Anlässlich der schweren Krise des Euro veröffentlichen wir einen Artikel von Alan Woods, der Mitte Februar dieses Jahres geschrieben wurde und die derzeitigen Ereignisse in Europa vorhersagte.
„Letztes Jahr waren es die Banken, jetzt sind es ganze Staaten. Die Wirtschaftskrise, die sich Ende des letzten Jahres beruhigt zu haben schien, ist mit den drohenden Staatspleiten wieder voll im Gange.“
Mit diesen Worten begann jüngst ein Leitartikels im „Economist“, sie sind ein angemessener Ausdruck für den wachsenden Pessimismus der herrschenden Klasse. Erst gestern sprachen die Bürgerlichen alle von „Erholung“ und dem „Ende der Rezession“ Jetzt ringen Europas politische Eliten darum, das zu verhindern, was „The Economist“ als „die größte Finanzkatastrophe in der elfjährigen Geschichte des Euro“ beschreibt. Plötzlich schaut die ganze Welt auf Griechenland, das sich mit der Möglichkeit des Staatsbankrotts konfrontiert sieht. Es wäre nicht das erste Mal in Europa: Schon vor einem Jahr wurde Island durch die Finanzkrise in die Zahlungsunfähigkeit getrieben. Das führte zu Demonstrationen und dem Sturz der Regierung. Island ist ein sehr kleines Land am Rande von Europa. Griechenland jedoch ist ein Mitglied der EU und Teil der Eurozone. Es wäre das erste EU-Mitglied, das zahlungsunfähig werden würde. Das ist ein ernstes Alarmsignal für die EU-Spitzen. Die Einführung einer gemeinsamen Währung bedeutet, dass alle Volkswirtschaften in einem unflexiblen System voneinander abhängig sind. Was zuerst als eine Quelle der Stärke gesehen wurde, entpuppt sich jetzt als eine gefährliche Quelle der Schwäche. Die Krise des griechischen Kapitalismus kann eine Krise des Euro verursachen und den Rest von Europa mit in den Abgrund reißen.
Die MarxistInnen haben das vorausgesehen
Vor über einem Jahrzehnt, zu einer Zeit, wo jeder den Euro anpries und voller Zuversicht einen unaufhaltbaren Trend hin zur europäischen Einigung prognostizierte, schrieben wir ein Dokument mit dem Titel „A Socialist Alternative to the European Union“, in dem wir eine dazu konträre Perspektive aufstellten:
„Das Problem von Maastricht ist, dass die europäischen KapitalistInnen versuchen, die Integration voranzutreiben, obwohl die ökonomischen Bedingungen dafür nicht mehr gegeben sind. Bei Wachstumsraten von 5-6 Prozent, wie wir sie während der Phase des langen Wirtschaftsaufschwungs hatten, könnten sie die Währungsunion ohne große Schwierigkeiten über die Bühne bringen. Mit Wachstumsraten von nicht einmal 2-3 Prozent ist dies aber unmöglich.“
„(…) All das bedeutet, dass ein europäischer Bundesstaat auf kapitalistischer Basis ausgeschlossen ist. Besonders unter den Bedingungen einer Weltwirtschaftskrise, die in den nächsten Jahren unvermeidlich ist und die all die Widersprüche zuspitzen wird. Es ist unwahrscheinlich, dass die EU auseinanderbrechen wird, weil es um die Verteidigung des europäischen Marktes gegen die USA und Japan geht. Die europäischen Staaten haben nur die Wahl, gemeinsam oder einzeln zu hängen. Aber der Trend hin zur europäischen Einigung wird in einer Flut von Konflikten und Streitereien untergehen.“ (A Socialist Alternative to the European Union, Alan Woods, 4. Juni 1997)
Das Scheitern des Versuches, eine europäische Verfassung einzuführen, bestätigte diese Perspektive. Und was schrieben wir über den Euro?
