Unermüdlich setzt Joseph Ratzinger, alias Papst Benedikt XVI., seinen Modernisierungskurs der katholischen Kirche fort: Nach der Debatte über die Wiedereinführung der lateinischen Messe und der Wiederaufnahme der Glaubenskriege gegen den Islam und das Judentum wird nun einer der grundlegenden Punkte des katholischen Glaubens reformiert. Die sieben traditionellen Todsünden (Wollust, Zorn, Neid, Völlerei, Hochmut, Trägheit und Habgier) haben nun doch schon etwas Staub angesetzt. Daher plant Ratzinger sieben neue Todsünden, um seinen Schäfchen die Orientierung im Alltagsleben zu erleichtern: Ratzingers Todsünden exklusiv bei uns im Praxistest!
1. Der Missbrauch von Kindern und Jugendlichen.
Schön, dass sich der Vatikan endlich seiner eigenen Verbrechen annimmt: Erst kürzlich gestand ein Priester in Deutschland, der bereits wegen Kindesmissbrauchs vorbestraft war, einen Ministranten über zwei Jahre sexuell genötigt zu haben. In den USA zahlte eine Diözese im Vorjahr 660 Millionen Dollar Entschädigung für Missbrauchsopfer. Sexuelle Übergriffe sind also in der katholischen Kirche nicht die Ausnahme, sondern haben eine gewisse Systematik. In Österreich sei an dieser Stelle an den „Fall Groer“ in den 1990er Jahren verwiesen, als gegen den Wiener Erzbischof Hans Hermann Groer der Vorwurf erhoben wurde, sich in den 1970ern als Religionslehrer systematisch an Seminaristen des Stifts Göttweig vergriffen zu haben.
2. Menschen aus Profitgier in die Armut zu stürzen
Alleine die Vatikan-Bank verfügt laut Schätzungen über ein Vermögen von sechs Milliarden Euro. Dazu gesellen sich für den Vatikan und die diversen Landeskirchen tausende Immobilien – für die zudem meist wenig bis keine Steuern zu zahlen sind -, Kirchensteuern und diverse andere Einnahmen. Auch wenn von den Gottesmännern natürlich anderes behauptet wird, fließt nur ein Bruchteil (meist im einstelligen Prozentbereich) in den sozialen Bereich. Nicht wenig der „Wirtschaftsleistung“ der katholischen Kirche wird in die Vermehrung des ganz unhimmlischen Gewinns gesteckt. Ob da nicht wohl auch jemand den Preis dafür zahlen muss?
3. Verschwendung von Geldern für Luxus-Artikel
Nicht nur der Teufel trägt Prada – auch der Papst. Natürlich verschwendet eure Heiligkeit für den „modischen Schnickschnack“ nicht die mühevoll zusammen geraubten Gelder der katholischen Kirche, sondern lässt sie sich gern für Werbezwecke gratis zur Verfügung stellen.
Schon lacht sich der Volksanwalt in die Hände, schließlich hat sich der Hauptangeklagte in allen bisherigen Punkten selbst belastet. Doch wäre es nicht die katholische Kirche, wenn sie nicht doch noch eine Hintertür finden würde. Mit den letzten vier Todsünden versucht sie sich dann doch noch weiß zu waschen:
4. Prostitution ist eine Verletzung der Grundrechte des Menschen
Zwar wurden die Klöster im Mittelalter mit Fug und Recht als „größte Bordelle Europas“ bezeichnet, in den letzten Jahrzehnten versucht die katholische Kirche hier allerdings ihre Weste sauber zu halten. Angemerkt sei aber hierzu, dass die Kirchenväter bei diesem Punkt wohl weniger das Wohl der (meist) davon betroffenen Frauen im Auge behalten, sondern vielmehr von ihrer strikten Sexualmoral und dem Beharren auf den Formen der bürgerlichen Familie geleitet wird.
(Ratzis Welt – Das reaktionäre Weltbild von Papst Benedikt XVI.)
