Wir führten im Rahmen des „Lehrerstreits“ ein Interview mit Edith Friedl – ihres Zeichens Lehrerin an der HBLA für Künstlerische Gestaltung in Linz.
Funke: Was halten die LehrerInnen davon, als Leidtragende bei der Sanierung des Budgets herangezogen zu werden?
Friedl: LehrerInnen mutieren – so wie etliche andere Berufsgruppen auch – schnell zum „Fußabstreifer“ einer verfehlten Budgetpolitik, die großspurig und zynisch als „Sanierung“ des öffentlichen Haushalts bezeichnet wird. Bereiche wie Bildung, Gesundheit, Justiz, Kultur etc. sind KERNBEREICHE einer Gesellschaft, die seit Jahren äußerst kurzsichtig und schleichend auf gefährliche MINDEST-Standards zusammengestutzt werden.
Gleichzeitig wird der neoliberale Wirtschafts- und Finanzkurs weiter gefahren, so als ob nix gewesen wäre: Banken erhalten sofort und gänzlich unbürokratisch aus dem öffentlichen Budget Unterstützung in Milliardenhöhe ohne irgendwelche Auflagen; Manager und Aktionäre leben weiter wie die Maden im Speck; kapitalschonende Stiftungen und Steuererleichterungen auf der ganzen Linie für „Gstopfte“ bleiben weiter die Regel. Privatisierung und Ausdünnung von Staatseigentum sind nach wie vor „en vogue“ usw. usf.
Was mich beim „LehrerInnen-Bashing“ deshalb am meisten ärgert, ist die hinterfotzige Begriffsumdrehung: „REFORM“ wird diese Salamitaktik genannt, um statt echter, struktureller Verbesserungen das Bildungsbudget von Mal zu Mal mehr zusammenzustreichen. Pröll als ÖVP-Finanzminister von SPÖ-Gnaden bewährt sich hier als mikro-ökonomischer „Bullterrier“ besonders gut.
Frust und Arbeitslosigkeit bei den jungen, Demotivierung und Grant bei den älteren LehrerInnen sind u.a. die Folge. Auf der Strecke bleiben Perspektiven, die tatsächlich angetan wären, Kindern und junge Menschen eine Bildung zu vermitteln, die weit über das wirtschafts-kompatible Flickwerk einer standardisierten „Bologna-AUSbildung“ hinausgehen.
Und nicht zuletzt stört mich ganz gewaltig, wie von ministerieller Seite mit meiner Berufsgruppe umgesprungen wird: via Medien wird ihr in apotiktischer, ja nachgerade feudaler Manier ausgerichtet, was sie gefälligst zu tun hat. Dass sich die Leute u.a. dadurch ziemlich vor den Kopf gestoßen fühlen, ist daher nur logisch.
Funke: Was ist deiner Meinung nach die Ursache, warum dieser Angriff ausgerechnet am Beginn einer tiefen Wirtschaftskrise geführt wird?
Friedl: Hier ist die „Bildungszunft“ für Wirtschaft, Politik und viele Medien ein „gefundenes Fressen“, um mit ihr Ablenkungsmanöver und Nebenschauplätze zu attraktivieren, damit hintenrum ungestört der sattsam bekannte Wirtschafts- und Politkurs beibehalten werden kann.