„Zwischen Theorie und Praxis eröffnet sich ein tiefer Abgrund. In der Theorie schaut alles ganz nett und logisch aus. Das Problem ist nur, dass das kapitalistische System alles andere als logisch ist. In der Abstraktion ist die Idee einer gemeinsamen europäischen Währung gut. Sie würde viele Kosten reduzieren, den Handel zwischen den Nationalstaaten billiger machen, die langfristige Wirtschaftsplanung und die Investitionsentscheidungen erleichtern und eine Vielzahl unnötiger Vorgänge überflüssig machen. In der kapitalistischen Praxis aber führt sie direkt ins Desaster. In der Theorie bedeutet es, dass alle nationalen Währungen in ein rigides System gezwängt werden. Keine nationale Regierung könnte die Wechselkurse ändern, d.h. keinem Land wäre es mehr gestattet, durch Abwertung einen Weg aus der Krise zu suchen.“
„Der Weg der Abwertung ist versperrt, deshalb müsste jedes Land intern eine Lösung suchen – was eine grausame Politik der Deflation und Arbeitslosigkeit bedeutet, besonders für die schwächeren Ökonomien. Es würden sich auch die Spannungen zwischen den verschiedenen Staaten und die Klassengegensätze innerhalb dieser Staaten enorm zuspitzen. Solch ein unflexibles monetäres System wäre nicht lebensfähig. In der Praxis würde von Anfang an jeder Nationalstaat versuchen, einen Vorteil gegenüber den anderen zu erringen. Dies wird alle nur denkbaren Konflikte hervorrufen, was letztendlich zu einem Zusammenbruch führen würde. Auch der Versuch, ein System der andauernden Sparpolitik einzuführen, würde nicht funktionieren.“
„Um das hauptsächliche Problem auf den Punkt zu bringen: die Idee, so unterschiedliche Volkswirtschaften, die in verschiedene Richtungen tendieren, auf der Grundlage eines gemeinsamen Fonds und einer bindenden Gesetzgebung erfolgreich in eine Währungsunion zu integrieren, kann nicht funktionieren. Die kapitalistische Produktionsweise ist von Natur aus anarchisch. Der Versuch, diese Volkswirtschaften in einer rigiden gemeinsamen Wechselkursrate zusammenzuschließen, wird unverzüglich eine Reihe von Verzerrungen und unerträglichen Widersprüchen mit sich bringen. Wenn die ökonomischen Bedingungen eines Landes einen Anstieg der Zinssätze verlangen, wird es in einem anderen Land gerade umgekehrt sein. Wer entscheidet nun? Es ist nicht allzu schwer, auf diese Frage eine Antwort zu finden. Als die zentrale europäische Wirtschaftsmacht wird Deutschland seine Vorstellungen mittels der Bundesbank durchsetzen, die die anderen Zentralbanken kontrollieren wird. Wir hatten schon jetzt einen Vorgeschmack darauf, als die Bundesbank ohne Konsultation seiner Partner die Zinssätze anhob. Das war sogar schon der Fall, bevor die Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) eingeführt wurde. Die WWU würde lediglich dem gegenwärtigen Kräfteverhältnis in Europa einen offiziellen Stempel aufdrücken.“
„In einem fixen Wechselkurssystem müssen einige zwangsläufig verlieren. (…) Auch wenn Spanien und Italien angekündigt haben, schon in der ersten Runde der WWU beizutreten, so sind sie doch zu schwach, um dies zu tun, ohne gewaltige Widersprüche im eigenen Land hervorzurufen. Griechenland ist automatisch ausgeschlossen, obwohl die Regierung Simitis einen bisher noch nicht gesehenen Angriff auf den Lebensstandard in der Hoffnung gestartet hat, sich in ferner Zukunft doch noch dafür zu qualifizieren. Genauso erledigen die portugiesischen SozialistInnen die Drecksarbeit für das Kapital. Das bereitet aber nur den Boden für eine Explosion des Klassenkampfes in all diesen Ländern in den nächsten Jahren auf.“
„(…) Die Einführung der WWU wird den Zyklus von Auf- und Abschwüngen nicht abschaffen. Die kommende Rezession wird zwangsläufig die Finanzen eines jeden Landes, je nach seiner relativen ökonomischen Stärke, unterschiedlich beeinflussen. Das wird ganz einfach zu einem Rückgang der Einnahmen aus Steuern und einem Anstieg der Ausgaben (für steigende Arbeitslosigkeit etwa) führen. Was für Maßnahmen könnte die britische Regierung unter den oben angeführten Bedingungen ergreifen? Dem Maastricht-Vertrag zufolge hätte sie keine Möglichkeit, Kredite aufzunehmen, um das Defizit abzudecken. Der einzige Ausweg wären Ausgabenkürzungen und Steuererhöhungen mitten in einer Rezession.“
„(…) Auf einer kapitalistischen Basis kann eine stabile Währungsunion ohne einen geeinten Staat nicht erzielt werden. Außerdem muss unter den Bedingungen eines alles dominierenden Weltmarktes eine regionale Währung in das globale Wechselkurssystem passen. (…) Wie man aber inmitten eines durch ein flexibles Wechselkurssystem charakterisierten Weltmarktes ein fixes Wechselkurssystem aufrechterhalten soll, bleibt unklar. Ökonomen in den USA stehen dieser Idee offen skeptisch gegenüber. Wie stabil wird der Euro sein? Falls die internationalen Märkte von den Aussagen der europäischen Banker nicht überzeugt werden, dann wird der Euro genauso von Währungskursspekulationen gefährdet sein, wie es heute etwa die italienische Lira ist.“
