Die schwarz-blaue Regierung nimmt es mit den sonst ach so heiligen demokratischen Grundwerten nicht allzu genau, wenn es darum geht, Stimmen des Widerstands im Keim zu ersticken. Lange genug hat sie sich mit den gegen sie gerichteten wöchentlichen Demonstrationen herum ärgern müssen. Die Untersagung der meisten Checkpoints ist ein weiterer Schritt, demokratische Rechte wie das Demonstrationsrecht schön langsam auszuhöhlen. Demonstrieren schön und gut, aber nur wenn es der Regierung ins Konzept paßt (siehe Straßenblockaden gegen Temelin).
Speed kills Widerstand?
Diese repressive Maßnahme ist ein weiterer Beweis für das enorme Selbstbewußtsein, das diese Regierung entwickelt hat. Ihrem „speed kills“-Programm scheint nichts und niemand gewachsen zu sein. Die Opposition ist hilflos, die Gewerkschaftsbürokratie versucht in dieser für sie mißlichen Lage möglichst viele Schäfchen ins Trockene zu bringen, will jeden Strohhalm nutzen, um Elemente der Sozialpartnerschaft zu bewahren (selbst wenn das so ausschaut, daß sie dann nur noch die Details für den von der Regierung vorgegebenen Sozialabbau ausverhandelt), eine ernsthafte Mobilisierung ihrer Basis in den Betrieben kommt für sie nicht in Frage. Da arrangiert sie sich lieber mit ihrem ureigensten Feind und hofft ihn durch eine Stillhaltepolitik nicht weiter zu provozieren. Und von spontanen sozialen Protesten, die mit der durch Passivität und untertäniger Geduldsamkeit geprägten „österreichischen Normalität“ brechen würden, ist bestenfalls unter dem Mikroskop gesellschaftlicher Analyse etwas auszumachen.
Wenn wundert es da, daß die Regierung zu dem Schluß kommt, sie könne die wenigen Ansätze von Widerstand ohne großes Aufsehen verbieten.
Über verpufften Aktionismus und das Fehlen von Konzepten…
Es ist höchste Zeit, daß wir uns als AktivistInnen im Kampf gegen Sozialabbau und diese Rechtsregierung endlich den Kopf darüber zerbrechen, wie wir mit dieser Situation umgehen können. Der anfängliche Wille, dieser Regierung ernsthaft Paroli zu bieten, der in den Schülerstreiks im Februar, in der Großdemo vom 19.2., bei der auch viele GewerkschafterInnen ihre Opposition zu schwarz-blau gezeigt haben, ist in den letzten Monaten völlig verpufft. Nicht weil die Menschen unbedingt so geil sind auf Studiengebühren, auf eine Anhebung des Pensionsalters usw., sondern weil sie absolut keine Alternative sehen. Weder die ÖGB-Bürokratie noch die so oft gepriesene „Zivilgesellschaft“ noch die eingesessene Uni-Linke (KSV, VSStÖ“…) war imstande oder willens, den vorhandenen Unmut gegen die Regierungspolitik in konkreten, von einer breiten Basis getragenen Widerstand umzuwandeln.
Diese Unfähigkeit muß natürlich „theoretisch“ begründet werden. Dem ÖGB-Bürokraten fällt dazu natürlich sofort ein, daß die „Leute es halt noch nicht kapieren“. Der Sozialabbau müsse für sie erst im Geldbörsel spürbar werden, vorher kann man da nichts machen. Der etwas mit postmoderner Literatur belesenere Linke mit Uni-Erfahrung muß gar nicht offen seiner Resignation Ausdruck geben (das kommt erst später bei einem Gläschen Rotwein bei netter Chill-out-Atmosphäre) sondern hat eine echte Theorie parat: „jedeR ist eine autonome Widerstandseinheit“ und „jede kleine Gruppe ist ein autonomes Widerstandsnest“ und es braucht eine „Politik der 240.000 Nadelstiche“ (siehe das „Strategiepapier“ der linken Fraktionen für eine „Protestbewegung gegen Studiengebühren“).
Da kann man sich dann leicht mit einer von ein paar FunktionärInnen gemachten Menschenkette rund ums Parlament und ein paar Verkehrsblockaden treffen. Lästig wollen wir sein, zeigen, daß wir das nicht hinnehmen werden, wer etwas radikaler ist, fordert sogar die Regierung zum Rücktritt auf. Dieser Aktionstag wird niemanden kratzen, vielleicht ein paar Pendler, die zu spät in die Arbeit kommen ärgern, aber das war es dann auch schon.
Was wir endlich brauchen ist ein offene, demokratische Diskussion über die Perspektiven dieses Widerstands.
Es gilt einmal klarzustellen, daß sich diese Regierung mit der Durchsetzung einer ganzen Palette von Angriffen auf unsere Rechte stabilisiert hat. Checkpoint Austria und Donnerstagsdemos sind alles natürlich gute Aktionen, jedes Zeichen von Widerstand ist zu unterstützen, aber wenn es dabei bleibt (und die InitiatorInnen sehen zumindest keine andere Möglichkeit, als es dabei zu belassen, zumindest haben sie bis jetzt noch nichts anderes verlautbaren lassen), bringen uns diese Protestformen unserem Ziel – und das kann natürlich der Rücktritt dieser Regierung und ein grundlegender Wechsel in der Politik sein – keinen Schritt weiter.
Voluntaristischer Aktionismus wird früher oder später zu einem Zerfallen der Bewegung führen. Mit immer neuen Angriffen auf einzelne Gruppen ist vielleicht gesichert, daß bis zum Jahrestag des Antritts der Regierung die Donnerstagsdemos ausreichende TeilnehmerInnenzahlen aufweisen werden, aber das kann ja wohl nicht die allein glücklich machende Perspektive sein.
Genau über diese Perspektiven gilt es aber endlich auf einer möglichst breiten Basis zu diskutieren. Das Ziel muß eine Verankerung des Widerstandes in den Schulen, den Unis und vor allem den Betrieben sein. Die LehrerInnen, die sich zu Aktionskomitees vernetzt haben, und so genug Druck erzeugen konnten, um die Gewerkschaft zur Bewilligung eines Streiks zu zwingen, können uns hier als Beispiel dienen. Dieser Prozeß der Organisierung, der Vernetzung und Diskussion mag mühevoll sein, aber es gibt keinen Abstecher auf dem Weg zum Aufbau einer breiten Oppositionsbewegung, die fähig ist, auch größere Teile der vom Sozialabbau Betroffenen zu mobilisieren (und nur das kann diese Regierung stoppen!). Ein Bruch mit der sozialpartnerschaftlichen Ausrichtung der Gewerkschaften wie auch mit der Tendenz der Zivilgesellschaftsfanatiker, durch Aktionismus eine breite Mobilisierung ersetzen zu wollen, ist eine politische Voraussetzung für diesen Widerstand.