Gerade LehrerInnen bieten sich dafür bestens an: einerseits gibt es in der Bevölkerung emotionale Ressentiments gegenüber den „Paukern“ – denn wer kennt nicht aus eigener Schulzeit manch eine Niete unter den PädagogInnen (auch ich kann davon ein Lied singen!) – andererseits eignen sie sich besonders gut, um Neidgefühle zu aktivieren: Ferien stehen dabei an erster Stelle, gefolgt von (partieller) Arbeitsplatzsicherheit etc. Und nicht zuletzt ist die Quantität ihrer Arbeit schlecht messbar, denn sie entfleuchen nach dem Unterricht mit Heften, Skripten und sonstigem in ihre eigenen vier Wände und treiben’s dort unbeaufsichtigt(!) irgendwie weiter. Genaues weiß man nicht…
Daher ist es kein schlechter Schachzug, die LehrerInnen am Beginn der Krise – quasi als „Vorspeiserl“ – mal „dem Volk“ zum Fraß vorzuwerfen. Das Rudel stürzt sich speichelnd auf den Brocken und ist für’s erste abgelenkt. Bald kommen weitere aus dem öffentlichen Bereich: MitarbeiterInnen in der Justiz, der Exekutive, an den Unis, im Gesundheitsbereich, im Kulturbetrieb, bei Post & Bahn – und natürlich ebenso in der Privatwirtschaft: Zuerst trifft’s die Leasing-ArbeiterInnen, ebenso Menschen in untypischen Beschäftigungsverhältnissen, dann die sog. Stammbelegschaften. Die werden dann alle munter gegeneinander ausgespielt und ausgetrickst. Wie schon so oft! Und viele fallen „volle Wäsch“ wieder drauf rein (ein Pflichtfach in SOLIDARITÄT & ZIVILCOURAGE wäre daher hoch an der Zeit…).
Funke: Was hältst du von Werner Faymann’s Zugang in dieser Frage, im Ernstfall den Einspruch der Gewerkschaften einfach zu ignorieren?
Friedl: „Kuschel-Genosse“ & „Lach-Nummer“ Faymann schenkte ich vor Monaten das Hörbuch „DIE DIKATUR DES PROFITS“ von Viviane Forrester. Er hat sich den Inhalt dieser fünf CDs ziemlich sicher nicht angehört – oder schon wieder verdrängt, denn was er da verkündet, ist nix anderes als der fade Aufguss seiner mittlerweile abgetakelten Vorgänger Blair und Schröder, die besonders begnadeten „Tanzmäuse“ des Kapitals. Wenn der Mann (mit SEINEM ÖVP-Finanzminister) so weitermacht, wird er sich noch wundern – mit oder ohne Gewerkschaften.
Funke: Was waren die Ergebnisse der Dienststellenversammlungen. Planen die Lehrer und die Gewerkschaft weitere Schritte oder kommt es am grünen Tisch zur Einigung?
Friedl: Meine KollegInnen erwarten von der Gewerkschaft, dass sie Flagge zeigt und sich nicht mit „Schmähgschichtln“ über den Tisch ziehen lässt (etwa: zwei Jahre „Probe-Zeit“ für erhöhte Lehrverpflichtung ohne Lohnausgleich).
Sollte es zu keinem zufriedenstellenden Ergebnis kommen, werden die LehrerInnen ihre Arbeit niederlegen. Die Abstimmungen dafür brachten ein Ergebnis von knapp 100%.
Funke: Am 28.03. soll in Wien eine Großdemonstration unter dem Motto „Wir zahlen nicht für eure Krise“ stattfinden. Es gibt bereits einzelne Belegschaften aus anderen Branchen, welche überlegen, nach Wien zu mobilisieren. Planen die Lehrer auch Schritte in diese Richtung?
Friedl: Ob seitens der GÖD bzw. von LehrerInnen selbst geplant ist, sich daran zu beteiligen, weiß ich noch nicht. Ich hoffe aber, dass daran möglichst viele Menschen teilnehmen. Auch die Betroffenen aus dem öffentlichen Sektor!
Denn den sog. „Eliten“ muss vor Augen geführt werden, was jetzt und in Zukunft Sache ist.
Dabei ist ganz ganz wichtig, dass von allen Beteiligten erkannt wird, dass diese Finanz- und Wirtschaftskrise KEIN NATURGESETZ, sondern eine von Menschen gemachte Katastrophe ist, die daher auch verändert werden kann. Von Grund auf – und (um das inflationäre Wort zu verwenden) NACHHALTIG!
Wir danken für das Interview.