„(…) Die gesamte Last einer Rezession müssen die Nationalstaaten selber tragen. Die Absicht ist dabei, dass jede Regierung gezwungen ist, mit den guten alten Methoden wie Steuererhöhungen, Ausgabenkürzungen und Privatisierungen ‚gesunde Finanzen‘ aufrecht zu erhalten.“
„Diese Politik lässt außer Acht, dass vor dem Ersten Weltkrieg die Gewerkschaften und ArbeiterInnenparteien relativ schwach waren und die ArbeiterInnenklasse selbst in den meisten Ländern nur eine Minderheit darstellte. (Großbritannien stellt eine Ausnahme dar, weil es viel früher als die anderen Länder in die Phase kapitalistischer Entwicklung eingetreten war.) Seit dem Zweiten Weltkrieg hat sich das Kräfteverhältnis in Europa grundlegend verändert. Die sozialen Reserven der Reaktion, vor allem die Bauernschaft, wurden durch die Industrialisierung stark dezimiert. Die ArbeiterInnenklasse ist zu der dominanten in der Gesellschaft geworden und wird sich die Errungenschaften der letzten Jahrzehnte nicht widerstandslos wegnehmen lassen.“
„Der Versuch, zur ‚klassischen‘ Periode des Kapitalismus zurückzukehren, wird zu einem beispiellosen Aufschwung des Klassenkampfes führen. Aber es gibt keine Garantie, dass er den von den Kapitalisten erwarteten Nutzen bringen wird. Indem sie selbst den schwächsten europäischen Ökonomien eine gewaltige Last auferlegen, laufen sie Gefahr, einen völligen Kollaps zu provozieren. Die Kriterien der vorgeschlagenen Währungsunion setzen voraus, dass jedes Land auf eigenen Füßen stehen muss – um den Ausdruck zu benutzen, der von allen Bankern geliebt wird.“
„Gegenwärtig können die Regierungen auf den internationalen Finanzmärkten Geld leihen, um ihre Schulden zu bedienen und werden (mit der Ausnahme Griechenlands) als sichere Anlagemöglichkeiten betrachtet. Aber Italiens Schulden- und ungedeckte Pensionsverbindlichkeitenrate ist mehr als doppelt so hoch wie die Deutschlands. Wenn Italien keine eigene Währung und Zentralbank mehr hat, wird so eine Schwäche auf jeden Fall zu einer Erhöhung der Kreditkosten führen. New York zahlt manchmal höhere Risikoprämien als Italien, obwohl sein Schuldenanteil weit niedriger ist.“
„Selbst jetzt können sich die wichtigsten Kredit-Rating-Agenturen nicht darauf einigen, wie die zukünftigen in der neuen Währung aufgenommenen Schulden eingestuft werden sollen. Dies lässt vermuten, dass es noch gröbere Divergenzen in den Kreditratings der europäischen Länder nach 1999 gibt. Die KapitalistInnen in Italien und anderen schwachen Ländern werden gezwungen sein, höhere Zinsen als andere zu zahlen, was natürlich die Profitrate senkt. Das kann langfristig die Finanzen eines solchen Staates destabilisieren und die Gefahr einer Krise erhöhen. Zum ersten Mal sprechen internationale InvestorInnen (natürlich hinter vorgehaltener Hand) über das Risiko einer Zahlungsunfähigkeit in Europa.“
„Genauso wie Quebec aufgrund der dortigen Sezessionsbestrebungen als hohes Risiko gewertet wird und hohe Prämien zahlen muss, um sich Geld zu leihen, so rechnet das internationale Finanzkapital schon vor der Einführung mit einem Zusammenbruch der WWU. Man kalkuliert damit, dass die Politik der Sparmaßnahmen solche sozialen Unruhen auslösen könnte, dass sie wieder zusammenbrechen würde. Beginnend mit Ländern wie Italien oder Finnland würden die schwächeren Länder der Reihe nach wegbrechen. Bei einer Rezession würde das Ganze dazu tendieren, auseinanderzubrechen.“ (Hervorhebungen durch den Verfasser)
Das schrieben wir 1997. Zu der Zeit war Griechenland noch nicht Mitglied der Eurozone, weswegen wir dachten, dass die schwächsten Glieder in der Kette Italien, Spanien, Portugal und Finnland seien. Aber die generelle Stoßrichtung unserer Argumentation war absolut richtig, obwohl sie im völligen Gegensatz zur allgemein optimistischen Stimmung in Bezug auf den Euro und die europäische Einigung stand, die zu dieser Zeit vorherrschte. Damals standen sogar einige unserer UnterstützerInnen dieser Perspektive skeptisch gegenüber. Jetzt ist sie eine Tatsache.
Der Euro brach im Vergleich zum Dollar seit November um 9,9 Prozent ein, was die Sorge verdeutlicht, dass Länder wie Griechenland es nicht schaffen werden, ihre Haushaltsdefizite zu senken. Die Einheitswährung und Wertpapiere in der Region fielen weiter, als die europäischen Politeliten sich trafen, um Pläne zur Verteidigung Griechenlands zu diskutieren. Die Investoren jedoch waren nicht beeindruckt und monierten, dass der Plan nicht detailliert genug sei.
