Die braunen Schmierereien am ehem. KZ Mauthausen sind ein weiterer Beweis, dass die Nazi-Szene immer frecher wird. Breite und kämpferische antifaschistische Mobilisierungen sind die einzige Antwort, welche die Faschos zum Schweigen bringt. UPDATE: Interview zum Neonazi-Überfall auf GewerkschafterInnen und Linke an Autobahnraststätte in Deutschland
Vor einigen Tagen beschmierten Nazis das ehemalige KZ Mauthausen mit einem hetzerischen Spruch gegen JüdInnen und Moslems. Seit Monaten sehen wir eine Reihe von Indizien für ein offensiveres öffentliches Auftreten der Neonazi-Szene. Die Hochburg brauner Aktivitäten ist derzeit wohl Oberösterreich, wo der Bund Freier Jugend (BFJ) sein Unwesen treibt (ein genauerer Bericht siehe die aktuelle Funke-Ausgabe, Nr. 86).
Im Windschatten von BZÖ und FPÖ, die bei den letzten Nationalratswahlen mächtig zulegen konnten, und seither ohne große Umschweife ihr rechtsextremes Gedankengut zur Schau stellen, kriechen die Neonazis wieder aus ihren Löchern. Die Zeitschrift „Malmö“ berichtet in ihrer jüngst erschienen Sondernummer zum Thema „Rechtsextremismus in Österreich“:
„Mit der Normalisierung des Rechtsextremismus wuchs auch das Selbstbewusstsein von Neonazis. Die einschlägige Szene hat in den letzten Jahren quantitativ wie qualitativ enorm zugelegt. Und mit dem Selbstbewusstsein wuchs wiederum die Gewalttätigkeit: Sogar das Innenministerium musste einräumen, dass die Zahl der angezeigten rassistischen Straftaten von 13 im Jahr 2005 auf 48 im Jahr 2007 gestiegen ist. Zuletzt wurden auch linke Strukturen Ziel von Attacken, wie zum Beispiel beim Überfall von Neonazis auf den Kulturverein W23 am 25. Oktober 2008. Begünstigt werden solche Entwicklungen auch von einer Justiz, welche zunehmend ihr Interesse an einer Verfolgung von Neonazis zu verlieren scheint. Obwohl Delikte wie Anzeigen zunahmen, hat sich die Zahl der Verurteilten nach dem Verbotsgesetz im Vorjahr mehr als halbiert. Zuletzt sorgte ein Welser Geschworenengericht mit seinen Freisprüchen von fünf Aktivisten des neonazistischen „Bund Freier Jugend“ (BFJ) vom Vorwurf der Wiederbetätigung für gute Stimmung in der Naziszene.“
Die Nazi-Szene ist gewiss noch immer ein gesellschaftliches Randphänomen. Die ArbeiterInnenbewegung und die Linke tut jedoch gut daran, die braune Gefahr bereits im Keim zu ersticken. In den nächsten Monaten wird es eine Reihe von antifaschistischen Mobilisierungen geben, die wir vom „Funke“ aktiv unterstützen bzw. mitorganisieren werden.
Im März droht ein Marsch auf das Wiener Rathaus der „Bürgerinitiative Dammstraße“, die seit geraumer Zeit gegen den Ausbau eines islamischen Gebetshauses im 20. Wiener Gemeindebezirk mobil macht (siehe Interview mit Florian Karhofer), wieder zum Aufmarschgebiet organisierter Alt- und Neonazis zu werden. Erste Vorbereitungen für eine antifaschistische Gegenmobilisierung sind im Laufen.
In Braunau, dem Geburtsort von Adolf Hitler, will die NVP rund um Hitlers 120. Geburtstag eine Kundgebung organisieren. Unter dem Motto „Vorgestern ist vorbei“ wird auch heuer ein antifaschistisches Bündnis auf die Straße gehen und klarstellen, dass Braunau kein Pilgerort für Ewiggestrige werden darf. In diesem Sinne soll der Nazi-Aufmarsch verhindert und für die Schließung des Thor-Steinar-Ladens, einem Geschäft, dass bei Nazis beliebte Mode führt, demonstriert werden.
Am 1. Mai will die NVP dann auch noch den höchsten Feiertag der ArbeiterInnenbewegung für ihre Zwecke missbrauchen und in Linz demonstrieren. Schon am 30. April organisiert die SJ Oberösterreich gemeinsam mit der Gewerkschaftsjugend ÖGJ einen Fackelzug gegen Rechts. Sollte die NVP keinen Rückzieher machen, dann werden wir alles unternehmen, um diesen Nazi-Aufmarsch zu verhindern.
Je stärker und offensiver wir auftreten desto schwerer wird es den Nazis fallen, ihre Hetzpropaganda zu verbreiten. Eine besondere Aufgabe im antifaschistischen Kampf fällt den Gewerkschaften und der Sozialistischen Jugend zu. Die letzten Wochen haben gezeigt, dass viele Menschen, vor allem Jugendliche, bereit sind, ein Zeichen gegen Rassismus und Faschismus zu setzen. An der Demo gegen den WKR-Ball der schlagenden Burschis in Wien beteiligten sich an die 2000 TeilnehmerInnen. Die antifaschistischen Aktionstage der Sozialistischen Jugend Vorarlberg anlässlich des 75. Jahrestages des Februar 1934, der Zerschlagung der organisierten ArbeiterInnenbewegung durch die austrofaschistischen Heimwehren und die christlich-soziale Bundesregierung unter Engelbert Dollfuß, war ebenfalls ein voller Erfolg (Bericht siehe unten).
