Am 11. Dezember 2008 einigten sich Post-Vorstand und die Spitze der Gewerkschaft der Post- und Fernmeldebediensteten (GPF) nach ersten Warnstreiks. Der Arbeitskampf ist somit bereits wieder beendet. Eine erste Bilanz.
Erinnern wir uns kurz, was auf dem Spiel stand: Bis 2015 wollte der Vorstand 1.000 Postämter schließen und 9.000 Stellen abbauen.
Die Einigung
Die GPF-Führung feiert das vorliegende Ergebnis als großen Erfolg. Vier Punkte stünden zwischen Vorstand und GPF nun außer Streit, heißt in einer internen Aussendung der FSG-GPF. Dadurch seien weitere Verhandlungen erst möglich geworden, was umgekehrt heißt, es braucht keine Fortführung der Kampfmaßnahmen mehr.
Diese 4 Punkte im Wortlaut:
„1. Die Forderungen der Post an ein neues Postmarktgesetz sowie der in diesem Zusammenhang stehenden Änderungen der Universaldienstverordnung und der adäquaten Finanzierung einer österreichweit verpflichtenden Zustellung werden in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe definiert und in einem gemeinsam definierten Umsetzungsprogramm nach Möglichkeiten der beiden Partner vorangetrieben.
2. Der Zentralausschuss der Österreichischen Post AG (über die Gewerkschaft der Post- und Fernmeldebediensteten) sowie der Vorstand der Post (als Mitglied der Wirtschaftskammer) werden ein gemeinsam abgestimmtes Umsetzungsprogramm zur Schaffung eines Branchen-KV vorantreiben.
3. Der Vorstand der Österreichischen Post AG und das Präsidium des Zentralausschusses bekennen sich dazu, die wirtschaftlichen Maßnahmen des Gesamtunternehmens sowie der einzelnen Geschäftsfeldbereiche vor einer allfälligen Umsetzung, gemäß den Mitwirkungsrechten nach Arbeitsverfassungsgesetz (ArbVG) und dem Post-Betriebsverfassungsgesetz (PBVG) zwischen dem ZA und dem Vorstand der Post AG eng abzustimmen.
4. Alternativen zu allfälligen Postamtsschließungen bzw. zur Auslagerung von Zustell- und Sortierleistungen im Bereich Brief an Private werden gemäß Arbeitsverfassungsgesetz (ArbVG), Post-Betriebsverfassungsgesetz (PBVG) sowie dem Budget 2009 gemeinsam gesucht. Dieser Prozess wird ab sofort beginnen und soll ehestmöglich abgeschlossen.“
Was heißt das konkret?
Erstens akzeptiert die Gewerkschaft die Liberalisierung der Gelben Post mit 2011. Das Unternehmen soll darauf vorbereitet werden. An die Regierung wird ein Appell gerichtet, ein neues Postmarktgesetz zu beschließen, damit auch nach Liberalisierung des Briefverkehrs die Post wettbewerbsfähig sein könne und gleichzeitig die flächendeckende Versorgung mit Postdienstleistungen möglich sei. Die Liberalisierung wird nämlich ein Erdbeben für diesen Sektor bringen. In Britannien und Schweden musste die ehemals staatliche Post nach der Liberalisierung und den daraus folgenden Umsatzeinbußen 30 bis 95 Prozent ihrer Filialen schließen! Vor allem in den Ballungszentren, wo Profite zu erwarten sind, ist mit dem Eintritt von privaten KonkurrentInnen zu rechnen. Auch private PostdienstleisterInnen wie Hermes sollen dann an Auflagen (Qualitätssicherung) gebunden sein.
Der Vorstand will die Gewerkschaft nach deren Säbelrasseln nun offensichtlich wieder in die Vorbereitungen auf eine Zeit, wo dem Unternehmen ein noch rauerer Wind entgegen blasen wird, einbinden. Mehr wollte die GPF-Spitze offensichtlich auch gar nicht. Sie will mitverhandeln und dabei sein, wenn die Weichen Richtung Liberalisierung gestellt werden. Und das war’s. Schon in der Vergangenheit haben sich GPF-Vorsitzender Gerhard Fritz & Co. als kompetente BeraterInnen des Managements hervorgetan. Sie glauben die richtigen Konzepte in der Schublade zu haben, wie die Post AG erfolgreich im Wettbewerb bestehen kann. Jetzt wollen sie an der Novellierung des Postmarktgesetzes und an der Entwicklung der einzelnen Geschäftsfeldbereiche Hand in Hand mit dem Vorstand mitwirken.
Die „Warnstreik“-Show
Dafür wurde der Schein eines Arbeitskampfes inszeniert: „Warnstreiks“, bei denen für 1-2 Stunden österreichweit 90 Postämter zugedreht wurden, während drinnen die Arbeit weiterging. Und dann noch kurz vor der entscheidenden Aufsichtsratssitzung, wo das Budget 2009 beschlossen werden sollte, eine coole, mit Pfeifkonzert, Trommelschlag und bengalischen Feuern untermalte Demo-Show unter der Leitung von Willi Mernyi, dem ÖGB-Kampagnen-Guru.