Laut dem Strategen der ‚Societe Generale’ Albert Edwards sind die schwachen kapitalistischen Ökonomien Südeuropas „gefangen in einer überbewerteten Währung und werden durch ihre geringe Wettbewerbsfähigkeit erstickt, eine Situation, die zum Auseinanderbrechen des Euro-Blocks führen wird“ (12. Februar, Bloomberg- Report). Das Problem für Länder wie Portugal, Spanien und Griechenland „ist, dass über Jahre unangemessen niedrige Zinssätze zu Überhitzung und rapider Inflation führten“. Jetzt würde, meint Edwards, sogar wenn die Regierungen „ihre Haushaltsdefizite reduzieren könnten, der Mangel an Wettbewerbsfähigkeit innerhalb der Eurozone dazu führen, dass Jahre der relativen (und wenn man die Aussichten andernorts betrachtet, vermutlich absoluten) Deflation nötig wären. Jede Hilfe an Griechenland würde das unvermeidliche Aufbrechen der Eurozone nur hinauszögern.“ (Hervorhebungen durch den Verfasser)
Gefahr von mehr Staatspleiten
Edwards wurde in einer Thomson Extel-Umfrage 2009 zum zweitbesten europäischen Strategen gewählt. Der Bericht bezeichnet auch ‚Societe Generale’ als das beste Wirtschafts- und Strategieforschungsunternehmen im dritten Jahr in Folge. Diese Ansichten muss man daher ernst nehmen. Trotzdem ist es nicht sicher, dass die derzeitige Krise zu einem schnellen Untergang des Euro führen wird. Es steht zu viel auf dem Spiel für die französische und deutsche Bourgeoisie, die alles tun werden, um die gemeinsame Währung zu stützen. Wenn sich aber die Krise vertieft, wird sich die Situation verändern.
Wir befinden uns in einer sehr ernsten Situation für ganz Europa. Die Gefahr ist, wenn Griechenland der Staatspleite überlassen wird, könnte das eine Welle weiterer Zahlungsunfähigkeiten auslösen, die nicht nur Spanien, Portugal, Italien und Irland betreffen könnten, sondern sogar Großbritannien. Das würde zum sofortigen Zusammenbruch der jetzt schon kraftlosen Wirtschaftserholung in Europa führen und die Auswirkungen wären auf der ganzen Welt zu spüren. Das erklärt die Besorgnis der europäischen SpitzenpolitikerInnen.
Es gab Spekulationen über ein von Deutschland geführtes Rettungsmodell. Dies ist aber problematisch. Wenn es angewandt wird, könnten andere europäische Länder folgen, die unterwürfig um Unterstützung anfragen würden. Die Wertpapiermärkte sind sich dessen bewusst, dass das Problem auf keinen Fall nur auf Griechenland reduzierbar ist. Die internationalen Gläubiger sind in steigendem Maße verunsichert über die Kreditwürdigkeit von Spanien, Irland und Portugal und es gibt Spekulationen über den Zustand der britischen Staatsfinanzen. Es ist eine Sache, das relativ kleine Griechenland zu retten. Aber was wird passieren, wenn Spanien, Portugal, Irland oder sogar Großbritannien an der Reihe sind?
Um den Märkten zu versichern, dass diese Länder fähig und willig sind, ihre Schulden zurückzuzahlen, bestehen die internationalen Kredithaie darauf, dass sie die Steuern erhöhen und die Ausgaben kürzen. Aber so eine Politik ist eine vorprogrammierte Katastrophe für Ökonomien, die immer noch in einer Rezession gefangen sind und eine steigende Arbeitslosigkeit verzeichnen. „Das ist Wahnsinn. Wenn wir jetzt die Ausgaben kürzen, wird das die Erholung auslöschen!“ Aber die Klagelieder der Keynesianer dringen nicht zu den eisigen Herzen der internationalen Banker durch, die nur daran interessiert sind, ihr Geld zurück zu bekommen – mit einer ordentlichen Verzinsung, wie sich versteht.
Europas Probleme sind nicht die einzigen Gründe für Besorgnis. China hat, besorgt über steigende Inflation und Finanzblasen, gerade erst begonnen, die Kreditvergabe einzuschränken. Indiens Zentralbank hat die erforderliche Kapitaldeckung für Banken erhöht und Brasiliens Konjunkturpaket wird eingestellt. Die großen Zentralbanken ziehen sich von der Politik des „quantitative easing“ zurück, sie drucken Geld, um längerfristige Sicherheiten zu kaufen und die auf den Höhepunkt der Krise beschlossenen Liquiditätshilfen laufen jetzt aus.
Nachdem der hauptsächliche (wenn nicht sogar der einzige) Motor der „Erholung“ die Staatsausgaben waren, ruft das Bedenken bei den Inverstoren hervor, die, wie wir wissen, nicht durch rationale Überlegungen gesteuert werden, sondern durch den selben Herdeninstinkt wie die Gnus der afrikanischen Savannen, die plötzlich in Panik geraten. Es gibt bereits Zeichen einer solchen Veränderung. Die Preise von Anleihen und die Aktienmärkte sind stark gefallen, auch die Konsumgüterpreise sind eingebrochen und es herrscht erhöhte Unsicherheit.
Der MSCI World Index, der Aktien der ganzen Welt umfasst, ist seit seinem Höhepunkt am 14. Jänner um 10 Prozent gefallen. Statt des früheren Optimismus über eine V-förmige Erholung werden die internationalen Wirtschaftsmedien nun von Pessimismus über eine W-förmige Rezession dominiert. Die Befürchtungen wachsen, dass die Regierungen gezwungen sein könnten, Liquiditätshilfen zu früh zu streichen und die Erwartungen einer Erholung 2010 sich in einer neuen Krise zerstäuben.