5. Die Manipulierung der Gene des Menschen
Diese neue Todsünde zeigt, wie stark die erz-konservativsten Kreise rund um „Pro Life“ und „Opus Dei“ gerade unter dem „modernen“ Medienpapst Benedikt XVI. geworden sind. Als eines seiner Hauptziele bereits kurz nach der Papstwerdung formulierte er den Schutz des ungeborenen Lebens. Die Frage der Genmanipulation, die unter kapitalistischer und damit profitorientierter Kontrolle durchaus zu verheerenden Effekten führen könnte, wird hier zum moralischen Non-plus-Ultra erhoben. Da der Mensch von Gott erschaffen worden sei, dürfe man diesem nicht in sein Handwerk pfuschen, jede(r) einzelne müsse sich in sein Schicksal fügen. Die wissenschaftliche Erforschung der menschlichen Gene und deren Beherrschung könnte allerdings unter den richtigen, von den menschlichen Bedürfnissen bestimmten Rahmenbedingungen durchaus auch eine Befreiung von menschlichem Leid und Krankheit bedeuten.
6. Umweltverschmutzung, insbesondere das Einleiten giftiger Substanzen in die Natur
Die Stelle in der Bergpredigt, wo Jesus „Selig sind die Mülltrenner, denn ihnen ist das Himmelreich“ sagt, sucht man auch nach der Einführung dieser Todsünde vergeblich. Die Frage der Umweltverschmutzung wird hier auf eine rein moralische Ebene gehoben, die kapitalistische Logik dahinter völlig ausgeblendet. Ähnlich wie bei Todsünde Nummer 2 (Profitgier) wird ein Appell an die Unternehmer gerichtet, doch gefälligst auf die Umwelt zu achten. Diese wird aber gerade aus Profitgier bis zum Äußersten ausgebeutet, bis hin zu ihrer
vollständigen Zerstörung. „Was interessiert mich eine lebenswerte Umwelt von morgen, wenn ich den Gewinn von heute vor Augen habe?“ dient dabei als Motto. Die Frage der Umweltzerstörung ist daher nicht eine moralische, sondern hängt fundamental damit zusammen, ob die Geschicke des Planeten vom Streben nach Profit oder den Menschen
selbst bestimmt werden.
7. Der Handel mit Drogen
Am Ende des langen Prozesstages „Volk gegen Kirche“ dann doch noch der Auftritt des Kronzeugen Karl Marx: „Die Religion ist der Seufzer der bedrängten Kreatur, das Gemüt einer herzlosen Welt, wie sie der Geist geistloser Zustände ist. Sie ist das Opium des Volkes. [..] Die Aufhebung der Religion als des illusorischen Glücks des Volkes ist die Forderung seines wirklichen Glücks.“ (Karl Marx, Einleitung zur „Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie“) Wer den Handel mit Drogen unterbinden will, muss vor allem eine lebenswerte Welt schaffen, den Menschen das Schicksal in die eigene Hand geben. Die katholische Kirche mit ihren Versprechungen eines paradiesischen Jenseits für die
ertragenen Leiden des Diesseits und damit der Aufrechterhaltung der jeweils herrschenden gesellschaftlichen Zustände steht dieser Forderung diametral entgegen. Die „bedrängte Kreatur“ namens Lohnabhängige(r) kann sich in dieser Welt unter anderem dem
„illusorischen Glück“ von legalen oder illegalen Drogen hingeben, oder sich von der Heilslehre der katholischen Kirche benebeln lassen. Das „wirkliche Glück“ wird aber nur dann erreicht, wenn sich die Menschheit von den Fesseln beider Übel befreit.
Die Konstruktion der sieben neuen Todsünden zeigt einmal mehr, wie Religion vom Menschen erschaffen wird. Keine dieser sieben Punkte lässt sich irgendwie aus der Bibel herleiten und schon gar nicht aus der Lehre Jesu. Der historische Jesus lehnte Profitgier nicht nur ab, wenn sie Menschen in die Armut stürzte, sondern generell. Die urchristlichen Gemeinden verzichteten auf ihr Privateigentum und lebten in einer Gütergemeinschaft – Luxus exklusive. Und vor allem in diesen Punkten hat die katholische Kirche mehr als genug Dreck am Stecken – und der Papst einen Platz in der (wieder einzuführenden) Vorhölle sicher.
Michi Pils