Erstmals seit 20 Jahren versammelten sich die KPÖ Steiermark und KPÖ Bund zu einer gemeinsamen Konferenz in Graz, um ihren Nationalratswahl-Spitzenkandidaten (Tobias Schweiger) bekanntzugeben. Über den taktischen Weichenstellungen für das „Superwahljahr 2024“ schwebt das Damoklesschwert reformistischer Regierungspolitik in Graz. Warum es unmöglich ist, im krisengebeutelten Kapitalismus auf Gnade der Bürgerlichen zu hoffen, erklärt Christoph Pechtl.
Die Bundesregierung zwingt über den Finanzausgleich den Gemeinden in den kommenden Jahren eine Sparpolitik auf, für Graz bedeutet dies Mindereinnahmen von geschätzten 101 Mio.€ pro Jahr (bis 2027). Aber die Situation der steirischen Landeshauptstadt ist aus zwei weiteren Gründen besonders prekär: die schwarz-blaue Vorgängerregierung hat den pro Kopf höchsten Schuldenberg einer österreichischen Gemeinde hinterlassen (insges. 1,68 Mrd.€), bis 2027 verdoppelt sich jährlich die Schuldentilgung auf 67 Mio. € und die Refinanzierung wird aufgrund des Zinsanstieges deutlich teurer. Zweitens lassen ÖVP (in Kooperation mit der SPÖ Steiermark) und der Staatsapparat seit dem Amtsantritt von Bürgermeisterin Elke Kahr (KPÖ) nichts unversucht, um die Stadtregierung (KPÖ, Grüne und SPÖ) zu sabotieren.
Die geerbten Schulden wurden sofort vom Stadtrechnungshof genutzt, um die KPÖ zur Aufgabe ihres Reformprogramms zu zwingen, indem er mit einem Amtsenthebungsverfahren (also einem Putsch) drohte und einen Finanzkontrolleur einsetzte. Die ÖVP-SPÖ Landesregierung legte diesen Sommer nach und schob durch eine „Sozialreform“ Kosten von weiteren 30 Mio. € auf die Stadt Graz ab.
Diese Sabotage setzt sich ungebrochen fort. Während die ÖVP-geführte Landesregierung nun Gelder nicht, wie laut KPÖ im Landtag beschlossen, an die Stadt auszahlt um die steigenden Kosten der Kinderbetreuung zu decken, kampagnisiert die Grazer ÖVP, die KPÖ würde den Kindern der Stadt das Geld streichen.
KPÖ Graz – Sparpolitik statt Klassenkampf
Die KPÖ steht diesen politischen Angriffen bisher perspektivlos gegenüber und versucht weiterhin einen offenen Konflikt mit den Bürgerlichen zu vermeiden. Sie befürchtet, dass „die Banken uns sonst keine oder schlechtere Kredite geben würden“, wie uns ein Mitglied der KPÖ erklärt. So diktiert das Finanzkapital die Politik der Stadt.
Im neuen Budget für das Jahr 2024 versucht die KPÖ ein weiteres Mal durch neue Schulden und das Verschieben von Investitionen Spielraum zu bekommen. Damit sind die „Restbeständen an Liquidität“ jedoch aufgebraucht, wie Finanzstadtrat Eber (KPÖ) meint. Im Frühjahr warnten wir: „Der Versuch der KPÖ, ihre Reformagenda ohne Kampf durchzusetzen, führt in der Praxis zur Aufgabe der Reformen und zu einer Unterordnung gegenüber den Bürgerlichen. So manövriert sie sich direkt in die Sparkatstrophe, bei gleichzeitiger Verschleierung der kommenden Austerität.“
Dies bestätigt sich nun. Die Stadtregierung legte mit dem neuen Budget auch Sparmaßnahmen unter dem ironischen Namen „Kommunales Plus“ vor, die Streichungen und Beschränkungen von kommunalen Diensten beinhalten. Unter anderem stehen Reinigungsdienste, der Sozialfonds „Graz hilft“ oder auch der Zuschuss für pflegende Angehörige auf der Streichungsliste.
Mit den Bürgerlichen brechen – aber mutig!
Die KPÖ folgt der sozialdemokratischen Regierungslogik und verwaltet die Krise des Kapitalismus, anstelle einen Kampf dagegen zu organisieren. Doch immer größeren Teilen der KPÖ wird bewusst, dass dies in den politischen Untergang führt.
So sah sich Finanzstadtrat Eber endlich veranlasst, einen Vorstoß zu wagen: Die Rekommunalisierung der ausgelagerten Holding Graz GmbH (Holding aller städtischen Betriebe und Infrastruktur) stehe wieder zur Diskussion. Diese undurchsichtige Struktur steht außerhalb der politischen Kontrolle des Gemeinderates, Korruptionsverdachtsfälle geisterten wiederholt durch die Medien.
Die Rekommunalisierung war ursprünglich Teil des Wahlprogramms der KPÖ, wurde aber der Regierungsbildung geopfert. Wir erklärten, dass dies ein politischer Fehler war, was durch die neue Kehrtwende der KPÖ-Führung unterstrichen wird. Ein solches Zick-Zack untergräbt das politische Vertrauen in die KPÖ und sorgt für Verwirrung und politische Desorientierung. Statt koalitionstechnisch zu taktieren hätte es von Anfang an eine Kampagne für die Rekommunalisierung gebraucht.
Einen Kampf gegen die „Finanzmärkte“ kann man nur politisch gewinnen, indem man die Bevölkerung auf seine Seite bringt. Zu viel Zeit und Vertrauen wurde im ständigen Nachgeben gegenüber bürgerlichen Parteien und ihren Machtinstitutionen vertrödelt. Für eine Gegenoffensive muss die KPÖ damit beginnen, nun die Wahrheit auf den Tisch zu legen. Es braucht eine Kampagne, die offenlegt, wer die Profiteure der Auslagerungen, Privatisierungen, Schulden und der Freunderlwirtschaft wirklich sind. Dies muss ergänzt werden durch ein Reform-Programm, für das es sich zu kämpfen lohnt. Dies sollte mit einem Aufruf an alle Teile der Arbeiterbewegung, sich dem Spardiktat entgegenzustellen, verknüpft werden.
Der Parteijugend kommt in diesem Prozess eine zentrale Rolle zu. Sie drängte bereits im Israel-Palästina Konflikt für eine revolutionäre Solidarität mit Palästina, während sich die KPÖ-Führung ein weiteres Mal in Konfliktvermeidung mit den Bürgerlichen übte und sich auf pazifistische Phrasen beschränkte. Auch in Fragen der Sparpolitik gilt es, sich dem bürgerlichen Druck innerhalb der Partei entgegenzustellen und einen kommunistischen Weg nach vorne aufzuzeigen.
(Funke Nr. 219/06.12.2023)