Zwischendurch kam ein wenig Hektik in die GPF, weil die ChristgewerkschafterInnen in Westösterreich ohne Absprache mit der Mehrheitsfraktion FSG die Verteilzentren blockierten und somit die Zustellung gefährdeten. Selbst diese Aktion war mehr halbherzig als sonst was – machte die FSG-Spitze aber recht nervös, weil sich die FCG damit einmal mehr als kämpferischere Fraktion in der Öffentlichkeit präsentierte.
Die FSG- und FCG-Spitze scheuen jedenfalls die aktive Einbindung der Belegschaft in Kampfmaßnahmen bzw. die Diskussion über Kampfmaßnahmen wie der Teufel das Weihwasser. Streik bedeutet für sie, dass ein paar GewerkschaftsfunktionärInnen draußen das Postamt blockieren, eine kleine Medienaktion – und das war’s. Spätestens wenn die Aktion vorbei ist und die Medienleute abgezogen sind, müssen die normalen Postbediensteten die Arbeit erst recht machen. Niemand hat die Basis in den Postämtern und Verteilzentren gefragt, ob sie streiken wollen, wie lange sie streiken wollen und für welche Ziele sie streiken wollen. Solche Protestformen diskreditieren in Wirklichkeit die Gewerkschaftsidee und die Idee des Streiks mehr als sie ihr nutzen. Diesen Vorwurf wird sich die GPF-Führung gefallen lassen müssen.
Alles in allem war diese Form des Arbeitskampfes nur Teil einer gezielten Show. Einziges „Streikziel“ war für Gerhard Fritz & Co., dass sie vom Vorstand wieder an den Verhandlungstisch gelassen werdem. Das ist passiert und jetzt wird in alter sozialpartnerschaftlicher Manier die Gelbe Post marktauglich gemacht. Es braucht keine großen HellseherInnen, um zu wissen, dass dies für die Belegschaft weitere Verschlechterungen bringen wird.
Schon bei der letztwöchigen Aufsichtsratssitzung wurde für 2009 ein fettes Sparprogramm beschlossen. Der Vorstand erhielt das Recht 1.000 Stellen, die durch die „natürliche Fluktuation“ frei werden (nicht zuletzt weil unzählige KollegInnen den Arbeitsdruck nicht mehr aushalten und das Handtuch werfen!) bzw. per Sozialplan, zu vernichten. Die GewerkschaftsvertreterInnen im Aufsichtsrat betonen zwar, dass sie gegen diese Personaleinsparung gestimmt haben – diese Arbeitsplatzvernichtung im großen Stil ist für die Gewerkschaftsführung aber scheinbar kein Grund, um den Arbeitskampf fortzusetzen!
Die Verschlechterungen sind also nicht vom Tisch. Einzig, die Gewerkschaftsführung ist wieder am Tisch, darf mitverhandeln und zeigen, ob sie tatsächlich die bessere Managementstrategie hat als der Vorstand!
Als kleines Zugeständnis wurde der Gewerkschaft noch eine Absichtserklärung gegeben, sich gemeinsam für einen Branchen-KV einzusetzen. Dass ein solcher aber nicht vom Himmel fallen wird, sondern erkämpft werden muss, sagt die GPF-Spitze nicht. Mit welcher Kampfstrategie die GPF diesen Branchen-KV durchsetzen will, steht in den Sternen. Der erste Schritt kann nur sein, dass die Gewerkschaft jetzt offensiv daran geht, die Belegschaften in privaten Postdienstleistungsunternehmen zu organisieren!
Mit anderen Worten: Für die Belegschaft drohen weitere massive Verschlechterungen. Das Auftreten der GPF-Spitze in diesem Konflikt wird die Entfremdung zwischen Gewerkschaftsspitze einerseits und den vielen kämpferischen PersonalvertreterInnen und großen Teilen der Belegschaft andererseits weiter verschärfen.
Die Rolle der GPF-Führung erklärt sich aber nicht nur aus der Tatsache, dass sie traditionell eng mit der Unternehmensführung verbunden ist und eine dementsprechend privilegierte Position inne hat. Die GPF-Führung akzeptiert letztlich die kapitalistische Logik und somit auch die Notwendigkeit der Liberalisierung bzw. dass die Post nach marktwirtschaftlichen Kriterien geführt werden muss. Nicht die Liberalisierung und die Schaffung eines Postmarktes ist zu verhindern, sondern es sind lediglich die Bedingungen der Marktteilnahme „sozial verträglich“ zu gestalten. Diese politische Konzeption ist das eigentliche Problem, die eigentliche Ursache für das Verhalten der GPF-Führung. Verstärkt wurde dies nun noch durch die Bildung einer Großen Koalition, die auf eine Einbindung der Gewerkschaftsführung setzt, um vor dem Hintergrund der Krise die künftigen (aus der Sicht der Bürgerlichen notwendigen) Angriffe auf die ArbeiterInnenschaft möglichst reibungslos über die Bühne zu bringen. Die enge Beziehung zwischen Faymann und Fritz, die beide aus der selben SPÖ-Bezirkspartei kommen, hat die Einigung im Post-Konflikt sicher noch leichter gemacht.
