internationaler Tag der Arbeiterklasse begründet, mit der dezidierten Aufgabe, die internationalen Kämpfe der Ausgebeuteten zu verbinden. Internationalismus und Auftreten gegen jeden imperialistischen Krieg ist ein unbedingt notwendiger Teil im Kampf gegen alle Unterdrückung. Auch im letztjährigen MayDay-Demo-Aufruftext wurde auf internationale Kämpfe in Lateinamerika und Rojava solidarisch Bezug genommen.
Dieses Jahr findet jedoch Palästina, jenes Thema, das in den letzten Monaten Millionen von Menschen durch den barbarischen Krieg Israels und die beispiellose Propagandawelle der bürgerlichen Medien politisiert hat, keine Erwähnung. Wir denken, dass hier der tiefere Grund für das versuchte Zurechtrücken des MayDay liegt; dass die Demo nach außen jedenfalls im Rahmen des nationalen österreichischen Schulterschlusses der bedingungslosen Solidarität mit Israels Kriegsführung erscheinen soll.
Tatsächlich sehen wir dies fundamental anders. Wir gehen seit Monaten für die Freiheit von Palästina auf die Straße. Das dürfte einigen Gruppen, die an der Demo-Organisation beteiligt sind und den MayDay-Demoaufruf als Co-Autoren auf Instagram veröffentlicht haben, ein Dorn im Auge sein.
So stellt etwa die ÖH-Fraktion „Kommunistischer Student_innenverband Linke Liste“ (ksv_lili) Kritik am Staat Israel unter Antisemitismusverdacht und die „gruppe für organisierten antifaschismus [wien]“ (gfoa_w) organisierte am 21. Oktober sogar eine Demo, um gegen die „antizionistische Hetze gegen Israel“ auf die Straße zu gehen. In besagtem Demoaufruf wirft die gfoa_w all jenen, die sich Palästinasolidarität auf die Fahnen heften, eine „Verharmlosung islamistischen Terrors“ vor.
Dass diese „Stand with Israel“-Position kaum Anhang in der revolutionären Jugend findet, muss ihnen dabei bewusst sein. Überall wird uns erklärt, der Krieg in Gaza sei gerecht und notwendig, doch nach weit über 30.000 Toten in Gaza glaubt das keiner mehr.
In der MayDay-Stellungnahme entschieden sich die Verfasser in ihrer „Ausladung“ gegen uns, den Krieg in Gaza nicht zu erwähnen; es bleibt bei der abstrakten Aufforderung an Demo-Ordnungspersonen „keine“ Nationalflaggen zuzulassen. Dass jedoch alle ausgeladenen Gruppen öffentlich in Solidarität mit Palästina stehen, ist ein Fakt.
Nein zu Spaltung und Einschüchterung!
Wir weisen alle Einschüchterungsversuche auf das Schärfste zurück und fordern alle antikapitalistischen Kräfte dazu auf, auf Polizeimethoden wie die versuchte Einschränkung von Demo-Teilnahmen und Meinungsfreiheit auf Demonstrationen anderer Linker zu verzichten.
Es ist genau diese Spaltung und dieses destruktive Verhalten, das bei vielen jungen Aktivisten und Aktivistinnen einen bitteren Beigeschmack hinterlässt und viele rasch dazu bewegt, der linken Szene den Rücken zuzuwenden. Viele fragen sich: Wieso können wir nicht alle gemeinsam und geschlossen gegen den Kapitalismus und all seine barbarischen Unterdrückungsformen auf die Straße gehen?! Diesen Stimmen wollen wir zu 100% recht geben!
Angesichts der Zuspitzung der kapitalistischen Krise, von Klimawandel, Krieg und Inflation brauchen wir Schlagkraft, um die Bosse und ihr System zurückschlagen zu können. Wir müssen unsere Angriffe dorthin fokussieren, wo sie hingehören: auf die herrschende Klasse!
- Für einen solidarischen Umgang – für eine demokratische Atmosphäre des freien Meinungsaustauschs in der Bewegung
- Nein zu Spaltungsversuchen, Demo„ausladungen“ und Einschüchterungsversuchen gegen Linke auf linken Demos
- Der 1. Mai ist kein Privateigentum – für gemeinsame Aktionseinheit und eine demokratische Bündniskultur bei zentralen Kampftagen der Arbeiterbewegung
- Volle Freiheit im politischen Auftreten aller antikapitalistischer und linker Kräfte ohne willkürliche Beschränkungen – weder durch den Staat und das Kapital noch durch bürokratische Manöver innerhalb der Bewegung