Die Zahlen zum BIP der USA zeigen ein auf das Jahr umgerechnete Wachstum von 5,7 Prozent im vierten Quartal 2009. Aber diese Zahlen sind irreführend, da das Wachstum vor allem durch Firmen, die ihre Lagerbestände auffüllen, verursacht wurde. Die US-Wirtschaft baut immer noch Arbeitsplätze ab (wenn auch langsamer), Aktienkurse fallen und der Immobilienmarkt ist immer noch schwach. Es gibt keinerlei Zeichen für ein Steigen des Privatkonsums und mit jetzt schon hohen Überkapazitäten werden die Unternehmen höchstwahrscheinlich ihre Investitionen nicht erhöhen.
In Europa und Japan ist die Situation noch viel schlimmer. Obwohl sich Japans Export erholt, rutschte die Wirtschaft zurück in eine Deflation. In der Eurozone zeigte die Erholung schon lange vor der Krise Griechenlands Schwächen. Die Binnennachfrage wurde sogar in Deutschland abgedrosselt, wo die Haushalte keine übermäßig hohen Schulden bedienen müssen.
Offenkundig ist die Erholung nur in einigen der „aufstrebenden“ Ökonomien wie Indien und Brasilien, die starke Binnennachfrage und nur geringe Überkapazitäten hatten. China konnte eine hohe Wachstumsrate durch eine enorme Erhöhung der Direktinvestitionen der Regierung erhalten, aber deswegen ist seine Wirtschaft auch sehr anfällig gegenüber einer plötzlichen Reduzierung der Staatsausgaben. Die Aussichten für die Weltwirtschaft sind deswegen extrem unsicher. Das ist es, was hinter den nervösen Investoren steckt.
Die Wahrheit ist, dass der Aufschwung von Staatshilfen, Krediten und Garantien der Banken sowie von Subventionen für Großunternehmen abhängt. Vergleichbar mit einem klapprigen, alten Mann auf Krücken – so wird der Kapitalismus von staatlichen Anreizen gestützt. Dies trifft vor allem auf schwache kapitalistische Ökonomien wie Griechenland zu. Die Spekulanten kreisen über dem Land wie Geier über einem verendenden Tier. Wenn Griechenland untergeht, werden die Investoren ihr Vertrauen in die anderen, stark verschuldeten Staaten wie Spanien, Portugal oder Irland verlieren, was eine Kettenreaktion auslösen kann, die auch an den robusteren Wirtschaften nicht spurlos vorübergehen wird.
Die Gefahr ist, dass die großen, reichen Ökonomien die Fehler, die 1937 in den USA oder 1997 in Japan begangen wurden, wiederholen werden: Die Regierungen – im Glauben, das Schlimmste wäre vorbei, so dass Steuern wieder erhöht und die Währungspolitik wieder gezügelt werden könne – treiben ihre Ökonomien wieder zurück in die Rezession. Bürgerliche WirtschaftswissenschafterInnen und PolitikerInnen wollen uns weiterhin weismachen, dass sie die „Lektionen aus der Geschichte gelernt“ hätten, worauf Hegel schon vor langer Zeit antwortete, dass jeder, der sich mit der Geschichte auseinandersetze, nur zu dem Schluss kommen könne, dass niemand aus der Geschichte lernen werde. Dem muss man vor allem zustimmen, wenn man sich mit der Wirtschaftsgeschichte befasst, in der die KapitalistInnen regelmäßig die Fehler der Vergangenheit wiederholen.
Die Krise der Bourgeoisie
Revolutionen beginnen immer an der Spitze, mit Krisen und Spaltungen innerhalb der herrschenden Klasse. Die steigenden Konflikte in der US-amerikanischen herrschenden Klasse zeigen, dass sie sich in einer Sackgasse befinden. Die Konflikte zwischen Keynesianismus und Monetarismus, zwischen Republikanern und Demokraten, sind ein Zeichen für die Tiefe dieser Krise. Obama versucht, alles und jeden zu befriedigen, zeigt aber in Wirklichkeit totale Ohnmacht. Die ständigen Schwankungen Obamas sind ein Ausdruck von Unsicherheit und dem Fehlen wirklicher Perspektiven für die Bourgeoisie als ein Ganzes. Er ist ein Meister darin, demagogisch Hoffnung auszustrahlen und den einfachen US-AmerikanerInnen Hoffnung zu geben. Aber seine Rhetorik ist frei von jedem echten Inhalt, und diese Leere wurde durch Ereignisse offengelegt.
Die Spaltungen und Schwankungen der Bourgeoisien in Europa und Amerika sind Spiegelbilder der Tiefe der Krise. All ihre Hoffnungen legten sie in eine Wirtschaftserholung. Das ist aber wie eine Fata Morgana, die jedes Mal verschwindet, wenn man ihr näher kommt. Das zentrale Problem sind nicht mangelnde Kredite sondern die Überproduktion, die sich als Überkapazität darstellt. Die Produktion bleibt weit unter ihrem Potential. Das ist die größte Geißel des Kapitalismus und ein klarer Beweis dafür, dass dieses System seine historische Zweckmäßigkeit überlebt hat.