Wie weiter?
Nach dieser Einigung zwischen Vorstand und GPF-Spitze, die in Wirklichkeit auf Kosten der Belegschaft geht, braucht es eine ernsthafte Diskussion über die Perspektive für kämpferische PersonalvertreterInnen und GewerkschafterInnen.
In den vergangenen Monaten hat sich in der GPF einiges getan. Ausgehend von Oberösterreich und Wien haben sich erste Kerne einer kämpferischen Gewerkschaftsopposition herausgebildet. Diese KollegInnen, die für eine politische Alternative zur jetzigen Linie der GPF-Führung stehen, indem sie die Liberalisierung prinzipiell ablehnen, indem sie argumentieren, dass Leistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge wie eben die Post vom Staat selbst und nur von diesem erbracht werden müssen, und eine demokratische und kämpferische GPF fordern, haben teilweise gewerkschaftsintern für heftige Debatten gesorgt und Druck auf die Gewerkschaftsspitze gemacht.
Diese Arbeit muss jetzt verstärkt werden. Zur Linie der alten Führung der GPF müssen ein alternatives Programm und alternative Methoden entwickelt werden, die zeigen wie Arbeitskämpfe wirklich organisiert werden und wie die Gewerkschaft allgemein funktionieren soll. Die Grundlage dafür muss in den nächsten Wochen und Monaten gelegt werden. Es geht nicht um organisatorische Kurzschlüsse, wie die Schaffung neuer Listen für die 2010 anstehenden Personalvertretungswahlen, sondern um die Etablierung einer neuen politischen Linie, die das Ziel hat, die Gewerkschaft und die Personalvertretung wieder kampf- und mobilisierungsfähig zu machen. Dies führt nur über einen Weg: Schluss mit jeder Form von StellvertreterInnenpolitik! Die Basis muss das letzte Wort haben! Und dazu muss sie überhaupt erstmal zu Wort kommen können! Für eine demokratische und kämpferische Post-Gewerkschaft!!!
Der „Funke“ springt über
„Der Funke“ versucht die Arbeit dieser KollegInnen mit all seinen Mitteln zu unterstützen und die Vernetzung kämpferischer KollegInnen (unabhängig von ihrer Fraktionszugehörigkeit) voranzutreiben. In Linz und Wien hat „Der Funke“ mit anderen GewerkschafterInnen auch die Initiative zur Organisierung von Solidaritätsaktionen gesetzt.
In Linz fand am 10.12.2008, dem Tag des Warnstreiks, eine Kundgebung der GenossInnen der SJ Römerberg und SJ Steg statt, bei der sie auch mit einigen PostlerInnen (darunter ein enttäuschter ehemaliger Personalvertreter) Kontakt knüpfen konnten.
In Wien organisierten wir am selben Tag eine äußerst erfolgreiche Solidaritätsdemonstration mit rund 200 TeilnehmerInnen, darunter eine Reihe von VertreterInnen der GPF aber auch ein gutes Dutzend normaler PostlerInnen, die mit dieser Demo endlich eine Möglichkeit hatten, ihren Unmut direkt zu äußern. An dieser Demo beteiligten sich außerdem GenossInnen der Sozialistischen Jugend (Verbandsvorsitzender Wolfgang Moitzi hielt auch eine der Reden), diverser linker Organisationen, dem Widerstandscafè an der Uni Wien und eine Reihe von linken GewerkschafterInnen. Schon im Vorfeld verteilten wir Flugblätter für die Demo an fast allen Wiener Verteilzentren und stießen dort mit unserer Aktion auf großes Interesse. „Der Funke“ war auch bei den beiden Kundgebungen der GPF vor den Post-Aufsichtsratssitzungen und auf der Demo der Telekom-PersonalvertreterInnen präsent. Wir hatten unsere eigenen Schilder („Arbeitskampf vorbereiten jetzt!“) mit, verteilten unsere Flugblätter basierend auf einer Resolution der KollegInnen der GPF Wels und verkauften sehr erfolgreich unsere Zeitschrift.
Durch diese Solidaritätsarbeit und die Arbeit von Funke-UnterstützerInnen in der GPF und der Personalvertretung bei der Post haben wir die Basis für den Aufbau einer linken Strömung für eine demokratische und kämpferische GPF gelegt. In den nächsten Wochen muss eine Diskussion geführt werden, wo die Erfahrungen aus diesem Arbeitskämpfchen (der gleichzeitig auch ein Kampf gegen die bremsende Haltung der GPF-Führung war) bilanziert werden. In den letzten Wochen ist die Notwendigkeit für eine politische Alternative an der Spitze der GPF mehr als deutlich geworden. Die Gewerkschaft muss wieder zu einem Sprachrohr und Kampfinstrument der PostlerInnen werden. Die kommenden Angriffe machen dies zu DER Aufgabe der nächsten Zeit!
Redaktion „Der Funke“. 16. Dezember 2008