Wir rufen alle unsere LeserInnen auf, gegen Rassismus und Faschismus aktiv zu werden und sich an den kommenden antifaschistischen Demonstrationen zu beteiligen.
Wehret den Anfängen!!!
Die Funke-Redaktion
Das war der antifaschistische Fackelzug
„Nie wieder Faschismus!“ – unter diesem Slogan beteiligten sich gestern, zum 75. Jahrestag der Februarkämpfe im Jahr 1934 auf Aufruf der Sozialistischen Jugend Vorarlberg 60-70 AktivistInnen am antifaschistischen Fackelzug in Bregenz, um der Opfer des Austrofaschismus zu gedenken. In der Geschichte Vorarlbergs stellte dies ein Novum dar: Erstmals wurde dieses vergessengemachte tragische Kapitel der österreichischen Geschichte im öffentlichen Raum thematisiert.
Vor genau 75 Jahren wurden kampfbereite antifaschistische ArbeiterInnen von Polizei, Militär und FaschistInnen massakriert. Zu diesem traurigen Jubiläum versammelten sich AktivistInnen der SJ, der KPÖ, der türkisch/kurdischen Linken, von denen einige sogar extra aus Innsbruck angereist waren sowie einzelne AktivistInnen. Der Gedenkmarsch begann mit der Vorlesung eines Augenzeugenberichtes eines Schutzbündlers, der in die Februarkämpfe involviert gewesen war. Dann setzte sich der Fackelzug schweigend Richtung Innenstadt in Bewegung. Flankiert wurde er von roten Fahnen und einem Trompeter, der ArbeiterInnenlieder spielte. In der Innenstadt gab es einen Zwischenstopp, in dem ein weiterer Augenzeugenbericht vorgelesen wurde, in der ein weiterer beteiligter der Februarkämpfe von der besonderen Brutalität der FaschistInnen berichtete. Aufs Neue ging der andächtige Zug weiter bis zum „Leutbühel“, wo ein Mitglied der SJ eine Abschlussrede hielt, in der er u.a. auf den Geschichtsrevisionismus der ÖVP einging, die sich nach wie vor auf ihr austrofaschistisches Erbe beruft. Der Gedenkmarsch wurde mit einer Schweigeminute für die Opfer des Austrofaschismus beendet.
Im Anschluss fand im Bregenzer Jugendgästehaus mit 35 TeilnehmerInnen eine Diskussionsveranstaltung mit dem Historiker Werner Bundschuh statt, der auf die Geschichte des Faschismus in Vorarlberg einging. Besonders betonte er die Rolle des „politischen Katholizismus“, der in Vorarlberg seit 1870 eine gewisse Kontinuität bis heute aufweise. Was das für jedeN einzelneN heiße, zeigte er anhand zweier banaler Beispiele: In der Zeit des Austrofaschismus war es üblich, dass der Pfarrer entlang der Sandbank der Bregenzer Ach Glasscherben streute, um die bade- und sonnenbegeisterten Jugendlichen davonzutreiben. Doch auch lange nach der Zeit des Austrofaschismus war alles, was als „unsittlich“ galt, einer strengen Kontrolle unterworfen. So wurden beispielsweise in Vorarlberg noch in den 1960er- und 1970er-Jahren mehr Filme zensiert als zur Zeit des Nationalsozialismus. Auch war Vorarlberg das einzige Bundesland, in dem ein „Twist-Verbot“ (ein moderner Tanz der 60er-Jahre, Anm.) galt. Was aus heutiger Sicht belustigend und absurd erscheint, bedeutete vor allem zur Zeit des Austrofaschismus für all jene, die nicht in das Weltbild des politischen Katholizismus passten den reinsten psychischen und nicht selten auch körperlichen Terror.
Bundschuh ging abschließend auch auf die These der „geteilten Schuld“ von Sozialdemokratie und Christlichsozialen am österreichischen Bürgerkrieg ein und stellte fest: Man kann über viele Ansichten über die damalige Zeit diskutieren, aber eines ist aus historischer Sicht heute klar und deutlich – von einer „geteilten Schuld“ könne keine Rede sein, die Verantwortung für die dramatischen Ereignisse der Zwischenkriegszeit liege eindeutig beim Austrofaschismus.
Wir freuen uns sehr darüber, dass der Erfolg der antifaschistischen Aktionstage unsere Erwartungen weit übertroffen hat. Wir werden fortan weiterhin am 12. Februar in der Öffentlichkeit auf die Verberechen des Austrofaschismus aufmerksam machen um zu einer Bewusstmachung dessen beitragen, was in der österreichischen Geschichtsschreibung zu gerne und oft untergeht: Dass wir über eine kämpferische antifaschistische Tradition verfügen, die allerdings vom österreichischen Bürgertum im Blut ertränkt wurde.
Quelle: SJ Vorarlberg