Die Stagnation der Produktivkräfte und der unerbittliche Anstieg der Arbeitslosigkeit – selbst zu einer Zeit, wo die Rezession beendet sein sollte – sprechen die gleiche Sprache. Die Problematik der enormen und unhaltbaren Defizite von Griechenland, Spanien und Portugal ist nicht der Grund, sondern nur eine Reflexion des wirklichen Problems.
Die bürgerlichen Ökonomen haben nichts vorhergesehen und nichts verstanden. Am 21. Oktober 2009 schrieb die „Financial Times“: „Noch 2006 gab es die Übereinstimmung, dass die Katastrophe, die sich entwickelte, einfach unmöglich sei.“ Sie reagierten auf die Krise, die in ihren Vorstellungen „einfach unmöglich“ war, durch Maßnahmen, die sie ebenso als „einfach unmöglich“ ansahen, nämlich riesige Geldmengen in das Finanzsystem zu pumpen und damit Schuldenberge aufzutürmen, die ohne Beispiel in Friedenszeiten sind.
Jetzt sagen dieselben Bürgerlichen, dass Defizite gefährlich sind und die Regierungen sie durch brutale Angriffe auf die Lebensstandards unter Kontrolle bringen müssen. Vom Standpunkt orthodoxer bürgerlicher Ökonomen ist das unbestreitbar. Aber dann werden sie mit dem Widerspruch im Regen stehen gelassen, dass jeder Versuch, so eine Politik durchzuführen, in Sachen Wirtschaftswachstum den gegenteiligen Effekt haben würde.
Die Bourgeoisie findet sich in einem unlösbaren Dilemma gefangen. Auf dem Treffen der Finanzminister der G7 am 6. Februar dieses Jahres kamen sie zu dem Schluss, dass es zu früh wäre, Staatshilfen zurückzuziehen. Aber sie konnten sich nicht auf einen Plan einigen, um eine finanzielle Katastrophe zu verhindern. Sie kennen nur eine Lösung für die riesigen Defizite, die durch die Rettungsschirme für des kapitalistische System verursacht wurden: eine Politik von brutalen Kürzungen, einem Sparkurs und Konterreformen für eine ganze Generation. Aber sie haben ein kleines Problem: So eine Politik wird auf den Widerstand der ArbeiterInnenklasse stoßen. Griechenland zeigt genau das.
Heutzutage erachten es ArbeiterInnen in vielen Ländern als normal und als ein automatisches Recht, dass sie, wenn sie mit 60 oder 65 zu arbeiten aufhören, etwas Geld vom Staat bekommen. Aber im Kapitalismus ist das nicht normal und auch kein automatisches Recht. Der erste, der Pensionen eingeführt hat, war Bismarck. Dieser reaktionäre Bonapartist führte großzügigerweise Pensionen für jeden über 70 ein, zu einer Zeit, als die durchschnittliche Lebenserwartung in Deutschland bei 45 Jahren lag.
Die Länder der Eurozone haben heuer schon rekordverdächtige 110 Mrd. € an den Finanzmärkten ausgeliehen und damit die Kreditkosten für die Länder mit den schwächsten Staatsfinanzen nach oben getrieben, da diese einen hohen Preis für ihre riesigen Schuldenberge zahlen. Die Lösung der Bourgeoisie besteht darin, eher die Ausgaben zu kürzen als die Steuern zu erhöhen. Manche reden sogar davon, die staatlichen Pensionen komplett abzuschaffen, und auf lange Sicht wird das auch auf die Tagesordnung gesetzt werden, wenn sie nicht von einer Bewegung der ArbeiterInnen besiegt werden. Sie werden damit anfangen, die Lage durch Maßnahmen wie die Erhöhung des Pensionseintrittsalters zu testen. Frankreich bewegt sich schon in diese Richtung und andere Länder folgen zögernd.
Was nun?
Der Kapitalismus entwickelt sich in Auf- und Abschwüngen. An einem bestimmten Punkt wird die kapitalistische Welt unausweichlich in eine Periode der industriellen Erholung eintreten – In einigen Ländern haben wir schon die ersten Anzeichen dafür gesehen. Das ist ein Naturgesetz in der kapitalistischen Gesellschaft. Jedoch bedeutet eine wirtschaftliche Erholung keineswegs die Wiederherstellung des Gleichgewichts der Klassenverhältnisse in der Gesellschaft. Das wird durch die Krise des griechischen Kapitalismus bewiesen, wie die „Financial Times“ klar erkennt:
„Die Turbulenzen in Griechenland spiegeln die Ungleichgewichte in den 16 Euroländern wider, und jeder wird dazu etwas beitragen müssen, diese Krise wieder unter Kontrolle zu bringen. Konkret haben Griechenland und ein paar andere Länder – besonders Portugal und Spanien – sehr große Leistungsbilanzdefizite, während Deutschland, Europas Exportweltmeister und die größte Ökonomie in der Eurozone, dazu tendiert, große Leistungsbilanzüberschüsse zu erzielen. Das griechische Defizit betrug im dritten Quartal 2009 außerordentliche 12% des BIP, während das Portugals bei 10% lag.“ (FT, 1. Februar 2010)
Die griechische Krise ist ohne Zweifel die gefährlichste in der Geschichte der Eurozone. Die höchsten Amtsträger der EU forderten Griechenland dazu auf, die Lohnkosten zu senken, die Pensionsreform voranzutreiben und 10% der Ausgaben einzusparen, um sich aus der derzeitigen misslichen Lage zu befreien. Papandreou hat einen Deal mit den konservativen Oppositionsführern gemacht, um soziale Unruhen zu verhindern. Aber die Aussicht von drei Jahren ökonomischer Entbehrungen ist ein vollendetes Rezept für eine Explosion des Klassenkampfes in Griechenland.
