Der Ukrainekrieg geht ins dritte Jahr. Die russische Seite rückt unter hohen Verluste langsam, aber sicher vor. Die größeren Reserven und die Zeit sind auf Seiten des russischen Regimes, während die Unterstützung des westlichen Imperialismus, insbesondere jenem der USA, schwindet. Von Raphael Lins.
Das imperialistische Ringen der russischen gegen die westlichen Räuber, die die Ukraine als ihre Fußsoldaten zur Schwächung Russlands verwenden, stellt die ukrainische Führung vor schwerwiegende Probleme. An der Front ist die Lage „extrem angespannt und von intensivem Feuer von Artillerie, Minenwerfern und Kampfdrohnen sowie Sturmhandlungen des Gegners gekennzeichnet“, wie es der ukrainische Oberkommandierende des Heeres Syrskij formuliert hat. Die ukrainische Armee leidet unter Munition- und Soldatenmangel. Zwar steigt auch die Waffenproduktion im Westen massiv an (Rheinmetall etwa erhöhte den Ausstoß von 155mm Geschossen von 100.000 auf 350.000 und will diese Zahl im kommenden Jahr verdoppeln), aber die inneren Widersprüche im Westen nehmen zu. Zur Zeit etwa lähmt ein Streit zwischen Deutschland und Frankreich darüber, welche Waffenproduzenten mit den EU-Geldern finanziert werden, die EU-Hilfe an Kiew.
Während die Kapitalisten sich um deutsch-französische Marktanteile am Todesgeschäft streiten, bluten Ukrainer an der Front langsam aus und die Unterstützung dafür in der Bevölkerung lässt nach. Um aber die militärische Auseinandersetzung fortführen zu können, ist die ukrainische Führung gezwungen, immer mehr Menschenmaterial an die Front zu führen, und das wird zunehmend mit Zwang durchgesetzt.
Mobilisierungen
Präsident Selenskij hat auf Initiative der Armeeführung angekündigt, 500.000 Männer zusätzlich einziehen zu wollen – die Strafen gegen Kriegsunwillige sowohl an der Front als auch im Hinterland sind mehr und grausamer geworden. Das wird die Verbitterung und Kriegsmüdigkeit der Angehörigen – also letztlich der gesamten ukrainischen Bevölkerung – nur noch verstärken. Die Rekrutierungszentren im Land haben einen extrem schlechten Ruf, sie sind korrupt, haben brutale Methoden und versuchen zunehmend, die Rekruten einfach direkt von der Straße zu sammeln. Selenskij war im August 2023 gezwungen, die Leiter aller regionalen Rekrutierungszentren auszutauschen. Und an der Front kämpfen viele Soldaten bereits seit zwei Jahren durch, weshalb gleichzeitig der Ruf nach Demobilisierungen lauter wird. Im Raum steht weiters, Traumataverletzte künftig einfach mit dem starken Narkotikum Ketamin zu behandeln (auch um die Kampfkraft zu steigern), zehntausende Prothesen fehlen und die medizinische Versorgung hat teils ernsthafte Probleme.
Das Gesetz zur Mobilisierung neuer Soldaten ist im Jänner 24 in der Rada vorerst gescheitert, obwohl zuvor alle (noch legalen) Parlamentsparteien in die Gesetzgebung involviert waren. „Jetzt werden die Mobilisierung, die Registrierung und die Rotationen, die von kritischer Wichtigkeit für den Staat sind politisiert und verzögert. Das ist inakzeptabel in Kriegszeiten“, bringt Verteidigungsminister Umarow die Position der Kriegspartei auf den Punkt. Tod oder Leben für Zehntausende ist weder im Westen noch im Kiew eine politische Frage, sondern es wird zum Naturgesetz erhoben, dass die eigene Partei gewinnen muss.
Liberale Kriegstreiber
Es lohnt sich zu erinnern, mit welchen hochtrabenden Phrasen der Ukrainekrieg begann. Im liberalen Falter konnte man vom „Krieg zwischen Vergangenheit und Zukunft“ lesen, auf dem Cover prangerte ein junges, ukrainisches Liebespaar mit Sturmgewehren. Die Grüne außenpolitische Sprecherin Ewa Ernst-Dziedzic begrüßte schwere Waffenlieferungen in die Ukraine, denn die Kapitulation der Ukraine vor dem faschistischen Russland sei nicht hinzunehmen.
So wurde mit „demokratischen“ und „humanitären“ Phrasen der westliche Imperialismus reingewaschen, der in der Ukraine keinerlei „Werte“ außer die eigenen Profitinteressen verfolgt. In den ehrlichen Worten des republikanische Senatsführer McConnell:
„Die Russen in der Ukraine zu schlagen, ist derzeit das Wichtigste. Das spart uns langfristig enorm viel Geld, wenn die Ukraine erfolgreich ist. Sie fragen nicht nach Soldaten, sie fragen nur nach Geld“
Die Analyse des russischen Revolutionärs Wladimir Lenin bleibt über hundert Jahre später unverändert gültig: der imperialistische Krieg ist nichts als der Krieg der Herrscher der Welt, sich gegenseitig Territorien abzujagen, und die Arbeiterklasse auf beiden Seiten soll dafür bluten. Es gibt hierfür auf kapitalistischer Basis keine Lösung, es ist ein reaktionärer Krieg. Die Unterstützung einer Seite ist die menschenfeindliche Unterstützung für das Abschlachten. Nur wenn die russischen und die ukrainischen Soldaten gemeinsam mit ihren Klassengeschwistern ihre jeweiligen Herrscher in einer sozialistischen Revolution besiegen, wird das Blutvergießen ein endgültiges Ende finden. Dazu braucht es einen unabhängigen Klassenstandpunkt, und das hysterische liberale Geschrei kann das nicht übertönen. In Wien, Kiew und Moskau lautet unser Ruf mit einer Stimme: Der Hauptfeind steht im eigenen Land!
(Funke Nr. 220/26.1.2024)