Das verstehen die ernsthaften Strategen des Kapitals wie Edwards, der schreibt: „Anders als Japan oder die USA gibt es in Europa eine bedauerliche Tendenz zu Unruhen im Falle von extremem wirtschaftlichen Leid,“ Die Staaten in Südeuropa mit den schwächsten Finanzen „einer langen Periode von Deflation“ auszuliefern würde „höchstwahrscheinlich eine zu harte Prüfung für diese Staaten darstellen.“
Die herrschende Klasse und die EU üben gewaltigen Druck auf die Führung der PASOK aus, welche, mit der Ausrede von Schulden und Defizit, versuchen wird, ein hartes Sparprogramm durchzudrücken. Das provoziert eine starke Reaktion aus der ArbeiterInnenklasse, die für die PASOK gestimmt hat und jetzt in einen Kampf zur Erhaltung ihres Lebensstandards eintritt. Am 10. Februar legten Beschäftigte im öffentlichen Dienst, von den Lehrern bis zu den Beschäftigten der Müllabfuhr, ihre Arbeit in ganz Griechenland nieder. Trotz des anhaltenden Regens gingen sie auf die Straße, um Parolen gegen das Einfrieren der Grundgehälter bei gleichzeitigem Streichen von Sonderzulagen zu rufen. Proteste griechischer Bauern sind sogar noch militanter. Ihre Traktoren blockieren seit drei Wochen viele griechische Autobahnen und den Hauptgrenzübergang nach Bulgarien.
Die PASOK-Führung in Griechenland versucht, ein Programm von harten Maßnahmen, wie dem Erhöhen von Massensteuern und der Drosselung von Ausgaben, durchzudrücken. Die letzten Oktober abgewählte konservative Opposition unterstützt dies aus vollem Herzen. Ihr Chef, Antonis Samaras, dankte dem Präsidenten der Europäischen Kommission José Manuel Barroso für seine „konstruktive Einstellung“. Aber der Konsens wird nicht halten. Die Lohnkürzungen werden viel Leid verursachen und die Bourgeoisie bereitet sich jetzt auf die „Reform“ des Pensionssystems vor, die das durchschnittliche Pensionsantrittsalter in Griechenland von 58 auf 63 Jahre anheben soll. Sogar diese Maßnahmen werden nicht genügen, um die „Produktivität und Effizienz“ so zu steigern, wie die Bürgerlichen es verlangen.
Die griechische Regierung hat eine umfassende Überarbeitung des Steuersystems angekündigt, die auch eine verstärkte Besteuerung der Reichen beinhalten soll. Aber für die Reichen bieten sich tausend Wege, dem Zahlen von Steuern zu entgehen – gerade in Griechenland. Das zentrale Problem ist die Tiefe der Rezession, die, trotz aller hoffnungsfrohen Vorhersagen nicht überwunden ist. Die jetzige Erholung ist schwach und instabil.
Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), die die Bank of England, die US Federal Reserve und die Europäische Zentralbank beinhaltet, befürchtet, dass die Probleme der Banken weltweit noch lange nicht gelöst sind und leicht einen so genannte „double dip“ oder „W-förmigen“ Abschwung auslösen könnten. „Ein erhebliches Risiko ist dabei, dass der jetzige Stimulus nur zu einem vorübergehenden Ansteigen des Wachstums führen wird, gefolgt von einer längerfristigen Stagnation.“ Eine L-förmige Rezession wäre sogar noch schlimmer als die jetzige Situation. Sie würde eine Periode der „Stagflation“ andeuten, wie die, die Japan in den 1990ern erlebt hat.
Die Tinte auf einer Erklärung, die die europäischen PolitikerInnen zur Unterstützung Griechenlands in seinem Kampf um die Fortsetzung der Schuldenbedienung abgegeben hatten, war noch nicht trocken, da gab es schon wieder neue schlechte Nachrichten aus der Eurozone. Zahlen, die am Freitag, dem 12. Februar veröffentlicht wurden, zeigten, dass das BIP in den drei Monaten bis Ende Dezember in den 16 Staaten der gemeinsamen Währung nur um 0,1% gegenüber dem Vorquartal stieg. Dass überhaupt ein Anstieg zu verzeichnen war, ist vor allem Frankreich zu verdanken, wo ein Anstieg der Konsumausgaben die Wirtschaft um 0,6% ansteigen ließ. In den anderen großen Staaten der Region stagnierte das BIP entweder – wie es in Deutschland der Fall war – oder sank sogar, wie in Italien oder Spanien.
Frankreich steht vor allem wegen der starken Rolle, die der Staat in der Wirtschaft spielt, gut da. Die Regierungsinvestitionen stiegen im vierten Quartal um 0,7%, nach ähnlichen Raten in den beiden vorherigen Quartalen. Aber Frankreich wird diese Wachstumsraten nicht beibehalten können. Das Budgetdefizit betrug letztes Jahr 8% des BIP: Frankreich ist kaum ein Modell für Finanzdisziplin und könnte damit zu kämpfen haben, seine steigenden Schulden in den Griff zu bekommen.
In Spanien fiel das BIP im vierten Quartal um 3,1%, auf das Jahr umgerechnet, und die Nachfrage wird gedrückt durch die Schulden, die im langen Immobilienboom aufgehäuft wurden. Die Arbeitslosenrate liegt bei knapp 20%. Zapatero hat versucht, Konflikten mit den Gewerkschaften aus dem Weg zu gehen, aber ist jetzt dem mitleidslosen Druck der Anleihenmärkte ausgeliefert. Das bedeutet, dass er zu Kürzungen und Konter-Reformen gezwungen sein wird. Es gibt keine Zweifel, dass die spanischen ArbeiterInnen genauso wie ihre griechischen Kollegen reagieren werden.
Die finanzpolitische Krise in Griechenland hat den Druck auf andere Länder erhöht, ihre Finanzen in den Griff zu bekommen. Das wird zwei Effekte haben: es wird das Wachstum des BIP in der Eurozone bremsen und es wird überall zu einer Intensivierung der Klassenkämpfe führen. Der rapide Anstieg der Arbeitslosigkeit tendiert dazu, vorübergehend als eine Art Bremse für ökonomische Streiks zu wirken, aber der sich anhäufende Unmut in der Gesellschaft steigt und kann plötzlich ausbrechen, wie die jüngsten Streiks in Griechenland zeigen.
Die anfänglichen Auswirkungen der Krise bedeuteten in fast ganz Europa ein erhebliches Absinken der Streikzahlen. Die ArbeiterInnen fürchteten, ihre Jobs zu verlieren und hofften, bis zur nächsten Erholung durchzuhalten. Dieser Dämpfungseffekt hält jedoch nicht ewig an. An einem bestimmten Punkt, an dem sich die ArbeiterInnen bewusst werden, dass die Köpfe einziehen keine Lösung ist, verwandelt er sich ins Gegenteil und aus Angst schlägt die Stimmung der Arbeiter in Wut und das Verlangen um, sich zu wehren. Das ist es, was wir jetzt in einigen Ländern Europas anfangen zu sehen. Und das ist es, was die ernsthaften Strategen des Kapitals international besorgt.
„The Economist“ schreibt:
„Es ist immer noch eine Frage, wie lange die Bereitschaft [Steuererhöhungen zu akzeptieren] anhalten wird, da die GriechInnen die Kosten der Rezession berechnen. Die Banken haben die Kreditvergabe an die KonsumentInnen und kleine Unternehmen abgeklemmt. Die Anzahl der geplatzten Schecks hat Rekordmarken erreicht. In so einer Situation könnte das Gefühl der nervösen Beklemmung einer aufkochenden Unmut weichen.“
Und der Artikel fährt fort:
„[…Papandreou] bewegt sich auf einem Drahtseil. In einem Land, das Europas schwerste Unruhen der letzten Zeit vor gerade mal einem Jahr erlebte, ist der soziale Friede fragil. Aber die größte Gefahr geht von Randgruppen aus, etwa Ultralinken und desillusionierte Jugendlichen, nicht von den etablierten Gewerkschaften oder Parteien.“ („The Economist“, 12. Februar, Hervorhebungen durch den Verfasser)
Diese Äußerungen sind auf jedes Land in Europa zu übertragen. Griechenland ist nur insofern ein Spezialfall, als es eines von mehreren schwachen Gliedern des europäischen Kapitalismus ist. Aber in allen Ländern Europas unterstützen die bürgerlichen Parteien Einschnitte in den Lebensstandard der ArbeiterInnen „um die Krise zu lösen“ und die reformistischen Parteiführungen fügen sich gehorsam, manche widerwillig (Zapatero), manche begeistert (Brown). Die ArbeiterInnen werden nicht ruhig dabei zusehen, wie alle sozialen Errungenschaften der letzten 50 Jahre zerstört werden. Wir sehen bereits den Beginn einer großen Bewegung in Griechenland. In der nächsten Zeit wird sich dies in einem europäischen Land nach dem anderen wiederholen.
London, der 15. Februar 2010
Dieser Artikel erschien erstmals unter dem Titel Euro crisis confirms Marxist perspectives